Zuletzt aktualisiert am 7. Oktober 2023 von Ulrich Würdemann
Die südwestfranzösische Metropole Bordeaux verdankte ihren wirtschaftlichen Aufstieg einst auch dem Sklavenhandel. Heute setzt sie sich offen damit auseinander.
Von Reedern und Händlern aus Bordeaux wurden zwischen 1672 und 1837 (bisher bekannt) 508 Expeditionen des Sklavenhandels organisiert, davon 480 aus dem Hafen von Bordeaux. Gängigste Form war der Dreieckshandel – Produkte aus Europa wurden an die Küsten Afrikas gebracht. Dort wurden sie gegen Sklaven getauscht, die in die Kolonien in Amerika verschifft wurden. Aus diesen wurden ‚Kolonialwaren‚ wie Zucker, Tabak oder Baumwolle zurück nach Europa gebracht (darunter auch Zucker von Bordeaux nach Hamburg, das so auch indirekt am Versklavungshandel beteiligt war).
Bordeaux hatte mit annähernd 150.000 Sklaven einen Anteil von 11,4 Prozent am gesamten französischen Sklavenhandel. Damit liegt Bordeaux nach Nantes (41,3%) an zweiter Stelle. Wichtigestes Ziel war Saint-Domingue. 186 Reeder und Handelshäuser waren in dieser Zeit in Bordeaux am Sklavenhandel beteiligt. Einer der bekanntesten von ihnen war Pierre Balguerrie-Stuttenberg, auf den die pont de pierre in Bordeaux zurückgeht.
Mit dem 1685 unter Ludwig XIV erlassenen Dekret Code Noir (zurückgehend auf Colbert) wurde die Beziehungen zwischen Sklavenhaltern und Sklaven in Frankreich regelt (gültig bis 1848).
Zugleich war Bordeaux auch Wohnort – im 18. Jahrhundert lebten mindewstens 4.000 Schwarze in Bordeaux, die meisten von ihnen als Sklaven oder Domestiken.
In den Jahren nach 1780 verstärkte sich der Sklavenhandel ab Bordeaux eher – Ursache waren wegbrechende Profite aus dem Kolonialhandel nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Im Gegensatz zu anderen Städten in Europa stellt sich Bordeaux seiner Vergangenheit als Metropole des Sklavenhandels seit über 20 Jahren, u.a. in Ausstellungen (Thematisierung im Musée d’Aquitaine in drei Sälen, eröffnet 10. Mai 2009) oder öffentlichen Hinweisschildern und Denkmälern. Seit Jahren gibt es eine ständige Kommission der Stadt Bordeaux zur Verbesserung des Gedenkens an den Sklavenhandel.
Denkmal für Al Pouessi, bekannt unter dem Namen Modeste Testas
Die Afrikanerin Al Pouessi (um 1765 – 1870, getauft auf den Namen Barthe Adélaide Modeste Testas) wurde nach ihrer Versklavung in West-Afrika von Sklavenhändlern aus Bordeaux gekauft und auf eine Plantage nach Saint-Domingue verbracht. Nach dem Tod ihres Besitzers wurde sie freigelassen. Sie starb 1870 im angeblichen Alter von 105 Jahren auf Land auf Haiti das ihr ehemaliger Besitzer ihr vermacht hatte. Zu ihren Nachkommen zählt u.a. François Denys Légitime, Präsident von Haiti von 1888 bis 1889.
Im Mai 2018 entscheid die Stadt Bordeaux Modeste Testas mit einem Denkmal gegen die Sklaverei zu ehren. Die Statue wurde von dem Künstler Woodly Caymitte Filipo aus Haiti realisiert und am 10. Mai 2019 eingeweiht.
Vor der Statue informiert eine Tafel über das Leben von Testas:
Denkmale gegen den Sklavenhandel in Bordeaux
Auf der Rue Fondaudège wurde bereits 2003 eine Gedenk-Plakette für Isaac Louverture eingeweiht (der hier lebte). Er war der Sohn von Toussaint-Louverture, schwarzer Politiker (Anführer der Revolution von Haiti 1791 – 1802; Aufstand der schwarzen bevölkerung Haitis gegen die französische Herrschaft; Haiti = bedeutendster Ort der Zucker-Herstellung) und General, wichtige Person der antikolonialen Bewegung und des Kampfes für die Abschaffung der Sklaverei.
