Zuletzt aktualisiert am 12. Januar 2018 von Ulrich Würdemann
Der Nationale Aids-Beirat wurde vom Bundesminister für Gesundheit neu berufen. HIV-Positive fühlen sich und ihre organisierte Selbsthilfe nicht adäquat vertreten – und diskutierten Notwendigkeit und Inhalte einer Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat.
Am 8. Februar 2011 kam der neue Nationale Aids-Beirat (NAB) in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Deutsche Aids-Hilfe hat, wie einige andere Organisationen, die Neukonstituierung des nationalen Aids-Beirats begrüßt. Carsten Schatz, Vorstand und Teilnehmer der konstituierenden Sitzung, betonte, dass „dem Beirat zurzeit allerdings noch zu wenige Vertreter der organisierten Selbsthilfe angehören“, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass dies noch erreicht werden könne.
Der ‘Nationale Aids-Beirat’ konstituierte sich erstmals im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. Im Oktober 2010 löste Bundesgesundheitsminister Rösler den Nationalen Aids-Beirat auf (siehe ‘Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?‘). Kurz darauf wurde eine Neu-Konstituierung des Nationalen Aids-Beirats veranlasst – der Grund für diesen Schritt blieb zunächst unklar.
Explizite Vertreter der Interessen von Menschen mit HIV und Aids / organisierter Positiven-Selbsthilfe sind im ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirat nicht ausreichend stark vertreten. Dies war schon im Vorfeld, sowie nach der konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats auf Kritik gestoßen. Inzwischen wurde in Blogs und Foren eine intensive Diskussion dazu geführt. Aus Kommentaren und Stellungnahmen wurde deutlich
- die Mehrzahl der Diskutanten fordert eine explizite Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat
- Leben mit HIV hat viele Realitäten – von Hartz IV bis erfolgreicher Manager, von Migrant/in bis Drogengebraucher/in oder Mutter oder schwuler Mann usw.– dieses Spektrum an Lebensrealitäten abzudecken erfordert mehr als eine/n einzige/n Interessenvertreter/in HIV-Positiver, dabei sollte auch die epidemiologische Situation (z.B. Anteil an Gesamtzahl HIV-Infizierter) möglichst Berücksichtigung finden
- Transparenz ist unumgänglich – z.B. durch Veröffentlichung der Sitzungs-Protokolle, möglichst auch vorab der Einladungen / zu behandelnden Themen, letztlich aber besonders auch Transparenz im Berufungs-Prozess der Mitglieder
- Offenlegung von potentiellen Interessenkonflikten und wirtschaftlichen Verflechtungen
Nominierung: Im Idealfall sollten die Vertreter HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat in einem möglichst transparenten Prozess bestimmt werden. Der ideale Ort hierzu sind vermutlich die ‚Positiven Begegnungen‘, die deutschland- (und europa-) weit größte Versammlung von Menschen mit HIV (dies wäre – rechtzeitige Information und Einbeziehung vorausgesetzt – theoretisch auch schon zur konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats möglich gewesen).
Die nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ finden 2012 statt, und könnten dann ihre Rolle als ‚Positiven-Parlament‘ wahrnehmen und Vertreter für den Nationalen Aids-Beirat auch mit optimaler Legitimation versehen. Bis dahin sollte eine Übergangslösung gefunden werden.
Die Frage HIV-positiver Interessenvertretung wurde auch konkret diskutiert mit zahlreichen Vorschlägen, welche Inhalte eingebracht werden sollten. So wurden als Themen, die aus Sicht HIV-Positiver Eingang in die Debatten des NAB finden sollten, u.a. genannt
- Integration von HIV-Positiven in die Gesellschaft
- Abbau von stigmatisierenden Vorurteilen
- Kriminalisierung von Menschen mit HIV
- Überarbeitung und Anpassung des Strafrechts entsprechend gegenwärtigen medizinischen Standards
- Prävention ohne Angst und Schrecken
- Leben mit HIV im Alter
- soziale und ökonomische Situation HIV-Positiver (ALG II / Hartz IV, Rente, Härtefallregelung …)
- Ökonomisierung vs. Solidargedanke im Gesundheitswesen
.
Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.
.
Menschen mit HIV machen nach engagierten und erfrischend breiten Diskussionen deutlich, dass sie Interessenvertreter ihrer Lebensrealitäten im Nationalen Aids-Beirat einfordern – und dass sie hier auch Themen einzubringen haben. Nun ist das Bundesministerium für Gesundheit, als dessen Berater der Nationale Aids-Beirat fungiert, und das seine Mitglieder berufen hat, gefragt. Ist es an einer engagierten Mitarbeit HIV-Positiver Interessenvertretung interessiert? Die Debatten zeigen, dass es an HIV-Positiven nicht scheitern würde …
.
Text 18. April 2017 von ondamaris auf 2mecs