Zuletzt aktualisiert am 10. Juni 2019 von Ulrich Würdemann
Ab 2013 möchte ich im Newsletter der Hannchen Mehrzweck Stiftung hms über von der hms geförderte Projekte berichten. Hierzu hat Josch Hoenes von der hms das folgende Interview mit mir geführt, das im aktuellen Newsletter (4/2012, pdf) der hms veröffentlicht ist:
Chancen, selbstbewusst andere Wege zu suchen – Ulli Würdemann im Gespräch mit Josch Hoenes
Hoenes: Wie bist Du auf die Stiftung aufmerksam geworden? Und was findest Du an ihr so gut, dass Du angeboten hast, uns durch ehrenamtliches Engagement zu unterstützen?
Würdemann: Die hms kenne ich seit langem „aus der Ferne“. In ihrem Leitbild formuliert die hms als Ziel ihres Stiftungshandelns „Freiräume für subversive Praktiken zu schaffen bzw. zu erhalten“ – das ist z.B. einer der Punkte, die ich an der Arbeit der hms schätze.
Ich habe oft das Gefühl, wir sind auf dem Weg, viel zu „mainstreamig“ zu werden, viel zu angepasst. Emanzipation ist in meinen Augen mehr als ‘nur’ Anpassung an bestehende Verhältnisse. Ich habe in meinem Schwulsein oft auch eine Chance gesehen, nicht von vornherein alles so zu machen, wie es der ‘heterosexuelle Standardweg’ vorzuzeichnen scheint, sondern Anderes auszuprobieren. Ich wünsche mir, dass neben dem Fordern nach gleichen Rechten auch heute wieder mehr experimentiert wird mit den Chancen „anders“ zu sein, zu leben, andere als die etablierten Wege zu gehen.
Dies braucht natürlich auch entsprechende Strukturen, Wissen, Konzepte, Projekte. Dass die hms hier fördert, finde ich wichtig. Und mit ihrer Förderung ermöglicht sie ja gerade unabhängigeres Agieren, unabhängig z.B. von staatlichen Geldern und Auflagen – und ist damit auch dem Gedanken der Selbsthilfe sehr nahe.
Hoenes: Ich finde sehr wichtig und einleuchtend, was Du zu Mainstreaming sagst und zur Notwendigkeit, auch die Chancen zu sehen, die andere Wege und Arten und Weisen zu leben bieten. Kannst Du das – vielleicht an ein oder zwei konkreten Beispielen – noch etwas ausführen? Gibt es aus Deiner Sicht aktuell bestimmte Themen, Probleme oder Bereiche, in denen es besonders wichtig wäre, nach anderen Wegen zu suchen?
Würdemann: Nun, zum Beispiel die Frage, wie wir zusammen leben. Seit vielen Jahren dominiert hier die ‘Homo-Ehe’ fast alle Debatten. Die Möglichkeit fordern, dass auch Schwule und Lesben eine Ehe schließen können mit allen Rechten und Pflichten, wie sie auch Heteros haben, kann ich nachvollziehen. Allerdings scheint mir, dass sich die Debatte sehr auf die Frage der Ehe verengt hat bis hin zur Forderung nach Ehegatten-Splitting. Die Debatten um die Homo-Ehe wirken auf mich so, als sei die Homo-Ehe die einzig denkbare Form des Zusammenlebens zweier oder mehrerer nicht-heterosexueller Menschen. Diese freiwillige Reduzierung unserer Möglichkeiten wundert mich schon. Dabei gäbe es so viele andere Möglichkeiten oder Freiräume zum Erkunden und Experimentieren.
Ähnlich empfinde ich die allgemeinpolitische (nicht parteigebundene) überregionale Interessenvertretung von LGBTIQ als sehr eingeengt. Seit dem Ende des BVH gibt es nur einen Verband. Kann ein einziger Verband die gesamte Bandbreite der Interessen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Queer abdecken? Und wie sieht die Realität aus? Eine größere Vielfalt z.B. an Ideen und Konzepten, besonders in der politischen Interessenvertretung und auch abseits eingetretener Pfade, scheint mir hier wünschenswert.
Ich habe zudem den Eindruck, wir schmoren immer wieder gern „im eigenen Saft“. Der eine oder andere „Blick über den Gartenzaun“, ein weiterer Horizont täte uns ganz gut. In Frankreich, Großbritannien, den USA und sicher auch vielen anderen Staaten tut sich einiges an spannenden Ideen – mehr Austausch, z.B. auch mehr europäische Blicke, Debatten, könnten bestimmt auch die LGBTIQ-Gruppen hier befruchten.
Hoenes: Die hms fördert Projekte aus einem breiten Spektrum von LGBTIQ-Bewegungen. Fühlst Du Dich diesen oder Teilen dieser Bewegungen verbunden und bist Du selbst dort aktiv oder aktiv gewesen?
