Nachts unterwegs zu sein kann einfach furchtbare Sehstörungen zur Folge haben …
(in der Raststätten Gnadenbrot)
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Endlich einmal eine klare Botschaft:
Das würde doch viele Verkehrsprobleme lösen …
“Machst du gleich die Tür auf?” Der junge Mann, sein noch Kinderjahre ahnen lassendes Gesicht hinter einer dieser gerade modernen riesigen Sonnenbrille tarnend, seiner junge Statur durch Military-Hose und weit aufpolsternde Kapuzenjacke mehr Gewicht verleihend, fragt seine Freundin, als wäre sein Ansinnen eine pure Selbstverständlichkeit. Scheint es für die junge Frau mit mit schwarz-rot gefärbten Haaren und schwarzem T-Shirt mit großem ‘Tresor Berlin’ – Aufdruck nicht zu sein. “Wieso’n das?”, fragt sie, abwesend aus dem Fenster schauend. Der Zug fährt in den Bahnhof ein. In die Ansage hinein ‘Wir erreichen gerade Minden. Bitte beachten Sie die örtlichen Lautsprecher-Durchsagen auf dem Bahnsteig für Ihre Anschlußverbindungen’ höre ich ihn leise zu ihr sagen “Na, ich fahr doch zum ersten Mal mit der Bahn heute.”
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Montag. Es soll 32° heiß werden. Spontan beschließen wir, Wittenberg, Luther und Cranach den Rücken zu kehren.
Im Hotel Fahrräder gemietet, und dann auf gen Elbwiesen. Aus dem herrlichen Elbe-Radweg
gen Coswig,
dann über die Elbe mit der Fähre Coswig (technisches Denkmal)
und weiter gen Wörlitz. Im Gartenreich Pause,
bevor es weiter geht nach Oranienbaum
und nach einer letzten Pause entlang der Elbdeiche zurück gen Wittenberg. Nach nahezu 70 km sind wir wieder im Hotel, etwas geschafft angesichts der Hitze. Und mit dem Eindruck, so machen wir wieder einmal Kurzurlaub …
Den gestrigen Sonn-Tag hab ich zu einer Tour genutzt, die schon lange in den hinteren Windungen des Gehirns wartete. Nachdem Antiteilchen mich mit seinem Bericht nochmal neugierig machte und René ebenfalls davon schwärmte, ging es auf den Mauerweg.
Nach viel Sport und vor allem Joggen in den letzten Tagen waren die Knochen morgens noch etwas müde. Also bis Lichtenrade mit dem Rad per S-Bahn
und ab dort dann auf den Mauerweg. Entlang weiter Felder, im Hintergrund immer die Großstadt,
bis bald Vorder- und Hintergrund wechseln, zu Schachtelhalm und gelangweilten Anglern (während einer ersten Rast am Teltowkanal).
Weiter geht’s, vorbei an wahren Heerscharen quakender Frösche. Ab und an wird der Wegverlauf etwas schwer identifizierbar, gelegentliches Nachfragen hilft weiter. Bevor’s in den Wald geht dann erst noch ein irgendwie bekannter Anblick:
Den Wald hinter sich gelassen, steht man irgendwann tatsächlich vor – der Mauer, auch der in den Köpfen:
Die Schönheit des Griebnitzsees wird einem leicht vergällt von zahlreichen Anwohnern, die mit allen erdenklichen Mitteln deutlich machen, dass sie sich als Besitzer des Ufers sehen und nicht daran denken, einen öffentlichen Uferweg hinzunehmen:
(und dies ist noch die höflichere Variante, man kann auch einfach Beton auf den Uferweg bauen …).
Am Abzweig nach Glienicke verlasse ich den Mauerweg, weiter entlang des Parks Babelsberg. Nach einer ausgiebigen Pause im Strandbad Babelsberg schnell zum Bahnhof Potsdam und bis Nikolassee mit der S-Bahn.
Spontan denke ich, ‘nee war doch schön, radel noch ein wenig’ … also weiter treten treten treten, von Nikolassee mit dem Rad gen Innenstadt.
… und heute? Keine Radtour, wahrscheinlich wollen die Beine auch nicht joggen …
Haste morgen schon was vor?
Nee, nix Bestimmtes.
Muss morgen nach Lüdenscheid. Will’ste mitkommen?
Oh. Äh. Was? Wo?
