Zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2023 von Ulrich Würdemann
“Wir hatten uns nicht vorgenommen
Filmriss (Kochenfabrik 1997)
jemals auf die Welt zu kommen”
Wir staunen, ob dieses kleinen Stückchens Poesie.
Wir fragen uns jetzt nicht, wer ist dieses ‘wir’.
Meint der oder die Autor vielleicht ‘wir alle’ ?
Diese Frage hat der bekannte Philosoph Otto Waalkes ja bereits abschließend beantwortet, indem er sie offen ließ.
Viel tiefgründiger scheint mir das Wörtchen ‘vorgenommen’. Wenn sie noch nicht auf die Welt gekommen sind, dieses uns unbekannten ‘wir’ – wie konnten sie sich das dann vornehmen, oder – wie sie eben behaupten – nicht vornehmen?
Zwar wissen wir, wer zu uns spricht. Denn ‘es’ ist ja ‘irgendwie doch vorgekommen‘.
Aber da ist ja weit davor die Frage des Willens.
Kann man etwas wollen, bevor man geboren wird?
Gibt es einen Willen vor der Geburt?
Oder, wenn ich die Frage etwas weiter fassen darf, wenn ich sozusagen dem Vorsatz auf den Grund gehen darf:
Hat sich bis zu diesem Tag überhaupt jemals jemand vorgenommen, auf die Welt zu kommen?
Ist hier vielleicht das Göttliche angedeutet?
Wird in diesem kleinen Liedchen eine ganz neue Dimension der Metaphysik angedeutet?
Doch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, es wird noch ein wenig komplexer. Denn der Autor hat sich nicht nur seine Geburt ‘nicht vorgenommen’, sondern das auch noch ‘jemals’, und das auch noch in der klaren Negation.
Das führt zu der Erkenntnis: diese Wesen die hier als ‘wir’ zu uns sprechen, sie wurden nicht nur gerade eben nicht geboren – aber vielleicht früher schon einmal, oder in einer Zukunft? Und sprechen also vielleicht als ‘potentielle Wesen’ zu uns?
Nein – es ist komplizierter.
Wenn diese Wesen in ihrer sprachlichen Konsequenz also ‘niemals’ auf die Welt kommen wollten – wer hatte denn da diesen Vorsatz?
Welches noch nicht auf die Welt gekommene Wesen wollte denn nicht auf die Welt kommen?
Sie bemerken, die metaphysische Dichte dieses kleinen, vermeintlich so leicht daher kommenden Textchens wird immer stärker.
Das Lied geht weiter mit den Worten
“Und trotzdem ist es irgendwie passiert”
Filmriss (Kochenfabrik 1997)
Bewusst lässt der Text die genauen Umstände dieses ‘auf die Welt kommen offen, die Frage des ‘wie’ erhält ein ‘irgend’ vorangestellt, das zwischen nuanciert und holzschnittartige der Phantasie völlig freie Bahn lässt über die möglichen Umstände. Sie sind halt – irgend-wie.
Ganz neue, bisher in der Philosophie völlig außer acht gelassene Fragen tun sich hier auf – und zeigen, mit welcher nicht nur sprachlichen Kraft, sondern auch inhaltlichen Schwere der vordergründig gefällige kleine Text tatsächlich doch daher kommt.
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wiedergefunden …
aus der unvollständigen Reihe ‚Betrunkene Betrachtungen‘ …
Eine Antwort auf „Filmriss (Knochenfabrik 1997)“
[…] es wareines der Konzerte, auf denen Danger Dan seine (Klavier-) Version des Knochenfabrik Punk- Klassikers ‚Filmriss‘ zum besten […]