Zuletzt aktualisiert am 10. Januar 2024 von Ulrich Würdemann
Die Halle für Kunst in Lüneburg zeigt noch bis 4. Februar 2024 die Ausstellung ‚Jürgen Baldiga – Wie die Hölle, so die Erde. Wo die Hölle, da die Erde.‘
Der Berliner Fotograf, Künstler und Aktivist Jürgen Baldiga (1959 – 1993) fotografierte auf sehr persönliche, eindringliche Weise Berliner Alltag, schwule Szene, Leben mit HIV und Sterben an Aids.
Die von Elisa R. Linn kuratierte Ausstellung in Lüneburg entstand in Zusammenarbeit mit Baldigas Nachlassverwalter Aron Neubert. Sie ist die erste Einzelausstellung seit 1997.
einige Erinnerungen an Jürgen
Redaktionssitzung der Positivenzeitung Virulent. Wir sitzen über eine Pappschachtel gebeugt, die Texte sind schon fertig, nun geht es ans Layout. Jürgen hatte uns für die bundesweite Positivenzeitung ‚Virulent‘, in deren Redaktion ich damals war, ein Karton voll Fotos zur Verfügung gestellt, aus dem wir uns frei bedienen durften, um unsere Artikel und Ausgaben zu illustrieren.
Ich stehe im Atelier eines Freundes in Berlin, er Bildhauerei studiert. Auf seiner Arbeitsplatte ein Grabstein aus schwarzem Marmor. Eine Zeichnung von Cocteau, den wir beide schätzen, und der Name Jürgen Baldiga. Jürgen ließ seinen Grabstein schon zu Lebzeiten von diesem gemeinsamen Freund anfertigen, stellte ihn anschließend in sein Zimmer.
In Jürgens Wohnung in Kreuzberg. Bilder, Bücher, das Zimmer ist ziemlich vollgestopft. Fotos, teils nüchtern gerahmt, teils ‚plüschig‘, camp. Jürgen, obwohl noch ziemlich schwach nach einem Aufenthalt im AVK, ist ganz aufgekratzt, gut gelaunt.
Die Küche in meiner Wohnung. Viele Jahre lang schaue ich beim Frühstück auf den jungen Mann, der in einer Betonwanne sitzt, offensichtlich nackt, die Augen geschlossen, die Knie angewinkelt. Ein Teil senes Körpers spiegelt sich in einer Pfütze auf dem Boden. Jürgen, das Foto (wenn ich mich recht erinnere) aufgenommen in einer Betonwanne einer ‚Panzerwaschanlage‘ in der verlassenen ehemaligen ‚Russen-Kaserne‘ in Karlshorst, die zeitweise ein beliebtes Cruising-Areal war.
Die Ausgabe der taz nach seinem Tod. Ein Foto, ein Portrait von Jürgen, der eine Clown-Nase trägt. Die Augen sind blutunterlaufen. ‚Ich bin tot‘ verkündet nüchtern ein Schriftzug.