Zuletzt aktualisiert am 6. März 2024 von Ulrich Würdemann
Der französische Philosoph Michel Foucault zählt zu den bedeutendsten Denkern Frankreichs im 20. Jahrhundert. Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er starb am 25. Juni 1984 in Paris. Sein Grab befindet sich in einem kleinen Dorf nördlich von Poitiers.
Paul Michel Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er war das zweite Kind seiner Eltern Paul-André Foucault aus Fontainebleau (1893 – 1959) und Anne-Marie, geb. Malapert, Tochter des örtlichen Chirurgen Dr. Prosper Malapert. Michel Foucaults Vater war Chirurg, Professor für Anatomie an der örtlichen Universität und übernahm die Praxis seines Schwiegervaters.
Im Dezember 1955 lernt er Roland Barthes kennen, der Beginn einer lebenslangen Freundschaft – auch wenn er sich gelegentlich als ‚anti – Barthes‘ sah.
Pascal Bruckner, der seine Doktorarbeit bei Barthes machte, erinnerte sich 2017, Foucault habe bei einem gemeinsamen Essen mit Daniel Defert in seiner Wohnung (rue Vaugirard) geäußert, er habe nie diesen Don Juan Mythos verstanden. Er können in einer Disco-Nacht Sex mit zehn Männern haben, ohne daraus einen Mythos zu machen.
Im Oktober 1960 lernt er den frisch zur École normale superieur zugelassenen Daniel Defert kennen. Ab 1963 leben beide in einer engen Partnerschaft.
1968 nimmt er auf Veranlassung von Hélène Cixous an der Gründung der revolutionären Universität von Vincennes teil, leitet den Bereich Philosophie.
Foucault schätzt Schriften und Filme von Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975) sehr.
„Der Filmemacher Pasolini beobachtet mit all seinen Ohren“,
angesichts einer Gesellschaft, die im Begriff sei Worte zu finden um sich selbst zu definieren, bemerkt er angesichts des Films Comizi d’amore (in Frankreich gezeigt unter dem Titel Enquête sur la sexualité). Zu Salo merkt er an, er sei erstaunt über die Abwesenheit von Sadismus und von de Sade in dem Film. Es sei nicht möglich, de Sade, diesen akribischen Anatom in präszisen Bildern zu beschreiben. Entweder verschwinde de Sade, ob man mache cinéma de Papa.
1978 nimmt Foucault am Tunix-Kongreß in Berlin teil, ebenso Gilles Deleuze und Felix Guattari.
Eines von Foucaults Hauptwerken ist ‚histoire de la sexualité‚ (Sexualität und Wahrheit), ursprünglich auf sechs Bände angelegt. Drei Bände erschienen zu Lebzeiten, der erste ‚la volonté de savoir‚ (Der Wille zum Wissen) im Dezember 1976. Ein vierter Band erschien posthum 2018.
Der frühere Justizminister Robert Badinter, mit Foucault seit den 1970er Jahren bekannt, bezeichnete Foucaults Vorlesungen am Collège de France 2010 als weitsichtig. Foucault habe hier bereits damals zwei wesentliche Probleme von heute beschrieben, die Verfielfachung von Kontrolle sowie die Sicherheitsverwahrung.
Präsident Valery Giscard d’Estaing lud Foucault zu Beginn seiner Amtszeit zu einem Essen in den Elysée-Palast. Foucault soll geantwortet haben, er käme, sofern er den Präsidenten zur Affäre pull-over rouge (erste unter Giscard verhängte Todesstrafe) befragen dürfe. Giscard verweigerte eine Begnadigung, Foucault kam nicht zum Empfang.
Michel Foucault ‚erfand‘ auch den Namen des legendären bedeutenden französischen Schwulenmagazins Gai Pied, 1978, in der Küche seiner Wohnung (erinnert sich später Daniel Defert).
In Foucaults Zeit am Hamburger Institut Francais (ab September 1959, nach dem Tod seines Vaters) regte er den Schriftsteller Rolf Italiaander (der sich auch für die Rechte Homosexueller einsetzte) zu einer Ausstellung über afrikanische Kunst an.
Foucault und Poitiers
Die Familie, katholisch, gehörte zur gehobene Mittelklasse des bürgerlichen Städtchens mit etwa 80.000 Einwohner. Sie lebte in einem über 400 m² großen Bürgerhaus nahe dem Stadtzentrum in der 10 rue Arthur-Ranc (damals rue de la visitation).
