Zuletzt aktualisiert am 2. Februar 2018 von Ulrich Würdemann
RENT Hamburg : das Broadway-Erfolgs-Musical Rent von Jonathan Larson wurde seit Dezember 2013 in Hamburg gezeigt – und bot viele aktuelle Bezugspunkte, gerade in Hamburg selbst.
Junge Künstler, viele Ideen, wenig Geld, Wohnungsnot und Aids – Jonathan Larsons Erfolgs-Musical Rent (1996 bis 2008 ununterbrochen am Broadway aufgeführt) erzählt in einer Rock-Version die Geschichte der Bohème neu. Es war seit Dezember 2013 in Hamburg zu sehen.
Auch wenn Rent in New Yorks Lower East Side und Anfang der 1990er Jahre spielt, das Stück hat viele aktuelle Bezüge. Gerade auch in Hamburg, gerade auch in St. Pauli (wo Mitsteigerungen, Gentrifizierung, Vernichtung günstigen Wohnraums aktuelle Themen, die kurz vor ihrem Abriss stehenden ‚Esso Häuser‚ gleich um die Ecke sind) – Themen, die sich in Spielort St. Pauli und in der Spielstätte Grünspan bezugsreich spiegeln.
Rent von Jonathan Larson (1960 – 1996) gewann den Pulitzer Preis als Bestes Drama (1996) und Tony Award als Bestes Musical (ebenfalls 1996). 20 Jahre nach der Erstaufführung im März 1993 (Theatre Workshop Production) und erster Broadway-Auffführung (29. April 1996) in New York ist RENT 2014 erstmals in Hamburg zu sehen, nachdem das Musical am 25. Februar 1999 Erstaufführung in Deutschland in Düsseldorf hatte und 2007 – 2009 erneut in Wiesbaden und 2013 in Lüneburg gezeigt wurde.
Ein mit dem Grünspan (ein ehemaliges Kino, das seit 1968 Discothek und Veranstaltungssal ist) eher ungewöhnlicher Ort, eine kleine Band statt großem Orchester, eher karges Bühnenbild – schon auf der formalen Ebene hebt sich die manchmal erfrischend „handgemacht“ herüber kommende ‚herz-hafte‘ Low-Budget-Produktion Rent Hamburg wohltuend ab von bombastisch oppulenten Musicals à la Lloyd Webber, von denen Hamburg durchaus genügend aufzuweisen hat.
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Aids als Thema in Rent – heute
„Nimm dein AZT“ – schon dieser beiläufige, von vielen Zuschauern wohl kaum wahrgenommene (und nicht selten wohl nicht verstandene) Satz wirft die Frage auf, ob der Hintergrund des ‚alten Aids‘ (in der Zeit vor der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien gegen HIV) tatsächlich noch funktioniert [vgl. auch ‚Aids ist keine düstere Bedrohung mehr‚).
Deutlich wird: Rent spielt, was Aids betrifft, in einer anderen Zeit asl der heutigen. Wohnungslos, kaum Einkommen, und HIV-positiv bzw. an Aids erkrankt – die Schärfe dieser Konstellation, die zusätzliche Brisanz die Aids hier (damals) bedeutete, ist heutigen Zuschauern wohl nur selten präsent oder vermittelbar, selbst wenn die Hamburger Inszenierung mit Einblendern z.B. der Hamburger ‚Namen und Steine‘ – Installation aufmerksamen Betrachtern zusätzliche Hinweise gibt.
So aktuell viele Themen des Musicals weiterhin sind („Es zählt nur euer Geld„), besonders auch in Hamburg mit seinen starken Mietsteigerungen, Wohnungsnot, Abriss günstigen Wohnraums – das zweite Thema des Musicals, die Aids-Krise und ihre persönliche Dimension, wirft die Frage auf, ob eine behutsame Anpassung des Stücks an heutige Gegebenheiten dem Stück nicht gut täte. Eine Frage, die vermutlich weniger der Hamburger Inszenierung als den Rechteinhabern zu stellen wäre – wie und wo ist eine gute Balance zwischen Zeitbezug und Werktreue zu finden?
„Das Ende des Jahrtausends naht“ – oder war es schon?
Ansonsten: eine herzfhaft lebendige Inszenierung mit starken Bildern, guten Darstellern mit teils beeindruckender Präsenz und tollen Stimmen – ansehen!
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