Zuletzt aktualisiert am 3. Dezember 2021 von Ulrich Würdemann
Die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda waren die wohl bekannteste Aktion von ACT UP in Deutschland. Wie kam es dazu?
Dies ist der fünfte Teil der Mini-Serie Ullis ACT UP Erinnerungen. Im ersten Teil habe ich über die Entstehung von ACT UP in Deutschland geschrieben, im zweiten Teil über ACT UP in Deutschland. Der dritte Teil befasste sich mit ACT UP Köln, der vierte beschäftigte sich mit dem Verhältnis von ACT UP Deutschland und den USA.
Sonntag 29. September 1991. In Fulda findet der Abschlussgottesdienst der Herbsttagung der Deutschen Bischöfe (Deutsche Bischofskonferenz) statt. Nahezu die gesamte Spitze der katholischen Kirche in Deutschland ist versammelt. Mitten während des Gottesdienstes erklingen plötzlich statt süßer Orgelklängen schrille Trillerpfeiffen. Transparente mitten im Kirchenraum. Vor dem Altar liegen Aids-Aktivisten auf dem Boden, ein ‚Die-in‘. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda. ACT UP protestiert lautstark und unübersehbar gegen die Haltung der katholischen Kirche zu HIV und Aids, und besonders gegen Äußerungen und Politik des Fuldaer Bischofs Dyba.
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im Zentrum der Kritik: Johannes Dyba, Bischof von Fulda
Johannes Dyba (* 15.9.1929 Berlin, † 23.7.2000 Fulda) war seit 1983 und bis zu seinem Tod 2000 Bischof von Fulda sowie von 1990 bis 2000 Militärbischof der Bundeswehr. Dyba galt selbst innerhalb der katholischen Kirche als Vertreter äußerst konservativer Positionen. Abtreibung bezeichnete er als „Kinderholocaust“. Im September 1993 veranlasste er, das sein Bistum aus der Schwangerschaftskonfliktberatung ausstieg. Als Militärbischof begrüßte er den Golfkrieg, bezeichnete (in anderem Kontext) Militäreinsätze als „gerechten Krieg“ .
Über Homosexualität und Schwule hatte Dyba klare Vorstellungen: „Das sind wie andere eben widernatürliche Anlagen, die kann man nicht ausleben“ [Quelle]. Während der Debatten über das Lebenspartnerschaftsgesetz (von der Rot-Grünen Koalition am 16. Februar 2001 verabschiedet) sprach Dyba 2000 von „homosexueller Liaison“ und „importierten Lustknaben“, die Lebenspartnerschaft Homosexueller sei „ein weiterer fataler Schritt in die Degeneration“.
Johannes Dyba hatte auch in Sachen HIV und Aids klare Positionen: Aids sei eine Folge des „Abfalls von Gott“, der eben „nicht ungestraft“ bleiben könne – Aids als Strafe Gottes, nicht nur damals eine beliebte Kulisse rechtskonservativer Kirchenkreise.
Nach Abschluss der ACT UP Proteste im Dom zu Fulda stellt Johannes Dyba die Demonstranten in den Kontext von Nazi-Tätern: „Im Dritten Reich ist die SA auch schon auf dem Fuldaer Domplatz erschienen, um Gläubige einzuschüchtern. Aber noch nicht einmal im 3. Reich sind die Nazis in den Dom eingefallen.“ [Quelle 1, 2, 3]
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Warum in den Dom? – Die Vorbereitungen
Begonnen hatte alles ganz ‚ordnungsgemäß‘:
Die Frankfurter ACT UP Gruppe hatte für die deutschen Gruppen die Aktion in Fulda ganz ordentlich angemeldet, als Demonstration vor dem Dom. Doch Bischof Dyba hatte enge Verbindungen zur Fuldaer Stadtverwaltung – und diese nutze er. Er drängte die Stadtverwaltung, die Demonstration gerichtlich verbieten zu lassen. Blieb ACT UP da anderes, als den Bischöfen im Dom die Meinung zu sagen?
Begonnen hatte die Aktion – noch ein wenig früher.
Sie ‚fiel nicht vom Himmel‘. Sondern war vorbereitet, intensiv vorbereitet sogar. In monatelanger Arbeit hatten wir recherchiert, eine umfangreiche Dokumentation (insbes. für die Medien) verfasst, Kontakte gezogen. Und – wir hatten geprobt. Schließlich, wie bekommt man ein riesiges Transparent an einen Kirchenturm? So dass es hängen bleibt, der Wind es weder zerfetzt noch die Sicht beeinträchtigt? Und überhaupt, wie sieht so eine Kirche von innen aus, wie könnten wir uns wo am besten ‚einbringen‘? Ein ganzes Wochenende ‚probten‘ wir verschiedene Szenarien, um in Fulda auf Eventualitäten vorbereitet zu sein.
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ACT UP Proteste im Dom zu Fulda und die Folgen
Die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda und davor war die wohl spektakulärste Aktion der deutschen ACT UP Gruppen: ‚Stoppt die Kirche‘ im September 1991 in Fulda. Und eine der folgenreichsten, zumindest was sowohl mediale Aufmerksamkeit als auch juristische Auseinandersetzungen betrifft: erstmals berichtete die ‚Tagesschau‘ zur prime time um 20:00 Uhr mehrere Minuten über eine Aktion von Aids-Aktivisten und HIV-Positiven, und deren Anliegen. Und Bischof Dyba kassierte eine Anzeige: er beschimpfte die Teilnehmer der Aktion als „Chaoten“, „hergelaufene Schwule“ und „randalierende Aids-Positive“. Die Reaktion: mehrere Strafanzeigen wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Nachdem Dyba teilweise widerruft, werden die Verfahren eingestellt.
