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Schellfischtunnel – einst beliebter Ort schwulen Cruisings

Zuletzt aktualisiert am 11. Januar 2024 von Ulrich Würdemann

Der Altonaer Hafenbahn-Tunnel (im Volksmund ‚ Schellfischtunnel ‚ genannt) war bis 1992 wichtiger Bestandteil des Hafenbetriebs. Und er war einst in Hamburg ein bei Schwulen, besonders in der schwulen Lederszene, beliebtes Cruising-Gebiet.

Er ist der älteste Eisenbahntunnel in Norddeutschland, der ‚ Schellfischtunnel ‚. Ab 1874 wurde er gebaut, am 18. Januar 1876 eröffnet. Er verbindet den Altonaer Bahnhof mit den erheblich tiefer liegenden Anlagen des Neumühlener Kais und des Fischereihafens. Zur Überwindung des Höhenunterschieds ist der zur Elbe gelegene Teil des Schellfischtunnels eine lang gezogene Rampe.

Die Geneigte Ebene in Altona um 1855, Ölgemälde von Georgine Fries
Die Geneigte Ebene in Altona um 1855 (weit vor dem Bau der Schienenwege), Ölgemälde von Georgine Fries

Schellfischtunnel – hafenseitige Einfahrt

Die Lage des hafenseitigen Eingangs zum Schellfischtunnel zeigt gut das Modell ‚Hafenanlagen in Hamburg und Altona‘. Dieses Modell entstand für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1900 in Paris.

Das Modell ist im Museum für Hamburgische Geschichte zu sehen:

Eingang zum Schellfischtunnel (Modell 'Hafenanlagen in Hamburg und Altona, 1900)
Eingang zum Schellfischtunnel (Modell ‚Hafenanlagen in Hamburg und Altona, 1900)

Der Schellfisch-Tunnel war die einzige unterirdische Güterverkehrs- Schienenstrecke im Hamburger Raum.

Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona
Schellfisch-Tunnel, Einfahrt Hafen Altona, Mai 2012

Bedeutung des Schellfischtunnels

Der ‚Schellfischtunnel‘ (bahndeutsch ‚Bauwerk T33‘) war Bestandteil der Altonaer Hafenbahn, die ausschließlich für den Güterverkehr genutzt wurde. Eine umfangreiche Sanierung des Tunnelgewölbes von 1876 erfolgte in den 1930er Jahren.

Im Zweiten Weltkrieg dienten die Tunnel vielen Altonaer Bürgern als (inoffizieller) Luftschutzraum.

Noch in den 1950er Jahren wurde der Tunnel erweitert, eine Expressgut-Abfertigung mit Tunnelerweiterung entstand im Ostteil des Altonaer Bahnhofs.

Schienenanlagen Hafenbahn Altona
Schienenanlagen Hafenbahn Altona

Nach 1945 verlor der Handel mit Frischfisch zunehmend an Bedeutung. Der 1911 aufgenommene elektrische Betrieb im Tunnel (eine der ersten elektrifizierten Strecken in Deutschland überhaupt) wurde 1954 wieder eingestellt. Stattdessen wurden wieder Dampfloks eingesetzt, ab 1956 auch Dieselloks.

Doch das Verkehrsvolumen auf der Altonaer Hafenbahn ging immer weiter zurück. Die Zahl der Beschäftigten sank von einst 16 auf 1978 nur noch 2 Mitarbeiter. 1978 stellte die Deutsche Bahn den Betrieb ein. Das Hamburger Amt für Strom- und Hafenbau übernahm den Betrieb der Altonaer Hafenbahn bis zum Beginn der 1990er Jahre.

Der Schellfischtunnel wurde bis 1992 genutzt, wobei die Einstellung des Güterverkehrs bereits 1989 erfolgte. Zuletzt hatten nur noch zwei bis drei Transporte pro Monat stattgefunden.

Mit Abwanderung der letzten Nutzer  (zuletzt noch durch ‚Protank‘, ‚Transthermos‘) wurde die Altonaer Hafenbahn aufgegeben. Seit dem 30. September 1992 ist der Tunnel geschlossen.

Immer wieder standen in den vergangenen Jahren Überlegungen im Raum, den Tunnel zu reaktivieren (z.B. für den öffentlichen Nahverkehr). Keine davon war bisher erfolgreich.

Cruising im Schellfischtunnel

Andere Nutzer ‚entdeckten‘ den Schellfischtunnel nach 1945 für sich – der seit 1895 gut 960 m lange Tunnel wurde (gemeinsam mit der nahe gelegenen Klappe an der Großen Elbstraße) zu einem beliebten Schwulen-Treffpunkt.

Cruising im Schellfischtunnel‘ – insbesondere für Ledermänner ab Ende der 1960er bis in die 1980er Jahren war der Schellfisch-Tunnel ein beliebter und ‚heißer‘ (wenn auch nicht besonders ‚wohlriechender‘) Treffpunkt. Und ein sicherer Treffpunkt, galt er doch als sicher vor Überfällen und Polizei-Razzien. Ein Zeitzeuge:

„Anfang der 70-er Jahre bin ich häufig zum Schellfischtunnel gefahren. Lernte ich in der knatschengen Klappe einen Lederkerl kennen, gingen wir in den dunklen Tunnel. Dort ging es dann zur Sache. Das einzig Störende war der bestialische Fischgestank. Am Rande der Schienen standen Tonnen und Kisten mit Fischresten, die auch massenhaft Fliegen anzogen.“

Zeitzeuge, zitiert in Rosenkranz / Lorenz: Hamburg auf anderen Wegen. 2. Auflage Hamburg 2006

Auch Touko Laaksonen, der seine internationale Karriere in Hamburg begann, Malereien für Schwulensauna Club Uhlenhorst (CU) und die Bar Tom’s realisierte und später als Tom of Finland bekannt wurde, kannte bereits in den 1960er Jahren den Schellfischtunnel …

die Zeit nach dem Bahnbetrieb im Schellfischtunnel …

Seit Mitte der 1990er Jahre entsteht auf dem früheren Hafengebiet ein modernes Büro- und Geschäftsviertel. Der Bahnsteig am südlichen Ausgang des Schellfischtunnels ist inzwischen integriert in das Gebäude ‚elbberg campus @altona‘.

Zugänglich ist der 961 Meter lange Schellfischtunnel heute nicht mehr – außer einmal im Jahr am ‚Tag des offenen Denkmals‘ (zweites September-Wochenende; Info). Dann finden Führungen durch den Tunnel statt (Anmeldung empfohlen).

Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona
Schellfischtunnel, Einfahrt Hafen Altona, Mai 2012

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Nachtrag 2024: inzwischen werden regelmäßig Führungen (‚Hamburger Unterwelten‘) angeboten.

Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

4 Antworten auf „Schellfischtunnel – einst beliebter Ort schwulen Cruisings“

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