Zuletzt aktualisiert am 24. April 2020 von Ulrich Würdemann
Am 23. April 2013 wurde in Frankreich das Gesetz über die Ehe für alle endgültig verabschiedet, mit dem auch Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Partner (Homoehe) ermöglicht werden.
Einführung der Homoehe in Frankreich
Dienstag 23. April 2013: um 17:05 Uhr verkündet ein sichtlich erschöpfter, aber auch bewegter Claude Bartolone, seit 26. Juni 2012 Präsident der Nationalversammlung:
„Après 136 heures et 46 minutes de débats, l’Assemblée nationale a adopté le projet de loi ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe.“
(„Nach 136 Stunden und 46 Minuten Debatten hat die Nationalversammlung das Gesetz angenommen, mit dem die Ehe für Personen gleichen Geschlechts geöffnet wird.“ Übers. UW)
Abgeordnete der Mehrheits-Fraktion erheben sich, rufen „Égalité! Égalité!“ (‚Gleichheit – einer der drei Grundwerte der französischen Republik).
Das von Justizministerin Christiane Taubira eingebrachte Gesetz über die ‚Ehe für alle‘ (‚loi Taubira, ‚marriage pour tous‘; voller offizieller Name: „Loi no 2013-404 du 17 mai 2013 ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe“, Gesetzestext) wird mit 331 Ja-Stimmen gegen 225 Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen angenommen. Es ermöglicht zukünftig auch Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare (‚Homoehe‘).
Christiane Taubira et Jean-Marc Ayrault après le vote solennel de la loi ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe – Assemblée nationale –
Am 17. Mai 2013 wird das Gesetz promulgiert – der Verfassungsrat lehnt an diesem Tag eine Beschwerde der Konservativen (damals UMP inzwischen Les Républicains) ab, umgehend unterzeichnet Staatspräsident François Hollande das Gesetz.
Homoehe in Frankreich – die erste Ehe, Proteste und Verteidigung des Erreichten
Nur wenige Tage später, am 29. Mai 2013, wird die erste Homoehe in Frankreich geschlossen – in Montpellier heiraten Vincent Autin und Bruno Boileau. Die Trauungszeremonie wird mit homophoben Parolen, Rauchbomben und Feuerwerkskörpern gestört, der Täter wird 2014 verurteilt.
Bereits im Vorfeld des Beschlusses der Nationalversammlung über die Einführung der Homoehe in Frankreich, aber auch in den ersten Monaten danach kam es in Frankreich zu massiven, oftmals von rechtskatholischen und sehr konservativen Kreisen inszenierten Protesten (wie z.B. am 14. Dezember 2013).
Am 4. März 2016 wird das Ministerium für die Familie folgerichtig in Ministerium für Familien umbenannt.
Der am 7. Mai zum neuen Staatspräsidenten gewählte Emmanuel Macron kündigte an, in seiner Präsidentschaft die Errungenschaft der Homoehe zu verteidigen.
Homoehe in Frankreich – Zwischenbilanz
Seit der Zulassung 2013 wurden in Frankreich bis Ende 2015 knapp 26.000 Homoehen geschlossen:
- 2013: 7.367 Homoehen (ab 29.5.2013 möglich),
- 2014: 10.552 Homoehen
- 2015: 7.751 Homoehen
- 2016: 7.113 Homoehen
- 2017: 7.244 Homoehen
- 2018: 6.000 Homoehen
- 2019: 6.000 Homoehen
Von insgesamt 241.2925 in Frankreich 2015 geschlossenen Ehen waren 8.000 Ehen (vorläufige Zahl) zwischen Partnern gleichen Geschlechts – ein Anteil von 3,31%.
Im Jahr 2014 überstieg die Zahl der allein in diesem Jahr geschlossenen Homoehen in Frankreich mit 10.500 die Marke von 10.000 deutlich und erreichte einen Spitzenwert. Im Jahr 2016 schlossen 3.672 Paare von Männern eine Ehe, sowie 3.441 zwischen Frauen. Für 2017 sind noch keine abschliessenden Zahlen verfügbar.
Fünf Jahre nach Einführung der ‚Ehe für alle‘ haben 2018 etwa 40.000 gleichgeschlechtlicher Paare sich das ja-Wort gegeben. Inzwischen hat sich die Zahl der abgeschlossenen Ehen zwischen Partner_innen gleichen Geschlechts auf jährlich ca. 7.000 eingependelt.
Am 26. Februar 2019 wurdern die genauen Zahlen für 2017 veröffentlicht: die Zahl der Homoehen stieg 2017 leicht an um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt heirateten 7.244 gleichgeschlichtliche Paare (3.637 männlich und 3.607 weiblich).
