Zuletzt aktualisiert am 8. April 2021 von Ulrich Würdemann
Jean Claude Letist (1946 – 1990) war einer der bedeutendsten schwulen Aktivisten in Köln in den 1970er und 80er Jahren. Ein Platz erinnert an ihn. (english summary at bottom of page / Résumé en français à la fin de la page)
Jean Claude Letist, am 13. Februar 1946 in Brüssel geboren, zog 1968 nach Köln. Er arbeitete zunächst als Pilot, später als Übersetzer und Dolmetscher im Rundfunk.
In den 1970er und 80er Jahren hat Jean-Claude maßgeblich zum Aufbau einer Schwulen- und Lesbenbewegung (nicht nur) in Köln beigetragen, viele Organisationen und Gruppen mit aufgebaut oder geprägt.
Jean Claude Letist war u.a.
- erster Generalsekretär der ILGA (damals noch IGA) seit 1986
- Vorstandsmitglied der gay liberation front Köln (glf) seit 1983
- Gründungsmitglied des Bundesverband Homosexualität (BVH)
- Vorstandsmitglied der Aids-Hilfe Köln seit ihrer Gründung
- 1982 Mitgründer und Mitinhaber des schwulen Buchladens ‘Lavendelschwert’
- Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied von Emanzipation e.V. (Trägerverin des SCHULZ)
- Mitglied im Beirat der Deutschen Aids-Hilfe DAH
Am 28. Februar 1990 starb Jean-Claude im Alter von 44 Jahren an den Folgen von Aids. (Und, ganz Aktivist, noch nach seinem Tod führte er indirekt zu einer “Aggsion”, als die ach so liberale Dumont-Presse in Köln erst nach massiven Protesten trauernder Freunde und Weggefährten sich überwand und das Wörtchen ‘schwul’ in einer Traueranzeige akzeptierte). Am Nachmittag des 12. März 1990 fand in Köln die Trauerfeier statt.
Erinnerungen an Jean Claude Letist
In Erinnerung ist mir spontan immer sein bis zum Schluss grauenhaftes Deutsch – ich höre ihn immer noch sagen „dann machen wir eine Aggsion“, und muss grinsen …
Letist, der und unter Freunden und Bekannten den Spitznamen ‘Gutemine‘ hatte, bemühte sich immer politisch und privat integer zu sein. Eine Anekdote beschreibt das vielleicht ganz gut:
Irgendwann während einer Konferenz, die in Köln stattfand (und deren Mitveranstalter er, wie konnte es anders sein, war), traf ich Jean-Claude nachts am Aachener Weiher, dem stadtbekannten abend- und nächtlichen Cruising-Gebiet. Wir plauderten ein wenig über die Konferenz, während wir die vorbei promenierenden Männer beobachteten.
Plötzlich kommt ein uns beiden zunächst unbekannter junger Mann etwa unseren Alters auf ihn zu. „Jean-Claude, du hier? Das hätte ich ja nicht erwartet …“, kommt er nach kurzer Begrüßung bald schon auf den Punkt. Jean-Claude, offensichtlich zutiefst entrüstet, stemmt plötzlich die Hände in die Hüften, blickt den jungen Mann eindringlich an. Dann höre ich seine brummige Stimme knurren, in einer dem Parkgeschehen so gar nicht angemessenen Lautstärke „Ja glaubst du ich habe keinen Sex? Denkst du ich diskutiere nur? Ich will doch auch f***en! Schwulsein ist doch nicht nur politisch!“
Pikiert wendet sich der junge Mann ab, versucht schnell diese ihm unangenehm werdende Szenerie zu verlassen, aus der plötzlichen Aufmerksamkeit heraus zu kommen. Jean-Claude hingegen beginnt laut zu lachen, ein ‘diese Klemmschwestern’ rutscht ihm noch kommentierend raus.
(Und am nächsten Morgen, vor Fortsetzung der Konferenz, sehe ich ihn den jungen Mann herzlich in den Arm nehmen…)
Jean Claude Letist Platz in Köln
Ein kleiner Platz nahe der Kölner Innenstadt. Ein unauffälliges Schild, das den Namen des Platzes nennt, kaum beachtet. Darunter ein kleines Schild zur Erläuterung.
In Erinnerung an Jean Claude wurde am 18. Mai 2000 von der Bezirksvertretung Innenstadt auf Antrag von Grünen, SPD und Regenbogenliste beschlossen, einen bisher namenlosen Platz in “Jean-Claude-Letist-Platz” umzubenennen.
(Und, so trübe der Platz im ausgehenden Winter 2007 aussieht, im Sommer sitzt es sich hier unter Bäumen, an vielen Tischen eines Cafés, sehr nett)
Jean-Claude-Letist-Preis
Seit 2015 verleiht die Aidshilfe Köln in unregelmäßigen Abständen den Jean-Claude-Letist-Preis.
2017 wurde die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) ausgezeichnet.
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Memo:
In den ‚Michael Weltmann papers‘ (Michael Weltmann, geb. 28.2.1949, verstarb am 27. Januar 1992 an den Folgen von Aids) befindet sich ein ‚Memorial booklet for Jean Claude Letist‘.
