Mein erster Urlaub mit meinem Mann Frank (und einem befreundeten Paar) führte uns – nach Frankreich, mit dem Auto quer durch den Südosten und Süden bis kurz vor Perpignan.
Und in den Folgejahren seitdem verbrachten wir fast jedes Jahr (mindestens) einen Urlaub in Frankreich, waren viel in der Bretagne, später in Aquitanien, und natürlich in Paris.
2013 hat Homophobie in Frankreich stark zugenommen. Auf einen deutlichen Anstieg homophober Attacken und Gewalttätigkeiten weist der Jahrsbericht der Organisation SOS Homophobie hin. Inzwischen käme es jeden zweiten Tag zu einer homophoben Gewalttat.
Im Jahr der Einführung der Homoehe in Frankreich ist es zu einem bisher nie dagewesenen Anstieg von Gewalt gegen Schwule, Lesben und Trans* gekommen, so SOS Homophobie. Die Organisation spricht von einer wahren ‚Explosion‘ der dokumentierten Berichte über schwulen-, lesben- und trans-feindliche Angriffe in Frankreich.
Am 23. April 2013, heute vor einem Jahr, beschloß die Nationalversammlung endgültig die Einführung der Homoehe in Frankreich. Die Mehrheit der Franzosen sagt nach einem Jahr: eine gute Reform. Ein Jahr Homoehe in Frankreich – eine Zwischen-Bilanz.
Am 29. Mai 2013 heirateten Vincent Autin und Bruno Boileau in Montpellier – die erste Homoehe in Frankreich, nachdem das Gesetz erst kurz zuvor in Kraft getreten war. Ein junger Mann störte ihre Vermählungs-Zeremonie vor dem Rathaus mit homophoben Parolen, Feuerwerkskörpern und Rauchbomben, und protestierte gegen die Homoehe. Am 22. April 2014 wurde er zu einer Haftstrafe von zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.
Die Homoehe wurde in Frankreich möglich durch das ‚Gesetz vom 17. Mai 2013‘. Durch dieses Gesetz wurde die Ehe in Frankreich auch für Personen gleichen Geschlechts geöffnet (‚mariage pour tous‘, Ehe für alle). Nach der entscheidenden Abstimmung in der französischen Nationalversammlung am 23. April 2013 wurde die erste Homoehe am 29. Mai 2013 in Montpellier geschlossen – die von Vincent Autin und Bruno Boileau, bei der der Angeklagte mit homophoben Aktionen störte.
Zwei Jahre Haft für homophobe Attacke auf eine Schwulen-Bar in Bordeaux, so lautete am 18. April 2014 das Urteil gegen einen arbeitslosen 21-Jährigen. 14 Monate der Haftstrafe wurden zur Bewährung ausgesetzt.
In der Nacht vom 17. auf den 18. April 2013 wurden der Manager sowie ein Kunde einer Schwulenbar im Zentrum von Bordeaux von zwei vermummten Männern angegriffen. Sie zerschlugen Flaschen und Gläser, einer der beiden führte eine Handfeuerwaffe mit sich, die er zum Zuschlagen verwendete.
Wie steht es um Homophobie und Homophobie-Prävention in Frankreich ? Der Rechtswissenschaftler Daniel Borillo stellte am 17. April 2014 in einer Präsentation vor der Nationalen Beratungskommission für Menschenrechte den Sachstand vor.
Nun befasste sich erstmals im Rahmen einer Präsentation des Rechtswissenschaftlers und Publizisten Daniel Borillo auch der Nationale Menschenrechts-Beirat mit Fragen der Homophobie-Prävention in Frankreich. Borillo, aus Argentinien stammend, lehrt an der Universität Paris-Nanterre Jura, er war zudem viele Jahre juristischer Berater der französischen Aidshilfe-Organisation Aides. Borillo ist Mitglied der European Commission on Sexual Orientation Law ECSOL und engagiert sich seit vielen Jahren in der Bekämpfung von Homophobie (siehe u.a. unten verlinktes Interview).
Marisol Touraine bleibt Gesundheitsministerin in Frankreich in der Regierung von Premierminister Manuel Valls. Sie ist wie bisher schon Ministerin für soziale Angelegenheiten. Dies gab Pierre-René Lemas, Leiter des Elysée Palasts, am 2. April 2014 bekannt.