Entscheidungen vor Einführung der Homoehe in Frankreich
Bereits seit dem 15. November 1999 (Regierung Jospin) war in Frankreich auch für gleichgeschlechtliche Paare der so genannte „pacte civil de solidarité“ (PACS) möglich, ein Rechtskonstrukt mit wesentlich weniger Rechten als die Eheschließung.
Im Dezember 2008 erkannten die Steuerbehörden in Frankreich erstmals eine Homoehe steuerlich an – eine im Ausland geschlossene.
Am 24. März 2009 stimmte der Senat für die Anerkennung im Ausland geschlossener Lebenspartnerschaften in Frankreich.
Am 8. Juli 2010 entscheid der französische Kassations-Gerichtshof, ein Kind könne zwei Eltern gleichen Geschlechts haben.
Homoehe in Frankreich – noch nicht alle Fragen geklärt
Mit der Verabschiedung der ‚Ehe für alle‘ am 23. April 2013 sind noch nicht alle Forderungen der Gleichstellung erreicht – weiterhin offen und Forderung auch während der CSDs in Frankreich 2016 sind u.a. die Frage des Rechts auf medizinisch unterstütze Zeugung / künstliche Befruchtung (Procréation médicalement assistée, PMA) sowie die Rechte von Trans*-Personen.
Über drei Jahre nach Beginn der Präsidentschaft Hollandes und gut ein Jahr voer den Präsidentschaftswahlen 2017 sowie nach zunehmend zögerlichem Verhalten der Regierung werden 2016 zahlreiche LGBT-Gruppierungen in Frankreich ungeduldig, fordern massiver ihre Rechte. Der ‚Marche des Fiertés‘ (CSD) in Nancy z.B. findet unter dem Motto „Agissez ou dégagez!“ (etwa: „Handelt oder verschwindet!“) statt.
Wie sich die Situation nach der Wahl von Präsident Macron entwicjkelt, bleibt abzuwarten – frühestens nach Etablierung einer neuen Mehrheit nach den Parlamentswahlen in Frankreich im Juni 2017 werden Entscheidungen in Sachen PMA möglich.
.
10 Antworten auf „23. April 2013 – Einführung der Homoehe in Frankreich“
[…] französischen Regierung unter Präsident Hollande: die Einführung der Homoehe in Frankreich. Am 23. April 2013 war es soweit, die Assemblée National, die französische Nationalversammlung stim…, und mit deutlicher Mehrheit: 331 Stimmen Ja bei 225 Nein-Stimmen und zehn […]
[…] und am 23. April 2013 von der Nationalversammlung endgültig verabschiedet. Drei Jahre später sind bereits annähernd 26.000 Homoehen in Frankreich geschlossen; 2015 lag der Abnteil gleichgeschlechtlicher Ehen bei 3,3%. Zeitgleich mit dem Gesetz über die […]
[…] Homoehe, die er zu verteidigen verspricht, sei seit der Präsidentschaft von François Holland zwar …. Dennoch sei Gleichheit im realen Leben immer noch nicht Realität, Ungerechtigkeiten bestünden […]
[…] dieser Jahre: die Frage der juristischen Ausformung des Zusammenlebens. Noch wird nicht an die Homoehe gedacht (die erst 2013 legalisiert wird), Thema ist der Contrat d’Union Social (CUS) der später zum PACS (Pacte Civil de […]
[…] Da machte ACT UP Paris eine Aktion in Notre Dame. Eine Aktion, natürlich ungenehmigt (wer hätte die denn auch genehmigt). Eine Aktion für die Homo-Ehe. […]
[…] der 23. April 2013 – das französische Parlament stimmt abschließend für die Einführung der Ehe… wird (Promulguation 18. Mai […]
[…] drei Jahre später führte Frankreich 2013 die Homoehe einschließlich Adoptionsrecht ein. Das Urteil des Kassations-Gerichtshofes aus dem Jahr 2010 wirkt im nachhinein wie ein Schritt auf […]
[…] Alain Juppé, um einen Maßnahmen-Katalog gegen Homophobie zu vereinbaren. In der Zeit der Einführung der Homoehe in Frankreich kam es auch in Bordeaux zu Groß-Demonstrationen von […]
[…] wurde deutlich beginnend bei den Aktivitäten gegen die von Christine Taubira 2013 durchgesetzte ‚Ehe für alle‘ und den Aktionen der ‚manif pour tous‘ (lmpt) sowie der Kampagnen-Organisation […]
[…] Civitas galt als antisemitisch, islamophob und LGBT-feindlich. Sie forderte u.a. die Abschaffung der Trennung von Staat und Kirche, ein Verbot der Abtreibung und Abschaffung der 2013 in Frankreich eingeführten Homoehe. […]