Zuletzt aktualisiert am 6. Oktober 2022 von Ulrich Würdemann
In Gegenwart von 250 Kindern wurde kurz vor Heiligabend 1951 in Dijon der Weihnachtsmann verbrannt. Er sei ein Ketzer. Eine heftige Kontroverse folgte – und der Weihnachtsmann feierte bereits am darauffolgenden Tag Wiederauferstehung.
Weihnachten 1951. Wie in vielen Regionen der Welt freuen sich auch in Dijon in Südfrankreich viele Kinder auf Weihnachten – und auf Geschenke, die der Weihnachtsmann bringt. In Frankreich werden die Geschenke, die Père Noel durch den Kamin des Hauses bringt, üblicherweise am Morgen des 25. Dezember geöffnet.
Doch Weihnachten 1951 ist in Dijon alles ganz anders. Weihnachten – ein Massaker?
23. Dezember 1951. In Dijon steht auf dem Vorplatz der Kathedrale Saint-Bénigne eine große Puppe mit weißem Bart. Die weißbärtige Puppe symbolisiert Père Noel.
Um 15:00 Uhr wird diese Puppe von 250 Kindern auf Veranlassung des örtlichen Klerus in Brand gesteckt.
„Devant les enfants des patronages le Père Noël a été brûlé sur le parvis de la cathédrale de Dijon.“
France-Soir, Ausgabe 23. Dezember 1951
(Vor den Kindern der Pfarreien wurde der Weihnachtsmann auf dem Vorplatz der Kathedrale von Dijon verbrannt; Übers. UW)
Vor der Kathedrale von Dijon, und vor 250 Kindern wird der Weihnachtsmann verbrannt, unter der Schirmherrschaft und auf Aufforderung der Kirche. Der Weihnachtsmann habe sich zu einem Symbol des Kommerz und us-amerikanischer Bräuche entwickelt – und habe den christlichen Kern des Festes verdrängt. Er sei so zum Usurpator und Ketzer geworden.
„Le Père Noël a été sacrifié en holocauste. A la vérité, le mensonge ne peut éveiller le sentiment religieux chez l’enfant et n’est en aucune façon une méthode d’éducation.“
(Der Weihnachtsmann wurde in einem Holocaust geopfert. In Wahrheit kann Lüge bei Kindenr keinerlei religiöse Gefühle hervorrufen und ist in keiner Weise eine Erziehungsmethode.; Übers. UW)
So erklären Kleriker in Dijon ihre Protest-Aktion, als Widerstand gegen das Vordringen us-amerikanischer Weisen das Weihnachtsfest zu feiern.
Sofort entstehen heftige Kontroversen. Die Stadt ist in zwei Lager gespalten, die Grenze verläuft zwischen konservativ-religiösen und weltlich- laizistischen Teilen der französischen Gesellschaft.
Die Aktion und ihre Begründung verweisen so indirekt auch auf eher heidnische Hintergründe der Figur des Weihnachtsmanns. Und erinnern an Bräuche wie die Verbrennung des Nubbel im Kölner Karneval.
Schon einen Tag nach der Verbrennung des Weihnachtsmamns wird die Affäre besänftigt – auf dem Dach des Rathauses erscheint, mit Wissen des Bürgermeisters und des Kanonikers Felix Kir (Namespatron des leckeren Aperitif namens Kir) – – – der Weihnachtsmann (der Weihnachtsmann so … wiederauferstanden wie Lazarus ?).
Doch die Debatten gehen weiter – und die eher weltlich – laizistisch gesinnten Kreise der Gesellschaft werden unversehens zu Verteidigern des Weihnachtsmannes.
Selbst der berühmte Ethnologe Claude Levi-Strauss wird auf den Vorgang aufmerksam:
„Ce n’est pas tous les jours que l’ethnologue trouve ainsi l’occasion d’observer, dans sa propre société, la croissance subite d’un rite, et même d’un culte.“
Claude Levi-Straus, Les temps modernes März 1952, S. 1572 – 1590
(Es geschieht nicht alle Tage dass ein Ethnologe Gelegenheit findet, in seiner Gesellschaft das Entstehen eines Ritus, selbst eines Kultes zu beobachten; Übers. UW)
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