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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Rücktritt aus Vorbereitungsgruppe Positive Begegnungen 2010

Ich habe Anfang Januar 2010  meinen Rücktritt aus der Vorbereitungsgruppe Positive Begegnungen 2010 erklärt. Der Vorbereitungsgruppe habe ich meine Beweggründe dafür heute nochmals persönlich erläutert.

Ich wünsche der Vorbereitungsgruppe weiterhin gute inhaltliche Arbeit und für die Zukunft eine erfolgreiche Organisation und Belebung HIV-positiver Selbsthilfe und Interessenvertretung.

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Text 17.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Stephanie Schmidt ist tot

Am 22. Januar 2010 starb Stephanie Schmidt, langjährige JES-Aktivistin.

Stephanie Schmidt, Mutter zweier Kinder, engagierte sich seit Mitte der 1990er Jahre für akzeptierende Drogenarbeit und für die Interessen drogengebrauchender Menschen mit HIV. Stephanie arbeitete hauptamtlich in der Aids-Hilfe Braunschweig und war u.a. engagiert bei JES (sowohl lokal als auch als Bundessprecherin).

Stephanie Schmidt (Foto (c) Dirk S.)
Stephanie Schmidt (Foto (c) Dirk S.)

Ich habe vor einigen Jahren mit Stephanie eine Zeit lang enger zusammen gearbeitet, im Rahmen des Community Boards beim Deutschen Aids-Kongress 1999 (einem Meilenstein der Community-Beteiligung in Aids-Konferenzen in Deutschland) in Essen. Ich habe dabei Stefanie sehr zu schätzen gelernt – ihre offene, dem Leben zugewandte Art, ihre Fähigkeit sich auch in andere Menschen und ihre Anliegen hinein zu denken – und vor allem ihre Fähigkeit, die Belange drogengebrauchender Menschen mit HIV verständlich zu machen und aktiv und engagiert zu vertreten. Durch Stephanie lernte ich ein wenig Einblick zu bekommen, zu verstehen aus Welten, die mir eher fremd schienen.

Solidarität der Betroffenengruppen – Stefanie lebte sie. Danke!

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Philosoph Daniel Bensaid starb an den Folgen von Aids

Am 12. Januar 2010 starb der französische Philosoph Daniel Bensaid – an den Folgen von Aids, wie ACT UP Paris am 16. Januar 2010 mitteilte.

Es war eine sehr kurze Mitteilung, wohl die kürzeste seit dem Bestehen. ACT UP Paris teilte heute morgen einzig sechs Worte mit “Daniel Bensaïd est mort du sida”, nur gefolgt von dem bekannten Motto Silence = Mort (Schweigen = Tod).

Mit dieser Aktion äußerte sich ACT UP Paris zum Tod des französischen Philosophen Daniel Bensaïd – und dazu, dass in allen wichtigen französischen Medien die Ursache seines Todes verschwiegen wurde.

Daniel Bensaid 2008

Conferencia de Daniel Bensaïd en Barcelona en abril del 2008. – Miaus Public Domain

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HIV/Aids

„Alles war auf der Flucht“ – Erinnerungen

Eine Text-Passage bei Anna Seghers lässt es mir kalt den Rücken hinunter laufen.

Alles war auf der Flucht, alles war nur vorübergehend, aber wir wussten noch nicht, ob dieser Zustand bis morgen dauern würde oder noch ein paar Wochen oder Jahre oder unser ganzes Leben.”

Anna Seghers, Transit

Erinnerungen werden wach, spontan, unreflektiert.
Erinnerungen an “die schlimmen Jahre”.
Erinnerungen an eine Zeit, als schwule Männer, besonders die aktivsten unter ihnen, reihenweise starben, nein krepierten. Eine Zeit, zu der tief unten irgendwo im Bauch das Gefühl grummelte “die bringen uns alle um”.
Erinnerungen an Gefühle wie unmögliche Flucht, verlorene Zukunft, tiefe Trostlosigkeit. Nicht vorübergehend, Ende nicht absehbar.
Damals.