Geburtshaus von / maison natale de / maison de naissance de / birthplace of Michel Foucault in Poitiers
Bis zum Alter von neunzehn Jahren lebte Michel Foucault in Poitiers. Hier besuchte er die Schule, zunächst die Lycée Henri-IV, ab 1940 bis 1945 das Jesuiten-Kolleg Saint- Stanislas.
Zu Poitiers hatte Foucault immer ein zwiespältiges Verhältnis.
Michel Foucault Geburtshaus – inzwischen mit Gedenktafeln
Michel Foucaults Geburtshaus trägt seit Mai 2003 (!, nahezu 20 Jahre nach seinem Tod) eine Erinnerungs-Tafel.
Zuvor wurde in Poitiers lange kaum an ihn gedacht. Bis heute sind in Poitiers kaum Erinnerungen an ihn zu finden. Einzig ein internationales Studentenwohnheim ist nach ihm benannt, sowie eine Straße.
„Maison Natale de Michel Foucault (1926–1984), Historien et Philosophe, Professeur au College de France“
Foucault und Vendeuvre
Michel Foucault verbrachte mit seinen Eltern viele Urlaube auf ihrem – von seinen Großeltern 1875 erbauten – Landsitz ‚Le Piroir‚ in dem Ort Vendeuvre im Poitou.
Hierhin zog sich die Familie auch 1944 bis 1945 zurück, nachdem das Wohnhaus der Familie in Poitiers von den Nazi-Truppen requiriert worden war (sein Vater lehnte die Vichy-Regierung von Pétain ab, engagierte sich jedoch nicht in der Résistance).
Immer wieder kehrte Michel Foucoult später nach Vendeuvre zurück. Das Haus befindet sich inzwischen nicht mehr in Familienbesitz. Eine Straße im Ort ist nach ihm benannt.
Foucaults Tod 1984
Bis April 1984 hielt Fucault noch Vorlesungen am Collège de France. Am 9. Juni 1984 wurde er in Paris mit neurologischen Komplikationen ins Krankenhaus ‚Hôpital de la Pitié Salpétrière‘ eingeliefert und starb dort am 25. Juni 1984 an den Folgen einer opportunistischen Infektion (Aids). Foucaults Umgang mit seiner Aids-Erkrankung ist bis heute umstritten.
Etwa 50 Personen Personen nahmen in der Pitié Salpétrière an einer Trauerfeier und Aussegnung für Michel Foucault teil.Darunter Yves Montand, Simone Signoret, Élisabeth und Robert Badinter, Bernard Kouchner, Pierre Boulez, Claude Mauriac, Thierry Voeltzel, Hervé Guibert, Jean Le Bitoux und natürlich Daniel Defert.
Anschließend wurde er am 29. Juni 1984 in Vendeuvre-du-Poitou auf dem örtlichen Friedhof im privaten Kreis beigesetzt.
Michel Foucault wurde in der Grabstätte seiner Mutter beigesetzt. Die Zeile „Professeur au Collège de France“ auf seinem Grabstein geht auf seine Mutter zurück – zum Entsetzen seines Partners Daniel Defert, wie dieser 2015 berichtete.
Michel Foucault Nachlass
Foucaults Nachlass beschäftigt viele Jahre später die französische Kulturpolitik.
Daniel Defert, damals 75jähriger französischer Soziologe und Aids-Aktivist und sein Lebensgefährte, entschied sich 2012 (auch anlässlich einer bevorstehenden Herz-Operation), sich von einem Teil des Nachlasses des Philosophen zu trennen.
Der über 37.000 Stücke umfassende Michel Foucault Nachlass wurde inzwischen als ‚trésor national‘ (Nationales Erbe‘) eingestuft.
Seit 2015 hat die Bibliothèque nationale de France das Foucault-Archiv Paris für 3,8 Mio. € von Defert übernommen.