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Spiegel 28.10.1991: Bischöfe – Römischer Furz
Siegel 10.07.2000: Importierte Lustknaben – Der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba über das rot-grüne Gleichstellungsgesetz
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siehe hierzu auch
Eugen Januschke, Ulrike Klöppel: ACT UP-Kirchenprotest in Deutschland als translokale Aids-aktivistische Praxis. Hamburger Journal für Kulturanthropologie (HJK), (13), 651–660 (online)
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ACT UP Erinnerungen:
1. Entstehung von ACT UP
2. ACT UP in Deutschland
3. ACT UP Köln
4. ACT UP Deutschland und die USA
5. ACT UP protestiert im Dom zu Fulda
6. Das Ende von ACT UP in Deutschland
7. nach ACT UP – was bleibt?
Diese kleine Mini-Serie bildet nur meine persönlichen Erinnerungen an meine ACT UP Zeit ab. Ich freue mich sehr über Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen – ob per Kommentar oder persönlicher Nachricht!
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16 Antworten auf „ACT UP Proteste im Dom zu Fulda – Ullis ACT UP Erinnerungen 5“
[…] Entstehung von ACT UP 2. ACT UP in Deutschland 3. ACT UP Köln 4. ACT UP Deutschland und die USA 5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda 6. Das Ende von ACT UP in Deutschland 7. ACT UP – was […]
[…] Entstehung von ACT UP 2. ACT UP in Deutschland 3. ACT UP Köln 4. ACT UP Deutschland und die USA 5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda 6. Das Ende von ACT UP in Deutschland 7. ACT UP – was […]
[…] Ich lernte Frank kennen in, wie er einmal schrieb, „guten alten Tagen von ACT UP“. Frank war maßgeblich an ACT UP Nürnberg und bundesweiten ACT UP – Aktionen beteiligt, das „Highlight“ waren sicher die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda. […]
[…] Entstehung von ACT UP 2. ACT UP in Deutschland 3. ACT UP Köln 4. ACT UP Deutschland und die USA 5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda 6. Das Ende von ACT UP in Deutschland 7. ACT UP – was […]
[…] Entstehung von ACT UP 2. ACT UP in Deutschland 3. ACT UP Köln 4. ACT UP Deutschland und die USA 5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda 6. Das Ende von ACT UP in Deutschland 7. ACT UP – was […]
[…] Dies ist der fünfte Teil der Mini-Serie Ullis ACT UP Erinnerungen. Im ersten Teil habe ich über die Entstehung von ACT UP in Deutschland geschrieben, im zweiten Teil über ACT UP in Deutschland. Der dritte Teil befasste sich mit ACT UP Köln, der vierte beschäftigte sich mit dem Verhältnis von ACT UP Deutschland und den USA. Der fünfte Teil berichtete über die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda. […]
[…] sich mit dem Verhältnis von ACT UP Deutschland und den USA. Der fünfte Teil berichtete über die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda, der sechste mit dem Ende von ACT UP in […]
[…] sich mit dem Verhältnis von ACT UP Deutschland und den USA. Der fünfte Teil berichtete über die ACT UP Proteste im Dom zu Fulda, der sechste mit dem Ende von ACT UP in […]
[…] Die Aids-Aktionsgruppen ACT UP protestierten Anfang der 1990er Jahre gegen die Haltung der katholischen Kirche – in den USA, in Europa, in Deutschland. Die ACT UP Gruppen in Deutschland machten dies während des Abschlussgottesdienstes der Deutschen Bi…. […]
[…] die dem Ansehen der Kirche schaden könnten, wie die netzzeitung schreibt. Das kleine Städtchen Fulda, schon früher bekannt geworden durch seinen fundamentalistischen Erzbischof Dyba und 1991 ein…, befindet sich teilweise scheinbar immer noch im tiefsten […]
[…] Strassen-Aktionen, Boykott, Dombesetzung, Aktionen des ‚zivilen Ungehorsams‘ – in den Aktionen von ACT UP manifestierte […]
[…] zeichnen, auf das auch Bischof Dyba vielleicht nicht nur unbewusst zurückgriff, als er nach der ACT UP Aktion im Dom zu Fulda 1991 von ‚randalierenden Positiven‚ […]
[…] siehe auch ACT UP Proteste im Dom zu Fulda […]
[…] es entwickelte sich bundesweit eine Protestbewegung, die in den 1990er-Jahren auch auf dem Fuldaer Domplatz protestierte. Das sorgte für eine Polarisierung in der Fuldaer Stadtgesellschaft, aber es entstand in der Stadt […]
[…] werden z.B. Bilder der Act Up Protestaktion am und im Dom zu Fulda 1991 sowie der vorangegangenen Act Up Aktion 1991 am Dom in Frankfurt am […]
[…] vorbereitet wurde auch die ACT UP Aktion zum Umgang der Kirche mit dem Thema Aids, die anlässlich der Deutschen Bischofskonfer… geplant […]