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Frankreich

Kiefernwälder der Landes – größter Wald Europas

Die Kiefernwälder der Landes – in den ‚Landes de Gascogne‚ (kurz Landes) befindet sich ein Wald aus Seekiefern. Er ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Westeuropas – und wird immer wieder von Waldbränden heimgesucht.

Kiefernwälder der Landes de Gascogne
Carte des Landes de Gascogne – Cabaussel, 2006 – Larrousiney – Lizenz CC BY-SA 2.5

die Kiefernwälder der Landes – eine vom Menschen geschaffene Landschaft

Doch anders als von Touristen oftmals angenommen ist dieser riesige Wald nicht natürlich entstanden, vielmehr wurde er von Menschen angelegt.

Früher war die Gegend hier eine riesige Sumpf– Landschaft, geprägt von Mücken, Malaria und großer Armut der wenigen Bewohner. Ab dem 18. Jahrhundert wurden in großem Umfang Kiefern gepflanzt (große Aufforstungs-Aktionen unter Napoleon III.) – um die Sümpfe trockenzulegen, aber auch die Kiefern wirtschaftlich zu nutzen.

Es entstanden riesige Landstriche von Kiefernwäldern … meist in Monokultur, und lange Zeit starr in Reih und Glied gepflanzt (da so leichter maschinell zu ‚ernten‘).

Terpentin und Waldbrand

Die Kiefern sind allerdings auch längst ein Hintergrund der Waldbrände.

Gepflanzt wurde überwiegend Seekiefer (pin maritime, pinus pinaster). Und diese wurde nicht nur wegen des Holzes, sondern vor allem auch zur Harz-Gewinnung genutzt.

Jede Seekiefer produziert ungefähr 2,5 Liter Harz pro Jahr. Jeder Liter Kiefern Harz enthält etwa 20% Terpentin

Früher wurde das Harz wegen seines hohen Terpentin-Gehalts von Resinier ‚geerntet‘ zur Terpentingewinnung (Gemmeurs, Harzzapfer). Das – neben Terpentin und anderen Harzen – aus dem ‚résine du pin‚ gewonnene ‚poix de Bordeaux‚ wurde u.a. zum Kalfatern von Schiffen verwendet

Die Harz-Gewinnung aus Kiefern, einst wichtigster Wirtschaftszweig der Region, wurde längst durch Kunstharzproduktion ersetzt

Ein Umbau des Monokultur- Waldes stößt angesichts des Sandbodens schnell an Grenzen.

Zuständig für den Schutz der Wälder ist die DCFI Aquitaine. In Velaux nahe Marseille befindet sich (beim service départemental d’incendie et de secours) seit 2007 eine Waldbrand-Simulationsanlage (die einzige in Europa), an der Feuerwehrleute die Bekämpfung von Waldbränden üben können.

Das Global Fire Monitoring Center (GFMC) bietet eine globale Übersicht über Waldbrände (globalfire) sowie ein Frühwarnsystem.

Waldbrände 2022 – Rekord an vernichteter Waldfläche

Insgesamt wurden allein in der Gironde bei dem Waldbränden im Juli 2022 über 21.000 Hektar Wald vernichtet, in ganz Frankreich annähernd 40.000 Hektar.

Bei beidem handelt es sich um Rekordwerte.

Waldbrände 2002, in den 1980ern und das Jahrhundertfeuer 1949

Bereits 2003 hatten Feuer große Waldflächen zerstört. Und nach den Waldbrände der 1980er Jahre wurden Schneisen vergrößert, um die Gefahr der Ausbreitung von Bränden zu reduzieren.

Beim ‚Jahrhundertbrand‚ in der Gironde im Jahr 1949 nach einer außergewöhnlichen Trockenheit wüteten ab dem 19. August 1949 südlich von Bordeaux eine Woche lang Großfeuer. 82 Menschen kamen dabei ums Leben. 52.000 Hektar wurden verwüstet, davon 25.000 Hektar Wald.

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Frankreich Politisches

Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Frankreich

Die Familie Le Pen dominierte jahrzehntelang das Bild des Rechtsextremismus in Frankreich. Vor der Präsidentschaftswahl im April 2022 kam mit Eric Zemmour ein ’neuer‘ Akteure hinzu. Nehmen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Frankreich zahlenmäßig zu?

die drei Quellen des Rechtsextremismus in Frankreich

Rechtsextremismus und Rechtspopulismus haben in Frankreich ein anderes ‚Gesicht‘, andere ‚Wurzeln‘ als in z.B. Deutschland.
Drei Bereiche lassen sich ausmachen, aus denen er sich in Frankreich speist:

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COVID19 Frankreich

Impfpass pass vaccinal in Frankreich ab 2022

Von Januar bis Juli 2022 war der bisherige Test- und Impfnachweis in Frankreich (pass sanitaire) in einen reinem Impfpass pass vaccinal umgewandelt. Die Neuregelung trat nach Zustimmung des Verfassungsrats ab 24. Januar 2022 in Kraft. Sie lief per 1. Augusrt 2022 aus.

Das ab 1. Juli 2021 in der EU eingeführte digitale COVID-19 Impfzertifikat wurde in Frankreich ab 9. Juli 2021 als pass sanitaire (elektronische Version des Gesundheitsnachweises) umgesetzt. Der Nachweis kann erfolgen mit der App TousAntiCovid (ähnlich wie mit der Corona Warn App CWA in Deutschland).

Der pass vaccinal ersetzte ab 2022 den bisherigen pass sanitaire. Er dient ab 24. Januar 2022 als Mittel bei der Umsetzung der 2G Regelung (geimpft oder genesen). Getestet reicht nicht mehr.

pass vaccinal in Frankreich obligatorisch ab 24. Januar 2022
in Frankreich obligatorisch ab 24. Januar 2022: der pass vaccinal

Der pass vaccinal war Zugangsvoraussetzung zum Beispiel in Bars, Restaurants, Kinos, Museen, Theatern und bei Sport-Veranstaltungen sowie im Fernverkehr. Hier war der pass vaccinal Pflicht für alle Prsonen ab 16 Jahre (da noch nicht alle unter 16 Jahren geimpft werden konnten).

