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Paris: Gedenktafel letzte Hinrichtung wegen Homosexualität 1750

Zuletzt aktualisiert am 10. August 2023 von Ulrich Würdemann

Seit 18. Oktober 2014 erinnert in Paris eine Gedenktafel an zwei Männer, die 1750 wegen ihrer Homosexualität verbrannt wurden – die letzte bekannte Hinrichtung wegen Homosexualität in Frankreich. 2018 wurde die Tafel mehrfach beschädigt.

Gedenktafle an die letzte Hinrichtung wegen Homosexualität in Paris 1750 (Foto: V.Z.)
Gedenktafel an die letzte Hinrichtung wegen Homosexualität in Paris 1750 (Foto: V.Z.)

6. Juli 1750, Paris: Bruno Lenoir und Jean Diot, zwei junge Arbeiter, werden öffentlich auf brutale Weise hingerichtet – wegen ‚Sodomie‚. Wie vom Staatsanwalt am 4. April gefordert, werden beide zu Verbrennung bei lebendigem Leib verurteilt. Das am 27. Mai gefällte Urteil wird am 5. Juni 1750 per öffentlichem Anschlag bekannt gegeben.

Bruno Lenoir und Jean Diot  waren am 4. Januar 1750 kurz vor Mitternacht von der guet royal (einer zur Zeit des ancien regime neben der Polizei bestehenden Sicherheitspolizei) festgenommen worden. Der Polizeibericht vermerkt, auf der „rue Montorgueil zwischen St. Sauveur und rue Beaurepaire [habe] Sergent Daguisy zwei Personen bei unanständigen und inakzeptablen Handlungen ertappt“ („en posture indécente et d’une manière répréhensible“). Er habe sie wegen Verstoßes gegen den öffentlichen Anstand festgenommen.

Während der Verhandlung gibt der 21-jährige Bruno Lenoir zu, Jean Diot habe ihm „die Infamie“ vorgeschlagen. Er habe seine Hose herunter gezogen, sie hätten ihr Vorhaben aber nicht beenden können. Jean Diot hingegen, 40 Jahre alt, streitet alles ab. Er habe einfach nur einem in einem Hauseingang eingeschlafenen jungen Mann geholfen, wieder seine Hose zu richten.
Beide werden wegen des ‚Verbrechens der Sodomie‘ verurteilt. Auf Antrag des Staatsanwalts wird das Strafmaß festgesetzt auf Verbrennung bei lebendigem Leib; ihre Asche solle ‚in alle Winde verstreut‘ werden.

Der Anwalt E.J.F. Barbier berichtet über die Hinrichtung am 6. Juli 1750:

„Heute am 6. um 5 Uhr abends wurden auf dem Place de Greve öffentlich verbrannt diese zwei Arbeiter: ein Zimmermann und ein Fleischer-Gehilfe im Alter von 18 und 25 Jahren, die des Nachts in flagranti auf der Straße erwischt wurden, wie sie das Verbrechen der Sodomie begingen“.

nach Claude Courouve, Autor von ‚Les Flammes de Sodome‘
Place de Grève - der Ort der letzten bekannten Hinrichtung wegen Homosexualität in Frankreich / Nicolas-Jean-Baptiste Raguenet, "Hôtel de Ville et Place de Grève
Place de Grève – der Ort der letzten bekannten Hinrichtung wegen Homosexualität in Frankreich / Nicolas-Jean-Baptiste Raguenet, „Hôtel de Ville et Place de Grève

Claude Courouve bezeichnet diese beiden Hinrichtungen als „der letzte bekannt gewordene Fall von Unterdrückung der Homosexualität [in Frankreich] per se durch die Justiz“ (la dernière affaire connue de répression judiciaire de l’homosexualité per se).

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Hinrichtung wegen Homosexualität – wie es zur Gedenk-Plakette kam

Durch einen Chat, den das französische Schwulen-Portal Yagg im März 2011 veranstaltet hatte, wurde Ian Brossat (Vorsitzender der Gruppe der Kommunisten in der Pariser Stadtverordnetenversammlung) auf den Fall der Hinrichtung wegen Homosexualität aufmerksam. Er setzte sich für eine Form des Gedenkens ein. Bereits im darauf folgenden Mai beschloss der Rat der Stadt einstimmig ein öffentliches Gedenken. Inzwischen, so berichtet das Portal Yagg, habe der Rat die Anbringung einer Gedenktafel, die an die beiden Männer erinnern soll, konkret in Planung.

Der Text der Gedenktafel, die im 2. Arrondissement an der Ecke der rue Bachaumont und rue Montorgueuil angebracht wurde, lautet

„Le 4 JANVIER 1750
RUE MONTORGUEIL, ENTRE LA RUE SAINT-SAUVEUR
ET L’ANCIENNE RUE BEAUREPAIRE, FURENT ARRËTÉS
BRUNO LENOIR ET JEAN DIOT.
CONDAMNÉS POUR HOMOSEXUALITÉ,
ILS FURENT BRÜLÉS EN PLACE DE GRÈVE LE 6 JUILLET 1750
CE FUT LA DERNIÈRE EXÉCUTION POUR HOMOSEXUALITÉ EN FRANCE“
(„Am 4. Janaur 1750 wurden Bruno Lenois und Jean Diot auf der rue Montorgueuil zwischen der rue Saint-Sauveur und der ehemaligen rue Beaurepaire festgenommen. Wegen Homosexualität verurteilt, wurden sie auf dem Place de Grève am 6. Juli 1750 verbrannt. Dies war die letzte Hinrichtung wegen Homosexualität in Frankreich.“ [Übers. UW])

Der Rat von Paris sprach sich am 18. Dezember 2013 einstimmig für die Errichtung der Gedenktafel an die beiden letzten wegen Homosexualität hingerichteten Männer aus.

