Zuletzt aktualisiert am 30. November 2022 von Ulrich Würdemann
„Ist das mein wunderbares Leben? Perspektiven der Überlebenden der Aids-Generation“ war der Titel einer Panel-Diskussion in New York, die Situation, Lebensgefühl und Perspektiven von Schwulen über 40 thematisierte, die die Aids-Krise ‘überlebt’ haben (‚ Aids-Überlebende ‚). Nun ist ein erstes zusammenfassendes Video über die Diskussion online verfügbar.
Das gut zehnminütige Video gibt einen guten Einblick in ein über 3 Stunden dauerndes Forum, das am 9. Mai 2013 im Baruch College in New York City stattfand. Teilnehmer der Podiums-Diskussion waren Jesus Aguais, Dr. L. Jeannine Bookhardt-Murray, Dr. Mark Brennan-Ing, Jim Eigo, Joe Jervis und Peter Staley (Kurz-Biographien hier). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Perry N. Halkitis.
Schock, Alptraum, Unverständnis, Ignoranz – mit vielfältigen Gefühlen beschrieben Panel-Diskutanten und Zuhörer ihre Wahrnehmungen und Gefühle, ihre Lebenssituationen als ‚ Aids-Überlebende ‚. Oft mit im Spiel: Erschütterung und Hilflosigkeit angesichts von Desinteresse und Unverständnis ihres Umfeldes.
Michelangelo Signorile, bekannter US-Radiomoderator und Aids-Aktivist, hat diese Gefühle jüngst so beschrieben:
“Für Schwule über 40 ist es als seien wir aus einem Krieg zurückgekehrt, einem Krieg der den meisten weit weit weg und entfernt war, selbst als er stattfand.“
Peter Staley, langjähriger ACT UP Aktivist und Mitgründer der Treatment Action Group TAG, fragt,
„was sagt das alles über uns selbst? Wie geht es uns heute? Wie gehen wir selbst mit einander um? Gibt es überhaupt eine Community, die sich um uns Gedanken macht?„
Jesús Aguais berichtete zur Situation bei Migranten über bemerkenswerterweise nahezu identische Ergebnisse aus Befragungen in New York und in Lateinamerika:
„Das höchste Ausmaß an Isolation: Meine letzte Frage lautete, was wissen Sie über Menschen wie Sie selbst, vor 1996 HIV-positiv getestet? Und 100 Prozent der Befragten sagten: absolut nichts. Darüber sprechen wir nicht.„
Gegen Ende des Videos fragt Peter Staley nüchtern:
„Viele von uns sehen, wie unsere landesweiten Schwulengruppen, ebenso wie unsere großen Stiftungen, all dieses viele ’schwule Geld‘ [gay money], wie sie sich alle ausschließlich auf den Wohlfühl-Kampf für die Homo-Ehe konzentrieren. So wertvoll dieser Kampf auch ist, stellen wir uns nicht selbst eine Falle mit dieser Konzentration auf nur ein einziges Thema? Schweigen mag nicht weiterhin in einem Ausmaß wie früher Tod bedeuten [Staley spielt an auf den ACT UP Slogan SILENCE = DEATH, SCHWEIGEN = TOD], aber es ist weiterhin Triebfeder eines alarmierenden Anstiegs von HIV-Infektionen bei jungen Schwulen, besonders bei den offensichtlich besonders leicht zu ignorierenden jungen schwulen Farbigen.„
Durch das ganze Video ziehen sich als (sehr unter die Haut gehender) ‚roter Faden‘ Tagebuch-Auszüge, die Joe Jervis (dem Autor des nicht nur in den USA beliebten Blogs Joe.My.God) als Selbst-Therapie schrieb, über einen Bekannten der an Aids erkrankte.
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In Kürze soll auf YouTube ein umfangreicheres Video über die Veranstaltung online verfügbar sein.
Die Medius Working Group wurde gegründet in Erinnerung an Spencer Cox (1968 – 2012), der als Aids- / ACT UP – und Therapie-Aktivist sowie Mitbegründer der Treatment Action Group TAG einer der Vorkämpfer dr Vertretung der Interessen HIV-Positiver insbesondere in klinischen Studien und Aids-Forschung war.
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Medius Working Group: „Is this my beautiful life“ Trailer (11:35 min.)
siehe auch
2mecs 10.05.2013: Als kämen wir aus einem Krieg zurück, der viele kaum interessierte
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Must-see!
Warum bekommen wir so etwas , solch ein Podium, solch ein öffentliches Reflektieren nicht hin?
Wo ist unsere Nachdenklichkeit?
Wo ist unsere Wut?
Unsere gemeinsame Stimme?