Staatspräsident Hollande hatte nach dem deutlichen Verlusten der Sozialisten bei den Kommunalwahlen vom März 2014 Premierminister Ayrault entlassen. In Folge war das gesamte Kabinett zurückgetreten.
Nach Artikel 8 der Verfassung Frankreichs (pdf) ernennt der Präsident die Minister auf Vorschlag des Premierministers. Der Elysée Palast ist die ‚Behörde‘ des französischen Staatspräsidenten.
HIV in Frankreich 2003 – 2012 : 6.200 HIV-Infektionen werden in Frankreich jedes Jahr neu diagnostiziert. Dies teilte das für Epidemiologie in Frankreich zuständige ‚Institut de veille sanitaire‘ (INVS) kurz vor der jährlichen Benefiz-Aktion ‚Sidaction‘ mit und veröffentlichte zugleich einen 10-Jahres-Vergleich HIV in Frankreich 2003 – 2012 .
Zwei Monate Haft wegen Morddrohungen gegen Bertrand Delanoë, den offen schwulen Bürgermeister von Paris – so lautete am Freitag 28. März 2014 das Urteil gegen einen bekannten und bereits mehrfach vorbestraften Rechtsextremen.
Der Täter, Hervé Lalin (nennt sich Hervé Ryssen), ein bekannter rechtsextremer Aktivist und ehemaliger Geschichtslehrer, war früher Mitglied der rechtsextremen Partei Front National. Er wurde vom Gericht wegen Morddrohungen gegen Bertrand Delanoë auf Basis der sexuellen Orientierung verurteilt, zusätzlich zur Haftstrafe auch zu einem symbolischen Schadenersatz von einem Euro an Bürgermeister Bertrand Delanoe, und er hat 1.000 Euro Gerichtskosten zahlen.
Lalin hatte auf seinem Blog (das zwischenzeitlich geschlossen wurde) im Oktober 2011 geäußert, er sei überzeugt dass die Polizei ihn bald verhaften werde. Die Super-Cops seien bestimmt von seinem Projekt informiert, Delanoë zu „pulverisieren“ (wörtlich: ‚pulvériser‘). Gegenüber der Polizei äußerte er weitere homophobe Beleidigungen, wegen der er am 2. Oktober 2012 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurtelt wurde.
“ Ein Käfig voller Narren “ lockte ab 1978 mehrere Millionen Zuschauer in Europa und den USA in die Kinos. Aber – darf man als Schwuler lachen darüber, wie Schwule in diesem Film dargestellt werden? Ist ‚ Ein Käfig voller Narren ‚ gar homophob? Ein Wiedersehen nach vielen Jahren:
Ein Käfig voller Narren
Die Handlung von ‚Ein Käfig voller Narren‘ ist schnell erzählt.
Seit Jahren leben und arbeiten Renato Baldi und Albin Mougeotte zusammen. Renato ist Besitzer des Nachtclubs „la cage aux folles“ in Saint Tropez, während Albin sich allabendlich zu ‚Zaza Napoli‘ verwandelt, dem bewunderten Star dieses Nachtclubs („du weißt, dass ich ohne meinen Fächer nicht singen kann„).
Laurent, Renatos inzwischen 20jähriger Sohn (dargestellt von Rémi Laurent (1957-1989)) will heiraten. Seine Auserwählte ist ausgerechnet Andréa Charrier, eine Tochter ‚aus gutem Haus‘. Wie ihren Eltern erklären, wass ein Vater macht? Laurents Eltern seien „gewissermaßen künstlerisch tätig“, Kultur-Attache an der italienischen Botschaft sei der Vater, windet Andréa sich aus dem Eltern-Problem – und die Komödie nimmt Fahrt auf.
Denn Simon, Andreas Vater, hat sich hochgearbeitet vom Sohn eines Gendarmen zum Abgeordneten und Generalsekretär einer konservativen, an Werten und Traditionen orientierten „Partei für Ordnung und Moral“. Er plant eine – für seine parteipolitischen Zwecke instrumentalisierte – Hochzeit in großem Stil. Mit Tochter und Ehefrau fährt er nach Saint Tropez, um die Eltern des womöglich zukünftigen Schwiegersohns kennen zu lernen.