Am 18. Oktober 2014 konnte die Gedenkplakette von Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, offiziell ‚eingeweiht‘ werden:

Die Kriminalisierung der Homosexualität wurde in Frankreich 1791 beendet – allerdings wurde 1942 unter der Vichy-Regierung von Philippe Pètain erneut  Strafrecht gegen Homosexuelle in Frankreich eingeführt, und erst 1982 unter Francois Mitterrand erneut abgeschafft.

2018 – mehrfache Beschädigung der Gedenktafel

2018 wurde die Gedenktafel an die letzte Hinrichtung wegen Homosexualität in Paris mehrfach aus homophoben Motiven beschädigt.

Anfang August 2018 wurde die Gedenktafel mit Farbe überschmiert. Dazu wurden Zettel aufgeklebt mit der Aufschrift „Um ein Kind zu machzen: ich bin ein Mann, udn kein Schwuler“. Die stellvertretende Arrondissmeents- Bürgermeisterin verurteilte die Beschädigung, ebenso wie Anne Hidalgo, Bürgermeisterin der Stadt Paris:

C’est la deuxième fois cette année que la plaque rendant hommage aux deux derniers condamnés à mort pour homosexualité Bruno Lenoir et Jean Diot située rue Montorgueil a été vandalisée. L’homophobie n’a sa place ni dans les rues de @Paris ni ailleurs ! pic.twitter.com/tyM1filjpE— Hélène Bidard (@Helenebidard) 6. August 2018

Je suis choquée par cette nouvelle démonstration honteuse d’homophobie ! Cette plaque rend hommage à Bruno Lenoir et Jean Diot, derniers condamnés à mort pour homosexualité. Cet acte ne fait que renforcer notre détermination à lutter contre les discriminations. #LoveWins pic.twitter.com/EuH6c5CeIj— Anne Hidalgo (@Anne_Hidalgo) 6. August 2018

Bereits wenige Monate zuvor war das Gedenken geschändet worden. Unbekannte hatten am 17. Mai (IDAHOT) dort zum Gedenken niedergelegte Blumen verbrannt.
Am 23. Mai 2018 protestierte SOS Homophobie gegen Vandalismus an der Gedenkplakette:

Vandalisme inadmissible de la plaque commémorative des deux derniers homosexuels condamnés à mort en raison de leur homosexualité rue Montorgueil #Paris02 les LGBTphobies n’ont pas leur place ni dans le 2e ni ailleurs cc @JacquesBoutault @Mairiedu2 @OMaillebuau @SOShomophobie pic.twitter.com/62mx2PQ7ml

— GAYLIB (@GayLib) 23. Mai 2018

Vandalismus 2018 – Täter verurteilt

Wenige Tage später behauptete ein 48jähriger schwuler Mann in mehreren Briefen an Polizei und Medien, Urheber der Beschädigungen zu sein. Der Mann bezeichnete sich selbst als früherer Schwulenaktivist, er leide an bipolarer Erkrankung und Schizophrenie, so Medien.

Christophe M. ‚rechtfertige‘ seine Tat mit seiner Ablehnung der Homo-Adoption sowie nicht-polaren Geschlechterverständnisses. Zudem habe er das Hissen der Regenbogenflagge am Gebäude der französischen Nationalversammlung während des CSD 2018 als respektlos gegenüber der französischen Geschichte empfunden. Er sei nicht homophob, wende sich aber ‚gegen die Arroganz von LGBT-Gruppen‘. Medienberichten zufolge soll er früher bereits die homophobe ‚manif pour tous‚ unterstützt haben.

Der Mann sei der Polizei wegen zahlreicher Konflikte zu LGBT-Themen bekannt. Der Vorgang wurde am 11. August der Staatsanwaltschaft überstellt. Zuvor hatte die Stadt Paris am 9. August Strafanzeige gestellt.

Am 10. Januar 2019 musste der Mann sich vor Gericht wegen „Degradierung des öffentlichen Wohls“ verantworten. Bis zum Ergehen eines Urteils war er am 10. August 2018 unter gerichtliche Aufsicht (über Freiheits- und Sorgerecht) gestellt.

Christophe M., homosexuell und nach eigener Angabe homophob, sowie ehemaliger Aktivist der homophoben ‚manif pour tous‘, bedauerte, er habe die beiden Hingerichteten, an die die Plakette erinnert, nicht angreifen wollen. Vielmehr habe ihn die Regenbogenflage an der Nationalversammlung gestört.

Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat verurteilt. Die Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte akzeptierte das Urteil.


Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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