Das Siechenhaus war im Mittelalter eine ‚Absonderungs-Anstalt für Aussätzige‘. Das Wort Siechenhaus leitet sich ab von Siechtum – mittelhochdeutsch für Krankheit.
‚Befallene‘ wurden hier unter Quarantäne gestellt, von der Gemeinschaft der Gesunden ausgestoßen. Sie verloren alle Rechte, erhielten aber Schutz. Sie waren ökonomisch weitestgehend angewiesen auf Almosen, Mildtätigkeit und Gnade von Kirche und Mitmenschen. Für die ‚gesunde‘ Gesellschaft waren sie nicht mehr existent, unsichtbar.
Zugleich war das Siechenhaus eine Endstation, Sackgasse – es gab in der Regel kein zurück. Meist war ein Friedhof angeschlossen (wie z.B. in Oldenburg der Gertrudenfriedhof noch heute davon zeugt). Heilung und Rückkehr in die Gesellschaft blieben im Siechenhaus die große Ausnahme. Eine Gleichheit mit ’normalen‘ Bürgern gab es erst nach dem Tod wieder – vor dem ‚Jüngsten Gericht‘.
Die Geschichte des Siechenhauses beginnt früh. Schon im 8. Jahrhundert gab es erste Absonderungs-Häuser. Und bereits 1179 wird auf dem Dritten Lateran-Konzil unter Papst Alexander III. beschlossen:
„Die Leprakranken dürfen nicht mit den Gesunden zusammen leben.“
Drittes Laterankonzil, Lateran, März 1179
Zudem durften sie nicht die selben Kirchen besuchen und nicht auf den selben Friedhöfen bestattet werden. Diese Haltung zu infektiös Kranken blieb über Jahrhunderte erhalten.
Hildegard von Bingen (1098 – 1197) proklamiert gar die Lepra als göttliche Strafe für unnatürlich gesteigerten Sexualtrieb, warf Lepra-Kranken ‚Unzucht‘ vor. Ein Konzept das später immer wieder auftaucht, auch in Zeiten der Aids-Krise – und auch an das Konzept des ‚Bös-Kranken‘ erinnert.
Aus diesen Siechenhäusern gingen später die Leprosenhäuser hervor. Zunehmend wurde nun auch medizinisch gebildetes Personal hinzu gezogen. Damit begann eine Tendenz, die sich mit dem Rückgang der Lepra im 16. Jahrhundert verstärkte und die dazu führte dass letztlich auch Pflegeheime und Kliniken aus Siechenhäusern entstanden. Die Berliner Charité z.B. begann einst als Pest-Haus.
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Ausgrenzung, Absonderung, Schließungen blieben auch später Strategien der Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Robert Koch, Leiter des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, und später Namenspatron des Robert-Koch-Institus (oberste bundesbehörde für Infektionskrankheiten), kommentierte z.B. das späte Reagieren der Behörden in Hamburg auf die Cholera-Epidemie im heißen Sommer 1892 mit den Worten
„Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, die man mir gezeigt hat, am Hafen, an der Steinstraße, an der Spitalerstraße oder an der Niedernstraße. … Ich vergesse, daß ich mich in Europa befinde.“
Robert Koch ( in: Hamburger Freie Presse vom 26. November 1892 )
Koch forderte die Schließung von Schulen und das Untersagen von Versammlungen.