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Michel Foucaults Grab – Fotos
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„Je suis un artificier (…). Je ne suis pas pour la destruction mais je suis pour qu’on puisse avancer, pour qu’on puisse faire tomber les murs (…). Je considère mes livres comme des mines, des paquets d’explosifs.“
(„Ich bin ein Handwerker. Ich bin nicht für Zerstörung, aber ich bin dafür, dass wir vorwärts schreiten, dass wir die Mauern einreißen können … Meine Bücher betrachte ich als Minen, als Sprengstoff-Pakete.“ [Übersetzung UW]
„Ne me demandez pas qui je suis et ne me dites pas de rester le même : c’est une morale d’état civil ; elle régit nos papiers. Qu’elle nous laisse libre quand il s’agit d’écrire.“
(„Fragt mich nicht wer ich bin, und sagt mir nicht ich solle der selbe bleiben: das ist Sache der Behörden, unsere Papiere in Ordnung zu halten. Mögen sie uns davon verschonen, wenn wir schreiben.“ in: L’Archéologie du Savoir, 1969 [Übers. UW])
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Michel Foucault Namen und Steine, Bonn
Stein für Michel Foucault, Namen und Steine – Kaltes Quadrat, Tom Fecht 1993 / Bonn Bundeskunsthalle
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siehe auch Schweigen des Intellektuellen oder Schweigen aus Scham? – wie Michel Foucault Aids sah
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35 Antworten auf „Michel Foucault (1926 – 1984)“
[…] 09.10.2013: gefunden als Lesezeichen in einem der Foucault-Bändchen: die damaligen […]
[…] [3] Daniel Defert, französischer Soziologe, gründete 1984 die französische Aidshilfe-Organisation AIDES und war bis 1991 deren erster Präsident. Deferts Lebensgefährte, der französische Philosoph Michel Foucault, starb am 25.6.1984 an den Folgen von Aids. […]
[…] und Sterbens seines langjährigen Lebenspartners, des französischen Philosophen Michel Foucault. Foucault starb am 25. Juni 1984 an den Folgen von Aids. Defert wurde 1998 für die Gründung von Aides mit dem ‘Prix Alexandre Onassis’ […]
[…] Dass Michel Foucault, 1984 an Aids verstorbener französischer Philosoph , unweit seine Pariser Wohnung hatte, erfuhr ich erst später […]
[…] will jetzt gar nicht mit Foucault, Dispositiven der Macht und der Bedeutung der Kontrolle der Sexualität für gesellschaftliche […]
[…] Guibert lernt Michel Foucault 1977 kennen. Beide sind Wohnungsnachbarn im selben Haus in der Rue de Vaugirard. Sie werden […]
[…] kann, hieß für mich Lust auf Typen haben immer schon Lust auf Beziehungen mit Typen haben” (Michel Foucault 1981 in einem Interview). Ich war nie ein großer Party-Mensch, fühlte mich nie besonders wohl auf […]
[…] den er als ‘Familialismus’ bezeichnet und unter Verweis auf den französischen Philosophen Michel Foucault folgendermaßen […]
[…] französische Schwulenmagazin Gai Pied (der Name wird in der Küche seines Appartments vom Philosophen Michel Foucault ‘erfunden’). 1983 scheidet er, nach ökonomischen wie auch editorischen Differenzen in […]
[…] organisierte Italiaander auf Anregung von Michel Foucault im Hamburger ‘Institut Francais’ (dessen Direktor Foucault 1959/60 für ein Jahr war) […]
[…] Film sollte als Pornographie eingeordnet werden. Doch mit Unterstützung von Intellektuellen wie Michel Foucault, Roland Barthes, Gilles Châtelet oder Gilles Deleuze und einer öffentlichen, u.a. von Roland […]
[…] Michel Foucault, offen schwuler und 1984 an den Folgen von Aids gestorbener französischer Philosoph, hätte diese Situation vielleicht mit seiner Formulierung von der “fehlgeleiteten Philantropie” beschrieben: In anderem Kontext (Umgangs mit Geisteskranken) sprach Foucault von Wissenschaften, deren Anwendung einst aufgeklärt und human schienen, sich aber letztlich als subtile und heimtückische neue Formen sozialer Kontrolle erwiesen hätten … […]
[…] die Aids-Präventionsmaterialien verteilt werden (zu Beginn u.a. von Daniel Defert, dem Partner des 1984 an den Folgen von Aids verstorbene Michel Foucault und Gründer der französischen Aidshilfe Aides […]