Seit 15. Januar kann der Impfpass pass vaccinal in Frankreich auch automatisch deaktiviert werden (und seine Gültigkeit damit verlieren). Diese Deaktivierung erfolgt bei Personen, die nicht spätestens sieben Monate nach der letzten Impfung eine Auffrisch-Impfung (Booster) erhalten haben.

Ab 15. Februar 2022 ist die Gültigkeit des Genesenen-Status (‚Covid Recap‘, certificat de rétablissement) auf 4 Monate begrenzt.

EU- Bürger können ihre digitalen Impfzertifikate direkt in die französische Corona App Tous Anti COVID importieren.

Das Gesetz über den pass vaccinal wurde am Sonntag 16. Januar 2022 endgültig vom Parlament verabschiedet. 60 Abgeordnete überwiegend der Fraktion La France insoumise riefen ebenso wie etwa 60 Senatoren den Verfassungsrat an. Dieser bestätigte am Freitag 21. Januar den Hauptteil des Textes (einschließlich möglicher Identitäts-Kontrollen) als verfassungsgemäß. Ab Montag 24. Januar 2022 wird das Gesetz mit Inkrafttreten somit Anwendung finden. Für politische Veranstaltungen wurde die Erfordernis eines pass vaccinal aufgehoben (um den anstehenden Präsidentschafts- Wahlkampf nicht zu beeinflussen).

Mit den Lockerungen der Corona- Maßnahmen ab 14. März 2022 ist der pass vaccinal nicht mehr im öffentlichen Leben erforderlich.
Allerdings bleibt der pass sanitaire (der auch mit einem negativen Testergebnis genutzt werden kann) weiterhin vorgeschrieben in Gesundheits-, Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen mit Menschen mit Behinderungen.

Mit 1. August 2022 liefen die Regelungen aus – der pass vaccinal ist nicht mehr erforderlich (auch wenn die Regierung sich die Option einer Wiedereinführung offen hält).

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HIV/Aids Paris

Platz der Kämpfer*innen gegen Aids in Paris 2021

Paris bekommt einen Platz der Platz der Kämpfer*innen gegen Aids. Dies beschloss der Rat der Stadt Paris am Mittwoch 17. November 2021 einstimmig. Die Einweihung durch Bürgermeisterin Anne Hidalgo erfolgt am 1. Dezember 2021, dem Welt-Aids-Tag.

Platz der Platz der Kämpfer*innen gegen Aids Paris
place des combattantes et combattants du sida

Mit der Benennung des Platzes soll der Verstorbenen und Kranken, sowie dem Engagement des Pflegepersonals und der Aids- Aktivisten Tribut gezollt werden.

Paris sei gemeinsam mit London die in Europa von der Aids-Epidemie am stärksten betroffene Stadt, so die Bürgermeisterin von Paris. Etwa 10.000 Menschen seien in Paris allein in den Jahren zwischen 1989 und 1996 an den Folgen von Aids gestorben. In einigen Szenen sei eine ganze Generation ‚verschwunden‘.

HIV stigmatisiert auch heute noch „mehr denn je Drogenkonsumenten, Schwule, Migranten oder Sexarbeiter„, betonte Jean-Luc Romero-Michel, Antidiskriminierungsbeauftragter der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, der sich selbst seit Jahren in der Aids-Bekämpfung engagiert.

Der Platz der Kämpfer*innen gegen Aids – place des combattantes et combattants du sida – befindet sich im Marais, dem Schwulenviertel von Paris, nahe der Metro-Station St. Paul (bisher unbenannte Fläche zwischen rue de Rivoli und rue Saint-Antoine).

Dieser Ort wird es ermöglichen, im Herz von Paris die Geschichte der Aids-Epidemie im Bewusstsein zu halten, sich auch an die aktuellen Ereignisse zu erinnern und natürlich allen Menschen zu gedenken, die gegen diese Epidemie gekämpft haben, die Millionen Menschen getötet hat: denken wir an diejenigen, die das HI-Virus entdeckt haben, diejenigen, die nach einem Heilmittel suchten, diejenigen, die sich in der Aids-Bekämpfung engagierten, diejenigen, die von der Krankheit betroffen waren.

Ariel Weil, Bürgermeister Paris Centre

Anläßlich der Einweihung des Platzes am 1. Dezember 2021 wurde die Gedenktafel mit einem Red Ribbon dekoriert. Mit Aids Quilts wird gedacht an an den Fiolgen von Aids Verstorbene.

Die Namenswahl dieses Ortes ist eine Hommage an eine ganze von der Krankheit betroffene Generation, aber auch an ihre Angehörigen, an das Pflegepersonal, an die Forscher, an die Begleitpersonen und an die Aktivisten, die sich im Kampf gegen die HIV/AIDS.

Bürgermeisterin von Paris anläßlich der Einweihung des Platzes am 1. Dezember 2021

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Die Benennung des Platzes wurde vielerseits begrüßt. Allerdings wurden auch Stimmen laut die darauf hinwiesen, diese Ehrerbietung sei notwendig und richtig, dürfe aber konkretes Handeln nicht ersetzen.

Die heutigen Lebensbedingungen von Menschen mit HIV, Serophobie, prekäre Lebenssituationen, Sexismus, Rassismus, Transphobie – die Benennnung und Gedenktafel dürfe nicht zur Ausrede werden sich damit weiterhin auseinanderzusetzen. Eine Plakette reiche nicht im Kampf gegen Aids, die Epidemie sei nicht vorbei.

