Rechtzeitig bevor die Outdoor-Saison wieder beginnt, werden schon einmal die Claims abgesteckt und die Grenzmarkierungen errichtet …
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Dass man mit Bunkern auch anders umgehen kann als auf die bekannten Arten (Gras drüber wachsen lassen, Umnutzen, Bunt anmalen etc.) zeigt dieses Beispiel:
Bei diesem ehemaligen Bunker an der Wandse in Hamburg informiert eine Tafel den (oft wohl angesichts eines weiteren wild bewachsenen Hügels ahnungslosen) Spaziergänger über die traurige Geschichte dieses Ortes.
Aus für das Laufband U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße. Eines der Kuriosa des Berliner Nahverkehrs ist nicht mehr:
Zur Erinnerung: an der U-Bahn-Station Wilmersdorfer Straße (U7) gab es einen Fahrsteig (Laufband), der seit langem zu-asphaltiert war. Bereits Ende 2002 war das Laufband U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße stillgelegt und als feste Rampe umgestaltet worden.
Aus Kapitulation vor ständigen Reparaturen wahrscheinlich. So konnte man/frau jahrelang in den erstaunlichen Genuss kommen, auf einer Rolltreppe zu gehen, die sich nie bewegt.
Konnte – seit einigen Tagen (Anfang 2007) wird sie abgerissen.
Wege, die ich häufig mache, gehe ich nach einiger Zeit leider (wie sicher viele Menschen) mit einer gewissen Unachtsamkeit für die kleinen Dinge des Alltags.
So fiel mir auch erst vor einigen Tagen im Tiergarten ein Denkmal für Erich Mühsam (6. April 1878 Berlin -10. Juli 1934 KZ Oranienburg) auf. Wie oft bin ich schon daran vorbei gelaufen, habe es nicht bemerkt (es muss wohl mindestens seit der Sanierung des Gaslaternen-Museums stehen):
Zwar mag es etwas bizarr erscheinen, dass gerade die Energiewirtschaft den Schriftsteller und Anarchisten Erich Mühsam bemüht, für Werbezwecke, und dann mit einer Park-Bank.
Andererseits, Mühsam setzte sich schon 1903 auch mit der Homosexualität auseinander – da ist die Bank gerade in ‘guter Nachbarschaft’ …
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Erich Mühsam wurde 1934 im KZ Oranienburg ermordet. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Waldfriedhof Dahlem.
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„Reich & schön vs. Arm, aber sexy“, unter diesem Titel macht die Februar-Ausgabe des Hamburger Szene-Magazins „hinnerk“ groß auf.
Mit dem Ausbau der ICE-Strecke sind Hamburg und Berlin nur noch 90 Minuten voneinander entfernt. Diese neue Nachbarschaft scheinen immer mehr Schwule (von Lesben spricht der Artikel erstaunlicherweise nicht) zu nutzen, um anregende Wochenenden in Berlin zu verbringen.
Berlin gegen Hamburg, Hamburg gegen Berlin – ‘hinnerk’ malt munter ein ‘Berliner Schreckgespenst’ an die Wand, stilisiert Berlin zum ‘schwulen Verführer per se’.
Als Beispiel herhalten muss u.a. das Hamburger Ledertreffen, dem (wegen Besitzerwechsels) die Haupt-Attraktion namens Cap San Diego abhanden gekommen ist. Berlin profitiere, mit dem Folsom, das ja nur vier Wochen später stattgefunden habe.
Noch schlimmer, ‘hinnerk’ malt als ‘schlimmstes Szenario’ an die Wand „Hamburg geht zwischen den beiden Fetischtreffen (Ostern und September) unter“. Hamburg geht unter, Berlin als Sturmflut für die wackere Hansestadt. Und dann gleich ganz Hamburg, nicht etwa ‘nur’ die Hamburger Fetisch-Szene, so als sei die geballte Attraktivität von Ostertreffen und Folsom der Ruin für eine gesamten Großstadt.
Natürlich fragt der Artikel auch nach dem ‘warum’ der Hamburger Berlin-Flucht. „Hamburg kennt keine Ekstase“ wird als Begründung (wohl nicht ganz zu Unrecht) spekuliert. Der Hamburger Reichtum und seine ungerechte Verteilung kurz angerissen. Allein, wie es um die Hamburger Schwulen-Szene(n) aussieht, wird kaum hinterfragt. Hamburger Gastronomen, so der Artikel banal, gäben den blauen Seiten sowie Berlin die Schuld an der Gästeflaute am Wochenende. Statt einmal danach zu fragen, was sie (und für welches Geld) welchen Gästen an Angeboten machen.
