Positiv, hetero – und eine glückliche Beziehung, die zudem eine bemerkenswerte Geschichte hat. In zwei parallelen Interviews erzählen 2012 Isabel und Rene über sich und ihre ‚PoBe-Beziehung‘:
Isabel, Rene, ihr seid seit 4 Monaten fest zusammen. Mögt ihr euch zunächst kurz vorstellen?
Isabel: Ich bin gebürtige Sächsin, lebe aber schon seit 1985 im Großraum Düsseldorf, zähle inzwischen 36 Jahre und bin seit Ende 2000 positiv – infiziert von meinem Ex-Mann, der mir seinen HIV-Status verschwiegen hat. Seit 2002 nehme ich HIV-Medikamente und hab eigentlich keine größeren Einschränkungen dadurch. Habe aber auch das große Glück, eine Kombination zu nehmen, die nur einmal täglich verabreicht wird. Ich habe zwei Kinder – mein Sohn wurde 2003 geboren – durch ihn auch der frühe Therapiebeginn. Beruflich komme ich aus der Bank – ich habe vor 20 Jahren dort gelernt und bin bis heute im Konzern tätig.
Rene: Ich wurde 1972 in Quedlinburg geboren und lebe heute in Erfurt. Seit 1996 bin ich positiv getestet und seitdem in Therapie, die ich allerdings anfangs durch meine Suchterkrankung nicht regelmäßig eingenommen habe. Seit 2002 nehme ich die Medikamente allerdings durchgehend – meine Therapie besteht aus Kaletra und Truvada. Ich bin seit Jahren unter der Nachweisgrenze bei ca. 700 Helferzellen. Bis auf kleine Nebenwirkungen (Migräne) vertrage ich die Therapie ganz gut. Beruflich schlägt mein Herz grün (Garten- und Landschaftsbau) und nachdem ich nun körperlich und seelisch wieder hergestellt bin, hoffe ich, auch in diesem Bereich wieder voll durchstarten zu können.
Seit 4 Jahren bin ich komplett trocken – da hab ich gleich Nägel mit Köpfen gemacht und auch das Rauchen aufgehört.
Ihr seid euch nicht ganz zufällig begegnet – die Geschichte eurer Beziehung ist eng mit den ‚Positiven Begegnungen‘ verbunden?
Isabel: Für mich war es die 3. PoBe und ich freute mich darauf, wieder neue Leute kennenzulernen und alte Bekanntschaften aufzufrischen. Schnell hatte ich vertraute Gesichter wiederentdeckt und gesellte mich zu diesen. Dabei war neben vielen neuen Gesichtern eben auch das von René. Wir warfen uns schon mal den ein oder anderen verstohlenen Blick zu und wenn ich mich zum Rauchen nach draußen schlich, tauchte er meist auch auf und wir unterhielten uns. Auf der Abschlussveranstaltung wurde „sein“ Video ausgestrahlt, welches im Workshop entstanden ist und ich zog den Hut vor seinem Weg. So tief hatte er mich natürlich in den vorangegangenen Tagen noch nicht in sein Leben blicken lassen und ich lernte einen ganz anderen René kennen. Kurz vor meiner Abfahrt kam er dann auf mich zu und fragte ganz höflich, ob er mir seine Telefonnummer geben dürfe. Es folgten dann Telefonate, Briefe und kleine persönliche Geschenkpäckchen über einen Zeitraum von 1,5 Jahren – wobei ich gestehen muss, dass ich mich schon teilweise ziemlich rar gemacht habe und René manches mal mehrere Wochen auf ein Lebenszeichen von mir warten musste. Allerdings war es toll für mich, trotzdem immer die wahre und echte Freude in seiner Stimme zu hören, wenn ich endlich mal wieder zum Hörer griff. Wir lernten uns, ohne es richtig zu bemerken, immer intensiver kennen und nachdem ich dann verschiedene Dinge in meinem Privatleben geregelt hatte, schrieb ich ihm kurz vor seinem 40. Geburtstag eine Nachricht, in der ich fragte, ob er an seinem Geburtstag den ganzen Tag auf Festnetz zu erreichen sei. Er hat recht schnell geahnt, worauf ich hinaus wollte und fragte ganz ungläubig an, ob ich eventuell vor habe, ihn besuchen zu kommen. Ja und bei diesem Besuch hat es dann ganz heftig gefunkt – seitdem verdienen die Mineralölkonzerne richtig gutes Geld an uns.
Rene: Ich war das erste Mal bei den Positiven Begegnungen und war überrascht von der Menge der Teilnehmer. Ich kam mir anfangs ein wenig verloren vor, stellte dann aber schnell fest, dass ich schon ein paar Leute durch die Positiv & Hetero Gruppe kannte. Mit dem Verlauf dieses Treffens taute ich nach und nach immer mehr auf und bemerkte interessante Menschen um mich herum. Im Gegensatz zu Situationen aus meinem früheren Leben erfuhr ich hier nicht Ablehnung und Diskriminierung, sondern mir wurde ehrliche Sympathie, Respekt und Anerkennung entgegen gebracht. Für mich war auf diesem Treffen klar, dass ich etwas bewegen möchte, dass heißt Gesicht zeigen. Deswegen habe ich auch beim Videoworkshop mitgemacht, bei dem ich glaube, recht authentisch rüber zu kommen.
