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Dreigroschenoper Wolfgang Staudte 1962 / 63 – Flop der Entdeckung lohnt

Zuletzt aktualisiert am 14. Februar 2020 von Ulrich Würdemann

Dreigroschenoper Wolfgang Staudte – Die Dreigroschenoper als Musical? Swinging Sixties statt bissiger Sozialkritik?

Wolfgang Staudte verfilmte 1962/63 die ‚Dreigroschenoper‘ von Brecht / Weill – die Neuverfilmung wurde zu einem 60er-Jahre- Musicalfilm, der damals von der Kritik eher abschätzig behandelt wurde. Aufwändig, aber unverbindlich, harmlos, hochkarätig besetzt, aber unsichere Regie, dramaturgisch verfehlt – so lauteten einige der Kritiken damals.
Kritiken, die mir heute nicht recht verständlich erscheinen.

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Produzent Kurt Ulrich hatte die Film-Rechte an der Dreigroschenoper bereits Anfang 1958 für 80.000 US-$ bei den Witwen von Kurt Weill, Lotte Lenya und Bertolt Brecht, Helene Weigel erworben. Sein ursprünglicher Plan: das Stück an die Situation in West-Deutschland Ende der 1950er Jahre anpassen, an Wohlstandsgesellschaft und die Verhältnisse in Wirtschaftswunderland.

Eine Anpassung, die notwendig erschien. Helmut Käutner, damals von Ulrich auch als möglicher Regisseur angesprochen: „Es hat keinen Zweck, die soziale Leier zu drehen. Heute werden keine Getretenen mehr getreten.“ Und auch Staudte, der den Film nach zahlreichen Absagen anderer Regisseure schließlich realisierte, sah Probleme: „Die sozialen Attacken stoßen heute ins Leere. Damals gab’s sechs Millionen Arbeitslose. Heute gibt’s sechs Millionen, die fehlen. Das ist ein Unterschied wie Sommer und Winter.

Doch die Erbinnen und Rechteinhaberinnen versagten einer Anpassung an die veränderten Verhältnisse die Zustimmung – Helene Weigel beschied kurz „Alles soll so bleiben, wie Brecht es gemacht hat„. Heraus kam: der Versuch, Anfang der 1960er Jahre die Dreigroschenoper „möglichst werkgetreu“ auf Zelluloid zu bannen.

Die Studio-Aufnahmen wurden gedreht in den Ufa-Studios Berlin-Tempelhof, die Szenen mit Samy Davis Jr. wurden für die Veröffentlichung des Films in den USA zusätzlich nachgedreht. Die Produktionskosten beliefen sich auf ca. 5,5 Millionen DM. Kinostart war am 21. Februar 1962 in Frankreich und am 28. Februar 1962 in Deutschland (München). Die Kritiker waren wenig begeistert (s.o.).

Eröffnungsfeier der DEFA 1946, Wolfgang Staudte (links) und Hildegard Knef (Mitte) neben Herbert Uhlig [Foto: Abraham Pisarek / Deutsche Fotothek]
Eröffnungsfeier der DEFA 1946, Wolfgang Staudte (links) und Hildegard Knef (Mitte) neben Herbert Uhlig [Foto: Abraham Pisarek / Deutsche Fotothek, Lizenz cc by-sa 3.0

Eröffnungsfeier der DEFA – Abraham Pisarek / Deutsche Fotothek – CC BY-SA 3.0 de

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16. Oktober 2012, das ‚Metropolis‘ in Hamburg zeigt an zwei Tagen die Dreigroschenoper Wolfgang Staudte 1962 / 63. Eine Chance, eine Version der Dreigroschenoper zu sehen, die wir beide nicht bisher kennen.

Gleich der Anfang lässt mich fast mit offenen Mund gebannt auf die Leinwand schauen. So hat die ‚Moritat von Mackie Messer‘ noch niemand gegeben. Samie Davis Jr. (siehe Clip unten) präsentiert sie in einer so cool anmutenden Lässigkeit …

Gert Fröbe gibt einen Peachum, der jovial zwischen gerissenem Geschäftsmann und biederem Bürger changiert. Lino Ventura einen Polizeichef Brown, der fast ‚Paten‘-haft daher kommt. Und selbst Curd Jürgens (der mir zu Beginn zu dandyhaft, zu sixties erscheint als Mackie) gewinnt in der zweiten Hälfte des Films sehr an Profil, Tiefe. Dazu Hildegard Knef, als 60er-Jahre-Pendant der Lenya (und stellenweise von Staudte genial ausgeleuchtet und photographiert). Und Hilde Hildebrand, die schnoddrig die Mutter spielt.

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Manches mag an der Staudte-Version der Dreigroschenoper zu burlesk, zu zotenhaft ausgefallen sein.

Dennoch ist Wolfgang Staudtes Version der Dreigroschenoper zu unrecht weitgehend in Vergessenheit geraten.

Wenn sich die Möglichkeit bietet: ansehen!

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Die Dreigroschenoper
BRD / F 1962/63
124 min.
Regie: Wolfgang Staudte
Drehbuch: Wolfgang Staudte, Günther Weisenborn
Mit u.a. Curd Jürgens (Mackie Messer), Hildegard Knef (Spelunken-Jenny), Gert Fröbe (Peachum, der ‚Bettlerkönig‘), Hilde Hildebrand, Lino Ventura (Polizeichef Brown), Walter Giller (Bettler Filch), Siegfried Wischnewski (Münz-Matthias, genannt „Platte“), Sammy Davis Jr. als Moritatensänger
Orchester unter der Leitung von Peter Sandloff

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Lesezeichen:
Drehbuchexemplar von Curd Jürgens (Auszug), mit handschriftlicher Notiz von CJ und Glückwünschen von Wolfgang Staudte (pdf)
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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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