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‚place des combattants‘ (rein männliche Form, ohne ‚du sida‘) ist in Frankreich eine häufige Bezeichnung von Plätzen, mit denen an Kämpfer in den beiden Weltkriegen oder der Kriege in Afrika gedacht werden soll.

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Frankreich Politisches

Résistance Gedenkort – mur des fusillés in Dijon Montmuzard

Gedenkort Montmuzard bei Dijon: Zwischen 1940 und 1944, der Zeit der Besetzung Frankreichs durch NS-Truppen, wurden in Dijon Montmuzard 126 Menschen als Geiseln oder nach Verurteilungen ermrodet oder starben unter Folter.

Frankreich war in den Jahren von 1940 bis 1944 von NS-Truppen besetzt, von 1940 bis 1942 war Frankreich durch eine Demarkationslinie geteilt. Im ganzen Land wurden Widerstandskämpfer verfolgt und ermrodet. In Dijon (Cote d’Or) starben während der Besatzungszeit 126 Widerstandskämpfer unter Folter oder nach Verurteilung durch ein deutsces Militärgericht oder als Geisel. Die Hinrichtungen fanden ab dem 31. August 1940 auf einem Schießstand in Monmuzard in Saint Apollinaire (Großgemeinde Dijon) statt. Daran erinnert der Gedenkort Montmuzard:

Gedenkort Mur des fusilés Montmuzard
Gedenkort Montmuzard – Mur des fusilés Montmuzard

ICI 126 PATRIOTES ONT ÉTÉ FUSILLÉS
1940 1944
RESPECTEZ CE LIEU.

(Hier wurden zwischen 1940 und 1945 126 Patrioten erschossen. Verhalten Sie sich bitte repektvoll. [Übers. UW])

Die Mehrzahl der Ermordeten stammte aus der Region Burgund. Neun stammten aus den Niederlanden, sechs aus Nordafrika und einer aus Indochina.

An einer Ewigen Flamme erläutert eine Gedenktafel:

À LA MÉMOIRE
DES HÉROS DE LA RÉSISTANCE
FUSILLÉS DEPORTÉS
SOLDATS SANS UNIFORME
QUI PAR IDÉAL
SE SONT ENGAGÉS VOLONTAIREMENT
DANS LA LUTTE CLANDESTINE
SE SONT SACRIFIÉS
POUR LA LIBÉRATION DE LEUR PAYS
ET LA LIBERTÉ DU MONDE

Montmuzard Gedenkort - Ewige Flamme
Montmuzard Gedenkort – Ewige Flamme

Mémorial du Mur des fusillés
Rue Jean Moulin
rond-point du 8 Mai 1945

Memorial Jean Moulin

Am Eingang zum Gedenkort Mur des fusilés Montmuzard erinneert eine Gedenkplakette an den Widerstandskämpfer Jean Moulin (1899 – 1943), höchsten Repräsentanten der Résistance in Frankreich.

Gedenkort Mur des fusilés Montmuzard – Gedenktafel Jean Moulin

LA VILLE DE DIJON
À LA MÉMOIRE DE JEAN MOULIN
PRÉSIDENT DU CONSEIL NATIONAL DE LA RÉSISTANCE
NÉ EN 1899
ARRÊTÉ TORTURÉ MORT POUR LA FRANCE EN 1943
AUJOURD’HUI JEUNESSE PUISSES-TU PENSER À CET HOMME COMME
TU AURAIS APPROCHE TES MAINS DE SA PAUVRE FACE INFORME
DU DERNIER JOUR DE SES LEVRES QUI N’AVAIENT PAS PARLÉ
CE JOUR LÀ ELLE ÉTAIT LE VISAGE DE LA FRANCE.
ANDRE MALRAUX
19 DECEMBRE 1964 AU PANTHÉON

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COVID19 Frankreich

Tous Anti Covid – Coronavirus Tracing App in Frankreich

Sieit 22. Oktober 2020 steht mit Tous Anti Covid eine neue Coronavirus Tracing App in Frankreich zum Download zur Verfügung. Nach dem Scheitern der ersten App StopCOVID ist dies der zweite Anlauf. Im Frühjahr 2021 nutzen etwa 13 Mio. Franzosen die App.

Tous Anti Covid - Coronavirus Tracing App in Frankreich
Tous Anti Covid – Coronavirus Tracing App in Frankreich (gouvernement.fr)

TousAnti Covid – zweite Coronavirus Tracing App in Frankreich

Seit 22. Oktober 2020 macht Frankreich mit der Corona Tracing App Tous Anti Covid (Alle gegen Covid) einen Neustart beim Coronavirus Tracing per App.

Am 12. Oktober 2020 kündigte Premierminister Jean Castex an, ab 22. Oktober werde die neue Version der Tracing App zur Verfügung stehen. Diese werde dann auch den Namen wechseln und zukünftig Tous Anti COVID heißen. Ein Unterschied soll Medienberichten inhaltlich sein, dass nun Kontakte ab 5 (statt zuvor 15 Minuten) als Schwelle für eine Meldung gelten. Zudem soll die Regierung zukünftig über die App lokale Warnmeldungen verbreiten können.

Anfang 2021 wurde die Möglichkeit ergänzt, mithilfe eines QR-Codes in Oret wie Restaurants oder Bars einzuchecken (ab 9. Juni 2021 wieder zulässig). Seit Start können zudem Ausgangsbescheinigungen in der App hinterlegt werden.

Wie die erste App StopCOVID verfolgt auch die neue App Tous Anti COVID (anders als die Mehrzahl der Coronavirus Tracing Apps in Europa) den zentralen Ansatz – sie ist damit weiterhin nicht kompatibel mit der europäischen Datenaustausch-Platform für Coronavirus Tracing Apps. Gründe der ’nationalen Souveränität‘ seien entscheidend für das Festhalten am zentralen Ansatz, so die Regierung.

