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Homomagazin Tetu pleite – 2015 endgültiges Aus nach 20 Jahren

Zuletzt aktualisiert am 16. September 2024 von Ulrich Würdemann

Tetu pleite – Endgültig Aus für das französische Homo-Maganzin Tetu, das Handelsgericht in Paris beschloss am 23. Juli 2015 die Liquidation des Unternehmens. Nach der Einleitung des Konkursverfahrens Anfang Juni begonnene Rettungsversuche blieben erfolglos. Die Internetseite von Tetu soll in den Sommermonaten 2015 noch in Betrieb bleiben.

Das französische Homomagazin Tetu wird ab sofort vom Markt verschwinden. Beide bei der Justizverwaltung eingegangenen Übernahmeangebote seien als unzureichend beurteilt worden. Die Liquidation der Tetu-Herausgeberin CPPD sei ‚unausweichlich‚ gewesen.

Die Ausgabe Juli / August 2015 von Tetu (Nr. 212) – mit Mika auf dem Titelbild – wird die letzte Tetu sein.

Tetu, c’est fini‚, teilte Tetu-Herausgeber Jean-Jacques Augier am Nachmittag des 23.7.2015 mit. Er verwies auf ein schwieriges ökonomisches Umfeld, strukturelle Probleme z.B. im Vertrieb sowie die ‚Feigheit‘ von Werbeagenturen.

Er beklagte zudem, es sei ein weit verbreiteter Fehler unter Homosexuellen zu glauben, man könne eine Seite umblättern, die ‚Indifferenz gegenüber unserem Anderssein‘ sei endgültig erreicht, homosexuell zu sein oder nicht sei n icht mehr relevant.

Die Herausgeber-Gesellschaft von Tetu hatte bereits am 28. Mai sämtliche Zahlungen eingestellt. Daraufhin hatte das Handelsgericht am 1. Juni 2015 das Konkursverfahren über Tetu eröffnet.

Gemäß französischem Konkursrecht hätte ein Zeitraum von bis zu vier Monaten bis Ende September 2015 zur Verfügung gestanden, um eine Lösung für das Unternehmen und für die Abwendung der Tetu Pleite zu finden. Eine Solidaritätsparty fand statt, Bemühungen um neue Abonnenten schienen erfolgreich. Am 14. Juli teilte die Redaktion jedoch mit, ein neuer Investor sei trotz vorliegender Interessenbekundungen nicht gefunden worden.

Das monatlich erscheinende LGBT Magazin Têtu wurde im Juli 1995 (drei Jahre nach der Einstellung des legendären Schwulenmagazins Gai Pied, dessen Nachlass es de facto übernimmt) von dem Journalisten und ehemaligen ACT UP Paris Aktivisten Didier Lestrade sowie von Pacal Loubet gegründet (Erscheinen der ersten Ausgabe). Finanzielle Unterstützung erhielten beiden von Yves Saint Laurent und dessen Partner Pierre Bergé.

Tetu war nie die Umstellung vom ‚Mäzenaten-Modell‘ (Saint-Laurent / Bergé, 18 Jahre lang seit Gründung) auf ein kommerziell erfolgreiches Betreibskonzept gelungen. Zudem gab es Kritik, das Magazin habe das Internet ‚verschlafen‘ und seine Resourcen wie das umfangreiche Archiv nicht optimal genutzt.

Die Internetseite von Tetu unter der Adresse www.tetu.com war  noch für einige Wochen online erreichbar bleiben. Damit sollte sowohl der Wert der Marke als auch die Bindung zu den Lesern erhalten werden – möglichst bis zu einer Versteigerung der Markenrechte an ‚Tetu‘  und einem eventuellen Neu-Start. Internetseite und Twitter von Tetu waren noch bis Ende September 2015 sporadisch aktualisiert worden. Die Internetseite tetu.com war jedoch seit Anfang Oktober nicht mehr erreichbar.

Die Marke ‚Tetu‘ wurde im Spätherbst (nach dem ‚Rentrée‘, dem Ende der Sommerferien) versteigert.

Am 11. November 2015 schließlich wurde bekannt, dass Tetu (Marke und internetseite) vom StartUp Idyls übernommen wurden.

Tetu pleite – Reaktionen

  • Der frühere Gai-Pied – Chefredakteur Jacky Fougeray, Herausgeber des (1988 – 2007 selbst unter dem Namen Illico als werbefinanziertes Print-Magazin erschienenen) Internetportals ‚e-Illico‘, fragt, ob dies ‚das Ende eines Zyklus der Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung‚ sei (wenn auch bei weitem n icht ‚das Ende des Kampfes‘). Mit Ehe- und Adoptionsrecht sei eine neue Phase erreicht- in der  paradoxerweise Errungenschaften der Schwulen- und Lesbenbewegung gefährdet seien. Als Beispiel verweist er auf die (in Frankreich nahezu verschwundene) feministische Presse.
  • Der (zeitweise auch für Yagg arbeitende) Journalist Florian Bardou hat für slate.fr Journalisten zahlreicher französischer LGBT-Medien sowie Forscher und Aktivisten befragt, ob es heute noch LGBT-Medien bedarf – mit recht eindeutigem Ergebnis.
  • Xavier Héraud, Mit-Gründer des LGBT-Internetportals Yagg und zuvor 5 Jahre Mitarbeiter bei Tetu, betont die Notwendigkeit von LGBT-Medien. Er weist in einem Kommentar nochmals darauf hin, ein Magazin von der Qualität von Tetu sei 18 Jahre lang nur durch das umfangreiche Mäzenatentum von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé möglich gewesen.
  • Eines der größten Probleme der Tetu Pleite sei, dass mit dem Abschalten der Internetseite auch ein Archiv von über 20 Jahren schwul-lesbischer Berichterstattung nicht mehr verfügbar sei, betont der Aktivist und ehemalige Chefredakteur von Tetu, Didier Lestrade.
  • Jean-Luc Romero, Regionalrat für Ile-de-France, betont in einem Beitrag „Tetu muss wiedergeboren werden“ für das ‚Friendly Magazine‘, LGBT-Medien seien auch heute unverzichtbar und bräuchten Unterstützung.
  • Eine Internetsite bemerkt zu möglichen Ursachen der Tetu Pleite , anspielend auf das klassische Pariser  Homo-Ausgeh-Viertel und sein Publikum, Tetu sei sehr auf das „Hyper-Marais“ hin orientiert gewesen und habe vielleicht zu wenig über seinen Tellerrand hinaus geschaut.

Auch das LGBT-Internetportal Yagg (das aus Tetu heraus entstanden ist) kämpft derzeit ums Überleben. Das Ziel von 3.000 neuen Online-Abonnenten ist bisher (23.7.2015) zu 45% erreicht.

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Von Ulrich Würdemann

einer der beiden 2mecs.
Schwulenbewegt, Aids- und Therapie-Aktivist. Von 2005 bis 2012 Herausgeber www.ondamaris.de Ulli ist Frankreich-Liebhaber & Bordeaux- / Lacanau-Fan.
Mehr unter 2mecs -> Ulli -> Biographisches

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