Zuletzt aktualisiert am 21. August 2023 von Ulrich Würdemann
Rosa Bonheur, am 16. März 1822 in Bordeaux geboren, war eine der bekanntesten Künstlerinnen ihrer Zeit, gilt bis heute als eine der bedeutendsten Tiermalerinnen. Und sie lebte in der patriarchalischen Gesellschaft Frankreichs der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts völlig offen in lesbischen Beziehungen.
Statue de Rosa Bonheur au jardin public de Bordeaux. –
Geboren wurde Marie-Rosalie Bonheuram 16. März 1822 in Bordeaux (in der Rue Saint-Jean-Saint-Seurin Nr. 29, heute Rue Duranteau Nr. 55) als älteste Tochter von Raimond Oscar Bonheur (1796-1849) und Sophie Marquis (1797 – 1833). 1830 folgte die Familie dem Vater nach Paris – Raimond Bonheur hatte sich ein Jahr zuvor einem Kloster der Saint-Simeonisten nahe Paris angeschlossen.
Nach dem Tod ihrer Mutter 1833 lebte Rosa Bonheur bei der Familie Micas, Madame Micas war eine gute Freundin ihrer Mutter. Sie verliebte sich in Nathalie, die Tochter von Madam Micas.
Rosa Bonheur wurde in eine für Frauen nicht eben leichte Zeit geboren. Zwar war die französische Revolution (1789 – 1799) unter dem Motto „Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“ angetreten. Gleichheit aber erkämpfte sie für (weiße) Männer – nicht für Frauen, nicht für Farbige. Und der 1804 unter Napoleon eingeführte Code Civil brachte zwar die strikte Trennung von Staat und Kirche (einen zentralen Gedanken der französischen Revolution), für Frauen aber bedeutete er sogar noch Rückschritt gegenüber der Revolution: Frauen erhielten dezidiert eine untergeordnete Stellung, wurden einem (männlichen) Vormund unterstellt.
Von der französischen Regierung erhielt Rosa Bonheur 1857 die offizielle Genehmigung, Männerkleidung zu tragen (die ‚Permission de travestissement‚, s.u., wie es sie später als „Transvestitenschein“ Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland gab) – Tiere zu malen, den Pferdemarkt zu besuchen sei ihr als ‚animalière‘ anders nicht möglich, hatte sie ihren Antrag begründet.
1860, als erfolgreiche Künstlerin zu Wohlstand gekommen, erwarb sie ‚Château By‚, ein Anwesen in Thomery nahe dem Wald von Fontainebleau. Sie zog gemeinsam mit Nathalie Micas und deren Mutter hierher. Madame Micas führte den Haushalt, Nathalie kümmerte sich um Leinwände und führte die Verhandlungen mit Galeristen, und Rosa Bonheur sorgte mit den Einkünften aus ihrer Malerei für den Unterhalt der Drei-Frauen-Familie.
1894 wurde Rosa Bonheur als erste Frau überhaupt zum ‚Officier de la Légion d’Honneur‘ (Offizier der französischen Ehrenlegion) ernannt.
Zuvor war sie schon 1865 zum Chevalier der Ehrenlegion ernannt worden. Kaiserin Eugenie überreichte ihr damals den Orden persönlich bei einem Besuch in Château de By.
1889 starb Nathalie Micas. Ihre Asche ließ Rosa Bonheur in dem Grab beisetzen, das sie bereits für die 1875 gestorbene Madame Micas erworben hatte.
Jahrelang konnte Rosa Bonheur nach dem Tod ihrer Partnerin kaum arbeiten. 1889 lernt sie – zunächst flüchtig – die aus San Francisco stammende, seit 1877 in Paris lebende junge Malerin Anna Elizabeth Klumpke kennen, die ihre Arbeit bewunderte. 1895, Rosa war bereits 77, Klumpke 43, trafen beide Frauen sich wieder – auf Klumpkes Bitte sie portraitieren zu dürfen. Am 11. August 1898 unterzeichneten beide eine Vereinbarung: Bonheur ließ in By ein Studio für Klumpke bauen, und Klumpke erklärte sich bereit Bonheur zu portraitieren sowie ihre Biographie zu verfassen. Drei Portraits entstanden bis 1899.
Rosa Bonheur starb am 25. Mai 1899. Sie wurde wie von ihr gewünscht in der Grabstätte beigesetzt, die sie zuvor auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris erworben hatte. Ihr Testament benutzte sie auch dazu ihr Recht durchzusetzen, ihr Eigentum einer anderen Frau zu vererben.
Nach ihrem Tod kümmerte sich Anna Klumpke bis zu ihrem Tod um Haus und Nachlass Bonheurs. 1908 veröffentlichte sie die Biographie „Rosa Bonheur, sa vie et son oeuvre„. Anna Klumpke starb 1942. Drei Jahre später wurde ihre Asche neben dem Grab von Rosa beigesetzt.
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Rosa Bonheur verneinte bis an ihr Lebensende, lesbisch zu sein. Sie liebte es Zigarren zu rauchen, die Haare kurz zu tragen, männliche Kleidung zu tragen, und wurde in ihrem exzentrischen Auftreten (‚künstlerisches Mannweib‘) als homosexuell wahrgenommen.
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In Bordeaux, ihrer Geburtsstadt, steht seit 1910 eine Statue von Bonheur im Jardin public (Foto s.o.). Eine Straße nahe dem Geburtsort trägt ihren Namen, und seit 2009 erinnert an ihrem Geburtshaus eine Plakette an sie. Im Vorort Bruges wurde eine Sekundarschule (Collège) nach ihr benannt.
Seit vielen Jahren ist eine Taverne in Paris nach ihr benannt.
Im Oktober 2021 drehte der französische Filmemacher Nicolas Boone in Tonneins einen Film über sie, „Les 200 ans de Rosa Bonheur„.
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„Ich habe keine Geduld mit Frauen, die zum Denken um Erlaubnis bitten.„
Rosa Bonheur
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Vom 15. Oktober 2022 bis 15. Januar 2023 zeigt das Musée d’Orsay in Paris (1, rue de la Légion d’Honneur) die Ausstellung ‚Rosa Bonheur (1822-1899)‘.
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Rosalie Bonheur
– Permission de travestissement vom 12. Mai 1857
– Unterlagen anläßlich Ernennung zum ‚Officier de la Légion d’Honneur‘
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