Na ja, warum eigentlich nicht. Liegt ja im Sauerland, wird wohl zumindest landschaftlich ganz schön sein.
Also früh morgens auf den Weg gemacht, den Mann begleitend nach Lüdenscheid. Bis Hagen mit dem IC, dort umsteigen. Die Bimmelbahn moderner Bauart schlängelt sich durch das landschaftlich reizvolle Tal der Volme, kämpft sich ab Brügge den Berg hinauf. Rechts und links der Strecke sind die traurig-trostlosen Folgen des weitgehenden Rückzugs der Bahn aus der Fläche zu bestaunen. In Lüdenscheid empfängt uns ein Bahnhof, den ich so höchstens in den Untiefen vorpommerscher Provinznester erwartet hätte.
Lüdenscheid – erste Assoziationen gehen in Richtung Loriot und seines unvergessenen ‘Müller-Lüdenscheid“, in der Wanne streitend mit Herrn Dr. Klöbner, “mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht!”.
Beide habe ich nicht getroffen, wenn auch einige Knollennasen ihnen recht nahe kamen.
Statt dessen: eine Stadt mit recht ansehnlich herausgeputzter Innenstadt, schönem Altstadt-Viertel und zahlreichen Wunden städtebaulicher Exzesse der Siebziger.
Doch Lüdenscheid hat auch Bedeutendes zu bieten. So meint die Stadt, der wohl größte Autohersteller der Welt zu sein. Alles nur eine Frage des Maßstabs. Denn täglich werden an die 45.000 Siku-Modellautos verkauft – und die kommen aus Lüdenscheid.
Und noch etwas, wo wir schon bei Modellbau sind: die Wilesco-Dampfmaschinen wecken Erinnerungen an die Kindheit (und an einen Film, den mit den drei ‘f’) – und diese Modell-Dampfmaschinen kommen ebenfalls aus … Lüdenscheid.
Einige Jahre früher (von Mitte des 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts) war Lüdenscheid aber auch Hauptstadt der Knopf-Herstellung – ebenfalls eine Errungenschaft, die man ja nun nicht missen möchte …
Und noch ein kleines Detail – exklusiv nur in Lüdenscheid wird seit seiner Stiftung 1951 das Bundesverdienstkreuz hergestellt.
Das alles erfährt man auch bei einem Besuch im erfreulich großzügigen und gut aufbereiteten Stadtmuseum.
Dort findet sich leider auch ein erstaunlicher Kontrast: einerseits in einem eigenen Raum der Versuch, Geschichte und Situation der Stadt in der NS-Zeit darzustellen und ansatzweise aufzuarbeiten.
Und andererseits, nur wenige Schritte entfernt, in einem Saal oppulenter Präsentationen städtischer Ordens-Produktionen eine umfassende Sammlung betitelt “Orden in der NS-Zeit”. Einzig teilweise kommentiert durch die Montage auf ein Foto einer kriegszerstörten Stadt.
Orden, die wohl teilweise eher für Untaten als Gute Taten ‘verliehen’ wurden, ausgestellt in einer zeitlichen Kontinuität, präsentiert mit dem Gestus ‘wir haben die Orden ja nur hergestellt – weswegen die verliehen wurden, das ging (und geht?) uns ja nichts an’.
Museale Unschuld, Naivität, die mich erschüttert.
Dabei ist das kleines Städtchen (ca. 80.000 Einwohner) mal ganz seiner Zeit kulturell voraus gewesen – Kurt Weill hatte seit Ende 1919 hier sein erstes Engagement als Kapellmeister am Stadttheater Lüdenscheid, bevor er anschließend 1921 nach Berlin zurück ging und dort später u.a. in der Zusammenarbeit mit Brecht große Erfolge feierte.
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Jean Claude Letist (1946 – 1990) war einer der bedeutendsten schwulen Aktivisten in Köln in den 1970er und 80er Jahren. Ein Platz erinnert an ihn. (english summary at bottom of page / Résumé en français à la fin de la page)
Jean Claude Letist, am 13. Februar 1946 in Brüssel geboren, zog 1968 nach Köln. Er arbeitete zunächst als Pilot, später als Übersetzer und Dolmetscher im Rundfunk.