Im Gegensatz zur alten App soll Tous Anti Covid nur im Bedarfsfall (z.B. Restaunrantbesuch) eingeschaltet werden. Die frühere App StopCOVID,
die ständig aktiv sein musste, war auch wegen ihres hohen Akku- Verbrauchs unbeliebt.

EU- Interoperabilität von Corona Tracing Apps - auch mit TousAntiCovid weiterhin ohne Frankreich (Grafik: EU-Kommission)
EU- Interoperabilität von Corona Tracing Apps – auch mit TousAntiCovid weiterhin ohne Frankreich (Grafik: EU-Kommission)

Tous Anti Covid sei eine ‚angereichtere und interaktive‘ Weiterentwicklung der ersten App StopCOVID, kündigte der Gesundheitsminister an. [Angesichts weitgehend gleichgebliebener Kernfunktionalität scheint es sich mehr um ein Re-Design und Re-Branding der alten App zu handeln] Die Oberfläche sei optisch und ergonomisch optimiert worden. Ergänzt wurde eine Informationsbereich zur Covid-19 – Situation in Frankreich (teils in Echtzeit). Zudem ebsteht nun mit „DépistageCovid“ direkter Zugang zur Liste der Corina test Zentren in Frankreich. Unter „MesConseilsCovid“ können personalisierte Ratschläge eingeholt werden. Der Besuch in einem Restaurnat kann per App ‚gebucht‘ werden.

Die Einführung soll von einer Marketing- Kampagne auf sozialen Netzwerken begleitet werden. An die Anwender der bisherigen App wird die neue Version per Update verteilt.

Am 26. Oktober sollen bereits 4 Millionen Downloads erreicht worden sein – allerdings seit 2. Juni 2020, also inklusive der (ca. 2,6 Mio.) Downloads der Vorgänger- App StopCOVID (s.u.). Am 29. Oktober berichteten Medien über 4,6 Mio. Downloads, am 30. Oktober von 6 Mio.. Mitte November berichteten Medien von gut 9 Mio. Downloads der App, Anfang Dezember von 10 Mio. Allerdings wurde die App auch mehrere hunterttausend mal wieder deinstalliert.

Die französische Regierung strebt an, bis Mitte Dezember 15 Millionen User der App zu erreichen.

Ersten Anwender- Berichten aus Deutschland zufolge muss scheinbar für die Nutzung von Tous Anti Covid die deutsche Corona Warn App deaktiviert werden, eine parallele Nutzung beider Apps sei nicht möglich. Gerade für Pendler im Grenzbereich keine optimale Lösung …

Pass sanitaire

Am 1. Juli 2021 trat die Verordnung über das digitale COVID-Zertifikat der EU in Kraft. Dieses Zertfikat (QR-Code) dient als Nachweis, dass mensch geimpft, genesen oder negativ auf Corona getestet wurde.

Das COVID-Zertifikat wurde in Frankreich ab 9. Juni 2021 als Pass sanitaire umgesetzt. Der Nachweis kann erfolgen mit der App TousAntiCovid.
EU-Bürger können ihren QR-Code (Impf- oder Test-Zertifikat des Heimatlandes) in die französische App hochladen – es werden aber auch andere digitale Nachweise wie Corona Warn App CWA oder CovPass akzeptiert.

Seit 21. Juli 2021 ist er u.a. in Kultureinrichtungen verpflichtend vorgeschrieben, seit 9. August 2021 auch in Bars, Restaurants, Cafés etc. Auf Beschluss der Assemblée nationale vom 20. Oktober 2021 ist der Pass sanitaire bis 31. Juli 2022 Pflicht.

Ab 15. Januar kann der pass sanitaire auch automatisch deaktiviert werden (und seine Gültigkeit damit verlieren). Diese Deaktivierung erfolgt bei Personen, die nicht spätestens sieben Monate nach der letzten impfung eine Auffrisch-Impfung (Booster) erhalten haben.

Ab 1. Januar 2022 soll der Pass Sanitaire zum reinen Impf-Nachweis weiterentwickelt werden als pass vaccinal – er wird dann keine Test-Nachweise merh enthalten.

Flop Stop Covid – gescheiterte erste Corona Tarcing App in Frankreich

Vom 2. Juni bis 21. Oktober 2020 wurde in Frankreich die Coronavirus Tracing App Stop Covid angeboten – sie scheiterte. Eine Chronologie:

Premierminister Edouard Philippe bezeichnete in seinem Ausstiegsplan am 28. April eine tracing App als wesentlichen Bestandteil. Das französische Parlament stimmte dem Einsatz der App am 27. Mai 2020 zu, am Folgetag auch der Senat. Unter Frankreichs Parlamentariern war der Einsatz einer Tracing App zuvor umstritten. Die Debatte über eine solche App war zuvor wegen Kritik an Grundrechte-Verletzungen vertagt worden.

Unter dem Namen StopCovid (‚tracage‘ oder ’suivi de contact‘) wurde in Frankreich eine Bluetooth-basierte Tracing App entwickelt, die auf den zentralen Ansatz setzte. Entwickler waren die Unternehmen Withings, Orange (Telekommunikation) und Dassault unter Beteiligung des Institut national de recherche en informatique et en automatique (Inria, Projekt-Seite) mit ihrem Protokoll für einen zentralen Ansatz, Robert (vgl. PEPP-PT oder DP-3T).

Cédric O, Staatssekretär für Digitales, bestätigte, dass StopCovid die einzige App sein werde, die vollkommen in das Gesundheitssystem Frankreichs integriert werde. Frankreich werde am zentralen Ansatz festhalten. Dies sei eine Frage nationaler Souvernität.

