Zuletzt aktualisiert am 21. März 2021 von Ulrich Würdemann
Mitten im Innenstadt-Trubel findet sich an etwas versteckter Stelle einer meiner Lieblings-Orte in Köln – der Schwebende .
Die Kölner Schildergasse wirkt ein wenig in die Jahre gekommen, eineständig hektisch-trubelige Einkaufsstraße im ungepflegten Chic der siebziger Jahre. Hier steht zwischen Jeansgeschäften, Parfümerien, Pizzaketten und Telekommunikationsläden die Antoniterkirche. Und in dieser kleinen Kirche befindet sich eine meiner Lieblings-Plastiken, der ‘schwebende Engel‘, auch ‚Der Schwebende ‚, bekannt als ‘Güstrower Ehrenmal‘.
Eine Figur, mehr als menschengroß, hängt beinahe waagerecht von der Decke. Bekleidet mit einer Art langem Gewand, sind vom Körper nur Füße und Kopf frei sichtbar. Vor der Brust sind die Arme, verschränkt, die Hände jeweils auf dem anderen Oberarm ruhend. Vollkommen ruhig und entspannt schaut den Betrachter das Gesicht der Figur an, friedvoll geschlossene Augen.
Das Gesicht trägt die Züge der Bildhauerin Käthe Kollwitz – keine Absicht, aber auch kein Zufall, wie Barlach erklärte:
“In den Engel ist mir das Gesicht vom Käthe Kollwitz hineingekommen, ohne daß ich es mir vorgenommen hatte. Hätte ich sowas gewollt, wäre es mir wahrscheinlich mißglückt.”
Die Geschichte des Schwebenden
1926/27 schuf der 1870 geborene Bildhauer, Dramatiker und Grafiker Ernst Barlach den ‘schwebenden Engel‘ im Auftrag der Gemeinde Güstrow als Mahnmal für die Gefallenen des ersten Weltkriegs. Noch im gleichen Jahr wurde die Plastik in einem Seitenschiff des Güstrower Doms aufgehängt.
Von den Nazis wurde Ernst Barlachs Kunst als “entartet”, er selbst als “Kulturschänder” diffamiert und lange Zeit bekämpft. Er erhielt Ausstellungs- und Aufführungsverbot. Schließlich wurde der Engel 1937 aus dem Güstrower Dom entfernt.
Zunächst wurde er nach Schwerin gebracht, schließlich übergab 1941 ein Kirchenvertreter (!) den ‘Engel’ der NS-Administration – zur ‘wehrwirtschaftlichen Verwertung’. Er wurde zersägt und eingeschmolzen, zu Waffen oder Munition verarbeitet.
Doch Freunde Barlachs hatten wohlweislich vorgesorgt. 1942 hatten sie von der originalen Gussform (die noch im gleichen Jahr bei einem Bombenangriff zerstört wurde) einen Zweitguß anfertigen lassen und ihn vor den Nazis in der Lüneburger Heide verborgen.
Der Schwebende kommt nach Köln
1953 wurde dieser Zweitguß der Stadt Köln geschenkt und in einem Seitenschiff der Antoniterkirche aufgehängt – als Mahnmal jetzt für die Toten zweier Weltkriege.
Etwas abweichend hiervon berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger in seiner Ausgabe vom 28. Januar 1952
„Kurz vor seinem Tode hat Barlach das Güstrower Ehrenmal noch einmal in einem neuen Guß erstehen lassen, den er selbst überarbeitete. Das war im Jahr 1933. Dieses einzige Original, von einem Freunde Barlachs vor seinen Feinden verborgen gehalten, wurde vor einem halben Jahr dem Kölner Museum zur Erwerbung angeboten.“
Man habe sich jedoch entschlossen, dass das Werk anstatt in einem Museum in einer gotischen Kirche „seiner ursprünglichen bestimmung zugeführt“ werden solle.
Am 28. Januar 1952 war „Der Schwebende“ erstmals in Köln zu sehen, zunächst in der Eigelsteintorburg, bald darauf dann in der Antoniterkirche.
Der Schwebende zurück in Güstrow
Im gleichen Jahr auch erhielt die Gemeinde Güstrow einen Engel. Von dem nun in Köln befindlichen Guss wurde eine neue Form abgenommen und ein Neuguss durchgeführt. Dieser hängt nun wieder an seinem Ursprungsort in der Nordwestkapelle des Doms in Güstrow.
Ernst Barlach selbst, der (wie Kollwitz) eine Emigration strikt ablehnte, verstarb 1938 und ist (auf eigenen Wunsch, u.a. nach massiven Anfeindungen, die er in den NS-Jahren in Güstrow erlebte) auf dem Domfriedhof in Ratzeburg neben seinem Vater beigesetzt.
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Wie oft schon habe ich vor dem hektischen Innenstadt- Trubel hier Zuflucht gesucht, lange vor dem Engel gestanden oder gesessen.
Dieser bronzene “Engel”, der wohl einige Tonnen wiegen mag, hängt vor mir in einer Anmutung von Schwerelosigkeit. Beinahe schwebend wirkt er. Dass er keine Flügel hat (was ihn eigentlich zum Engel machen würde), fällt mir erst lange Zeit später auf, sie scheinen nicht wesentlich (für mich) zu sein.
In vielen Momenten, in denen es mir schlecht ging, war dieser Engel mir Zuflucht. Aber auch in alltäglichen Augenblicken fand und finde ich hier, mitten in der Stadt und doch abgehoben von den Wirren des Lebens Ruhe und Zuversicht, Hoffnung.
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7 Antworten auf „Ein Engel in Köln – Ernst Barlach Der Schwebende“
[…] Kopf des “Schwebenden Engel” (auch bekannt als Güstrower Ehrenmal), ausgestellt im Museum Abteiberg in […]
genau so ist es mir ergangen,als ich diesen Schwebenden erblickte .Es erfasste mich sofort ein grenzenlos warmes Gefühl der Ruhe .Für meine Freundin, die nur weisse Engel liebt ,war es ein gnadenloser Schock.
Nein, ich bin in der Realität der
Empfindungen!
[…] “… man könnte vielleicht das Werk als Gruppe der Überwindung, Selbstüberwindung ansprechen. Dieses darzustellen ist meine exakte Meinung gewesen.” (Ernst Barlach über den ‘Geistkämpfer’) (siehe auch Barlach / Der Schwebende) […]
[…] “Engel in Köln” – immer noch neben dem ‘Geistkämpfer‘ eine meiner Lieblings-Plastiken des geschätzten […]
[…] an diesen Ort, an die legendärer Station Rita doch einmal hier erzählen … ) [6] ‘der Schwebende’ von Ernst Barlach – Antoniter-Kirche […]
[…] “… man könnte vielleicht das Werk als Gruppe der Überwindung, Selbstüberwindung ansprechen. Dieses darzustellen ist meine exakte Meinung gewesen.” (Ernst Barlach über den ‘Geistkämpfer’) (siehe auch Barlach / Der Schwebende) […]
[…] Selbstportrait, das diese 1938 anfertigte. Ebenfalls ein Bildnis von Kollwitz‘ Kopf schuf Ernst Barlach mit seiner Plastik ‚Der Schwebende‘ (1926/27) – der Kopf des ‚Schwebenden‘ geriet Barlach wie er sagte ‚ohne […]