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Klinische Studien – Broschüre für die DAH 1995

Zuletzt aktualisiert am 11. April 2022 von Ulrich Würdemann

Klinische Studien stellten für Menschen mit HIV und Aids in Zeiten vor hochwirksamen Therapien oft die einzige Möglichkeit dar, an neue erfolgversprechende Substanzen heran zu kommen. Mit der Broschüre ‚Klinische Studien‘ versuchten wir 1995 leicht verständlich erste Information über Chancen und Risiken sowie Modalitäten klinischer Studien zu geben.

Die 24-seitige Broschüre der Deutschen Aids-Hilfe DAH erschien im Februar 1995 in erster Auflage im Postkarten-Format.

Klinische Studien - Broschüre für die DAH 1995
Klinische Studien – Broschüre für die DAH 1995

Welche Themen behandelt werden, stellte die Broschüre direkt auf der Titelseite klar:

„Klinische Studie – was heißt das überhaupt? Wie laufen solche Studien ab? Was passiert mit den Teilnehmern in einer klinischen Studie? Was ist, wenn ich es mir anders überlege und nicht mehr mitmachen will? Was sind meine Rechte? Was sind meine Pflichten? Einige kritische Fragen zu klinischen Studien.“

Die Zielgruppe und Zielsetzung beschrieb der Text so

„Diese Broschüre richtet sich an Menschen, die überlegen, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Sie greift einige wichtige Fragen auf und gibt die Informationen, die bei deiner persönlichen Entscheidung für oder gegen die Teilnahme an einer klinischen Studie hilfreich sien können.“

Die Broschüre endete unter dem Motto „Hab keine Angst, auch vermeintlich ‚dumme Fragen‘ zu stellen“ mit einer Liste ‚kritischer Fragen‘ als Anregung für Gespräch und den eigenen Entscheidungsprozeß.

Text und Konzept der Broschüre ‚Klinische Studien‘ stammen von mir unter Mitarbeit von Dr. Jürgen Poppinger † und dem damaligen Medizin-Referenten der DAH Dr. Hans-Josef Linkens.

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Medikamente gegen HIV oder begleitende Erkrankungen zu bekommen ist heute für Positive in den allermeisten Situationen einfach: zum Arzt gehen, dann in die Apotheke. In frühen Jahren der Aids-Krise war dies anders – selbst als erste Medikamente gegen HIV oder opportunistische Infektionen verfügbar wurden, halfen diese oft nur unzureichend oder kurze Zeit, z.B. aufgrund von Resistenzen.
Diese Situation formuliert auch die Broschüre gleich zu Beginn:

„Bei der HIV-Infektion und AIDS und den damit verbundenen Erkrankungen stehen derzeit nur wenige Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es gibt aber eine Reihe von Substanzen (und täglich kommen neue hinzu), von denen vermutet wird, daß sie nützlich sind.“

Zugang zu neuen Substanzen zu haben war also für viele Menschen mit HIV und Aids damals lebensnotwendig – und klinische Studien boten oft den einzigen (legalen) Weg, Zugang zu experimentellen, möglicherweise Erfolg versprechenden aber noch in der Entwicklung  befindlichen Substanzen zu bekommen.

Doch für die meisten Menschen mit HIV und Aids war klinische Forschung, und damit auch die Farge was klinische Studien sind, welche Risiken und Chancen sie bieten, ein ‚Buch mit sieben Siegeln‘.

Ihre (ergo unsere) Interessen in klinischen Studien zu vertreten war Anliegen der Community-Interessenvertretung in Klinischen Studien. Und auf individueller Ebene galt es die Position der Interessenten an Studien zu stärken.

Hier wollten wir 1995 – in Zeiten vor HAART und Proteasehemmern – mit der Broschüre ‚Klinische Studien‘ ansetzen und erste Orientierung sowie praktische Hilfestellung bieten.

In die Broschüre flossen auch Erfahrungen ein, die ich in einem anderen Projekt machte: seit 1993 war ich Mitglied im Community Advisory Board der klinischen HIV-Impfstoffstudie zu HIV-1 rgp-160 (Immuno AG, Leiter Prof. Goebel). Hier machte ich u.a. immer wieder die Erfahrung, dass Fragen und Interessen der teilnehmenden Patienten nicht eben weit oben auf der Prioritätenliste von Industrie und Forschern standen, vor allem nicht, wenn diese bereits als Teilnehmer ‚gewonnen‘ waren und keine ‚Sicherheitsfragen‘ tangiert waren. Viele patientennahe Organisationen ‚vor Ort‘ schiene zudem selbst mit Fragen der klinischen Forschung und Studien-Teilnahme überfordert.

Die Situation von Interessenten für und Teilnehmern an klinsichen Studien verbessern helfen, dazu wollte ich auch mit dieser kleinen Broschüre beitragen.

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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