Dabei sei Berlin doch eigentlich gar nicht so toll, wird klischeehaft Hamburger Kühle mit Berliner Pampigkeit aufgerechnet. Mitregiert von „Pleite“ und „SED-Nachfolgern“. Aber Berlin habe noch mehr zu bieten, „überzogenen Icke-Wahn“, „Ignoranz gegenüber dem Rest der Republik“ und „Selbstbezogenheit“. Berlin als „Koloss“, der „hartnäckig am Glauben an die seelige Insellage fest“ hält, diese Stadt die gewohnt sei an „reichlich Subventionen“ und „ungeahnte soziale Biotope“ züchte. Eben eine Stadt, die „keine Visionen für die Zukunft“ habe.
Ob man bzw. die Hamburger Szene(n) mit solch klischeehaften Plattitüden dem Phänomen der Attraktivität der Berliner Szenen(n) beikommen werden? Ein Teil der Analyse (‘Berlin als Homo-Metropole, von der schon lange keine Impulse mehr ausgehen’) mag nicht gerade unzutreffend sein, allein, reicht das, erklärt das alles?
Und – wie steht es mit Impulsen aus Hamburg? Auch deren Zeit scheint doch schon sehr lange vorbei zu sein. Der Autor meint, Hamburg könne sich stolz „schwulengeschichtlich … als Vorreiter der späteren ‘Homo-Ehe’ sehen“ – na klasse … Hier kommt wohl eher die Hamburger Bürgerlichkeit auch der Schwulenszene(n) treffend zum Ausdruck.
Da kann man anscheinend als Autor die Leistungsschau nur damit resümieren, Berlin sei ja auch „Hauptstadt der Spatzen“…
Einzig einmal kommt der Artikel zum Kern des Problems, wenn er Wowereits Sympathien (mit geschmacklosen Anspielungen zwischen Champagner und Natursekt) kommentiert mit „dergleichen übersteigt die hanseatische Vorstellungskraft natürlich bei weitem“. Genau.
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In Hamburg kommt die Arbeit ins Museum. In das ‘Museum der Arbeit’.
Anfang Februar. Die Schneeglöckchen blühen, viel zu früh. In meiner Kindheit, nach vielen Tagen mit Schlittenfahren und Schneemännern, waren Schneeglöckchen der erste Blumengruß der Natur, meist blühten die ersten Ende Februar (und waren der erste Blumengruß der Natur zu meinem Geburtstag). Dieses Jahr werden Ende Februar wohl schon die Krokusse blühen – oder die Osterglocken?
Der Tag, der so schön sonnig, frühlingshaft begann, kippt schon vor Mittag in trübe Regenwolken. Das richtige Wetter für einen Museumsbesuch. Also auf nach Barmbeck.
Nach beinahe vier Stunden komme ich aus dem Museum – begeistert, angenehm überrascht, was alles in diesem ungewöhnlichen Museum zu entdecken ist.
Auf mehreren Etagen im ehemaligen Barmbecker Werk der ‘New York Hamburger Gummiwaaren Compagnie AG’ sowie in mehreren Nebengebäuden wird ein breites Spektrum des Arbeitslebens gezeigt. Nur zwei Beispiele:
So zeigt eine große Abteilung zum Buchdruck nahezu alle Entwicklungsschritte von der Spindelpresse bis zur Linotype – welche handwerkliche und Kunst-Fertigkeit einst für die Herstellung von Zeitungen und Büchern erforderlich war, ist hier live zu sehen und erleben.
Informationen sind heute überall und jederzeit verfügbar, Emails rasen in Sekunden um den Erdball. Dabei ist die Zeit noch nicht lange vorbei, zu der Nachrichten noch durch Land- und Tiefsee-Kabel flossen, und nur Orte schnell erreichbar waren, die an ‘das Kabel’ angeschlossen waren. Nachrichten mussten, um Worte (und damit Geld) zu sparen, kryptisch verkürzt werden, und brauchten Ende des 19. Jahrhunderts selbst mit ‘Kabel’ noch mindestens 50 Minuten ‘um die Welt’.
Thematisiert werden aber immer wieder auch patriarchalische Strukturen und Geschlechterrollen der Arbeitswelt, Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfe, selbst das schwedische Modell des Wohlfahrtsstaats. Männer bevorzugende Arbeitsbedingungen in Kontor und Buchführung. Während das Räuchern von Fisch eine Domäne der Männer war, wurden Frauen zum Fisch-Säubern und -Verpacken eingesetzt. Eben kein ‘Museum der Arbeiter’, sondern der Versuch, auch Geschlechterperspektiven darzustellen.
In einer Sonderausstellung wird derzeit unter dem Titel ‘Gib Gummi’ über die Hamburger Kautschuk-Industrie erzählt. Erstaunlich zu erleben, was für Arbeit in Kühlwasserschläuchen und Klarinetten-Mundstücken steckt, wie aufwändig und arbeitsintensiv es ist, ein so einfaches Alltagsprodukt wie einen (Hartgummi-) Kamm herzustellen.
