Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2023 von Ulrich Würdemann
Die „Stedingsehre auf dem Bookholzberg“ bei Oldenburg sollte einst eine Nazi- Kultstätte werden. Eine Freilichtbühne und Volksbelustigung mit Blut-und-Boden – Ideologie, die später in Vergessenheit geriet.
1934 (Uraufführung 27.5.34) wurde das Volksschauspiel „De Stedinge“ des Oldenburger Heimatschriftstellers August Hinrichs (1879 Oldenburg – 1956 Huntlosen) sehr erfolgreich aufgeführt auf der 700-Jahr-Feier der Schlacht bei Altenesch (für die er es extra verfasst hatte). Freie Stedinger Bauernfamilien wurden in der Schlacht bei Altenesch 1234 von Bremer und Oldenburger Bischof unterworfen (Stedingerkrieg).
„Stedingsehre ist ein Beispiel für Geschichtsverfälschung im Sinne ideologischer Indoktrination.“
Gerhard Kaldewei, Professor für Geschichte
Hinrichs war zuvor bereits u.a. mit der ‚Swienskomödi‚ (Titel hochdeutsch ‚Krach um Jolanthe‚) bekannt geworden. Die in großen Teilen in Wiefelstede gedrehte Verfilmung hatte im August 1934 Uraufführung im 2007 geschlossenen ‚Wallkino‘, damals noch Wall- Lichtspiele.
„Heimat als schicksalhafte Verbundenheit mit der Erde“
dem NS-Heimatfilm ‚Das alte Recht‘ vorangestelltes Zitat von August Hinrichs, der Film hatte am 27. Januar 1934 Premiere in den Wall Lichtspielen Oldenburg
NS-Gauleiter Carl Röwer (selbst gebürtiger Stedinger) beschloss nach dem großen Erfolg von ‚De Stedinge‘ die Errichtung einer ‚Thingstätte‘ mit Freilichtbühne und monumentalem Kulissendorf – ‚Stedingsehre‘.
Das Kulissendorf (Entwurf: Architekten Walter Reimann, Berlin & Ernst Behrens, Delmenhorst) soll im Stück das Dorf Altenesch darstellen. Es bestand neben zahlreichen reetgedeckten Fachwerkhäusern aus einer großen Kirche (Beton-Bau, Feldsteine nur außen als Verkleidung), Wassergraben und Deich.
Von den umgebenden nach Norden geöffneten Zuschauerränge hatten Besucher einen Blick auf Dorf und die dahinter liegende Wesermarsch-Landschaft – Theaterbühne und Landschaft vermischen sich.
Die Freilichtbühne bot Platz für über 20.000 Menschen.
Am 29. Oktober 1934 fand die Grundsteinlegung für die ‚Weihestätte Stedingsehre‘ statt, in Anwesenheit von Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler. Am 14. Juli 1935 folgte die Einweihung.
Hinrichs Stück wurde hier als ‚Spiel vom Untergang eines Volkes‘ von 1935 bis 1937 von der Niederdeutschen Bühne Oldenburg mit großem Erfolg aufgeführt (Spielzeiten 1935 ca. 80.000 Zuschauer, 1937 ca. 150.000 Zuschauer). Hinrichs überließ die Rechte an seinem Heimatstück der ‚Stiftung Stedingsehre‘. Die UFA realisierte 1936 einen Kurzfilm über die Aufführungen.
1939 fand in Stedingsehre die Uraufführung des Stücks ‚Steding Renke. Spiel vom Opfergang eines Volkes‘ statt (Autor wieder August Hinrichs). Stedingsehre wurde neben seiner Verwendung als Freilichtbühne auch als Ort für Massenaufmärsche oder am 19. Juni 1939 eine Sonnenwendfeier (mit Rede des 1946 als Kriegsverbrecher hingerichteten NS- Chefideologen Alfred Rosenberg) genutzt. Planungen, Stedingsehre zu einer gigantischen Schulungsstätte (‚Gauschulungsburg‘, Planmung Architekt Ernst Behrens (1901 – 1988), Delmenhorst) und einem Nationaldenkmal auszubauen wurden nicht mehr realisiert.
Auch nach Ende der NS-Diktatur wurde das Gelände weiter genutzt – zunächst als ‚Kriegsversehrtendorf‘, später u.a. für Musikveranstaltungen und Theater-Aufführungen (so in den 1970er Jahren ‚Pipi Langstrumpf‘). Später geriet das Gelände in Vergessenheit.
August Hinrichs starb am 20. Juni 1956. Sein Grab befindet sich auf dem Gertrudenfriedhof Oldenburg. Seine Rolle in der NS-Zeit ist bis heute umstritten.
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Zuschauerränge und Reste des Kulissen-Dorfes (Spieldorf) stehen noch heute (auf dem Gelände des Berufsförderungswerks Bookholzberg, Dporfplatz weitgehend zugewachsen). Das Gebäude der Kirche wurde 1943 durch eine Fliegerbombe zerstört. Das Gelände steht seit 1992 unter Denkmalschutz. Es ist derzeit nicht frei zugänglich.
,,Dieser Ort muss zugänglich gemacht werden. Aber nur unter Bedingung, dass über den Hintergrund informiert wird.“
Prof. Lutz Walk
Stedingsehre ist auch Ziel von ‚Ausflügen‘ von Rechtsextremen, so im Juli 2023 (Bericht taz)
Mit der Geschichte von Stedingsehre befasste sich u.a. 2007 eine Ausstellung im Nordwestdeutschen Museum für Industriekultur auf der Nordwolle Delmenhorst.
Die Kulturetage Oldenburg widmete ihre Produktion ‚Visionen für einen Unort‘ 2021 der Auseinandersetzung mit diesem belasteten Ort.
Ein Förderverein plant ein IDZ Informations- und Dokumentationszentrum.
2 Antworten auf „Stedingsehre – vergessene Blut und Boden -Kultstätte“
[…] Grabstätte des Heimatdichters August Hinrichs (vgl. Stedingsehre) […]
[…] wurde von 1935 bis 1937 als ‚Stück über den Untergang eines Volkes‘ auf der Nazi-Kultstätte ‚Stedingsehre‘ (Bookholzberg bei Oldenburg) aufgeführt. Hinrichs überließ die Rechte an seinem Stück der ‚Stiftung […]