Die Zweite Bundespositivenversammlung (BPV) oder „Bundesversammlung der Menschen mit HIV und AIDS“, so der ‚offizielle‘ Titel, fand unter dem Motto „Rhein positiv“ vom 19. bis 22. Dezember 1991 in Bonn statt.
Kategorie: HIV/Aids
Hier findest du alle 2mecs Artikel zum Thema HIV Infektion, Aids und Leben mit Aids, positiv leben, Aidshilfe, Aids-Aktivismus, ACT UP, Therapieaktivismus, GIPA, Selbsthilfe, Interessenvertretung
„Bereits in der letzten Ausgabe von magnus wurde über die Aktionen deutscher ACT – UP-Gruppen auf dem 3. Deutschen Aids-Kongress berichtet. Während dieses Kongresses gab es auch die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Vertretern von einigen dieser Gruppen. Klaus Lucas sprach mit Uli von ACT UP-Wärmer Leben, Köln; Olaf von ACT UP München und Klaus von ACT UP Hamburg.
magnus: Inzwischen gibt es auch in einigen deutschen Städten ACT IP-Gruppen. Hier auf dem 3. Deutschen Aids-Kongreß präsentiert ihr euch nicht nur mit einem Infostand, sondern auch mit gemeinsamen Aktionen Könnt Ihr vielleicht zunächst sagen, aus welchen Gruppen ihr kommt und welche Aktionen ihr bislang durchgeführt habt?
Uli: ACT UP Köln gibt es seit März 1990, entstanden aus der ‚Schwulen Zukunftswerkstatt‘. Die Gründung unserer Gruppe wurde durch den Tod von Jean-Claude Letist ausgelöst. …
Klaus: Wir haben uns auch Anfang 1990 gegründet. Anstoß waren damals die Filme von Rosa von Praunheim. …
Olaf: Die Münchner Act Up Gruppe hat sich ebenfalls nach den Rosa-von-Praunheim-Filmen gegründet, …
Uli: Was mir für Köln noch wichtig ist vor dem Hintergrund der Gruppen, ist die Tatsache, dass in Hamburg und München die Praunheim-Filme Anlaß waren, ACT UP zu gründen. In Köln war unser erstes Auftreten die öffentliche Auseinandersetzung mit den Positionen, die Rosa da vertritt. Mit dem, was da zum Teil mißverständlich ‚rüberkam und in Richtung Moralin ging. Die Kölner Vorführungen wurden von uns genutzt, um klar zu machen, dass wir diese Positionen nicht mittragen.
[Auszüge aus einem Interview in magnus 3. Jg. Nr. 2 Februar 1991]
.
Später wurde gelegentlich formuliert, Rosa von Praunheim habe eine wichtige Rolle bei ACT UP in Deutschland gespielt. Tatsächlich? In meiner Erinnerung – wenn überhaupt – dann vielleicht ‚ex negativo‘. Für einige Gruppen war seine ‚Aids-Trilogie‘ (bzw. die Kritik daran) einer der Impulse, die Gruppe in’s Leben zu rufen, für andere schon bestehende (wie Köln) Anlass für Protest gegen seine als moralinsauer empfundene Haltung. Das war’s.
‚Die Uneinsichtigen – Aids- Aktivismus in Frankfurt‘ – Dokumnetation (D 2024) von Lou Deinhart, Evi Rohde und Zoe Struif.
Die Filmemacherinnen zeigen – besonders über Interviews mit Zeitzeugen sowie historische Aunahmen – die Zusammenarbeit von Schwulen, Drogengebraucher:innen, Sexworker:innen, migantisierten Menschen. Sie thematisieren Grenzen und Erfolge der Zusammenarbeit.
1988 besuchte ich während einer USA- Reise auch den Keith Haring Pop Shop in Manhatten.
Der Pop Shop befand sich in der 292 Lafayette Street in Soho (Manhatten). Die Innenwände waren großformatig mit Werken von Keith Haring bemalt.
Verkauft wurden hier ziemlich viele von Keith Haring gestaltete Produkte – sowie einige Artikel anderer Künstler:innen, daruner Jean Michel Basquiat.
Vom 24. bis 26. Mai 1991 fand in Hamburg ein bundesweites Treffen von ACT UP Gruppen statt. Vertreten waren u.a ACT UP Gruppen aus Hamburg, München, Berlin, Frankfurt, Köln, Nürnberg und Amsterdam.
Eines der Themen waren die angekündigten Mittelkürzungen im Aids-Bereich. Die ACT UP Gruppen beschlossen, diese Kürzungen genauer zu analysieren und konkrete Forderungen zu formulieren. Diese wurden einige Monate später auf der zweiten Bundespositivenversammlung in Bonn vorgestellt.
Intensiv vorbereitet wurde auch die ACT UP Aktion zum Umgang der Kirche mit dem Thema Aids, die anlässlich der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda geplant war.
„Das Thema, das am anregendsten diskutiert wurde, war das Verhältnis von ACT UP zu Frauen und Aids. Eingebracht wurde das Thema von ACT UP Amsterdam, wo schon mehrere Aktionen dazu liefen und wo sogar ein Film darüber produziert wurde.“
Corinna Gekeler: Autonomie und Vielfalt – ACT UP – Treffen in Hamburg, in: magnus 7/91
…
Der Gropius Bau in Berlin zeigt vom 22. September 2023 bis 14. Januar 2024 die Ausstellung ‚General Idea‘, die bisher größte Retrospektive der Künstlergruppe.