Die App StopCovid war aufgrund des zentralen Ansatzes nicht komplett kompatibel mit der Bluetooth-Lösung von Apple und Google (Apple gibt permanente Bluetooth Nutzung im Hintergrund nicht frei; die App muss ständig im Vordergrund laufen). IPhones haben in Frankreich einen Marktanteil von geschätzt 20%

Am 11. Mai zeichneten sich zunächst Schritte des Inria ab, doch noch eine Lösung anzustreben, die mit anderen europäischen Apps kompatibel sein könnte. Mitte Mai zeichnet sich zunehmend Kritik am Festhalten am zentralen Ansatz ab, mehrere Medien spekulieren ein ‚Einstampfen‘ der App stehe kurz bevor. Dennoch wurde am zentralen Ansatz festgehalten.

Aufgrund des zentralen Ansatzes konnte die französische Corona App nicht in die geplante EU- Austauschplatform für Corona Apps einbezogen werden (mit deren Entwicklung SAP und Telekom beauftragt wurden).

Einer Stellungnahme der nationalen Datenschutzbehörde CNIL vom 26. April 2020 zufolge soll die App mit Datenschutz-Regeln / DSGVO übereinstimmen (pdf). Voraussetzungen seien Freiwilligkeit und Anonymität. Am 26. Mai genehmigte CNIL den Einsatz der App.

Ein erster Teil des Quellcodes der App wurden am 12. Mai veröffentlicht werden. Die App StopCovid sollte ursprünglich am 11. Mai einsatzbereit sein. Der Start erfolgte dann mit einer ersten einsatzfähigen App am 2. Juni.

Seit Dienstag 2. Juni stand die App zum Download zur Verfügung. Nach einem Tag hätten bereits 600.000 Menschen das Programm heruntergeladen, zeigte sich Digital- Staatssekretär Fréderic O erfreut. Am 6. Juni sei sie bereits eine Million Mal aktiviert worden. Am 20. Juni hatten 1,7 Millionnen Personen die App geladen. Ende Juli waren knapp 2,5 Millionen Downloads erreicht, vor der Einstellung im Oktober 2,6 Mio.

„Ja, ich fordere die Franzosen dazu auf, sie zu nutzen, aber ich will ehrlich sein – ich selbst nutze sie nicht.“

Jean Castex, Premierminister Frankreichs

Anfang Oktober 2020 sprachen französische Medien von 2,2 Mio. aktiven Nutzern der App (etwa 3% der Bevölkerung). 6.512 QR-Codes (die einen Nutzer als Corona-positiv melden) seien eingescannt worden. 800 Personen hätten Benachrichtigungen über die App erhalten.

Inzwischen hat die Organisation AntiCor Anzeige erstattet, weil sie Betrugsvorwürfe bei der App-Entwicklung und -Pflege befürchtet. So sollen monatliche Kosten für die Pflege der App in Höhe von 100.000 € entstanden sein.

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Frankreich

Sklavenhandel in Bordeaux

Die südwestfranzösische Metropole Bordeaux verdankte ihren wirtschaftlichen Aufstieg einst auch dem Sklavenhandel. Heute setzt sie sich offen damit auseinander.

Von Reedern und Händlern aus Bordeaux wurden zwischen 1672 und 1837 (bisher bekannt) 508 Expeditionen des Sklavenhandels organisiert, davon 480 aus dem Hafen von Bordeaux. Gängigste Form war der Dreieckshandel – Produkte aus Europa wurden an die Küsten Afrikas gebracht. Dort wurden sie gegen Sklaven getauscht, die in die Kolonien in Amerika verschifft wurden. Aus diesen wurden ‚Kolonialwaren‚ wie Zucker, Tabak oder Baumwolle zurück nach Europa gebracht (darunter auch Zucker von Bordeaux nach Hamburg, das so auch indirekt am Versklavungshandel beteiligt war).

Bordeaux hatte mit annähernd 150.000 Sklaven einen Anteil von 11,4 Prozent am gesamten französischen Sklavenhandel. Damit liegt Bordeaux nach Nantes (41,3%) an zweiter Stelle. Wichtigestes Ziel war Saint-Domingue. 186 Reeder und Handelshäuser waren in dieser Zeit in Bordeaux am Sklavenhandel beteiligt. Einer der bekanntesten von ihnen war Pierre Balguerrie-Stuttenberg, auf den die pont de pierre in Bordeaux zurückgeht.

Entwicklung der zahl der jährlichen Expeditionen des Sklavenhandels von Bordeaux aus – Évolution annuelle du nombre d’expéditions bordelaises de traite armées par des maisons bordelaises (source : Saugera, 2002) – JohnNewton8 — Travail personnel – Lizenz CC BY-SA 4.0

Mit dem 1685 unter Ludwig XIV erlassenen Dekret Code Noir (zurückgehend auf Colbert) wurde die Beziehungen zwischen Sklavenhaltern und Sklaven in Frankreich regelt (gültig bis 1848).

code noir Sklavenrecht Frankreich
Coce noir – Von Royaume de France, Libraires Associez – Source http://www.clubsoleil.net/publication/code_noir.php, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=620245

Zugleich war Bordeaux auch Wohnort – im 18. Jahrhundert lebten mindewstens 4.000 Schwarze in Bordeaux, die meisten von ihnen als Sklaven oder Domestiken.

In den Jahren nach 1780 verstärkte sich der Sklavenhandel ab Bordeaux eher – Ursache waren wegbrechende Profite aus dem Kolonialhandel nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Im Gegensatz zu anderen Städten in Europa stellt sich Bordeaux seiner Vergangenheit als Metropole des Sklavenhandels seit über 20 Jahren, u.a. in Ausstellungen (Thematisierung im Musée d’Aquitaine in drei Sälen, eröffnet 10. Mai 2009) oder öffentlichen Hinweisschildern und Denkmälern. Seit Jahren gibt es eine ständige Kommission der Stadt Bordeaux zur Verbesserung des Gedenkens an den Sklavenhandel.

