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Colbert und der Protektionismus in Frankreich

Zuletzt aktualisiert am 7. Oktober 2023 von Ulrich Würdemann

Jean-Baptist Jean-Baptist Colbert war erfolgreicher Finanzminister unter Ludwig XIV. Er gilt als Inkarnation des französischen Protektionismus (‚Colbertismus‘). Ein Impuls, der mit dem Ruf nach Démondialisation (Entglobalisierung) bis heute in der französischen Politik fortwirkt.

Jean-Baptiste Colbert (29. August 1619 Reims – 6. September 1683 Paris) ist der Perfektionist des Wirtschaftsmodells des Colbertismus (Colbertisme; bei uns eher bekannt unter dem Namen Merkantilismus). Colbert war von 1661 bis zu seinem Tod 1683 Finanzminister (Contrôleur général des finances) des unter Ludwig XIV. absolutistisch regierten Frankreich.

Inkarnation des französischen Protektionismus : Colbert - Büste im Zollmuseum Bordeaux
Jean-Baptist Colbert – Büste im Zollmuseum Bordeaux (nach Nicolas Coustou)

Colbert – Wirtschaften mit Protektion

Im Mittelpunkt von Colberts Wirtschaftsmodell standen

  • Förderung der eigenen Wirtschaft,
  • Förderung des Exports, z.B. durch Abbau von Ausfuhrzöllen,
  • Begrenzung bzw. Vermeidung von Importen, auch durch Aufbau und Förderung eigener Manufakturen
  • bei (besonders unter Colbert) gleichzeitig unbeschränkter staatlicher Regulierung.

Insbesondere die Kontrolle der Wirtschaft, besonders über protektionistische Maßnahmen, wurde unter Colbert massiv ausgebaut. So gilt Colbert in Frankreich u.a. auch als ‚Vater des modernen Zollwesens‘ (1664 erster moderner Zolltarif).

Gleichzeitig mühte sich Colbert um eine Zentralisierung und Vereinheitlichung in Frankreich. Ziel war – zumindest teilweise – die juristische Teilung des Landes zu überwinden (im Süden: kodifiziertes römisches Recht; in Norden: Gewohnheitsrecht). Hierzu brachte er während seiner Dienstzeit sechs Geetzgebungen ein:

  • ordonnance civile (1667; auch: Code Louis; Zivilprozeßrecht)
  • ordonnance des eaux et forêts (1669; Forst- und Wasserrecht)
  • ordonnance de commerce (1673; Handelsrecht)
  • ordonnance criminelle (1676; Strafprozeßrecht)
  • ordonnance de la marine (1680; Handelsschiffahrtsrecht)
  • code noir (1685; Sklavenrecht (vgl. Sklavenhandel in Bordeaux))

Zudem wurde das Steuerwesen unter Colbert reformiert. So wurde la ferme générale (die Allgemeine Steuerpacht) eingeführt. Sie zog die indirekten Steuern ein (u.a. die verhasste gabelle, die Salzsteuer(vgl. die Salzquellen von St. Père)). Zu einer umfassenden Reform des Steuerrechts hingegen kam es nicht mehr, obwohl entsprechede Vorschläge noch kurz vor seinem Tod von Festungsbaumeister Vauban eingereicht wurden.

Colbert engagierte sich auch für die Förderung von Wissenschaften und Künsten. Er führte so genannte Pensionen ein, jährliche Zahlungen an einen kreis von etwa 100 Gelehrten und Schriftsteller (überwiegend Franzosen, z.B. Racine und Miolière, aber auch einige in Deutschland). Kunst und Wissenschjaft wurden unter Ludwig XIV. Teil der offiziellen (besonders Außen-) Politik …

Protektionismus oder Freihandel?

Colberts protektionistische Wirtschafts- und Finanzpolitik war zu seiner Zeit sehr erfolgreich. Frankreichs Staatshaushalt  konnte aufgrund hoher Einnahmen saniert und damit in Folge die hohen Kosten des Hofes Ludwig XIV. finanziert werden. Zugleich ermöglichte er damit kostspielige Kriege Ludwig XIV.. Und er legte Grundlagen der französischen Kolonialpolitik (1664 Gründung der Französischen Ostindenkompagnie, Lorient, und der Französischen Westindienkompagnie, Le Havre).

Colberts Wirtschaftsmodell blieb weitgehend bis zum Ende des Ancien Regime (1789) gültig. Im 18. Jahrhundert, im Vorfeld der Aufklärung, wurden allerdings zunehmend auch ökonomische Theorien neu diskutiert. Die Sinnhaftigkeit eines Fortbestehens des Systems Colbert wurde in Frage gestellt. Die Idee des freien Handels gewann an Raum in politischen Debatten, insbesondere die Forderung nach Abschaffung von Handels-Barrieren und Protektionismus.

1786 feierte diese Idee des Freihandels ihren größten Erfolg mit dem Abschluss des Handelsabkommens zwischen England und Frankreich. Der so genannte Eden-Vertrag brachte (für die damalige Zeit äußerst niedrige) Zollsätze zwischen 10 und 15 Prozent sowie die Senkung englischer Import-Zölle auf französischen Wein.

Der Eden-Vertrag von 1786 wurde zum Symbol. Von nun an wurde Freihandel zum integralen Bestandteil der Wirtschaftspolitik des ‚Laissez-faire‘.

Für Frankreich allerdings hatte der Freihandels-Vertrag von 1786 verheerende Folgen: eine Vertiefung der bestehenden ökonomischen und gesellschaftlichen Krise, eine Zunahme der Arbeitslosigkeit. Historiker sehen hierin einen der Vorboten der französischen Revolution von 1789.

Colbert Grabstätte, Saint-Eustache, Paris (Foto: Sting/ Eric Gaba)
Colbert Grabstätte, Saint-Eustache, Paris (Foto: Sting/ Eric Gaba)

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Bis heute gilt Colbert nicht nur als – damals erfolgreicher – Perfektionist eines Wirtschaftssystems (Merkantilismus), sondern auch als der ‚Vater des Protektionismus‘. Der Merkantilismus war zwar nicht originär Colberts Idee, er war allerdings derjenige der sie mit Konsequenz umsetzte. 

Der Erfolg von Colberts Protektionismus und die schweren Folgen des Freihandelsabkommens von 1786 haben Nachwirkungen bis heute. Frankreich ist vermutlich das Land in Europa, in dem auf die Probleme und Herausforderungen des Welthandels bis heute besonders stark mit der Forderung nach protektionistischen Maßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft und direktem Eingreifen des Staates in die Wirtschaft reagiert wird. ‚Démondialisation‘, Entglobalisierung ist ein Stichwort, das so populär wohl nur in Frankreich werden kann …

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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