Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2023 von Ulrich Würdemann
Die ‚Internationale Homophile Welt Organisation‘ IHWO hatte zeitweise eine Regionalgruppe in Oldenburg .
Regionalgruppe meinte damals auch es gab mindestens lokales Mitglied, das seine Einwilligung gab, dass seine Adresse an Kontaktpersonen in der Region weitergegeben werden konnte.
IHWO Oldenburg
Über die IHWO Regionalgruppe Oldenburg berichtete die IHWO in ihren ‚Nachrichten‘ im Februar 1973, diese befinde sich ‚kräftig im Aufstreben‘. Die Gruppe besaß immerhin ein gutes Dutzend aktive Mitglieder (Wolfert). In ihrem Umfeld soll es kleinere Gruppen in Jever sowie in Wilhelmshaven gegeben haben.
Kontakte wurden auch zu anderen Gruppen unterhalten, so nahmen Vertreter der IHWO Oldenburg am Sommerfest der IHWO Regionalgruppe Hamburg am 30. Juni 1973 teil. Kurz zuvor schon hatte die Regionalgruppe Oldenburg auch an der Ordentlichen Mitgliederversammlung der IHWO am 24. März 1973 in Hamburg teilgenommen.
Die Gruppe bildete sich formal bei einem Treffen am 4. März 1973 in der Gaststätte Nordkroog (Oldenburg, Nadorster Strasse 165, Haus inzwischen durch Neubau ersetzt), damals ‚einschlägiger Treffpunkt‘.
Erster Ansprechpartner der Gruppe für Interessenten war Dirk Nerjes-Thoden. Uwe Spalthoff (geb. 1947) wurde auf der Versammlung am 12. Mai 1973 zum Regionalsprecher gewählt. Siegfried Hinrichs wurde auf der selben Versammlung zum Kassenwart bestellt und Paul W. zum Schriftführer.
Die IHWO Regionalgruppe Oldenburg beabsichtigte, ähnlich wie die IHWO Hamburg ein Clubzentrum als Begegnungsort zu eröffnen. Die Eröffnung wurde für Mai 1973 angestrebt.
Die Eröffnung eines IHWO Clubzentrums Oldenurg wurde jedoch sowohl durch den Stadtrat als auch durch den VdK behindert. Der Oldenburger Stadtrat habe beschlossen, so der IHWO Rundbrief (Nr. 4 / 1973), in der Stadt sollten keine Räume an Homosexuelle vermietet werden, ‚Verwahrlosung‚ wurde befürchtet.
Die Gruppe reagierte mit einer Flugblatt- Aktion (!), durchgeführt am 10. März 1973 (nur ein Jahr nach der ersten Schwulen- Demonstration 1972 in Münster). Polizeischutz, vorsorglich bereitgestellt, erwies sich als nicht erforderlich.
IHWO – bürgerliche Homophile ?
Auch wenn nach 1969 (Reform des Paragraphen 175) gegründet, ist die IHWO eher zur Homophilen-Bewegung zu zählen. Michael Holy charakterisierte die Gruppe 2012 als mit ‚hochtrabendem Namen, der die politische Bedeutungslosigkeit überdeckte‚ (in: Rosa Radikale 2012).
Die IHWO war in ihrem Gestus und Selbstbild bürgerlich, war „dem Autoritäts- und Respektabilitätsdenken der 1950er und 1960er Jahre stark verbunden“ (Wolfert, in Pretzel 2010). Entsprechend wurde sie wahrgenommen: „ein bürgerlicher Homosexuellen-Club von Leuten zwischen 30 und 70 Jahren“ (Littmann, in Frieling 1985).
Anfang 1973 existierten (laut Wolfert) IHWO Regionalgruppen in Berlin, Bremen, München, Oldenburg, Stuttgart, Süd- Baden und Hamburg.
Die IHWO (die Anfang 1974 nach Finanzproblemne unterging) war „eine der letzten Homophilen-Vereine am Ende der 1960er Jahre“ (Pretzel 2010). Sie galt auch als „die letzte Gruppierung der Nachkriegshomosexuellen-Bewegung“ (Lorenz, in Pretzel 2010).
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Oldenburg war Anfang der 1970er Jahre eine beschaulichere, vor allem auch eine konservativer geprägte Stadt als in den 2020er Jahren.
Schon allein deswegen ist es beachtenswert, dass sich 1973 gleich mehrere Menschen finden, die bereit sind, sich für eine Homosexuellengruppe (so bürgerlich sie auch gewesen sein mag) einzusethen, teils mit vollem Namen udn in der Öffentlichkeit.
Die (zu unrecht in Vergessenheit geratene) Flugblatt- Aktion der IHWO Oldenburg Anfang 1973 dürfte wohl eine der, wenn nicht die erste öffentliche Protest- Aktion einer Homosexuellengruppe in Nordwestdeutschland gewesen sein.