Zuletzt aktualisiert am 2. April 2022 von Ulrich Würdemann
Für Sonntag 5. Oktober 2014 haben die Homoehe-Gegner der ‚manif pour tous‘ zu zwei Großdemonstrationen in Paris und Bordeaux aufgerufen. Die Gruppierung, die immer noch gut mobilisieren kann, radikalisiert sich zunehmend – und verliert Unterstützun g in der französischen Bevölkerung.
(aktualisierter Text mit Photos der Demonstrationen in Bordaux)
Mindestens 100.000 Teilnehmer erwarten die Veranstaklter für die beiden für Sonntag 5. Oktober geplanten Groß-Demonstrationen der Homoehe-Gegner in Paris und Bordeaux. Mehrere Politiker der Konserrvativen (UMP), aber auch der Rerchtsextremen (Front national) hatten im Vorfeld ihre Teilnahme angekündigt.
Zufall oder nicht: an eben diesem Sonntag wird im Rom eine ‚Synode über die Familie‘ eröffnet, eine vom Papst initiierte weltweite Versammlung von Bischöfen. er wünsche sich eine grundlegende Betrachtung über Fragen zur Familie. Wollten die Homogegner der mpt hier – angesichts von Befürchtungen, Papst Franziskus könne womöglich zu ‚liberale‘ Positionen zulassen – „einen Punkt setzen“?
Im Mittelpunkt der Forderungen der beiden Großdemonstrationen: die Abschaffung des ‚loi Taubira‘ und damit der ‚Homoehe‘, sowie das Verbot der Leihmutterschaft (GPA, gestation pourt autrui) und der künstlichen Befruchtung (PMA, procréation médicalement assistée) für Homo-Paare.
Übersetzt wird dies dann in vermeintlich griffige Slogans wie „Gegen die [vermeintliche] Ideologie des gender“ oder den Vorwurf einer vermeintlich „familienfeindlichen“ Politik der Regierung.
Two protesters during the marriage equality demonstration in Paris, 27 January 2013 wave a sign with the French slogan „Mieux vaut un mariage _GAY_ qu’un mariage triste“ meaning in English „Better a _GAY_ marriage a sad marriage“. The photo is taken in front of the headquarters of w:International Union Against Tuberculosis and Lung Disease – User:Oliver H – CC BY-SA 3.0
Doch nicht nur Homogegner mobilisieren, auch Unterstützer der Homoehe. In Paris hat das Kollektiv ‚All out!“ spontan zu einer Gegen-Demonstration (11:00 Uhr place de la republique) vor dem Start der Demo der Homoehe-Gegner aufgerufen. Zuvor hatten über 230.000 Menschen eine ‚Petition pour l’Egalité‘ der Gruppe „All out!“ unterzeichnet.
Homogegner: Radikalisierung?
Noch immer verfügt die manrif pour tous (‚Demo für alle‘ als Gegenbegriff zur marriage pour tous = Ehe für alle, also auch gleichgeschlechtliche Paare) über ein beträchtliches Mobilisierungs-Potential (und über beträchtliche finanzielle Mittel). Beobachter weisen allerdings darauf hin, dass die – immer noch stark von rechtskonservativen katholischen Organisationen massiv unterstützte – Gruppierung zunehmend in die Radikalität abdrifte – insbesondere nach dem Ausscheiden der früheren ‚Ikone‘ der manif pour tous Frigide Barjot im Frühjahr.
Barjots Versuch, eine weniger radikale Gruppe namens ‚avenir pour tous‘ (Zukunft für alle) ins Leben zu rufen, scheiterte mehr oder weniger mangels breitem interesse. Auf Vorschläge der früheren mpt-Ikone Barjot (an die heutige Vorsitzende der mpt), ihre Sichtweise am Sonntag auf den Demonstrationen dazulegen, reagierte diese nicht einmal.
Homoehe-Gegner verlieren an Unterstützung
Unterdessen scheint die ‚manif pour tous‘ (mpt) zunehmend Unterstützung in der französischen Bevölkerung zu verlieren. Einer vom französischen Meinungsforschungsinstitut IFOP für das Magazin ‚Atlantico‘ erstellten repräsentativen Umfrage zufolge (1. bis 3. Oktober 2014, 1.004 Personen über 18 Jahre) fühlen sich nur noch 31% der Franzosen den von mpt vertretenen Ideen „nahe“. Am höchtsen ist die Unterstützung für mpt-Ideen unter den Anhängern der Konservativen (UMP; 45%) sowie der Rechtsextremen (Front national; 47%).
