Zuletzt aktualisiert am 12. September 2023 von Ulrich Würdemann
Er ist das politische Stehaufmännchen und ein Schwergewicht der französischen Politik: der Politiker der Konservativen Alain Juppe. Seit 2006 ist Juppe (wieder) Bürgermeister von Bordeaux. 2016 unterlag er beim Versuch, Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 zu werden, seinem konservativen Parteifreund Fillon. Aus der aktiven Parteiarbeit für Les Républicains zog Juppé sich Anfang 2018 zurück. Im Februar 20ß19 legte er sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux nieder und nahm seine Berufung in den Verfassungsrat an.
Alain Juppé gilt als Ziehsohn des Gaullisten Jacques Chirac. Bei ihm begann er als Redenschreiber seine politische Karriere, wurde 1969 dessen enger Mitarbeiter. Alain Juppe stammt aus Mont-de-Marsan in den Landes / Aquitanien (geb. 15. August 1945). Juppés Verhältnis zum früheren Parteichef der Konservativen (früher UMP, 2015 umbenannt in Les Républicains) Nicolas Sarkozy gilt eher als angespannt. Beide galten vor dem Ausscheiden von Sarkozy im ersten Wahlgang der Vorwahl als Wettbewerber um die Position des Präsidentschaftskandidaten der Konservativen 2017. Beide scheiterten.
Alain Juppé, former French Prime Minister – – CC BY 2.0
Alain Juppé – Wiederaufstieg ab 2006 nach tiefem Sturz
Bordeaux, im Dezember 2004. Alain Juppé, konservativer Politiker und Bürgermeister von Bordeaux, wird wegen seiner Verwicklung in eine Parteispenden-Affäre im Berufungsverfahren (das das Urteil erster Instanz stark abmildert) zu immer noch 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Für ein Jahr wird ihm das passive Wahlrecht entzogen. Der Richter bescheinigt ihm im Urteil, er habe „das Vertrauen des Souveräns, des Volkes“ verraten. Aufgedeckt wurden die Vorgänge ursprünglich im Juni 1995 durch die satirische Pariser Wochenzeitung ‚Le Canard enchaîné‘. Sie veröffentlichte ein internes, von Juppé unterzeichnetes Dokument der Stadt Paris (Juppé war seit 1976 enger Mitarbeiter des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac).
Der Weg ist frei für Nicolas Sarkozy, der am 6. Mai 2007 zum Staatspräsidenten der französischen Republik gewählt wird. Juppé verbringt die darauf folgenden Monate im ‚Exil‘ als Hochschullehrer im kanadischen Québec. Ein Statthalter (Hugues Martin) regiert Bordeaux.
Bordeaux, im Oktober 2006. Die Bürger (genauer 45% von ihnen) wählen mit 56% genau den gleichen Juppé wieder zum Bürgermeister von Bordeaux (er war dies bereits seit 1995 bis zur Verurteilung 2004).
Zu den Neuwahlen war es mithilfe von Tricksereien gekommen (Mandatsniederlegung durch 47 Stadträte), gegen die die Oppositionsparteien vergeblich klagten. Juppé freute sich („das Volk hat mir sein Vertrauen geschenkt“), und Juppé-Ziehvater Chirac freute sich auch.
Karriereschub wenige Jahre später. Der Gaullist und frühere Premierminister Alain Juppé tritt ab 14. November 2010 in die Regierung ein. Zunächst wird er Verteidigungsminister, ab 27. Februar 2011 (bis zum 17. Mai 2012) Außenminister (ein Amt, das er 1993 bis 1995 unter Balladur schon einmal inne hatte).
Alain Juppé hatte bereits viele Comebacks in der französischen Politik. Seine Rückkehr ins Kabinett 2010 und seine Berufung als Außenminister 2011 wurden von der Presse als „Comeback zu seinen eigenen [und nicht Fillons oder Sarkozys, d.Verf.] Bedingungen“ bezeichnet.
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Alain Juppé als Bürgermeister – Bordeaux verändert sich
Bordeaux hat sich in den letzten 20 Jahren sehr zu seinem Vorteil verändert. Ja, ich erinnere mich. Schließlich bin ich ja seit Jahren oft in Bordeaux (wir verbringen gerne Urlaube entweder in der Bretagne oder in der Nähe von Bordeaux am Atlantik, besuchen oft Freunde in Bordeaux). Registriere von Jahr zu Jahr die Veränderungen. Veränderungen, von denen der Großteil in die Bürgermeisterzeit von Alain Juppe fällt.