Denkmal für Al Pouessi, bekannt unter dem Namen Modeste Testas

Die Afrikanerin Al Pouessi (um 1765 – 1870, getauft auf den Namen Barthe Adélaide Modeste Testas) wurde nach ihrer Versklavung in West-Afrika von Sklavenhändlern aus Bordeaux gekauft und auf eine Plantage nach Saint-Domingue verbracht. Nach dem Tod ihres Besitzers wurde sie freigelassen. Sie starb 1870 im angeblichen Alter von 105 Jahren auf Land auf Haiti das ihr ehemaliger Besitzer ihr vermacht hatte. Zu ihren Nachkommen zählt u.a. François Denys Légitime, Präsident von Haiti von 1888 bis 1889.

Im Mai 2018 entscheid die Stadt Bordeaux Modeste Testas mit einem Denkmal gegen die Sklaverei zu ehren. Die Statue wurde von dem Künstler Woodly Caymitte Filipo aus Haiti realisiert und am 10. Mai 2019 eingeweiht.

Denkmal für Marthe Testas, vor der Bourse maritime Bordeaux

Vor der Statue informiert eine Tafel über das Leben von Testas:

Gedenktafel für Marthe Modeste Testas vor dem Denkmal (siehe Foto oben)

Denkmale gegen den Sklavenhandel in Bordeaux

Auf der Rue Fondaudège wurde bereits 2003 eine Gedenk-Plakette für Isaac Louverture eingeweiht (der hier lebte). Er war der Sohn von Toussaint-Louverture, schwarzer Politiker (Anführer der Revolution von Haiti 1791 – 1802; Aufstand der schwarzen bevölkerung Haitis gegen die französische Herrschaft; Haiti = bedeutendster Ort der Zucker-Herstellung) und General, wichtige Person der antikolonialen Bewegung und des Kampfes für die Abschaffung der Sklaverei.

2005 wurde auf der place Toussaint Louverture eine Büste des Politikers enthüllt, gestiftet von der Republik Haiti anlässlich den 200. Jahrestags der Gründung 2004.

Seit 10. Mai 2006 informiert eine Gedenktafel, dass die Quais von Bordeaux Ausgangspunkt des Sklavenhandels waren.

Gedenktafel Sklavenhandel, Bordeaux Garonne

Text der Gedenktafel:

„A la fin du XVIIème siècle, de ce lieu est parti le premier navire armé dans le port de Bordeaux pour la traite des Noirs.
Plusieurs centaines d’expéditions s’en suivirent jusqu’au XIX siècle.
La Ville de Bordeaux honore la mémoire des esclaves africains déportés aux Ameriques au mépri de toute humanité.“
(Tafel eingeweiht 10. Mai 2006)

Am 2. Dezember 2019 (Internationaler Tag der Abschaffung der Sklaverei) wurde eine Skulptur von Sandrine Plante-Rougeol enthüllt, die an die Sklavenhandels-Geschichte von Bordeaux erinnert. Sechs erläuternde Plaketten wurden an diesem Tag ebenfalls enthüllt und im Juni 2020 vor Ort gesetzt.

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Abschaffung der Sklaverei in Frankreich

  • Ende August 1789 – Sklaven-Aufstand auf Martinique
  • 22. / 23. August 17912 – Sklavenaufstand auf Saint-Domingue (damalige französische Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Haiti)
  • 29. August / 4. September 1793 – die französischen Kommissare Sonthonas und Polverel schaffen die Sklaverei auf Saint-Domingue ab
  • 4. Februar 1794 – der Nationalkonvent beschließt die Abschaffung der Sklaverei in Frankreich und in den französischen Kolonien
  • 20. Mai 1802 Napoleon führt die Sklaverei ausdrücklich wieder ein
  • 29. März 1815 Napoleon schaftt den Sklavenhandel ab (100 Tage)
  • 1827 zweites Gesetz zur Abschaffung der Sklavenhandels in Frankreich
  • 22. Februar 1831 Abschaffung des Sklavenhandels unter Louis Philippe
  • 27. April 1848 endgültige Abschaffung des Sklaverei in Frankreich (Initiative Victor Schoelcher)

Für die Abschaffung der Sklaverei ließ sich Franreich zwanzig Jahre später ‚entschädigen‘. Mit Androhung von Krieg wurde das unabhängige Haiti gezwungen, 150 Millionen Franc Reparationszahlungen zu leisten, an ‚enteignete‘ Sklavenhalter. Die hierfür von Haiti aufgenommenen Schulden schwächten die haitianische Wirtschaft bis weit ins 20. Jahrhundert.

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Neben Bordeaux thematisieren auch andere Städte Frankreichs inzwischen ihre Beteiligung am Sklavenhandel. So behandelt das musée d’histoire von Nantes in mehreren Sälen den Sklavenhandel. Nantes war vor Bodeaux der französische Hafen mit dem größten Anteil am Sklavenhandel. Noch 1985 hatte das Bürgermeisteramt eine Ausstellung zu dem Thema verweigert – aus Angst vor Schaden für die Reputation der Stadt.

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Frankreich

AKW Fessenheim (1978 – 2020)

Das Atomkraftwerk AKW Fessenheim mit seinen zwei Druckwasser-Reaktoren befindet sich auf der französischen Seite des Rheins, nur 20 km von Freiburg entfernt. Der Ort befindet sich im seismisch aktiven Oberrhein-Graben. Das EdF Kernkraftwerk Fessenheim produzierte noch 2019 annähernd 90% des Stromverbrauchs des Elsaß. Dieses Atomkraftwerk steht wie kein zweites AKW dafür wie sehr Frankreich bei seiner Energieversorgung auf Atomkraft setzt.

