Zuletzt aktualisiert am 18. August 2024 von Ulrich Würdemann
Josef Meisinger wurde am 14. September 1899 in München geboren und am 7. März 1947 in Warschau hingerichtet. Meisinger war ab Errichtung 1936 bis in das Jahr 1938 Leiter der Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung – und damit neben Carl-Heinz Rodenberg eine der zentralen Figuren der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit.
Nach zwei Jahren als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg arbeitete Josef Meisinger zeitweise zunächst in München bei einer Bank, bevor er ab 1922 bei der Polizei München (zeitweise bei der ‚Sitte‘) tätig war.
1923 beteiligte er sich aktiv am so genannten Hitlerputsch, wurde dafür mit dem ‚Blutorden der NSDAP‚ ausgezeichnet. Er trat im März 1933 in die SS sowie in die NSDAP ein. Ebenfalls im März 1933 wurde Josef Meisinger in die ‚Bayrische Politische Polizei‘ versetzt, lernte dort u.a. Reinhard Heydrich kennen. Heydrich nahm ihn 1934 mit nach Berlin, Meisinger wechselte ab dem 1. Mai 1934 an das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa). Dort war Meisinger zunächst ab Sommer 1934 als Kriminalrat Mitarbeiter, seit 1935 Leiter des Sonderdezernats II 1 (Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung).
Innerhalb der Gestapo machte Meisinger schnell Karriere und galt Stümke zufolge [4] „in Parteikreisen als ‚der gefürchtetste Kriminalist‘„. Selbst sein Vorgesetzter Heydrich soll ihn als einen „abstoßenden Widerling“ bezeichnet haben.
Von ihrer Einrichtung 1936 bis 1938 war Meisinger in Personalunion zudem Leiter der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung’.
Rüdiger Lautmann charaktrisierte Meisingers Arbeit in dieser Zeit [1]:
„Besondere Aktivitäten bei der Verfolgung homosexueller Männer entwickelte er in politischen Fällen, wie beispielsweise bei der Verhaftung von Mitgliedern der SA-Führung im Rahmen der Mordaktion Röhm 1934, bei den Sonderaktionen gegen katholische Geistliche und Laien im Zusammenhang mit den Sittlichkeitsprozessen 1936/37, bei den Aktionen gegen die Führung des Nerother Wandervogel 1937 (Oelbermann) sowie Anfang 1938 im Rahmen der Ermittlungen gegen Generaloberst Werner Freiherr v. Fritsch (Fritsch-Blomberg-Krise).“
Josef Meisinger beschriebt in einem Vortrag 1937 in Berlin sein Verständnis der ‚Arbeit‘ der Homosexuellenverfolgung:
„Damit hat aber die Homosexualität die Grenzen einer rein kriminalistischen Betrachtungsweise überschritten und ist zu einem Problem von politischer Bedeutung geworden. Unter diesen Umständen kann es nicht Aufgabe der Polizei sein, die Homosexualität wissenschaftlich zu untersuchen. Sie kann höchstens die wissenschaftlichen Feststellungen bei ihrer Arbeit so weit als möglich beachten. Ihre Aufgabe besteht darin, die Bewegung der Homosexualität und ihre schädlichen Auswirkungen festzustellen, um damit die durch diese Erscheinung drohende Gefahr für Volk und Staat abzuwenden. Der Polizei wird auch nicht gesagt: Du darfst diesen Dieb nicht festnehmen, denn er könnte die Kleptomanie erworben haben. Ebenso wenig fragen wir – nachdem wir nun einmal den Homosexuellen als Staatsfeind erkannt haben – als Polizei und noch viel weniger als Politische Polizei danach, ob er sein Laster erworben hat oder ob es ihm angeboren ist.“
Aufgrund von Ermittlungsfehlern und schlechten Beurteilungen seiner Arbeit bei der ‘Affäre Fritsch’ (den Vorwurfs der Homosexualität hatte Meisinger ‚recherchiert‘ bzw. konstruiert) wurde Josef Meisinger im Frühjahr 1938 strafversetzt [3]. Zum Nachfolger Meisingers als Leiter der ‘Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung’ wurde Kriminalrat Erich Jacob berufen, als ‘wissenschaftlicher Leiter’ ab Juli 1943 der Neurologe und Psychiater Carl-Heinz Rodenberg.
Josef Meisinger war nach seiner Strafversetzung zunächst im Archiv des SD-Hauptamtes tätig und wurde im September 1939 Kommandeur der Sicherheitspolizei in Warschau. Hier veranlasste Meisinger Massenerschiessungen, die Ermordung Tausender Polen, und wurde unter dem Namen ‘Schlächter von Warschau’ gefürchtet.
Von April 1941 bis Mai 1945 war Ernst Meisinger nach Versetzung wegen seines brutalen Vorgehens Polizeiverbindungsoffizier (Polizeiattaché) an der deutschen Botschaft in Japan und Verbindungsoffizier zum japanischen Geheimdienst. Parallel ‚engagierte‘ sich Meisinger bei der Judenverfolgung in Japan und in den von Japan besetzten Gebieten.
Am 6. September 1945 wurde Josef Meisinger in Yokohama von US-Kräften verhaftet und 1946 an Polen ausgeliefert. Der Oberste Volksgerichtshof Warschau verurteilte ihn zum Tod. Am 7. März 1947 wurde Josef Meisinger hingerichtet.
.
Meisinger – der die ‘Bekämpfung der Homosexualität als ‚politische Aufgabe’ sah – ist eine der SS-’Figuren’ in Jonathan Littells Roman “Die Wohlgesinnten“.
.
[1] in: Rüdiger Lautmann: Lexikon zur Homosexuellenverfolgung 1933 bis 1945
[2] Josef Meisinger Vortrag gehalten auf der Dienstversammlung der Medizinaldezernenten und –referenten am 5./6. April 1937 in Berlin
[3] Zu Meisinger in derFritsch-Blomberg-Affäre siehe u.a. Heinz Höhne „Der Fall Fritsch-Blomberg 1938“ (Teil 2), Spiegel 6/1984
[4] Hans-Georg Stümke: Homosexuelle in Deutschland – eine politische Geschichte. München 1989
.
3 Antworten auf „Josef Meisinger (1899 – 1947)“
[…] Ämter, Sonderdezernat und Reichszentrale, waren in Personalunion Josef Meisinger unterstellt. Von ihrer Einrichtung 1936 bis 1938 war er ihr Leiter, wurde dann strafversetzt im […]
[…] der Homosexualität und Abtreibung’. Zuvor hatte Kriminalrat Erich Jacob (5) als Nachfolger von Josef Meisingers bereits 1938 die Leitung, ab Eintritt Rodenbergs 1943 dann nur noch kriminalistische Leitung der […]
[…] Nationalsozialismus skizziert, werden Schicksale Verfolgter exemplarisch vorgestellt, Täter (wie Josef Meisinger) […]