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Politisches

Über das Ausdehnen staatlicher Kontrolle

Zuletzt aktualisiert am 4. September 2023 von Ulrich Würdemann

Sonntag Morgen, Frühstück und Lesen im Bett. Blättere in einem Bändchen über Menschenrechte, herausgegeben schon 1997 von der 2002 verstorbenen Marion Dönhoff. Stoße im Laufe des Lesens auf folgende Aussagen von Dieter Grimm (ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht):

  • „Den tieferen Grund für die sinkende Wertschätzung von Freiheitsrechten in unserer Gesellschaft sehe ich darin, daß in einer Zeit dramatischer, kumulierender Veränderungen, wie wir sie im Augenblick erleben, sich auch dramatisch das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung erhöht. Für Sicherheit ist Freiheit in aller Regel ein Risiko. Ich habe den Eindruck, als überträfe das Sicherheitsverlangen mittlerweile zu einem erheblichen Teil den Freiheitswillen. Die säkulare Umorientierung der Staatstätigkeit auf Prävention ist ein Ausdruck dafür. Prävention bedeutet ja nichts anderes als eine Vorverlagerung der staatlichen Tätigkeit in Räume, die ihm bisher verschlossen waren.“

Diese Aussage möchte ich ja zu gerne so manchem Politiker derzeit ins Stammbuch schreiben, ob sie nun Verbots-Exzesse vorschlagen, in Privaträume eindringen oder repressive Mottenkisten austragen. Gesundheit, Innenpolitik, Strafrecht – es gibt genügend Beispiele allein in den letzten Monaten, bei denen der Staat seinen Handlungs- (und Regelungs-) Raum versucht in Gebiete auszudehnen, die ihn bisher nichts angehen.

Diese ständige Ausweitung staatlicher Handlungsrahmen schränkt individuelle Freiheiten ein. Auf EU-Ebene wird in diesem Fall schnell über Regelungswut gestöhnt und geklagt, bald auch der hehre Grundsatz der Subsidiarität gepredigt. Allein, auf staatlicher Ebene sind genau die selben Herren und Damen schnell mit immer neuen Regulierungen und Eingriffen zur Hand.

Und wo bleibt der Aufschrei derer, die Freiheitsrechte verteidigen?

Ich befürchte, Herr Grimm hat (er schrieb obiges Zitat schon 1997!) immer noch Recht – das Verlangen nach Sicherheit scheint bei weitem das Verlangen nach Freiheit zu übertreffen.

Hoffentlich wird auch Grimms Warnung gehört, dass die Tendenz der „in den Raum des legalen Bürgerverhaltens vorverlagerte kontrollierende Staatstätigkeit“ … „ohne einen Freiheitspreis nicht beliebig fortsetzbar ist„.

Wir sollten doch genügend aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben, um Freiheit und Freiheitsrechte schätzen und achten zu können. Oder nicht?

Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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