AKW Fessenheim
AKW Fessenheim, Haut-Rhin, Alsace, France (Foto:Florival fr – Lizenz CC BY-SA 3.0

Das AKW Fessenheim ist das älteste noch in Betrieb befindliche AKW Frankreichs. Die Inbetriebnahme war am 1. Januar 1978 (Druckwasserreaktor I, 900 MW) bzw. 1. April 1978 (Reaktor II). Baubeginn war bereits am 1. September 1971 (Reaktor I) bzw. am 1. Februar 1972 (Reaktor II).

Abschaltung des AKW Fessenheim – 2016? 2019? endlich: 2020

Noch im Juli 2011 (nur vier Monate nach der Atomkatastrophe von Fukushima, hatte die zuständige Atom-Aufsichtsbehörde ASN noch die Genehmigung erteilt, Reaktor Fessenheim I für weitere zehn Jahre zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt war das Kraftwerk bereits 34 Jahre in Betrieb. Die Laufzeit-Genehmigung von Reaktor II wurde im April 2013 um ebenfalls zehn Jahre bis 2023 verlängert.

Kurz darauf, am 20. Juli 2013 erklärte der französische Umweltminister Philippe Martin in einem Interview, er werde Fessenheim bis Ende 2016 schließen: „Je fermerai Fessenheim d’ici au 31 décembre 2016.“ Bereist 2012 hatte der damalige französische Staatsprsäident Francois Holande erstmals eine ‚Energiewende‘ und die Schließung von Atomkraftwerken angekündigt.

Ende Juli 2018 wurde bekannt, dass der französische Energieproduzent EDF plant, dieses AKW doch noch ‚bis zum letzten Quartal 2019‘ zu nutzen.

Und im Oktober 2018 ließ EDF wissen, man bereite sich auf das Abschalten ‚bis 2022‘ vor. Der erste Reaktor solle bis September 2020, der zweite bis August 2022 herunter gefahren werden. Als Grund für die weitere Verschiebung wird insbesondere die Verzögerung der Fertigstellung des EPR Flamanville genannt.

Diese Planungen standen zwischenzeitlich wieder infrage, nachdem der conseil d’état (Staatsrat) am 25. Oktober 2018 auf Antrag der Gemeinde sowie von Gewerkschaften den Erlass vom April 2017 zur Schließung für ungültig erklärte.

Am 27. November 2018 allerdings erklärte Präsident Macron bei der Vorstellung des Zehn-Jahres-Plans zur Energiewende, das AKW Fessenheim werde im Sommer 2020 endgültig stillgelegt.

Insgesamt sollen, so Macron, bis 2035 14 der derzeit 58 Reaktoren in Frankreich geschlossen werden. Der Anteil der Atomkraft solle von 75% auf 50% sinken.

Am 2. Februar 2019 teilte Innenminister de Rugy mit, Reaktor I solle im März 2019, Reaktor II im August 2020 vom Netz gehen.

Bruno Poirson, Staatssekretär für ökologischen Wandel, bestätigte am 20. Juni 2019 erneut, Fessenheim werde mit beiden Reaktoren defintiv 2020 geschlossen, auch unabhängig von weiteren Verzögerungen am EPR Flamanville.

Ende September 2019 wurde bekannt, dass Fessenheim 1 am 22. Februar 2020 abgeschaltet wird. Fessenheim 2 wird am 30. Juni 2020 endgültig abgeschaltet. Stromkonzern EdF erhält eine ‚Entschädigung‘ in Höhe von 400 Millionen Euro vom Staat.
Die Abschaltung von Reaktor I begann am 21. Februar 2020 um ca. 20:30 Uhr und war um 2:00 Uhr am 22. Februar beendet. Am 29. Juni 2020 um 23:00 Uhr wurde auch der verbliebene Reaktor 2 endgültig vom Netz genommen. Anfang September 2022 kamen die letzten Brennelemente aus Fessenheim in der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague an.

Die Abschaltung von Fessenheim I war ein historischer Schritt, wie Energieministerin Elisabeth Borne betonte. Erstmals überhaupt ist in Frabnkrich ein Reaktor endgültig vom Netz genommen worden.

Der Abriss von Fessenheim allerdings werde nicht vor dem Jahr 2025 beginnen. Die Brennelemente allerdings sollen bis 2023 entfernt werden.

Erste Pläne für den Abriss hatte EDF bereits im September 2019 vorgestellt. Sie werden derzeit von der Autorité de sûreté nucléaire (ASN) geprüft. Detaillierte Planungen werden bis Ende 2020 erstellt.

Stromkonzern EdF schlägt vor, am Standort des bisherigen Kraftwerks ein Technocentre zu errichten. Komponenten aus anderen Atomkraftwerken Frankreichs könnten dann hier gereinigt und recycelt werden. Bis 2035 werden weitere 12 Atomkraftwerke abgeschaltet. Wird Fessenheim statt Atomkraftwerk-Standort dann zur Atommüll- und Reaktorschrott-Deponie? Zu einer nuklearen Recyclinganlage?

2023 sieht Fessenheim sich zudem als potenziellen Standort für ein neues Mini-AKW.

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Frankreich Kulturelles

Jules Dalou le paysan (1897 / 1902)

Der französische Bildhauer Aimé-Jules Dalou wurde am 31. Dezember 1838 in Paris geboren. Er starb am 15. April 1902 in Paris. Beigesetzt wurde Dalou auf dem Cimetière de Montmartre.

Als eines seiner Meisterwerke gilt le paysan / le grand paysan (Der große Bauer; 1897 / 1902). Dieses Meisterwerk des Naturalismus wird im Grand Palais (Musée d’Orsay) in Paris gezeigt.

le paysan (Vorläufer für le grand paysan; Jules Dalou), Bourges, jardin des Prés-Fichaux

In Bourges im vom Landschaftsgärtner Paul Marguerita realisierten Jardins des Prés Ficheaux wird ein steinernes Modell gezeigt.