[…] Michel Foucaults Grab befindet sich einige Kilometer entfernt von Poitiers in Vendeuvre im Poitou; hier verbrachte die Familie viele Urlaube auf ihrem – von Foucaults Großeltern 1875 erbauten – Landsitz ‚Le Piroir‘. […]
[…] Guibert lernt Michel Foucault 1977 kennen. Beide sind Wohnungsnachbarn im selben Haus in der Rue de Vaugirard. Sie werden enge […]
[…] Michel Foucault wurde am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Er starb am 25. Juni 1984 in Paris. Das Grab von Michel Foucault befindet sich in Vendeuvre nahe Poitiers. […]
[…] Philosoph Michel Foucault, der Arcadie mehrere Male besuchte, schrieb über Arcadie und die Rolle […]
[…] Artikels in Liberation erstmals in Kontakt mit der kurz zuvor von Daniel Defert (Partner des zuvor an den Folgen von Aids verstorbenen Philosophen Michel Foucault) gegründeten Aids-NGO […]
[…] er recht freizügig von seinen sexuellen Abenteuern, u.a. in der Sauna Continental Opéra. Und der Philosoph Michel Foucault spricht 1978 in seinem legendären Interview mit Jean Le Bitoux (Le Gai Savoir) u.a. über eine […]
[…] französische Philosoph Michel Foucault wurde am am 15. Oktober 1926 in Poitiers geboren. Foucault starb am 25. Ju… in Paris an den Folgen von […]
[…] Michel Foucault beschäftigte sich intensiv mit dem Machtbegriff und der Analyse von Machtverhältnissen. Er zeigt bei der Frage des politischen Handelns, des Infragestellens vorhandener Machtverhältnisse auf die (seiner Ansicht nach den Machtverhältnissen bereits innewohnenden, „wesenhafter Antagonismus„) Handlungsmöglichkeiten der „widerspenstigen Freiheit„, die Machtbeziehungen ändert [2]. Foucault sieht Kritik als Mittel, sich von der Macht eines anderen zu befreien und sich frei in Bezug auf eine Sache zu verhalten. […]
[…] 1977 kennenlernte („Guibert war vielleicht der beste Freund Foucaults„, Edmund White). Foucault starb am 25. Juni 19984 an den Folgen von Aids, er hatte zeit seines Lebens seine HIV-Infektion und Aids-Erkrankung […]
[…] 1930 – 1992): Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I (mit einem Vorwort von Michel Foucault; Frankfurt 1974; original 1972: L’anti-Oedipe), Kritik der Psychoanalyse nach Freud, die als […]
[…] Aron, Roland Barthes, Simone de Beauvoir, Jean-Louis Bory, Copi, Gille Deleuze, Jacques Derrida, Michel Foucault, Felix Guattari und Jean-Paul Sartre. Doch die Streichung sollte noch über 4 Jahre dauern […]
[…] Michel Foucault ‚erfand‘ den Namen 1978 in der Küche seiner Wohnung, erinnerten sich später Daniel Defert ebenso wie Jean Le Bitoux. […]
[…] marxistischen antistalinistischen Linken. Er war ein Kritiker des Postmodernismus und von Michel Foucault (vgl. ‚(Im)politiques de […]
[…] herausgegeben von François Wahl (Barthes literarischer Testamentsvollstrecker; befreundet mit Michel Foucault; Herausgeber bei Éditions du Seuil bis 1994; gemeinsam mit Paul Ricoeur (für den später der […]
[…] Dass Michel Foucault, 1984 an Aids verstorbener französischer Philosoph , unweit seine Pariser Wohnung hatte, erfuhr ich erst später … Hier ein Video, das einen […]
[…] Monate nach dem Tod des schwulen Philosophen Michel Foucault gründen Daniel Defert (sein Partner), Fréderic Edelmann und Jean Florian Mettetal im September […]
[…] beherrscht unsere Papiere. Sie soll uns frei lassen, wenn es sich darum handelt zu schreiben.“ Michel Foucault, Archäologie des […]
[…] September 1959, sein Vater war kurz zuvor gestorben, lebte Michel Foucault in Hamburg. Gerade erst 33 Jahre alt, wurde er von Oktober 1959 bis September 1960 Direktor des im […]
[…] Verweis auf den 1984 verstorbenen französischen Philosophen Michel Foucault und dessen ‚Kunst der Verteilungen‘ (in ‚Überwachen und […]
[…] Michel Foucault äußert sich zu Salo und den Bezügen zu de Sade in dem Film. Es sei nicht möglich, de Sade, diesen akribischen Anatom in präszisen Bildern zu beschreiben. Entweder verschwinde de Sade, ob man mache cinéma de Papa. […]
[…] verfolgten Homosexuellen‘ schufen) sind mit einer ‘Queer Bar’ vertreten, die sich auf Foucault und seine “machtverweigernden Architekturentwürfe” (so der Begleittext) […]
[…] Defert war Lebensgefährte des französischen Philosophen Michel Foucault. […]