Zuletzt aktualisiert am 14. März 2020 von Ulrich Würdemann
Francois Hollande gilt als ‚unbeliebtester Präsident der V. Republik‘ und kandidiert nicht für eine Wiederwahl. Eine Hollande Bilanz sieht bei genauerem Hinsehen nicht so trübe aus wie oft dargestellt.
Sieben von zehn Franzosen halten Francois Hollande gegen Ende seiner Amtszeit für einen ’schlechten Präsidenten‘, zeigte eine am 6. April 2017 veröffentlichte Umfrage für franceinfo. Er ‚erreicht‘ damit ähnlich schlechte Werte wie sein Vorgänger Sarkozy zum Ende seiner Amtszeit.
Allerdings: 54% der Befragten halten seine sozialen Reformen für positiv. Und 48 Prozent halten die Einfühjrung der ‚Ehe für alle‘ (marriage pour tous; ‚Homoehe‘) für das markanteste Ereignis seiner Amtszeit.
Der Präsident steht im Regen – wohl nie gab es mehr Photos eines französischen Staatspräsidenten in Regenschauern. Schon bei der Parade zu seiner Amtseinführung goss es in Strömen. Und bald sanken seine Beliebtheitswerte – ‚der Präsident steht im Regen‘ oder ‚président de la pluie‘ wurden zur Metapher einer Präsidentschaft.
H.E. Mr. François Hollande, President of France
Hohe Arbeitslosigkeit, Werksschließungen, unbefriedigende Wirtschaftsdaten, Anschläge und Ausnahmezustand, Präsident Hollande sah sich – anders als der letzte sozialistische Staatspräsident Francois Mitterrand zu seiner Amtszeit – immer neuen Tiefstwerten in den Umfragen gegenüber. Sein Vorgehen eher in kleinen Schritten, sein Vermeiden von Konfrontation wie auch allem ‚Monarchischen‘ brachte ihm das Image des (vermeintlich) unentschlossenen Zauderers, eher kein ‚echter Präsident‘.
Bei der Präsidentschaftswahl 2017 kandidiert Francois Hollande nicht für eine zweite Amtszeit. Zeit zu fragen: Wie sieht die Hollande Bilanz aus? War Francois Hollande ein so schlechter Präsident, wie seine schlechten Umfrage- und Beliebtheitswerte suggerieren?
Bei genauerem Betrachten ist auch Sonne hinter den Regenwolken – einige Beispiele der Sozialpolitik seiner Präsidentschaft:
Francois Hollande – bilan d’un président pas si mal
Jugendarbeitslosigkeit
150.000 ‚Zukunftsstellen‚ (emplois d’avenir, Gesetz vom 26. Oktober 2012) wurden für geringqualifizierte Jugendliche geschaffen, im nichtkommerziellen Sektor mit Schwerpunkt auf die Vorstädte (banlieus) sowie die Übersee-Departements (wo die Rate der Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch liegt).
Über einen ‚Generationenvertrag‘ (contrat de génération) erhalten Unternehmen Zuschüsse, wenn sie Berufseinsteiger einstellen und gleichzeitig den Arbeitsplatz eines älteren Mitarbeiters erhalten.
Über ein ‚Integrationsprogramm für Jugendliche in prekärer Lage‚ stehen Beihilfen zur Verfügung, Unterstützungsmaßnahemen bei Arbeitsplatzsuche und Ausbildung werden finanziert.
Integration
Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus können einem unter Hollande verabschiedeten Gesetz zufolge leichter legalisiert werden.
Bürger, die Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus unterstützen, können nicht mehr dafür juristisch verfolgt und bestraft werden (unter Präsident Sarkozy war ein entsprechendes ‚Solidaritätsdelikt‚ eingeführt worden, das unter Hollande wiede abgeschafft wurde).
Frauenrechte, Gleichberechtigung von Frau und Mann
Unter der Präsidentschaft von Francois Hollande wurden Gesetze verabschiedet, die eine härtere Bestrafung bei sexueller Belästigung vorsehen.
Politische Parteien, die bei ihren Kandidatenlisten einen Frauen-Anteil von weniger als 25% aufweisen, haben finanzielle Sanktionen zu erwarten.
Ähnliches gilt für Unternehmen, die Frauen und Männern nicht gleiche Löhne zahlen oder bei Karrierechancen Ungleichheiten aufweisen.
Seit Schulbeginn 2013 wurde als Pilotversuch an etwa 600 Grundschulen das Bildungsprogramm ‚ABCD der Gleichheit‚ (ABCD de l’égalité) eingeführt. Das Ziel ist Sexismus und Geschlechter-Stereotype zu bekämpfen.
Die Kabinette unter Präsident Hollande waren weit überwiegend paritätisch mit Frauen und Männern besetzt.
LGBT
Sie war eines der großen Projekte der Präsidentschaft Hollande – die ‚Ehe für alle‚ (marriage pour tous), die de facto die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe (Homoehe) bedeutete. Schon im Wahlkampf angekündigt, wurde das Gesetz unter Justizministerin Christian Taubira auch gegen massive Proteste durchgesetzt und am 23. April 2013 von der Nationalversammlung endgültig verabschiedet.
Drei Jahre später sind bereits annähernd 26.000 Homoehen in Frankreich geschlossen; 2015 lag der Abnteil gleichgeschlechtlicher Ehen bei 3,3%.
Zeitgleich mit dem Gesetz über die Einführung der Ehe für alle wurde zudem auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption ermöglicht.
Das bisherige „Ministère de la famille“ (Ministerium der Familie; Singular) heißt entsprechend ab Anfang 2016 „Ministère des familles“ – Ministerium der Familien.
Für Trans* wurden die Bedingungen eines Wechsels der Geschlechtszugehörigkeit in Ausweispapieren vereinfacht.
Entsprechend bewertete Joel Deumier, neu gewählter Vorsitzender von SOS Homophobie, die Bilanz der Präsidentschaft Hollande aus Sicht von LGBT als ‚insgesamt eher gut‘.
HIV/Aids
Seit Dezember 2015 ist PrEP (Prä-Expopsitions-Prophylaxe) in Frankreich verfügbar, seit Januar 2016 werden die Kosten zu 100% übernommen. Es ist weltweit die erste 100%ige Kostenübernahme für PrEP. Grundlage ist eine von Gesundheitsministerin Touraine angeordnete ‚recommandation temporaire d’utilisation‘ (RTU).
Seit Mitte September 2015 sind HIV-Selbsttest in Frankreich in Apotheken (stationär und online) frei verfügbar. Über 100.000 Tests wurden inzwischen verkauft.
Der Mehrwertsteuer-Satz für Kondome wurde ab 2014 gesenkt.
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Text zuletzt aktualisiert 8. Juni 2017
14 Antworten auf „Francois Hollande Bilanz verregnet, oder auch Sonne?“
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