Zuletzt aktualisiert am 19. März 2013 von Ulrich Würdemann
Köln, gerade Hochburg der Feierei, des gestern zu ende gegangenen Straßenkarnevals, feiert Probleme gerne weg. Eine Strategie, die scheinbar eher den Weg abwärts weist …
Köln war einst eine spannende Stadt.
Köln erscheint mir leider heute, wenn ich (regelmäßig) zu Besuch bin, klein und eng.
Eng weniger im räumlichen Sinn, eng eher in Sachen Horizonte. Das Spektrum an neuen, fremden, ungewöhnlichen Ideen, dem man sich in Köln aussetzen, mit dem man sich auseinandersetzen kann, ist seit Jahren immer kleiner geworden.
Vor vielen Jahren konnte Köln tatsächlich Grund haben, stolz auf sich zu sein. Eine innovative, aufregende Kunstszene, eine Schwulen-und Lesbenszene die sich entwickelte, sich zunehmend gut organisierte, eine florierende Galeristenszene, spannende Clubs und Gruppen, boomende Medienunternehmen …
Heute aber scheint die Stadt leider eher von einem antimodernen Lebensgefühl geprägt. Innovationen, neue Ideen, Denkanstöße gehen von der Stadt kaum noch aus. Keine Experimente.
Hier wird inzwischen viel Politik gemacht, die der Zukunft der Stadt eher schadet als nutzt. Kommt dann gar noch Kritik von außen, wird eher abqualifiziert als nachgedacht und analysiert. Einigeln, ignorieren, wegsehen. Lokalpatriotismus und gute Stimmung. Uns geht’s doch gut. „Mir all sin Kölle“ (wir alle sind Köln), das diesjährige Motto des Rosenmontagszugs, brachte diese Art Lokalpatriotismus gut auf den Punkt.
Dabei ist Köln in vielen Kategorien in den letzten Jahren im Vergleich mit anderen Städten (Hamburg, Berlin, München) abgefallen, hat an Substanz und Bedeutung verloren, droht in Provinzialität zu sinken – und tut sich dennoch schwer, das wahrzunehmen, geschweige denn nach möglichen Ursachen zu fahnden, Veränderungen anzugehen.
Ganz treffend hat diese Einstellung auch die Kölner Gruppe „De Höhner“ in ihrem Song zur Handball-WM beschrieben: „Kumm, loss mer fiere, nit lamentiere“ – komm lass uns feiern nicht reden, mit dieser Mentalität kommt man in Köln gut zurecht. Alles schön unter den Teppich kehren, noch ein Kölsch oben drauf (oder zwei oder …). Probleme ignorieren, lieber feiern und die Welt schön trinken, am liebsten in einer größeren Gruppe. Und wenn gerade kein Anlass da ist, erfinden wir uns einen.
Aber auch die Schwulenszene(n) der Stadt scheinen diese Art, die Realität aus einem ganz eigenen Winkel zu sehen, gut verinnerlicht zu haben. Einer der immer noch beliebtesten schwulen Karnevals- und CSD-Hits z.B. ist das Lied vom „geilsten Arsch der Welt“, der natürlich auf den Namen Köln hört. Wenn man diese ‘Nabel der schwulen-Welt’ – Sicht einmal ernst nimmt, und dann außerhalb toller Tage mitten in der Woche schwul ausgehen möchte, kann man/frau sich wundern. Wird oft nicht gerade eine großstädtische Szene antreffen, sich so manches Mal vielleicht eher an eine Provinzstadt erinnert fühlen. Großstadt-Flair? Innovative Ideen? Mutige Experimente? Fehlanzeige.
In diesem Sinne scheint auch die Schwulen- und Lesbenszene ganz Kind der Stadt …
Aber Ursachen, Probleme? Nein, keine Spur. Die Stimmung ist klasse, wir feiern doch.
Und – am (heutigen) Aschermittwoch ist zwar alles vorbei. Aber „das macht doch nix, das merkt doch keiner“. Und irgendwann ist ja spätestens wieder der nächste CSD …
Eine Antwort auf „Nix lamentieren in der Provinz“
[…] ihre Stadt ja für den Nabel (oder den ‚geilsten Arsch‘) der Welt, nicht für Provinz. Ein großer Teil der Berliner Homoszenen lächelt da sicher milde oder amüsiert und […]