In den 1970er und 80er Jahren hat Jean-Claude maßgeblich zum Aufbau einer Schwulen- und Lesbenbewegung (nicht nur) in Köln beigetragen, viele Organisationen und Gruppen mit aufgebaut oder geprägt.
Jean Claude Letist war u.a.
Am 28. Februar 1990 starb Jean-Claude im Alter von 44 Jahren an den Folgen von Aids. (Und, ganz Aktivist, noch nach seinem Tod führte er indirekt zu einer “Aggsion”, als die ach so liberale Dumont-Presse in Köln erst nach massiven Protesten trauernder Freunde und Weggefährten sich überwand und das Wörtchen ‘schwul’ in einer Traueranzeige akzeptierte). Am Nachmittag des 12. März 1990 fand in Köln die Trauerfeier statt.
In Erinnerung ist mir spontan immer sein bis zum Schluss grauenhaftes Deutsch – ich höre ihn immer noch sagen „dann machen wir eine Aggsion“, und muss grinsen …
Letist, der und unter Freunden und Bekannten den Spitznamen ‘Gutemine‘ hatte, bemühte sich immer politisch und privat integer zu sein. Eine Anekdote beschreibt das vielleicht ganz gut:
Irgendwann während einer Konferenz, die in Köln stattfand (und deren Mitveranstalter er, wie konnte es anders sein, war), traf ich Jean-Claude nachts am Aachener Weiher, dem stadtbekannten abend- und nächtlichen Cruising-Gebiet. Wir plauderten ein wenig über die Konferenz, während wir die vorbei promenierenden Männer beobachteten.
Plötzlich kommt ein uns beiden zunächst unbekannter junger Mann etwa unseren Alters auf ihn zu. „Jean-Claude, du hier? Das hätte ich ja nicht erwartet …“, kommt er nach kurzer Begrüßung bald schon auf den Punkt. Jean-Claude, offensichtlich zutiefst entrüstet, stemmt plötzlich die Hände in die Hüften, blickt den jungen Mann eindringlich an. Dann höre ich seine brummige Stimme knurren, in einer dem Parkgeschehen so gar nicht angemessenen Lautstärke „Ja glaubst du ich habe keinen Sex? Denkst du ich diskutiere nur? Ich will doch auch f***en! Schwulsein ist doch nicht nur politisch!“
Pikiert wendet sich der junge Mann ab, versucht schnell diese ihm unangenehm werdende Szenerie zu verlassen, aus der plötzlichen Aufmerksamkeit heraus zu kommen. Jean-Claude hingegen beginnt laut zu lachen, ein ‘diese Klemmschwestern’ rutscht ihm noch kommentierend raus.
(Und am nächsten Morgen, vor Fortsetzung der Konferenz, sehe ich ihn den jungen Mann herzlich in den Arm nehmen…)
Ein kleiner Platz nahe der Kölner Innenstadt. Ein unauffälliges Schild, das den Namen des Platzes nennt, kaum beachtet. Darunter ein kleines Schild zur Erläuterung.
In Erinnerung an Jean Claude wurde am 18. Mai 2000 von der Bezirksvertretung Innenstadt auf Antrag von Grünen, SPD und Regenbogenliste beschlossen, einen bisher namenlosen Platz in “Jean-Claude-Letist-Platz” umzubenennen.
(Und, so trübe der Platz im ausgehenden Winter 2007 aussieht, im Sommer sitzt es sich hier unter Bäumen, an vielen Tischen eines Cafés, sehr nett)
Seit 2015 verleiht die Aidshilfe Köln in unregelmäßigen Abständen den Jean-Claude-Letist-Preis.
2017 wurde die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) ausgezeichnet.
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Memo:
In den ‚Michael Weltmann papers‘ (Michael Weltmann, geb. 28.2.1949, verstarb am 27. Januar 1992 an den Folgen von Aids) befindet sich ein ‚Memorial booklet for Jean Claude Letist‘.
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Jean Claude Letist, major gay rights activist in germany and international, was born feb. 13 in Brussles, Belgium. 1968 he moved to Cologne, where he became involved in several gay rights organisations like glf (local) or BVH (federal level). Since 1986 he was the first secretary general of the former IGA International Gay Association, now ILGA. Letist died of Aids 1990. Since 2000, he is honored in Cologne with a square that bears his name.