Auch unter Frankreichs Katholiken findet die mpt keineswegs einhellige Unterstützung. Nur 59% der Befragten, die angaben praktizierende Katholiken zu sein, bezeichneten sich als „nahe den Ideen der manif pour tous“. Bei „nicht praktizierenden Katholiken“ betrug der Anteil nur 33%, bei nicht-religiösen Teilnemern der Befragung nur 21%.
Selbst die Katholiken Frankreichs sind, dies zeigen mehrere Umfragen, offener für Fragen von Rechten Homosexueller als die Homogegner der mpt glauben machen wollen – auch hier hat die Gruppe keineswegs die Unterstützung, die suggeriert wird.
Gesundheitsministerin: Franzosen wollen Homoehe
Marisol Touraine, Gesundheitsministerin Frankreichs, erklärte im Vorfeld der Demonstration der Homogegner, „die Linke schätzt die Familie, jegliche Familie. Im Gegensatz zu einigen Ideologen erlaube ich mir kein Urteil über Werte.“
Die marriage pour tous, die auch die Homoehe ermögliocht, bezeichnete sie als „neue Freiheit, die eine große Mehrheit der Franzosen nicht wieder aufgeben möchte.“ Meinungsumfragen bestätigen diese Einschätzun g immer wieder. Aktuelle Umfragen zeigen neben der überwiegenden Befürworutng der Homoehe auch, dass die große Mehrheit der Franzosen auch eine Abschaffung des Homoehe-Gesetzes ablehnt.
Yohann Roszéwitch, Präsident von „SOS Homophobie“, rief in einem Kommentar dazu auf, alle Kinder in allen Familien zu schützen – nicht nur diejenigen, die in Familien mit traditionellem Familienbild aufwachsen.
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Aktualisierung:
Deutlich weniger Teilnehmer als erwartet
Sonntag, 5. Oktober 2014, 21:30 Uhr
Bordeaux: An der Demonstration der Homogegner nahmen mit wenigen Tausend Personen (nach Polizeiangaben 7.500) weniger Menschen als erwartet (20-000) teil, viele davon mit Bussen angefahren. An der Spitze der Demonstranten u.a. der im Department verantwortliche Spitzenpolitiker des rechtsextremen Front National.
Spontan war auch eine Gegen-Demonstration unter dem Motto „Bordeaux gegen die Rückwärtsgewandten! (Bdx contre les retrogrades)“ zustande gekommen, an der sich auch Schwule und Lesben beteiligten. Die Gegendemonstration wurde von Sondereinheiten der Polizei (CRS) in einer Seitenstraße vorzeitig beendet und aufgelöst.
Paris: Nach Polzeiangaben demonstrierten in Paris höchstens ca. 70.000 Homogegner der manif pour tous (die Veranstalter sprachen von 500.000 …), unter ihnen auch konservative (UMP) Spitzenpolitiker wie Laurent Wauquiez oder Michèle Aliot-Marie.
Am 6. Oktober fand in Paris bei strömendem Regen ein mit etwa 200 Personen gut besuchtes ‚Kiss-In‘ gegen die mpt-Aktivitäten statt.
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4 Antworten auf „Homoehe-Gegner in Frankreich: radikalisiert am Rand der Gesellschaft? (akt.)“
[…] katholische Kreise sowie durch namhafte Konzerne nachgesagt wird, hatten Anfang Oktober 2014 wesentlich weniger Anhänger als erwartet für zei Großdemonstrationen in Paris und Bordeaux aufbringen […]
[…] katholische Kreise sowie durch namhafte Konzerne nachgesagt wird, hatten Anfang Oktober 2014 wesentlich weniger Anhänger als erwartet für zwei Großdemonstrationen in Paris und Bordeaux aufbringen können. Bereits bei der Kommunalwahl 2014 hatten sie versucht, massiv auf Kandidaten […]
[…] im Herbst 2014 die Homogegner der Lmpt zu Großdemonstrationen in Paris und in Bordeaux aufriefen, marschierte Wauquiez gemeinsam mit anderen Abgeordneten der Konservativen nahezu an der […]
[…] Die seit Jahren boomende Metropole und Kulturstadt Bordeaux hat eine vergleichsweise kleine LBT+ – Szene. Bereits 2013 gab es ein Treffen von LGBT+-Organisationen mit Bürgermeister Alain Juppé, um einen Maßnahmen-Katalog gegen Homophobie zu vereinbaren. In der Zeit der Einführung der Homoehe in Frankreich kam es auch in Bordeaux zu Groß-Demonstrationen von Homogegner. […]