Seit 2007 ist das annähernd 2.300 Jahre alte Bordeaux UNESCO-Weltkulturerbe. Auf beeindruckende Weise hat Bordeaux sind in den vergangenen Jahren zum Wasser geöffnet, die Garonne in das Stadtleben zurück geholt. Das Flußufer, einst mit seinen Kais und Hangars nur von Hafenbetrieben und Schwulen (zum Cruising…) genutzt, wurde zu einer beliebten Spazier- und Amüsiermeile. Der PKW-Verkehr wurde im Innenstadtbereich weitgehend zurück gedrängt, wichtigstes Verkehrsmittel in der Innenstadt ist seit 2003 eine moderne neue Straßenbahn, die im UNESCO-geschützen Weltkulturerbe-Bereich der Innenstadt völlig ohne Oberleitung fährt. Zunehmend modernisiert wird auch das ‚andere‘ Garonne-Ufer, zu erreichen über die beeindruckende pont de Pierre, die älteste Garonne-Überquerung von Bordeaux, oder die neue pont Chaban-Delmas. Das alles zum Preis einer zunehmenden Veränderung des sozialen Gefüges der Stadt (sprich: Verdrängung weniger gut situierter Bevölkerungsgruppen an den Stadtrand).
Alain Juppe war bereits von 1995 bis 2004 Bürgermeister von Bordeaux als Nachfolger von Jacques Chaban-Delmas (dem Namenspatron der neuen Garonne-Brücke pont Chaban-Delmas). Er verlor dieses Amt damals durch Aberkennung der Wählbarkeit nach seiner Verurteilung zu einer 14monatigen Gefängnisstrafe wegen Verwicklung in eine Affäre um illegale Parteienfinanzierung (s.o.). Im Oktober 2006 wurde Alain Juppé erneut zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt und ist es seitdem ununterbrochen bis heute.
Ob Juppé 2019 erneut als Bürgermeister von Bordeaux kandidert, will er im Januar 29019 mitteilen, ließ Alain Juppe im Sommer 2017 wissen. Es wäre seine 5. Amtszeit als Bürgermeister …
Alain Juppé – nicht Kandidat der Konservativen für die Präsidentschaftswahl 2017
Im Herbst 2016 trat Alain Juppé bei den Vorwahlen der Konservativen ‚Les Républicains‘ als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2017 an. Er erreichte im ersten Wahlgang am 20. November als Zweitplatzierter die Stichwahl gegen François Fillon. In der anschließenden Stichwahl allerdings unterlag er deutlich. Juppé kündigte anschließend an, sich zukünftig ganz seinem Amt als Bürgermeister von Bordeaux zu widmen.
Im Verlauf der Schwierigkeiten, in die Fillon während seiner Präsidentschaftskandidatur geriet, verhielt Juppé sich zunächst auffallend zurückhaltend. Lange betonte er, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Als die Umfragewerte der Konservativen deutlich einbrachen und Fillon formell beschuldigt wurde, bemühten sich Parteifruende ihn zu erneuter Kandidatur zu bewegen. Am 7. März 2017 allerdings machte Juppe erneut deutlich, er stehe nicht zur Verfügung. „Es ist zu spät.“
„je confirme, une bonne fois pour toutes, que je ne suis pas candidat à la présidence de la République. Il est trop tard. „
Nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten befand Juppé sich in einer politisch paradoxen Lage: wie sollte er weiterhin Politik für den konservativen Les Républicains machen, zumal dort viele auf Konfrontation zu Macron gehen wollten? Einer seiner engsten Vertrauten, der konservative Bürgermeister von Le Havre Edouard Philippe, wurde zum Premierminister ernannt. Zudem vertritt Macron – insbersondere in seinem Ansinnen, links und rechts zu überwinden, zu vereinen um Frankreich zusammen zu bringen – Positionen, die Juppé nahe sind (aber fern von Parteigrößen der Konservativen wie Fillon):
„Il faudra peut-etre songer un jour à couper les deux bouts de l’onglette pour que les gens raisonables gouvernent ensemble et laissent de coté les deux extrèmes.„
(Alain Juppé im Januar 2015 in einem Interview im Point)
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2018 – Juppé arbeitet nicht mehr aktiv bei der konservativen Partei mit
Am 15. Januar 2018 teilte Alain Juppé anläßlich seines Neujahrs-Presseempfangs mit, er habe die Beiträge zur Partei Les Républicains 2017 nicht gezahlt, werde dies auch 2018 nicht tun. Aus dem Parteipräsidium für die Gironde habe er sich zurück gezogen.
Hintegrrund dürfte die politische Ausrichtung der Partei LR seit der Wahl des sehr konservativen Laurent Wauquiez zum Parteivorsitzenden (Anfang Dezember 2017) sein. Juppé hatte sich in letzter Zeit eher interessiert gezeigt an einer Gruppierung der Mitte.
Die Frage eines formellen Austritts ließ Juppé offen. Er betonte jedoch erneut, es gebe ‚rote Linien‘, so der Kampf gegen den rechtsextremen Front national sowie das Einsetzen für das Projekt Europa.
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Ende Februar 2019 kündigte Alain Juppé an, sein Amt als Bürgermeister von Bordeaux niederzulegen. Zugleich nahm er seine Berufung in den Verfassungsrat (conseil constitutionel) an.
Am 6. März 2019 wählte der Stadtrat von Bordeaux Nicolas Florian (Les Republicains) zum neuen Bürgermeister.