Was Laurent vor ein Dilemma zu stellen scheint. Wie kann er seinen Vater und dessen Lebensverhältnisse zumindest für diesen einen Besuch an die konservativen Lebenswelten der zukünftigen Schwiegereltern anpassen? Wohnung und Lebensstil der beiden sollen ‚ent-schwult‘ werden, ist seine Lösung. Doch nach einigen Versuchen entgegnet Renato – damit wohl die zentrale Botschaft des Films formulierend – entrüstet:
„Ja, ich schminke mich, ich lebe zusammen mit einem Mann und ich bin eine Tunte – aber ich habe keine Probleme. Ich habe fast 20 Jahre dafür gebraucht, und lass mir das nicht kaputt machen von deinem Abgeordneten. Er kann mich mal kreuzweise …“
Doch trotz allen Selbstbewußtseins bleibt die Frage, wie umgehen mit dem anstehenden Besuch der Eltern der zukünftigen Schwiegertochter? Und wohin mit Zaza? Ein drohendes Fiasko zeichnet sich ab …
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Stolz und Vorurteil
Der Film steckt vollerDialoge mit Anspielungen und Doppeldeutigkeiten, sowie inzwischen legendär gewordenen Details und Geschichtchen. Wie der legendären „Arsch-Vase“, in der die Schlüssel verwahrt werden. Oder, ebenso legendär, ‚Jacob‘, der knackig-tuckige farbige Haus-Boy, der die beiden mit „Herr“ und „Gebieterin“ anredet – und auf Versuche von Beleidigungen smart reagiert:
„Man hat mich schon Neger und Tunte genannt, aber als Franzose hat mich noch keiner beschimpft!„
Oder dem Changieren zwischen Selbstbewusstsein, Akzeptanz einerseits und Pseudo-Liberalität und offener Homophobie andererseits. Alban kann vollkommen tuckig durch die Stadt stolzieren, beim Einkauf zum Beispiel, und wird mit liebevollem Lächeln von allen akzeptiert – wird aber kurze Zeit später in der Bar als ‚Schwuler‘ beschimpft, der sich wehrende Renato muss Schläge einstecken.
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Ein Käfig voller Narren – und das Vorbild
Die Geschichte des Films hat reale Vorbilder: Jean Poiret, der Autor des dem Film zugrunde liegenden Bühnenstücks, und auch an Anpassungen und Dialogen für den Film beteiligt, soll sich auch von Leben und Kabarett des offen schwulen französischen Kabarett-Direktors Michou (Michel Georges Alfred Catty, geb. 18. Juni 1931 in Amiens, gest. 26. Januar 2020 in Saint-Mandé) inspiriert haben lassen. Dieser betrieb seit 1945 in Paris das erste Travestie-Theater Europas, das ‚Cabaret Michou‚. Auch 2019 leitet er noch selbst das Kabarett auf Pigalle – inzwischen das älteste noch existierende in Paris. Michou starb 2020. Am 1. Juli 2024 kündigte das ‚Chez Michoui‘ seine Schließung an.
Michou devant la troupe d’échassiers-autruches de la compagnie du Toucan à la Promenade de la Vache enragée le 25 juin 2011 à Montmartre. – Basili – GFDL
Die Geschichte von La cage aux folles
Jean Poiret und Michel Serrault kommen 1958 auf die Idee, einige der schwulen Geschäftsleute, die in ihrer Nachbarschaft leben, auf die Schippe zu nehmen – der Sketch Les Antiquaires entsteht.
15 Jahre später kreiert Jean Poiret auf Basis dieses Sketches die beiden Figuren Zaza Napoli und Georges (der später im Film zu Renato wird). Das Theaterstück La cage aux folles entsteht – und wird ab 1. Februar 1973 mit sehr großem Erfolg am Théâtre du Palais Royal gegeben. In den Hauptrollen: Jean Poiret und Michel Serrault. Nahezu 1.800 mal wird das Stück hier in den nächsten fünf Jahren aufgeführt und von über einer Million Zuschauern gesehen. In Deutschland wird das Stück 1983 im Theater am Kurfürstendamm uraufgeführt.
Auf diesem Theaterstück wiederum basiert der gleichnamige Film, ebenfalls ein großer Erfolg. Zwei Fortsetzungen entstehen, sowie ein Hollywood-Remake und 1983 ein Broadway-Musical (mit 1.761 Aufführungen ab 21. August 1983). Michel Serrault wird für seine Darstellung von Zaza 1979 mit dem César als bester Darsteller ausgezeichnet.