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5 Antworten auf „Aids-Überlebende fragen: Ist das mein wunderbares Leben? [Video]“
Ein interessantes Video/Thema mit Fragen die bei mir einige „neue Fragen“ aufwerfen.
„Perspektiven der Überlebenden der Aids-Generation“ ein Anfang der mir sehr gut gefällt betrifft HIV/AIDS doch Alle aus der „Community“. Doch schon beim weiterem Durchlesen stelle ich wieder einmal fest, das Menschen die HIV + und heterosexuell sind ausgeklammert werden. Entweder haben viele Schwule ein heterosexuelles Trauma oder wir existieren für sie einfach nicht. Letzteres wäre allerdings mehr als witzig ist doch jeder Schwule das Kind das von Ausnahmen abgesehen aus einer heterosexuellen Verbindung „Mann – Frau“ hervorgegangen ist.
Einzig Peter Staley hat für einen kurzen Moment den Mut gehabt über den schwulen Tellerrand zu blicken und alle Menschen die von HIV betroffen sind zu sprechen. So meine Wahrnehmung.
Diese Haltung Menschen mit HIV gerade wenn es um ein Resümee der Situation der Überlebenden Menschen mit HIV geht auszuschleißen – es geht ja um die Zeit des großen Sterbens bis 1995 (der Zeit als es die ersten Medis gab) einer Zeit in der auch viele von uns Heten gestorben sind, – ist mir völlig unverständlich.
Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein bewusstes, gar intentionales Ausschließen ist – oder gar wie von dir postuliert ein Trauma.
Wenn ich auf Hiv-Zusammenhänge schaue, in denen ich mich bewege, kommt mir die Frage, ob es vielleicht auch damit zu tun haben könnte, wie viele positive Heteros (bes. Männer) sich engagieren. sich in Communityzusammenhänge einbringen
Bzgl des Trauma, das war überzogen, ironisch gemeint. Sollte dies der Fall sein „ob es vielleicht auch damit zu tun haben könnte, wie viele positive Heteros (bes. Männer) sich engagieren. sich in Communityzusammenhänge einbringen“ dann fände ich es allerdings fatal. Das impliziert die Frage bzw der Bewertung ob es den „guten – besseren“ wie auch „schlechten“ HIV positiven Menschen gibt. Wir beide wissen doch das es dem Virus scheiß egal ist wer sein Wirt ist. Er kennt keine Unterschiede.
Es wird immer wieder gerne zum Ausdruck gebracht das z.b. das Engagement für schwächere Menschen oder Menschen die sich nicht artikulieren, bzw die ihre Bedürfnisse/Anliegen nicht zum Ausdruck bringen können sei es durdh AIDS Hilfen oder eben durch Aktivisten nicht nur nicht nachlassen darf, sondern das es gerade um diese Menschen es geht, das man deren Interessen wahrnehmen und für sie sprechen muß, sie einbezehen muß.
Community unter dem Aspekt HIV/AIDS schließt alle ein. Unabhängig ob wer wann aktiv ist oder nicht. (Natürlich bin ich mir bwußt ich das ich einer bin der sich immer wieder mal wundert was mit uns Heten in diesem Kontext los ist, das da wenig von uns kommt)
Passend zum Thema hier ein Auszug aus meiner Rede zum Welt-AIDS-Tag in der Frankfurter Paulskirche am 1.12.2012:
„…Wir müssen lernen, über die Vergangenheit zu reden, uns mitzuteilen, unsere Erlebnisse in Worte zu fassen, Unausgesprochenes auszusprechen, vielleicht auch erst einmal auszuprobieren, Worte zu suchen und zu finden. Und weil das, was wir erinnern, immer emotionale Momente sind – anderes vergessen wir nämlich – gehört zum Erinnern auch das Wiedererleben der Gefühle von damals. All die Angst und Enge, die Gefahr und der Schmerz über erlebte Gefahren, Demütigungen und Verluste, aber auch erlebt Solidarität und all unsere Lebendigkeit und Lebenskraft ruhen in unseren Erinnerungen. Es tut gut, anderen Geschichten erzählen zu können von dem, was wichtig war im Leben. Um wirklich lebendig zu werden, ist es wichtig, nicht nur informativ zu berichten, sondern emotional beteiligt zu erinnern mit einem „Stell dir das mal vor! So war das damals!“ Und dafür brauchen wir Gesprächspartner, deren Wertschätzung und deren aufrichtigem Interesse wir gewiss sein können. …“
http://termabox.wordpress.com/2012/12/02/weiterleben-gegen-den-strom-ins-leben/
LG Michael
ja, der auszug passt, michael
dieses erzählen findet bisher hier nur selten und meist privatim statt … ich fand egarde deswegen diese konferenz in den usa spannend und warte mit interesse auf das komplette video