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Aus Anlass der Vorstellugn seiner Autobiographie äußerte Juppé Anfang September 2023
„J’aurais bien aimé être président de la République, mais enfin, je m’en suis remis.“
Alain Juppé am 5. September 2023
(Ich wäre gerne Staatspräsident geworden. Aber ich habe das überwunden. [Übers. UW])
20 Antworten auf „Alain Juppé, Schwergewicht und Stehaufmännchen der französischen Konservativen“
[…] Politiker (UMP) Alain Juppé ist seit 2006 wieder Bürgermeister von Bordeaux. Zudem war Juppé 2010 bis 2012 Mitglied der Regierung von Nikolas Sarkozy, zunächst als Verteidigungs-, ab Fe…. Juppé war bereits von 1995 bis 2004 Bürgermeister von Bordeaux als Nachfolger von Jacques […]
[…] Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, hat in dieser Situation ein bereits seit längerem geplantes Treffen mit Schwulen- und Lesbengruppen der Stadt vorgezogen. Im Mittelpunkt: in Bordeaux Homophobie zu bekämpfen. […]
[…] Stichwahlen. Einer Stichwahl muss sich auch Alain Juppé stellen – für den Wahlkreis Bordeaux. Juppé, wegen Verwicklung in eine Parteispenden-Affäre rechtskräftig verurteilt, erfreut sich in der südwest- französischen Metropole zunehmender Beliebtheit und erzielte im […]
[…] anders präsentiert sich Bordeaux heute: in den vergangen Jahren – besonders unter Bürgermeister Alain Juppé – hat sich die Stadt beeindruckend verändert. Bordeaux ist zu einer strahlenden, jungen […]
[…] Herzog und Pierre de Meuron entworfen. Grundsteinlegung war am 15. April 2013 in Gegenwart des Bürgermeisters von Bordeaux Alain Juppé. Es sollte das alte Stade Chaban-Delmas ersetzen, das 1938 eingeweiht wurde. Das neue Stadion wurde […]
[…] de Tourisme von Bordeaux eingestellt. Ob ein Zusammenhang mit den Kommunalwahlen – in denen Bürgermeister Alain Juppé bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde – besteht, ist […]
[…] aussichtsreichster Gegenkandidat, der Bürgermeister von Bordeaux und frühere Premierminister Alain Juppé, hatte die ‚Ehe für alle‘ als de facto in der französischen Gesellschaft angekommen […]
[…] unklar. Der Vorsitzende der MoDem, Francois Bayrou unterstützt die Kandidatur des Konservativen Alain Juppé, falls dieser von seiner Partei nicht nominiert wird, dürfte er selbst antreten. Die UDI hat noch […]
[…] hatte er betrachte das Recht auf Abtreibung nicht als wesentlich – weswegen Wettbewerber Alain Juppé von ihm eine ‚Klarstellung‘ vor dem zweiten Wahlgang der Vorwahl am 27.11. fordert. […]
[…] bis 1995. Als Jean Chaban-Delmas zurück trat und Alain Juppé neuer Bürgermeister wurde. Er leitete bald schon einen drastischen Wechsel der städtischen […]
[…] Vorsitzende der Zentristen der MoDem, Francois Bayrou (der während der Vorwahlen der Konservativen Alain Juppé unterstützt hatte) bot Macron Ende Februar 2017 eine Allainz an. Macron akzeptierte Bayrous […]
[…] 2017 erstmals eine Vorwahl durch. Es gewann nicht wie erwartet der zuvor als Favorit gehandelte Alain Juppé, sondern der frühere Premierminster Francois […]
[…] den später skandalgeplagten Francois Fillon zum Kandidaten gemacht und Nicolas Sarkozy wie auch Alain Juppé abgestraft. Gegen Fillon jedoch laufen Ermittulmgen, ein Verfahren droht. Und damit auch ein […]
[…] eine Konsensfindung nach der anstehenden Parlamentswahl. Oben auf der Liste: der enge Vertraute von Alain Juppé und Bürgermeister von Le Havre, Eduard Philippe […]
[…] einer der Beteiligten der Gründung der UMP (inzwischen Öes Républicains), an der Seite von Alain Juppé, dessen enger Weggefährte er wird. 2010 folgte er auf Rufenacht als Bürgermeister von Le […]
[…] Uhr Alain juppé, Bürgermeister von Bordeaux und einstiger Spitzenpolitiker der Konservativen, fordert zur Mobilisierung für den zweiten […]
[…] hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten, besonders unter der Ägide von Bürgermeister Alain Juppé, sehr gewandelt. Als besonders wegweisend erwies sich die Entscheidung, ein modernes […]
[…] neue Brücke wird den Namen pont Simone Veil tragen. Dies teilte Bürgermeister Alain Juppé am 10. Juli 2017 mit. Simone Veil (1927 – 2017) war Gesundheitsministerin zu Zeiten von […]
[…] des Projektes wird nun auch dazu genutzt, das Konzept der geplanten Fahrzeuge zu verändern. Bürgermeister Alain Juppé teilte im September 2018 mit, für das BHNS Bordeaux sollten auf der 21 km langen Linie direkt von […]
[…] constitutionel; zu dessen Mitglied erst jüngst der langjährige Bürgermeister von Bordeaux, Alain Juppé ernannt wurde) zu bringen. Macron wünscht insbesondere Änderungen bei dem neuen Straftatbestand […]