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Jean Claude Letist, major gay rights activist in germany and international, was born feb. 13 in Brussles, Belgium. 1968 he moved to Cologne, where he became involved in several gay rights organisations like glf (local) or BVH (federal level). Since 1986 he was the first secretary general of the former IGA International Gay Association, now ILGA. Letist died of Aids 1990. Since 2000, he is honored in Cologne with a square that bears his name.
Jean Claude Letist, grand militant des droits des homosexuels en Allemagne et internationale, est né février 13 Brussles, Belgique. 1968, il s’installe à Cologne, où il est devenu impliqué dans plusieurs organisations de défense des droits des homosexuels comme GLF (local) ou BVH (niveau fédéral). Depuis 1986, il a été le premier secrétaire général de l’ex International Gay Association IGA, maintenant ILGA. Jean Claude mort du sida 1990. Depuis 2000, il est honoré à Cologne avec une place qui porte son nom.
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13 Antworten auf „Jean Claude Letist (1946 – 1990)“
[…] Zeebrugge wird für mich auch immer die Erinnerung an Jean Claude Letist verbunden sein. An einen unfreiwilligen Stopp auf einer der zahlreiche ‘HomoReizen’, […]
[…] Februar. Eigentlich sollte ich feiern heute. Mir ist nicht zum Feiern. Jean-Claude Letist ist tot. Jean Claude, der Weggefährte in Zeiten von glf und SCHULZ, Begleiter auf so mancher Reise […]
[…] Standardtanz (pdf). [2] auf dem Bild zur Schlüsselübergabe ist rechts der 1990 verstorbene Jean Claude Letist zu […]
[…] Jean Claude Letist, Schwulen-Aktivist und Doyen der Kölner Schwulenbewegung, war am 28. Februar an den Folgen von Aids gestorben. Das lokale (beinahe Monopol-) Medienorgan weigerte sich jedoch, eine Traueranzeige erscheinen zu lassen, die das Wort “schwul” enthielt (wenn ich mich recht erinnere, sollte der Text u.a. lauten “Ein bewusst schwules Leben ging zuende.“) Nach langen Protesten kam aus der Chefredaktion der ‘Kompromissvorschlag’ “homosexuell” – dass sie damit genau das entwerteten, was wir hervorheben wollten, war ihnen vielleicht nicht klar. Empört versammelte sich eine große Menge Schwuler und Lesben vor dem Verlagsgebäude (das sich damals noch in der Kölner Innenstadt befand), ein Teil von ihnen in Form eines ‘Die-Ins’ vor dem Eingang. Es kam zu einem Gespräch einer kleinen Gruppe mit Verleger und Chefredaktion – und die Traueranzeige erschien schließlich doch so wie von uns beabsichtigt. […]
[…] (die sich weigerten, in einer Traueranzeige für den an Aids verstorbenen Schwulen-Aktivisten Jean-Claude Letist das Wort “schwul” zu verwenden). Wut über Unternehmen die mit HIV-Tests versuchten, […]
[…] 2000 erinnert ein Platz in Köln an Jean-Claude Letist, einen der bedeutenden deutschen, Kölner und internationalen Schwulenaktivisten der 1970er und […]
[…] [2] auf dem Bild zur Schlüsselübergabe bei der SCHULZ Eröffnung ist rechts der 1990 verstorbene Jean Claude Letist zu […]
[…] Jean Claude Letist, Schwulen-Aktivist und Doyen der Kölner Schwulenbewegung, war am 28. Februar an den Folgen von Aids gestorben. Das lokale (beinahe Monopol-) Medienorgan weigerte sich jedoch, eine Traueranzeige erscheinen zu lassen, die das Wort “schwul” enthielt (wenn ich mich recht erinnere, sollte der Text u.a. lauten “Ein bewusst schwules Leben ging zuende.“) Nach langen Protesten kam aus der Chefredaktion der ‘Kompromissvorschlag’ “homosexuell” – dass sie damit genau das entwerteten, was wir hervorheben wollten, war ihnen vielleicht nicht klar. Empört versammelte sich eine große Menge Schwuler und Lesben vor dem Verlagsgebäude (das sich damals noch in der Kölner Innenstadt befand), ein Teil von ihnen in Form eines ‘Die-Ins’ vor dem Eingang. Es kam zu einem Gespräch einer kleinen Gruppe mit Verleger und Chefredaktion – und die Traueranzeige erschien schließlich doch so wie von uns beabsichtigt. […]
[…] Februar. Eigentlich sollte ich feiern heute. Mir ist nicht zum Feiern. Jean-Claude Letist ist tot. Jean Claude, der Weggefährte in Zeiten von glf und SCHULZ, Begleiter auf so mancher Reise […]
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[…] belegt. Die spanische Mutti mit ihren Kindern scheint nichts zu verstehen. Doch wir haben Jean-Claude dabei, neben vielem anderen auch Sprachgenie. Er spricht mit ihr, vermutlich – wir verstehen […]
[…] Aschermittwoch 28. Februar 1990 starb Jean-Claude Letist an den Folgen von Aids. Jean Claude Letist (1946 – 1990) war einer der bedeutendsten schwulen […]
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