Zu den Mahlzeiten fiel mir Isabel schon positiv auf und unsere Blicke trafen sich in der nächsten Zeit recht häufig. Das erste Grinsen war schon mit dabei. Nach den 4 Jahren meiner Abstinenz hatte ich wohl den Kopf frei, um das Projekt „zwischenmenschliche Beziehungen“ zu beginnen. Da ich noch nie in meinem Leben über einen längeren Zeitraum liiert war – sozusagen ein Langzeitsingle – aber immerhin nicht mehr bei Mutti wohnend – wollte ich hier einen ganz neuen Weg gehen. Das Treffen neigte sich am Sonntag dem Ende zu, als ich nach der Frühstückszigarette raus ging. Mit meiner Telefonnummer in der Hand und klopfendem Herzen in der Brust ging ich auf Isabel zu und gab ihr das Zettelchen. In den Satz: „Darf ich Dir meine Telefonnummer geben?“ legte ich all meine Hoffnung. Die Angst vor einem Korb war aber schon ganz schön groß.
Damals wusste ich noch nicht, wie verrückt diese Frau ist und dass sie keine Spielerin ist. Der Grundstein war gelegt…
Ihr beide seid also die erste hetero- „PoBe-Beziehung“, von der wir wissen, oder?
Weswegen seid ihr zu den ‚Positiven Begegnungen‘ gefahren?
Isabel: Klasse, so habe ich das noch gar nicht gesehen – aber es stimmt schon, ich habe bisher noch von keiner anderen hetero PoBe-Beziehung gehört.
Die Positiven Begegnungen sind für mich schon immer ein toller Ort gewesen, um neues Wissen zu erlangen, Wissen zu vermitteln und eben andere Betroffene kennenzulernen. Ich wurde für Bielefeld als Referentin angefragt, wäre aber auch als rein private Teilnehmerin gekommen. Im weitesten Sinne wollte ich also schon neue Menschen kennenlernen, aber keinesfalls einen neuen Partner. In Bielefeld war ich selbst noch gebunden, wenn auch nicht glücklich, so aber doch in einer Beziehung.
Ich hatte da erstmal einiges in meinem Leben auf die Reihe zu bekommen und war vom Thema Partnerschaft so bedient, dass ich ganz sicher erstmal nichts neues wollte.
Rene: In erster Linie ging es mir darum, positive Energie zu tanken. Eine mögliche Partnersuche stand keinesfalls im Vordergrund. Es war mir aber von vorneherein auch klar, dass es nicht tragisch wäre, wenn sich in diese Richtung etwas entwickeln würde.
Wie wichtig ist euer HIV-Status für euch in eurer Beziehung?
Isabel: Wir achten sehr aufeinander, können nachempfinden, wenn der Partner sich nicht wohl fühlt – ohne dass er sich großartig erklären muss.
Ansonsten nimmt der HIV-Status eher einen kleinen Raum in der Beziehung ein – es tut gut, sich vor dem Partner nicht verstecken oder verstellen zu müssen und natürlich ist es auch toll, spontan und unkompliziert Sex haben zu können.
Rene: Eigentlich ist der HIV-Status eher nebensächlich für uns.
Nach der ‚PoBe Bielefeld‘, dem Beginn eurer Beziehung – wie geht’s weiter?
Seid ihr auf Positiventreffen, oder auf den nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ in Wolfsburg?
Isabel: Wir sind auf jeden Fall in Wolfsburg dabei und hoffen inständig, dass die gemeinsame Zimmerreservierung auch wirklich klappt! Und auch sonst sind wir gerade in der Phase, in der wir unser Glück mit anderen teilen möchten, ihnen davon erzählen möchten – so habe ich kürzlich Renés „Positiv & Hetero“ Gruppe bei einem Treffen besucht und auch in unseren örtlichen AIDS-Hilfen sind wir beide zusammen zu finden, wenn gerade Veranstaltungen auf die Tage fallen, an denen wir zusammen sein können. Für 2013 haben wir geplant, an einem Partnertreffen im Waldschlösschen teilzunehmen. Ich hoffe also sehr, dass wir zukünftig öfter mal als Pärchen auf Treffen zu finden sind.
Rene: Ich denke, hier hat Isabel die Frage komplett für uns beantwortet <lacht>
Heterosexuelle HIV-Positive haben es, scheint mir, oft schwerer, Beziehungs-Partner zu finden als Schwule, oder täusche ich mich da? Habt ihr einen Tipp für positive Heteros?
Isabel: Nun, es ist wohl generell schwer, den passenden Partner zu finden – noch dazu habe ich das Gefühl, dass viele Heteros doch dazu neigen, keine „gemischten“ Beziehungen eingehen zu wollen, was die Partnersuche nicht wirklich einfacher macht.
Ich habe aber erlebt, dass es durchaus legitim und auch möglich ist, sich in einen „negativen“ Partner zu verlieben und mit ihm zusammen zu sein. Die Hürden waren bei mir gar nicht so groß, wie ich es im Voraus immer befürchtet habe und der Umgang mit HIV wurde im Alltag ein ganz normaler.
Von daher kann ich nur den Tipp geben, auf das Herz zu hören und mit dem Selbstbewusstsein in eine neue Situation hineinzugehen, dass uns zusteht. Wir brauchen uns wegen nichts zu schämen oder zu verstecken.
In René habe ich mich nicht verliebt, weil er positiv ist, sondern weil er René ist.
Rene: Ich denke auch, dass man sich keinesfalls verstecken sollte, sondern sich einfach öffnen und in die Welt rausgehen muss. Frei nach dem Motto „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Dank EKAF wird meiner Meinung nach auch vieles leichter. Ich denke, auch mit HIV sind wir vollwertige Menschen.
Isabel, Rene, ganz herzlichen Dank für das Interview!
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Text 21. April 2017 von ondamaris auf 2mecs