2005 wurde auf der place Toussaint Louverture eine Büste des Politikers enthüllt, gestiftet von der Republik Haiti anlässlich den 200. Jahrestags der Gründung 2004.
Seit 10. Mai 2006 informiert eine Gedenktafel, dass die Quais von Bordeaux Ausgangspunkt des Sklavenhandels waren.
Text der Gedenktafel:
„A la fin du XVIIème siècle, de ce lieu est parti le premier navire armé dans le port de Bordeaux pour la traite des Noirs.
Plusieurs centaines d’expéditions s’en suivirent jusqu’au XIX siècle.
La Ville de Bordeaux honore la mémoire des esclaves africains déportés aux Ameriques au mépri de toute humanité.“
(Tafel eingeweiht 10. Mai 2006)
Am 2. Dezember 2019 (Internationaler Tag der Abschaffung der Sklaverei) wurde eine Skulptur von Sandrine Plante-Rougeol enthüllt, die an die Sklavenhandels-Geschichte von Bordeaux erinnert. Sechs erläuternde Plaketten wurden an diesem Tag ebenfalls enthüllt und im Juni 2020 vor Ort gesetzt.
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Abschaffung der Sklaverei in Frankreich
- Ende August 1789 – Sklaven-Aufstand auf Martinique
- 22. / 23. August 17912 – Sklavenaufstand auf Saint-Domingue (damalige französische Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Haiti)
- 29. August / 4. September 1793 – die französischen Kommissare Sonthonas und Polverel schaffen die Sklaverei auf Saint-Domingue ab
- 4. Februar 1794 – der Nationalkonvent beschließt die Abschaffung der Sklaverei in Frankreich und in den französischen Kolonien
- 20. Mai 1802 Napoleon führt die Sklaverei ausdrücklich wieder ein
- 29. März 1815 Napoleon schaftt den Sklavenhandel ab (100 Tage)
- 1827 zweites Gesetz zur Abschaffung der Sklavenhandels in Frankreich
- 22. Februar 1831 Abschaffung des Sklavenhandels unter Louis Philippe
- 27. April 1848 endgültige Abschaffung des Sklaverei in Frankreich (Initiative Victor Schoelcher)
Für die Abschaffung der Sklaverei ließ sich Franreich zwanzig Jahre später ‚entschädigen‘. Mit Androhung von Krieg wurde das unabhängige Haiti gezwungen, 150 Millionen Franc Reparationszahlungen zu leisten, an ‚enteignete‘ Sklavenhalter. Die hierfür von Haiti aufgenommenen Schulden schwächten die haitianische Wirtschaft bis weit ins 20. Jahrhundert.
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Neben Bordeaux thematisieren auch andere Städte Frankreichs inzwischen ihre Beteiligung am Sklavenhandel. So behandelt das musée d’histoire von Nantes in mehreren Sälen den Sklavenhandel. Nantes war vor Bodeaux der französische Hafen mit dem größten Anteil am Sklavenhandel. Noch 1985 hatte das Bürgermeisteramt eine Ausstellung zu dem Thema verweigert – aus Angst vor Schaden für die Reputation der Stadt.
3 Antworten auf „Sklavenhandel in Bordeaux“
[…] code noir (1685; Sklavenrecht (vgl. Sklavenhandel in Bordeaux)) […]
[…] als Bordeaux, das eine der Metropolen des Sklavenhandels war, hatte Hamburg selbst eine kleinere Rolle. Sklavenhandel war in Hamburg verboten – doch […]
[…] Staaten einige gute Geschäfte gemacht werden, der lukrative Kolonialhandel (zu dem leider auch Sklavenhandel gehörte) aber weiterhin darniederliegt. Mit dem geschulten Blick des Hanseaten sieht Domherr Meyer […]