Bei aller Geschichte der Arbeit vermisse ich dennoch manchmal die Geschichte der Arbeiter- und Arbeiterinnen-Bewegung. Insgesamt wirkt die Ausstellung bei aller begeisternden thematischen Breite ein wenig „Stehengeblieben“ – selbst die Aspekte der Automatisierung werden nur ansatzweise (beim Buchdruck) angedeutet. Die Folgen von Globalisierung und Welthandel, von Verlagerung von Arbeit (in sog. ‘Billiglohn-Länder’) und das ganze Thema Arbeitslosigkeit vermisse ich im ‘Museum für Arbeit’ leider weitgehend.
Insgesamt aber – ein Museum, das mich stundenlang in Beschlag nimmt, auf’s Angenehmste, und einen Besuch immer wert ist. Auf nach Barmbeck, ins Museum der Arbeit!
und Danke an den lieben Lars!
„Die ganze Community is doch eh scheiße“, sagt der klonig-strunzige Mit-Dreißiger am Nachbartisch. Klagt in drei Sätzen schnell über ‘Kommerz-Kacke’, ‘nur rumf*cken sonst nix’ und ‘sind doch alles nur Ego-Shooter hier’. Dass er selbst Teil dieser Szene(n!) ist, auch dazu beitragen könnte dass schwules Leben anders, vielfältiger aussieht, scheint ihm entgangen zu sein. Vielleicht liegt’s am leckeren polnischen Bier.
Der recht korpulente junge Mann hingegen, der mir auf dem Klo begegnet, scheint sehr zufrieden. Schwarzes T-Shirt, kurze Haare mit angedeutetem Iro, Lederhose. Seine Begleiter im gleichen Look, etwas sm-iger gekleidet. Da wo er herkomme könne er nicht so rumlaufen, sich öffentlich so frei geben. Berlin sei schon eine tolle Stadt.
Am Tisch rechts unterhalten sich, sichtlich gelockert nach einigen Bierchen, drei Männer und eine Frau, alle Ende 30 Anfang 40. Juxen rum, lachen laut, nehmen sich in den Arm. Schwul? Lesbisch? Hetero? Nicht ersichtlich. Nicht wichtig.
Etwas zu schnelle Musik. Etwas zu laute Gäste. Insgesamt nette Stimmung dennoch. Benze rasen bei dunkelrot über die Kreuzung. Vorgezogene Kreuzungsknaller.
Freitag Abend war ich für zweieinhalb Stunden nicht auf diesem Planeten. Sondern im Imperium Messiaen-Symeonidis.
Mit Nick abends ins Eisler, zum Klavierabend. Angekündigt ist Messiaen, von dem ich bisher zwei Stücke im Eisler hörte, mochte.
Nur wenige Gäste, obwohl wir (erst mussten wir noch in den Wellenflug auf dem Weihnachtsmarkt) reichlich spät ankommen. Gut dreißig Zuhörer, von denen einige in der Pause gehen.
Ein Komponist, ein Werk. Prodromos Symeonidis spielt auf dem Klavier Olivier Messiaens ‘Vingt regards sur l’Enfant Jesus ‘ (zwanzig Betrachtungen über das Jesus-Kind).
Zunächst bemerke ich bei Nick einige Irritationen, er hatte vermutlich ‘klassischere’ Klaviermusik erwartet. Dann scheint es auch bei ihm zu klicken.
Sitzen nebeneinander.
Augen geschlossen.
Irgendwann ist Pause, gottseidank nur kurz. Weiter.
Mir ist bald, als spiele Symeonidis in meinem Kopf, überall in meinem Kopf. Nein, wenn ich genauer beobachte, da gibt es keinen Kopf, keinen trennenden Schädel drum herum mehr. Meine Wahrnehmung ist überall im Raum, Wahrnehmung und Musik füllen alles aus.
Wie aus einem anderen Universum kehre ich langsam zurück, irgendwann abends kurz vor halb zehn, als der Beifall beginnt.
Manchmal ist Bescherung schon vor dem 24.12. – früher, und völlig unverhofft …
Weitere Informationen über Olivier Messiaen auch auf http://www.oliviermessiaen.org
Informationen zu Prodromos Symeonidis auf http://symeonidis.de/ , u.a. mit MP3-Hörproben, auch von einer Messiaen-Aufnahme.
Nachtrag 17.12. mittags angesichts der Frage eines Lesers, was denn nun der Titel bedeuten solle:
“Je dors, mais mon coeur veille” (Ich schlafe, aber mein Herz wacht) ist für mich die schönste, poetischste der zwanzig Betrachtungen.
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