Zuletzt aktualisiert am 2. März 2022 von Ulrich Würdemann
Pierre Seel wurde wegen seiner Homosexualität verfolgt, im KZ inhaftiert und gequält. Seit 2008 erinnert die rue Pierre Seel in Toulouse an ihn. In Toulouse gedenkt seit 2010 eine Plakette.
Pierre Seel 1923 – 2005
Am 16. August 1923 wurde Pierre Seel in Hagenau geboren. Als 17jähriger 1940 in Mulhouse von der Gestapo unter dem Vorwurf der Homosexualität verhaftet. Er wurde im KZ Schirmeck interniert, gefoltert und missbraucht. Er wurde gezwungen, die Ermordung seines Freundes mit anzusehen.
Nach seiner Entlassung im November 1941 wurde Seel als Soldat eingezogen und an die Ostfront in die Ukraine geschickt. Dort geriet er in Kriegsgefangenschaft.
Nach seiner Rückkehr nach Frankreich heiratete er – auch in Frankreich war nach dem Zweiten Weltkrieg kaum an ein offenes Leben als Homosexueller zu denken. So betand das unter dem Kollaborations-Regime von Pétain 1942 neu eingeführte Sonderstrafrecht gegen Homosexuelle in Frankreich auch nach 1945 weiterhin.
Erst spät, ab 1982, konnte Seel offen über seine Erlebnisse sprechen. Aus seinen Erzählungen und Berichten entstand in Zusammenarbeit mit dem im April 2010 verstorbenen Jean LeBitoux, Gründer des legendären ‚Gai Pied‚, das Buch “Ich, Pierre Seel, deportiert und vergessen”.
„Je me souviens d’un garçon, condamné à mort pour je ne sais quelle raison, que l’on fit se dévêtir. Nu. il se retrouvra au milieu du camp, un seau métallique sur la tête. Les SS lâchèrent sur lui en excitant les chiens de garde, qui le dévorèrent vivant. La nuit, jèntends encore ses cris dans lesd cauchemars …“ (Pierre Seel im Gai Pied 1983)
(‚Ich erinnere mich an einen Jungen, ich weiß nicht mehr warum zum Tod verurteilt, den man zwang sich auszuziehen. Nackt, einen Metalleimer auf dem Kopf, stand er in der Mitte des Lagers. Die SS-Leute hetzten die Wachhunde auf ihn, die ihn bei lebendigem Leib verschlangen. Nachts höre ich in meinen Albträumen immer noch seine Schreie. (Übers. UW))
Sel berichtet in dem Buch u.a. auch, bei seinen Zwangsarbeitseinsätzen an der Errichtung des benachbarten KZ Struthof mitgearbeitet zu haben.
Seel ist der erste und der einzige wegen Homosexualität Deportierte in Frankreich, der je offen über seine Erlebnisse gesprochen hat. Seel war in den 1990er Jahren auch des öfteren in Deutschland -für ihn auch das Land der Täter- zu Vorträgen und Veranstaltungen.
Bewegend auch Seel im Gespräch mit Hervé Joseph Lebrun, Ausschnitt als html (französisch) hier.
Pierre Seel starb am 25. November 2005 in Toulouse.
Pierre Seel – Gedenken
Bereits kurz nach dem Tod von Pierre Seel am 25. November 2005 forderte eine Initative aus Anlass seines Todes erneut in Frankreich ein Monument zur Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Homosexuellen.
Schon früher hatte die Initiative MDH unter Leitung von Jean Le Bitoux die Errichtung eines ‘Memorial de la Déportation Homosexuel’ gefordert. Nachdem es vergleichbare Monumente bereits in Italien, Deutschland und den Niederlanden gebe, sei es an der Zeit, ein ähnliches Monument z.B. in Strasbourg zu errichten.
Bis 2007 gab es in Frankreich keinerlei Homomonument oder ähnliches Mahnmal, das dezidiert an die homosexuellen Opfer des NS-Terrors erinnert. [Aufstellung der Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen]
Das KZ Schirmeck ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Auf dem Gelände des früheren Lagers ist heute eine ‘idyllische’ Siedlung (Bericht eines Besuchs auf sintiundroma.de).
Pierre Seel – Gedenklen in Toulouse
Die Initiative forderte zudem von den Bürgermeistern der Städte Mulhouse und Toulouse, jeweils einen Platz oder eine Straße nach Pierre Seel zu benennen. In Toulouse böte sich der Square Steinbach an, in den 1930er Jahren ein Ort schwulen Cruisings. Pierre Seels Diebstahlmeldung einer hier verlorenen Uhr brachte ihm 1939 die behördliche Registrierung als Homosexueller, der die Deportation 1940 folgte.
