Zuletzt aktualisiert am 14. April 2017 von Ulrich Würdemann
„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht – es geht voran“, sangen ‚Fehlfarben‘ (auf ‚Monarchie und Alltag‚) im Jahr 1980. Ein Jahr später werden erste Fälle einer Erkrankung festgestellt, die später als Aids bezeichnet wird.
„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht.“
Und wie weiter?
„Spacelabs falln auf Inseln, Vergessen macht sich breit, es geht voran.“
Zwar fielen bisher meines Wissens keine Spacelabs auf Inseln. Aber Vergessen macht sich tatsächlich breit, allenthalben. Es geht voran, scheinbar, indem wir über unsere eigene Geschichte hinweg gehen, vergessen. Vergessen unserer Aids-Geschichten. Vergessen unserer Geschichte.
Inzwischen sprechen wir munter von „altes Aids“ im Unterschied zu „neues Aids“ – doch was das hieß, „altes Aids“, das gerät abseits einiger immer wieder gern präsentierter Klischees und Mythen zunehmend in Vergessenheit.
Warum?
Wie gehen wir mit unserer eigenen Geschichte um?
Wann wird Erlebtes zu Geschichte?
Sind diese, unsere Geschichten überhaupt erzählbar?
Ist diese Geschichte überhaupt vermittelbar?
Sind diese Fragen bedeutend?
Wer wenn nicht wir soll diese Geschichte(n) erzählen? schreiben?
Und wer aufarbeiten?
Wer, wenn nicht wir?
Wenn wir nicht unsere eigenen Geschichten aufschreiben, unsere eigene Geschichte schreiben, werden andere es irgendwann tun. Auf ihre Weise. Werden dabei ihre eigenen Bilder (die nicht unsere sind) transportieren, auch ihre pejorativen Bilder.
Doch – es ist unsere Geschichte!
Erzählen wir sie aus unseren Blickwinkeln!
Denn sonst …
Hegel konstatiert in seinen ‚Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte‘, dass Geschichte immer zweimal stattfinde. Und sein Schüler Karl Marx verfeinert im ‚Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte‘, Geschichte wiederhole sich “ das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce“.
Dann lasst uns vorher unsere Geschichte(n) erzählen, all die Tragödien, all die schönen, schmerzvollen, erfolgreichen, vorzeitig abgebrochenen … Geschichten …
Den Anfang im „unsere Geschichte(n) erzählen“ macht ein positiver Mann aus Berlin, Nikolaus Michael, der in den nächsten Wochen hier in vier Texten einen Teil seiner Geschichte(n) erzählt …
1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel
Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Leser dies zum Anlass nehmen, selbst ihre HIV-positiven Geschichte(n) zu erzählen – und bei Interesse auch andere lesen lassen. Ich biete dafür auf ondamaris gerne Zeit und Raum [und bei genügend Interesse auch gerne eine eigene Rubrik „unsere Geschichte(n)} – wer mag, sende mir eine Mail mit seinen Texten, ich melde mich baldmöglich …
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Text 14. April 2017 von ondamaris auf 2mecs