General Idea, das waren Felix Partz (1945–1994), Jorge Zontal (1944–1994) und AA Bronson (geb. 1946). Die 1969 in Toronto / Kanada gegründete Gruppe siedelte 1986 nach New York über. Sie bestand bis zum Tod von Partz und Zontal im Jahr 1994.
Daniel Defert (1937 – 2023)
Der französische Soziologe und Aids- Aktivist Daniel Defert starb am 7. Februar 2023 im Alter von 85 Jahren in Paris.
Defert war Lebensgefährte des französischen Philosophen Michel Foucault. Defert war gemeinsam mit Francois Ewald einer der Herausgeber des Werks von Foucault.
In den Jahren der Auseinandersetzung um die grundlegende Richtung der Aids- Politik in Deutschland (Gauweiler oder Süßmuth) gab es zahlreiche reaktionäre, extreme, verletzende Äußerungen, häufig von Politikern einer Partei die sich sowohl als christlich als auch als sozial bezeichnet.
Einer von ihnen war Hans Zehetmair (1936 – 2022) – ein kreuz-konservativer Katholik, Vertreter des politischen Katholizismus. Konservative Gallionsfigur und ‚klerikaler Fundi‘ der CSU. 17 Jahre lamng war er bayrischer Kultusminister (Minister für Wissenschaft und Kunst).
Die Gauweilersche Linie der repressiven Aids-Politik (vgl. Debatten um Bayr. Maßnahmenkatalog; vgl. auch Steve Milverton ‚Der Anststaat‘) verteidigte und begründete Zehetmair mit Worten wie
„Es geht darum, dass dies contra naturam ist – naturwidrig.“
(WDR)
Der Übergang von ACT UP zu Therapie Aktivismus war auch eine Korrektur der politischen Strategie des Aids- Aktivismus, ein Strategiewechsel.
Dieser Strategiewechsel war erforderlich
- angesichts sich deutlich ändernder Rahmenbedingungen:
- die Kämpfe um die grundsätzliche Richtung der Aids-Politik in Deutschland waren ausgestanden. Statt Ausgrenzung und Stigmatisierung hatte sich eine auf Aufklärung und eigenverantwortliches Handeln setzende Linie weitgehend durchgesetzt
- am Horizont wurden erstmals Medikamente erahnbar, die wirksam gegen die Ursache von Aids sein, die dazu beitragen könnten das Leiden zu reduzieren und mittelfristig zu beenden
- damit rückten auch Pharmaunternehmen, klinische Forscher und klinsiche Studien, rückte das Medizinsystem zunehmend in den Fokus
- und damit veränderten sich die Themen, die für Menschen mit HIV bedeutend waren – der Akzent verschob sich von ‚wahrgenommen werden‘ und ’nicht über uns, mit uns‘ zu ‚wir benötigen Medikamente und wirksame Therapien, jetzt und …
Der Wechsel der Strategie bedeutet nicht dass die vorherige Strategie gescheitert war. Problematisierung, Skandalisierung und Medialisierung (wie sie auch ACT UP betrieben haben) waren hoch wirksam – aber nun, wo konkrete Lösungsmöglichkeiten zumindest erahnbar wurden, nicht mehr ausreichend.
Die dreiteilige schwedische Mini- Serie ‚Dont’t ever wipe tears without gloves‘ (2012) begleitet den Protagonisten Rasmus, der 1982 nach Stockholm kommt, und Benjamin, seinen Liebhaber. Eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Sterben – die deutlich werden lässt, wie sehr Aids schwule Szenen Mitte der 1980er Jahre erschütterte. Und die dabei erfreulicherweise jegliche Larmoyanz vermissen lässt.
„einst waren unsere Tage in Ewigkeit getränkt …“
Ganz zauberhaft erzählt wird die erste Begegnung zwischen Benjamin und Rasmus, in all dem Spagat, den Widersprüchen, der ‚love at first sight‘.
„in welche Richtung musst du?“
„Spielt das eine Rolle? – In die selbe wie du!“
„Weißt du in welche Richtung? – Nein. Und du?“
„Nein.“
„Wollen wir da zusammen hingehen?“
„ich könnte es einfach nicht ertragen, in deinem Leben keine Rolle zu spielen.“
Benjamin zu Rasmus
„und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“
Offenbarung des Johanes 21 (4)
„man kann nicht noch einmal leben. Nur darum geht es „
Pal
Ich kenne weniges, das im ‚Mainstream TV‘ dermaßen eindringlich und dabei realitätsnah, so ernsthaft und doch nicht larmoyant über die richtig miesen Jahre erzählt. Ein Maßstab.
.
Don’t ever wipe tears without gloves
(Originaltitel: Torka aldrig tårar utan handskar)
Schweden 2012
Regie Simon Kaijser
Drehbuch Jonas Gardell (basierend auf seinem gleichnamigen Buch)
Produktion Sveriges Television
3 Folgen à 58 Minuten
Erstausstrahlung 8. bis 22. Oktober 2012 (SVT1)