Am 21. Dezemberr 2007 beschloss der Stadtrat von Toulouse, zukünftig im Quartier Saint Sauveur eine Straße in Toulouse nach Pierre Seel zu benennen. In Gegenwart von Bürgermeister Jean-Luc Moudenc (UMP) und nahezu 200 Gästen wurde das Straßenschild am Samstag, 23. Februar 2008 eingeweiht.
Französische Medien wiesen darauf hin, dass weder Seels langjähriger Partner noch seine Söhne oder Seels langjährige Biograph (Jean le Bitoux) zur Zeremonie eingeladen wurden.
This file depicts the name plate of a street in the French city of Toulouse that was named after Pierre Seel, who suffered deportation under the Nazis on the basis of homosexuality. –
Pierre Seel – Gedenken in Mulhouse
Am Samstag, 15. Mai 2010 wurde in Mulhouse (am Théâtre de la Sinne, avenue Auguste Wicky) eine Plakette eingeweiht, die an Piere Seel erinnert. Sie ist die erste Gedenk-Plakette Frankreichs, die an homosexuelle NS-Opfer erinnert. Die Plakette trägt den Text
“Zur Erinnerung an Pierre Seel 1923 – 2005 und andere unbekannte Mulhouser, die wegen des Vorwurfs der Homosexualität festgenommen und deportiert wurden”.
Mulhouse : plaque à la mémoire de Pierre Seel sur l’une des façades du théâtre côté parc –
Pierre Seel Gedenken in Paris
Seit dem 19. Juni 2019 erinnert eine Strasse zwischen der Rue de Rivoli und der Rue du Roi de Sicile an Pierre Seel – die rue Pierre Seel.
11 Antworten auf „Gegen das Vergessen homosexueller NS-Verfolgter – Gedenken an Pierre Seel (1923 – 2005)“
[…] Le Bitoux, ausgebildeter Journalist, war u.a. Ko-Autor (zusammen mit dem 2005 verstorbenen Pierre Seel) des Buches “Moi, Pierre Seel, déporté […]
[…] Der Franzose Pierre Seel wird in Mulhouse im Elsass verhaftet. Die Gestapo wirft im Homosexualität vor. Seel wird […]
[…] Die Ausstellung, die nach Paris in mehreren Städten Frankreichs zu sehen sein soll, beschreibt die verschiedenen Phasen der Verfolgung und Deportation Homosexueller durch das NS-Regime in Frankreich, auch anhand von Biographien Deportierter wie Rudolf Brazda oder Pierre Seel. […]
[…] Der Franzose Pierre Seel wird in Mulhouse im Elsass verhaftet. Die Gestapo wirft ihm Homosexualität vor. Seel wird […]
[…] vorhandenen Gedenktafel am U-Bahnhof Nollendorfplatz). In Frankreich erinnert inzwischen die ‚rue Pierre Seel’ in Toulouse an den wegen Homosexualität […]
[…] 2016 nimmt an den offiziellen Feierlichkeiten in Paris am Mémorial National des Martyrs de la Déportation erstmals auch die Vereinigung ‚Les Oublié.e.s de la Mémoire‘ teil. Die 2003 gegründete Gruppierung widmet sich der offiziellen Anerkennung Homosexueller als Opfer der Deportation und tritt u.a. für ein Monument zur LGBT-Geschichte in Frankreich ein. Auf Initiative der Gruppe ehrte die Stadt Toulouse z.B. Pierre Seel (homosexuelles geastapo- und KZ-Opfer) 2008 mit der Benennung einer …. […]
[…] – Rosa Winkel‘) sowie dessen Verfilmung ‚Bent‘ (Sean Mathias, 1997). Für Pierre Seel war das Buch, wie Kurt Krickler anmerkt, direkter Auslöser zu seinem Buch ‚Moi, Pierre Seel, […]
[…] beginnt seine homosexuellen Opfer des NS-Terrors zu ehren. Ende Februar wurde in Toulouse eine Straße nach Pierre Seel benannt, ein entsprechendes Straßenschild vom Bürgermeister […]
[…] Dazu, dass an der Einweihung des Denkmals keine schwulen Opfer mehr teilnehmen können – Pierre Seel, letzter bekannter Überlebender aus der Gruppe der Homosexuellen, starb […]
[…] mit. Le Bitoux, ausgebildeter Journalist, war u.a. Ko-Autor (zusammen mit dem 2005 verstorbenen Pierre Seel) des Buches “Moi, Pierre Seel, déporté […]
[…] im benachbarten KZ Schirmck inhaftierte Pierre Seel berichtet in seinen Erinnerungen Moi, Pierre Seel (2010), er habe im Rahmen seiner […]