Während und nach meinem Studium war ich in Schwulengruppen aktiv. Ich habe z.B. in Bremerhaven damals die erste Schwulengruppe mit gegründet, war dann in Hamburg bei der schwullesbischen Schüler- und Jugendgruppe. Später habe ich mich bei der Gründung des Kölner Lesben- und Schwulenzentrums SCHULZ engagiert und dort auch Veranstaltungsreihen organisiert (wie in Köln zum Thema Antifaschismus).
Ende der 1980er Jahre bin ich aufgrund der Aids-Krise (wie viele schwule Männer damals) von der Schwulenbewegung zum Aids-Aktivismus gewechselt. Zunächst bei ACT UP (einer Aids-Aktionsgruppe), später dann im Therapie-Aktivismus, um Therapien gegen HIV und Aids und Informationen darüber schneller verfügbar zu machen und die Interessen von Menschen mit HIV in Forschung und Studiengestaltung einzubringen. Daraus haben sich dann verschiedene Informations-Angebote zu HIV und zum Leben mit HIV ergeben, wie die ‘HIV Nachrichten’ oder in den letzten Jahren ondamaris.
Hoenes: Du wirst für uns in unserem Newsletter über die Stiftungsarbeit berichten und bist auch sonst journalistisch tätig. Gibt es bestimmte Dinge, die Du mit Deiner Arbeit erreichen möchtest und/oder, die Dir daran sehr wichtig sind?
Würdemann: Meine eigenen Projekte, wie ondamaris, sind auch aus der Idee heraus entstanden, Autonomie zu stärken – Menschen (bei ondamaris eben: Menschen mit HIV) möglichst umfassende und breite Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zu ermöglichen, damit sie für sich und ihr Leben selbst eigene informierte Entscheidungen treffen können.
Ähnlich könnte ich mir vorstellen, dass es auch für Projekte und Initiativen im LGBTIQ-Bereich sinnvoll sein könnte, mehr darüber zu erfahren, an welchen Ideen und Projekten andere arbeiten – eben auch durch größere Öffentlichkeit und Informationen über diejenigen Projekte, die die hms gefördert hat (und vielleicht auch zukünftig da, wo es passt, was z.B. im Sinne eines ‘nachgefragt’ aus ihnen geworden ist).
3 Antworten auf „Chancen, selbstbewusst andere Wege zu suchen – Ulli Würdemann im Gespräch mit Josch Hoenes“
Die Debatten um die Homo-Ehe wirken auf mich so, als sei die Homo-Ehe die einzig denkbare Form des Zusammenlebens zweier oder mehrerer nicht-heterosexueller Menschen. Diese freiwillige Reduzierung unserer Möglichkeiten wundert mich schon.
Andere Formen des Zusammenlebens als in einer Ehe war auch unter heterosexuellen Menschen einst ein Thema. So war es bis Mitte der 60 Jahre nicht möglich das unverheiratete Paare sich eine Wohnung anmieten konnten. Das Zusammenleben ohne Trauschein wurde lange als „sogenannte wilde Ehe“ bezeichnet wobei die Bezeichnung „wilde Ehe“ negativ konnotiert war. http://scheidungsnews.de/2012/12/trauschein-brauch-ich-nicht-ehe-und-scheidung-in-den-60er-70er-jahren/
Das diese Form des „Tabu“ Bruch – Tabu im Kontext des heterogeprägten Normativen gesellschaftlichen zusammenlebens – von Mann Mann in den Augen der heterogeprägten Gesellschaft den Meisten schwer im Magen liegt ist im Grunde genommen nachvollziehbar. Dies im Innersten zu akzeptieren heißt auch Vieles in Frage zu stellen um über (s)einen Schatten springen zu können.
Alivenkickin, in einem Text in Sachen ‚Unwort des jahres‘ entdekcte ich heute eine schöne Formulierung zum Thema ‚Homo-Ehe‘:
„Mal wieder wird mit einer kleinen Vorsilbe die Norm gesichert. Da gibt es die Ehe, die keine nähere Beschreibung braucht. Sie entspricht ja dem, was als normal gilt. Und dann gibt es noch das andere da, also die naja … äh … ja … Homo-Ehe. Also bitte. Entweder Ehe oder nicht Ehe, egal wer mit wem. Fertig aus. Vielleicht doch besser gar nicht heiraten.“
hier: Freitag: Anschlussverwendete Trümmerfrauen
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/anschlussverwendete-truemmerfrauen?
[…] Anne Hidalgo (ebenfalls PS) und die konservative Politikerin Nathalie Kosciusko-Morizet (UMP). Anne Hidalgo erhielt im zweiten Wahlgang am 30.03.2014 die Mehrheit der […]