Wasserbecken im Jardins des Prés Fichaux in Bourges

Jules Dalou (1838 – 1902)

Dalou studierte an der Pariser Kunsthochschule. 1861 stellte er erstmals selbst öffentlich aus. 1871 wurde Jules Dalou, damals Kurator am Musée du Louvre unter Gustave Courbet, beschuldigt an den Aufständen der Pariser Kommune teilgenommen zu haben. Er floh im Juli 1871 nach England, wo er große Bekanntheit erreichte.

Wegen seiner Beteiligung an den Kommune-Aufständen wurde er iun Abwesenheit zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Erst nach einer Amnestie-Erklärung konnte er 1879 nach Frankreich zurückkehren.

Die letzten 12 Jahre seines Lebens widmete Dalou einem Ziel: ein Monument zu schaffen zu Ehren des Arbeitenden, ein Arbeiterdenkmal. Er arbeitete daran ab 1889. Eine Realisierung erlebte er nicht mehr zu Lebzeiten – das Denkmal wurde nie aufgestellt.

1897 entstand ein erstes Gips-Model Le Grand Paysan, zuerst ausgestellt 1902. Im Jahr seines Todes (1902) ist nur diese Figur des Bauern vollendet.

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Frankreich HIV/Aids

Cleews Velay (1964 – 1994)

Der französische Aids-Aktivist und Präsident von ACT UP Paris Cleews Velay prägte intensiv die Aids-Bekämpfung in Frankreich in den frühen 1990er Jahren.

Cleews Velay, famous second president of ACT UP Paris in the 90s, in 2019 will be honoured by the city of Paris with a memorial plaque as well as naming a street in Paris.

Promenade Cleews Vellay Paris – Cahtls – Lizenz CC BY-SA 4.0

Cleews Velay (auch ‚Reine des Quetsches‘ genannt, s.u.) wurde am 3. Februar 1964 in Gonesse (Val d’Oise) geboren. Seine Mutter verließ die Familie als er 6 Jahre alt war. Sein homophober Vater warf ihn aus dem Haus, als er von Cleews Homosexualität erfährt. 1986 (bei seinem ersten HIV-test) erfuhr Cleews von seiner HIV-Infektion.

Seit der Gründung im Juli 1989 war Cleews Velay bei ACT UP Paris aktiv. Von September 1992 bis September 1994 (kurz vor seinem Tod) war er als Nachfolger des Gründers Didier Lestrade Präsident von ACT UP Paris (Generalsekretär war zu der Zeit Nicolas Roland).

Cleews starb am 18. Oktober 1994 in Paris an den Folgen von Aids. Im Krankenhaus war er u.a. von Chansonstar Barbara besucht worden, die sich bereits seit 1988 sehr im Kampf gegen Aids engagierte.

Politisch war Cleews bis über den Tod hinaus. Auf seine Anweisung hin war seine Beisetzung am 26. Oktober 1994 ein ‚politischer Akt‘. Cleews Sarg wurde in einer Art ‚politischer Prozession‘ vom Schwulen- und Lesbenzentrum zum Friedhof Pere Lachaise getragen. Über 500 Personen nahmen teil. Auf Pere Lachaise fand die Einäscherung statt.
Einige Tage später wurde seine Asche öffentlich verstreut – unter anderem im Rahmen einer Aktion bei einer Versammlung von Versicherungsvertretern (die Versicherung UAP schloss damals HIV-Positive von der Deckung aus), sowie bei einem Treffen mit Vertretern des Pharmakonzerns Glaxo (bei dem es darum ging, wie schnell das damals neue Medikament 3TC verfügbar wird).

2019 – Paris gedenkt Clews Velay

Die Stadt Paris ehrt 2019 Cleews Velay auf besondere Weise. An den ACT UP Aktivisten wird mit einer Gedenkplakette erinnert, zudem wird eine Promenade nach ihm benannt. Beides wird am 30. November 2019 eingeweiht.

Einladung zur Einweihung der Gedenk-Plakette für Cleews Velay am 30. November 2019
Stadt Paris – Einladung zur Einweihung der Gedenk-Plakette für Cleews Velay am 30. November 2019

An der Fassade des Hauses Nr. 44 in der rue René Boulanger wird eine Gedenkplakette angebracht. Sei soll den Text „En mémoire de Cleews Vellay (1964-1994) mort du sida PrésidentE d’Act Up-Paris dont le local se trouvait dans cet immeuble“ (In Gedenken an Cleews Velay (1996 – 1994), der hier wohnte, gestorben an den Folgen von Aids, Präsident von ACT UP Paris) tragen. Die Promenade zwischen dieser Straße und dem Boulevard Saint-Martin soll nach Velay benannt werden.

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„Au fait, docteur, si demain vous me proposez des quetsches pour durer encore un peu, je les prendrai, jusqu’au dégoût, parce qu’il faut bien l’avouer ici : j’ai envie de vivre, et pas seulement pour faire chier le monde.“
(Herr Doktor, und wenn Sie mir morgen Zwetschgen verschreiben würden damit ich ein wenig länger lebe, ich würde sie bis zum Erbrechen nehmen. Denn es geht darum: ich habe Lust zu leben, und das nicht nur um die Welt wütend zu machen. [Übers. UW])

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In dem Film 120 BPM hat Regisseur Robin Campillo Cleews portraitiert in Form der Film-Figur des Sean [siehe auch ACT UP und Gewaltfreiheit].

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Cleews hat mich damals zutiefst beeindruckt. Er war politisch aus tiefster Überzeugung, auf eine radikale Weise offen mit seiner HIV-Infektion und Aids-Erkrankung. Er stand für einen Mut, wie ihn nur wenige hatten. Und Cleews stand beispielhaft dafür, über die Schranken der eigenen Betroffenheit als schwuler Mann weit hinaus zu blicken – ihm war es immer ein wichtiges Anliegen, auch Frauen, Drogengebraucher, Menschen mit Migrationshintergrund mit einzubeziehen.