Jean Claude Letist, grand militant des droits des homosexuels en Allemagne et internationale, est né février 13 Brussles, Belgique. 1968, il s’installe à Cologne, où il est devenu impliqué dans plusieurs organisations de défense des droits des homosexuels comme GLF (local) ou BVH (niveau fédéral). Depuis 1986, il a été le premier secrétaire général de l’ex International Gay Association IGA, maintenant ILGA. Jean Claude mort du sida 1990. Depuis 2000, il est honoré à Cologne avec une place qui porte son nom.
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Auf dem Wismarer Markt steht die Wasserkunst aus dem Ende des 16. Jahrhunderts – fast 300 Jahre Zentrum der Trinkwasserversorgung der Hansestadt.
Die zwischen 1600 und 1602 errichtete Wassserkunst war ein städtisches Verteilungs-Bauwerk für Trinkwasser. Die im Stil der holländischen Renaissance erbaute wasserkunst beruht auf Plänen von Philipp Brandin aus Utrecht.
Aus Quellen südlich der Stadt floss Wasser zur Wasserkunst, dort wurde es an mehrere hundert Häuser in der Stadt (überwiegend Brauereien, aber auch Privathäuser) verteilt. Als Wasserleitungen dienten ausgehöhlte Fichten-Stämme.
Die Bürger der Stadt konnten zudem hier direkt frisches Wasser holen. Hierzu waren im Gebäude zwei Wasserspeier angebracht, genannt ‘Nix und Nixe’.
Die Wasser-Kunst wurde 1861/62 umgebaut und vergrößert, dabei wurden Nix und Nixe nach außen versetzt an das Gebäude versetzt.
Im Jahr 1897 allerdings empfand man die beiden Figuren dann nach beinahe 300 Jahren plötzlich als zu „unschicklich“. Sie wurden demontiert, dem Stadtmuseum übergeben und erst bei der Restaurierung der Wasser-Kunst in den 1990er Jahren wieder außen angebracht.
300 Jahre haben Nix und Nixe ihren Dienst verrichtet, ein frühes Trinkwasser-System jedem Bürger zugänglich gemacht – dann machte wilhelminische Prüderie ihnen den Garaus.
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Wismar hat auch ein schönes Landesmuseum für Technik – eigentlich.
Eigentlich hatten wir uns auch auf den Weg zu selbigem gemacht, trotz schlechten Wetters und mürrischer Busfahrer (so abweisend, wie Berliner Busfahrer das nie schaffen würden…).
Stutzig hätte mich schon der Internetauftritt des Museums machen müssen – der besteht nämlich derzeit aus einem elektronischen Baustellenschild, schon seit längerem.
Nach einigem nach-dem-richtigen-Bus-Fragen, Suchen, immer wieder Fragen sahen wir es dann in der Ferne:
(die Hallen in der Bildmitte …), und dachten uns – nee, das is jetzt einfach zu weit, gehen wir lieber ins Café.
Deswegen gibt’s nur einen kurzen Bericht zu dem ‘Verpassten’.
Das Technische Landesmuseum hat eine recht bewegte Geschichte. Zu DDR-Zeiten als ‘Polytechnisches Museum’ in einigen Räumen des Schweriner Schlosses untergebracht, musste es nach der Wende 1990 dort ausziehen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern zog sich aus der Trägerschaft für das Museum zurück – clevererweise, ohne vorher eine neue Trägerstruktur zu etablieren.
Kommunen und einige Wirtschaftsbetreieb gründeten schließlich einen Verein, der nun das Museum trägt (wieder eine dieser eigenartigen Formen von Privatisierung). Inzwischen wird das Museum (bzw. der Trägervein) vom Kultusministerium finanziell unterstützt.
Räumlich zog das Museum 1997 um, in den Schweriner Marstall (mit einer provisorischen Ausstellung). Seit August 2003 gibt es eine Außenstelle in Wismar – hier soll im Laufe der Jahre das gesamte Museum neu erstehen, unter neuem, populärwissenschaftlicher orientiertem (Stichwort Erlebniswelt) und damit auch besser ‘vermarktbaren’ Konzept.
Schwerpunkt des Museumsteiles in Wismar ist insbesondere die Verkehrstechnik (in Schwerin auch die Energieerzeugung).
Gesehen haben wir es leider nicht – zu weit, ohne Auto nur mühsam zu erreichen, und (zumindest derzeit noch) auch nur mit ‘Rumpf-Ausstellung’.