Zuletzt aktualisiert am 4. Februar 2023 von Ulrich Würdemann
Aids Filme gibt es seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend zahlreich. Aids und die HIV-Infektion waren und sind auf vielfältige Weise immer wieder Thema im Film. Die ersten US- Aids-Filme (An early frost, 1985), bekannte Hollywood-Filme, wenig bekannte off-Produktionen bis zu neueren TV-Serien – die Spannweite der Aids-Filme ist inzwischen groß. Sie schwankt zwischen Dokumentation und Spielfilm. Zwischen Trauer, Wut, Larmoyanz und stolzer Selbstbehauptung. Zwischen Klischee und Bemühen um Wahrhaftigkeit.
Eine sehr subjektive Auswahl an Aids-Filmen, die ich für sehenswert halte:
Aids Filme – Filme über die Jahre der Aids-Krise
- Don’t ever wipe tears without gloves (Schweden 2012) – Basierend auf den Büchern von Jonathan Gardell erzählt die dreiteilige Mini-Serie die Geschichte von Rasmus, der 1982 nach Stockholm kommt, und Benjamin, der seinem strenggläubigen Elternhaus entflieht, sowie ihrem Freundeskreis. Eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Sterben – die deutlich werden lässt, wie sehr Aids schwule Szenen Mitte der 1980er Jahre erschütterte.
- Les temoins (Wir waren Zeugen / Die Zeugen, Frankreich 2007) – Manu, ein vor Lebenslust strotzender Provinzler, zieht Anfang der 1980er Jahre nach Paris. In vollen Zügen lebt er seine neue Freiheit aus. Er erkrankt und stirbt an den Folgen von Aids. Regisseur André Téchiné gelingt es auf beeindruckende Weise, von Wut, Verzweiflung, Trauer zu erzählen, ohne in schwarz-weiß – Klischees oder Larmoyanz zu verfallen.
- Philadelphia (USA 1998) – Einem aufstrebenden Anwalt (gespielt von Tom Hanks) wird gekündigt – offensichtlich unausgesprochen wegen seiner Homosexualität und seiner Aids-Erkrankung. Mühsam findet er einen Anwalt, der ihn juristisch vertritt – ein Wettlauf gegen die Zeit, und eine Auseinandersetzung mit Vorurteilen. Ein sehr moralischer Film, dessen Bedeutung daher rührt, dass er der erste ‚große‘ Hollywood-Film in Star-Besetzung über Aids war.
- Ceux qui m’aiment prendront le train (Wer mich liebt nimmt den Zug, Patrice Chéreau Frankreich 1998)
- we were here (USA 2011) – San Francisco, seit den 1970er Jahren eine der Städte mit den größten Schwulenszenen der USA, wurde in den 1980ern auch eine der von Aids am meisten betroffenen Städte. In der Dokumentation we were here werden 4 Männer und eine Frau portraitiert, die die schlimmsten Jahre der Aids-Krise aus unterschiedlichen Perspektiven erlebten.
- zero patience (Kanada 1993) – Lebensfreude, Sarkasmus, Ironie kennzeichnen den Blickwinkel dieses bemerkenswerten ‚Aids Musicals‘, das zeigt dass auch weit vor Zeiten hochwirksamer Therapien, in den schlimmsten Jahren der Aids-Krise ein gelassenerer Umgang möglich war. Einer der bemerkenswertesten Aids-Filme der 1990er Jahre, zudem politisches Zeichen und inzwischen Zeit-Dokument.
Filme über die Zeit vor Aids
Neben den Filmen über die Zeiten der Aids-Krise ist eine weitere Kategorie wichtig: Filme über die zeit vor Aids. Also keine Aids-Filme, sondern Filme vor Aids. Sie können vielleicht ahnbar machen, wie schwules Leben vor Aids sein konnte, lassen Dimensionen derVerwüstungen erkennen, die Aids im Leben schwuler Männer anrichtete.
- Race d’Ep (Frankreich 1979) – Ein vierteiliger, aus der französischen Schwulenbewegung heraus entstandener Dokumentarfilm u.a. von Guy Hocquenghem über die Geschichte des Entstehens eines Selbstbewusstseins Homosexueller ab 1900. Ein Film, der bei Erscheinen einen Skandal verursachte, weswegen eine Einstufung als Porno nur knapp verhindert werden konnte.
- Johan (Frankreich 1976) – Der im Sommer 1975 im Stil einer Dokumentation (Mockumentary) entstandene wenig bekannte Film zeigt einen schwulen Lebensstils voll lustvoll gelebter Sexualität, noch vor der Industrialisierung des Sex, vor geklonten Pseudo-Freiheiten. Und vor Aids.
- Ein Käfig voller Narren (Frankreich / Italien 1978) – Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück erzählt Regisseur Edouard Molinaro die Geschichte von Renato, dem Nachtclub-Besitzer, und Albin, seinem Mann und bewunderten Star des Clubs. Eine international erfolgreiche Komödie, die ohne homophobe Untertöne auskommt, sondern von Stolz und Selbstbewusstsein erzählt.
Aids Filme in Zeiten der Normalisierung
Mit der Veränderung der Aids-Krise, der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien, der zunehmend bewussten Erkenntnis das Menschen unter hochwirksamer Therapie nicht infektös sind, verändert sich langsam auch die Behandlung des Themas Aids im Film.
Es entstehen auch Filme, in denen Aids zwar vorkommt – aber ohne zu dominieren, sich in den Vordergrund zu drängen, aber auch ohne negiert oder kleingeredet zu werden. Sie sind „keine Aids Filme “ – aber auf andere Weise als die ‚Filme vor Aids‘. Sie beginnen die Aids-Krise zu überwinden.
- Der Film Oi! Warning der Brüder Reding aus dem Jahr 1999 weist keinen direkten Aids-Bezug auf. Und doch hat er einen besonderen Querverweis zu neuen Möglichkeiten von mehr Lust und weniger Angst in den Jahren nach 1996.
- Fiertés / Mut zur Liebe (Frankreich 2018) – In drei Episoden erzählt Philippe Faucon über Errungenschaften schwuler Bewegungen, von der Abschaffung des Sonderstrafrechts gegen Homosexuelle über die Einführung des PACS bis zur Etablierung der Homoehe. Aids ist (auch in Form der Infektion und des Todes einer der Haupt-Figuren) präsent, der Fokus des Films liegt aber auf Erfolgen der Schwulenbewegung, verpackt in eine Liebesgeschichte über drei Generationen.
- Christophe Honorés Film Plaire, aimer et courir vite ( international: Sorry Angel ) zeigt schwules Leben in Zeiten von Aids. Anders als in 120BPM über ACT UP Paris steht hier nicht Aktivismus im Vordergrund. Plaire, aimer et courir widmet sich vielmehr der Frage, welcher Raum, welche Möglichkeiten der Liebe in Zeiten von Aids bleiben.
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Diese Liste ist meine rein subjektive Auswahl an Filmen über Aids. Filme, die ich für aussagekräftig halte über Zeiten und Dimensionen der Aids-Krise. Die nachempfinden lassen, was die Aids-Katastrophe (nicht nur) bei schwulen Männern, in schwulen Szenen angerichtet hat. Filme die zeigen wie schwules Leben vor und mit Aids sein konnte und kann.
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