Die in Deutschland in die Kinos gebrachte Version von Ein Käfig voller Narren war ursprünglich um einige Minuten gekürzt. Die gekürzten Passagen wurden 20 Jahre später für Veröffentlichungen auf DVD und später BluRay neu synchronisiert nachträglich wieder eingefügt.
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Ein Käfig voller Narren – Lacher auf unsere Kosten?
Das ‚Lexikon des internationalen Films‘ spricht von einer „platten Transvestitenkomödie“ in der die „Lacher fast ausschließlich auf Kosten der vorgeführten Klischee-Außenseiter“ gehen. Und auch von Schwulen-Organisationen wurde dem Film häufiger wegen klischeehaften Karikierens Homosexueller und dem Reduzieren auf effeminierte Darstellung kritisiert.
Lacher auf unsere Kosten? Genau diesen Eindruck habe ich bei diesem Film jedoch nicht. Wohl aber beim Hollywood-Remake aus dem Jahr 1996, „da hab ich mich vorgeführt gefühlt„, merkt Frank an.
Ja, der Film steckt voller (nicht nur ‚Tunten‘-) Klischees – aber sind die (außer dass sie bunter, dichter dargestellt werden) so weit weg von manchem selbstinszenierten schwulen Leben? „Ein Käfig voller Narren“ ist eigentlich keine Burlesque, und nicht homophob. Sondern der Film ist (immer noch) eine herzerwärmende Kömodie über ein schwules Paar, das selbst einen Sohn groß gezogen hat – in Zeiten, als es Gedanken an schwule Familien, an trans* und queer-Identitäten noch kaum gab.
„La cage aux folles, c’est vous qui la construisez, docteur Amoroso, et notre névrose, c’est celle de vos discours qui désespèrent les homosexuels de ce pays.„ (Den Käfig vollerNarren, den haben Sie gebaut, Dr. Amoroso, und unsere Neurose ist diejenige ihrer Diskurse, die die Homosexuellen dieses Landes verzweifeln lässt [Übers. UW]) Jean-Louis Bory, französischer Filmkritiker und Autor, am 18. April 1977
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Ein Käfig voller Narren (La cage aux folles) Frankreich / Italien 1978 Regie Edouard Molinaro mit (u.a.) Michel Serrault (1928 – 2007; Zaza Albin), Ugo Tognazzi (1922 – 1990; Renato), Remi Laurent (1957 – 1989; Laurent; s.o.) auf Basis eines Theaterstücks von Jean Poiret (Uraufführung Paris 1. Februar 1973) Erstaufführung Frankreich 25. Oktober 1978 Erstaufführung Deutschland 12. Januar 1979
Ein Käfig voller Narren – Auszeichnungen und Nominierungen César 1979 – Bester Darsteller Michel Serrault David di Donatello Award 1979 – Bester Darsteller Ausland Michel Serrault New York Film Critics Circle Award 1979 – nominiert Bester Film Ausland National Board of Review 1979 – Bester fremdsprachiger Film Oscar 1980 – Nominierungen Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Kostüme Golden Globe 1980 – Bester ausländischer Film San Kordi Awards 1980 – nominiert Bester Darsteller Film Ausland Michel Serrault
Jean-Le-Bitoux-Platz – einer der bedeutendsten Aktivisten der französischen Schwulenbewegung der 1970er und 1980er Jahre wird in Montreuil nahe Paris (Département Seine-Saint-Denis in der Region Île-de-France) geehrt. 2014 wurde ein Platz nach dem 2010 verstorbenen Aktivisten für die Rechte von Schwulen und Lesben Jean Le Bitoux benannt.
Am Samstag 15. März 2014 wurde um 11:00 der Jean-Le-Bitoux-Platz (square Jean Le Bitoux) in Montreuil eingeweiht (Ecke rue Paul Bert). Bürgermeisterin Dominique Voynet hielt eine Rede. Anwesend waren u.a. auch Christophe Girard, der Bürgermeister der vierten Arrondissement von Paris, Pierre Serne, Leiter EELV Liste Vincennes (EELV = französische ‚Grüne‘), Jean-Luc Romero, Regionalrat für Ile-de-France, der Journalist und Schriftsteller Pierre Guénin, der Regisseur Alain Burosse, die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz sowie SOS Homophobie.
Yves Navarre et Jean Le Bitoux à la manifestation pour les droits gays et lesbiens, Paris 4 avril 1981. – Claude TRUONG-NGOC (User:Ctruongngoc) – CC BY-SA 3.0
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