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Homosexualitäten

Guy Hocquenghem (1946 – 1988)

Zuletzt aktualisiert am 24. Oktober 2019 von Ulrich Würdemann

Guy Hocquenghem (geboren am 10. Dezember 1946 in Boulogne-Bilancourt; gestorben am 28. August 1988 in Paris) gilt als Galionsfigur der französischen Schwulenbewegung der 1970er Jahre.

Hocquenghem betrachtete Promiskuität, vielfältige sexuelle Erfahrungen als emanzipatorischen Akt. Durch ein offenes und fröhliches Sexleben weise der Schwule die gesellschaftliche Dämonisierung des Analverkehrs und ihre Fixierung auf das anale Tabu zurück.

Liebe mit jedem machen und diesen jeden auch noch verändern: das haben wir unterschätzt, indem wir das homosexuelle Verlangen auf das Verlangen reduzierten, mit anderen Männern ins Bett zu gehen. … Unser Verlangen hat keinesfalls den Traum als Ziel, uns vor der Front der ‚Hetero‘-Normalität als homosexuelle Normalität einzurichten.“
(Guy Hocquenghem 1979)

Guy Hocquenghem studierte an der École normale supérieure,  wurde später Dozent für Philosophie an der Universität von Vincennes.

Hocquenghem war seit deren Gründung 1971 Mitglied der Front Homosexuel d’Action Révolutionaire (FHAR).

Guy Hocquenghem veröffentlichte 1972 mit „Le Désir Homosexuel“ (auf deutsch erschienen 1974 „Das homosexuelle Verlangen“) eines der wichtigsten Werke der französischen Schwulenbewegung der 1970er Jahre.

Zuvor hatte er am 10. Januar 1972 in einem Brief im Nouvel Observateur (‚Je m’appelle Guy Hocquenghem. J’ai 25 ans.‚) seine Homosexualität öffentlich gemacht. Es war das nach Verlaine 1888 vermutlich erst zweite öffentliche coming out in der französischen Presse.

Er gehörte Ende der 1970er Jahre mit zu den Initiatoren des schwulen Radiosenders Fréquence Gaie und schrieb sowohl in der Tageszeitung Libération als auch im legendären französischen Schwulen-Magazin Gai Pied. 1979 arbeitete er gemeinsam mit dem Regisseur Lionel Soukaz an einem Dokumentarfilm über Homosexualität ‚Race d’Ep!‘.

Hocquenghem prägt die Begriffe der ‚homosexualité blanche‚ und ‚homosexualité noir‚. Im Gegensatz zur ‚homosexualité blanche‚, austauschbar und ohne soziale Risiken, sei die ‚homosexulité noir‚ eine Art Wirbelwind, der die Situation und vor allem Identität des Subjekts in Frage stelle.

Später formuliert er (in Liberation 29. März 1976) „Ein Stereotyp eines Staats-Homosexuellen … ersetzt nach und nach die barocke Diversität traditioneller homosexueller Stile. … Kommt schließlich die Zeit in der der Homosexuelle nicht mehr ist als ein Sex-Tourist, ein höfliches Mitglied im Club Méditerranée …

Hocquenghem verfasste neben seinen aktivistischen Schriften auch zahlreiche Romane und andere Werke, so u.a. ‚L’amour en relief‚, ‚Voyages et aventures extraordinaires du frère Aneglo‚, ‚Eve‚, ‚Co-ire, album systématique de l’enfance‚ oder ‚Le Gay voyage‚.

Guy Hocquenghem starb am 28. August 1988 in Paris im Hôpital Claude-Bernard an den Folgen von Aids. Er ist im Kolumbarium des Pariser Friedhofs Père Lachaise beigesetzt (Division 87, Grab Nr. 392).

Guy Hocquenghem Urnen-Grab auf Père Lachaise, Paris (Foto: Pierre-Yves Beaudouin)
Guy Hocquenghem Urnen-Grab auf Père Lachaise, Paris (Foto: Pierre-Yves Beaudouin, cc by-sa 3.0)

Vue d’ensemblePierre-Yves Beaudouin / CC BY-SA 3.0

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Guy Hocquenghem – Video

Hocquenghem 1979 im französischen TV über seine Aktivitäten, u.a. als Journalist der Tageszeitung ‚Liberation‘:
[ Video leider nicht mehr online ]

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Welche Bedeutung Hocquenghem heute noch hat, wie sehr er im ’schwulen Gedächtnis‘ Frankreichs präsent ist, zeigt dass der schwule Buchladen von Paris ‚Les Mots à la Bouche‚ Mitte Februar 2017 eine Veranstaltung ‚Guy Hocquenghem, quel héritage aujourd’hui?‚ (Was hat uns Guy Hocquenghem heute zu sagen?; Übers. UW) durchführt.

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

8 Antworten auf „Guy Hocquenghem (1946 – 1988)“

[…] Guy Hocquenghem analysiert darin, woher die Begriffe Homo- und Heterosexualität stammen, welche Ideologien seiner Ansicht nach dahinter stehen, und fragt nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sowohl der Repression als auch einer moderaten liberalen Haltung der ‚Duldung‘ von Homosexualität. Er nimmt dabei wesentlich Bezug auf Deleuze/Guattaris Anti-Ödipus [1] sowie immer wieder auf Freud. […]

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