Seghers hat diese Worte gefunden in einem Roman über  einen aus dem KZ geflohenen jungen Deutschen, “Transit”, zuerst veröffentlicht 1944.

Unreflektiert, meine Gedanken. Bestürzende Erinnerungen.

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HIV/Aids

HIV und Schuld – oder: Die Sehnsucht nach Normalisierung und die untilgbare Schuld

Die HIV-Infektion, einst Anzeichen einer medizinisch hilflosen Situation, eines drohenden körperlichen Desasters, wird zunehmend behandelbar. Die Erfolge der medizinischen Forschung sind unübersehbar. Medikamente gegen das HI-Virus werden zunehmend stärker wirksam, Nebenwirkungen treten in ihrer Bedeutung immer mehr in den Hintergrund. Die Lebenserwartung eines und einer HIV-Infizierten nähert sich immer mehr der einer nicht infizierten Person an, und die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Nebenwirkungen der Therapie werden immer mehr minimiert. HIV wird zu einer chronischen Erkrankung, zu einer ‚manageable disease‘. Mit ein wenig Glück werden zudem wirksame Therapien (vielleicht sogar nicht nur in den Industriestaaten) einst auch zu gesundheitspolitisch beherrschbaren Kosten zur Verfügung stehen. Zeichen einer zunehmenden medizinischen und gesundheitspolitischen ‚Normalität‘.

Die Folge: es ist ein Zukunftsszenario denkbar -und nicht in allzu weiter Ferne-, in der die Frage, ob ich HIV-infiziert bin, aus medizinischer und Public Health – Sicht nicht nur ihre Dramatik verliert, sondern zunehmend weniger relevant wird. Ob ich HIV habe oder nicht – eine Frage des Zugangs zum Medizinsystem, eine Frage guter Ärzte und wirksamer Pillen.

Die Folgen für Aids-Hilfe? Zweierlei Szenario wäre etwas vereinfacht denkbar:
Für diejenigen, die der Ansicht sind, Ziel von Aids-Hilfe sei es, die Zahl der Neuninfektionen zu reduzieren, womöglich gar auf Null zu bringen, wird ein Problem entstehen. Die Grundhypothese ihrer Arbeit wird ihnen auf die Füße fallen: wenn die HIV-Infektion eine ‚manageable disease‘ sein sollte, eine mit wenigen und eher (biomedizinisch, gesundheitsökonomisch) konsequenzenarmen Folgen behandelbare chronische Infektion – dann ist eine höhere Zahl an Neuinfektionen kein Skandal mehr, dann wird das Ziel der drastischen Senkung der Neuinfektionszahlen unbedeutender. Niemand finanziert mit hohen Millionenbeträgen eine Organisation, die sich der Reduzierung der Neuansteckungen mit Husten und Schnupfen widmet.
Für die Vertreter der anderen, Gesundheits-orientierten Haltung wäre die Konsequenz eine andere: Aids-Hilfe wird zu einer Organisation, die sich der Frage widmet, welchen Begriff ich von Gesundheit habe, welche Bedeutung Gesundheit für mein Leben hat, und wie ich ich sie erhalte, fördere oder wieder herstelle.
Aids-Hilfe verliert das Skandalon des „Aids“ in ihrem Namen. Aids-Hilfe wird in dieser Konstellation zu ‚Gesundheits-Hilfe‘ für bestimmte (vielleicht: marginalisierte?) gesellschaftliche Gruppen.

Alles in Butter also, und die Frage lautet angesichts der ‚Normalisierung‘ nur, ob Aids-Hilfe, egal ob als Bundes-Verband oder vor-Ort-Organisation, untergehen, sprich bedeutungslos werden oder sich selbst auflösen wird, oder ob sie sich an Veränderungen anpassen will?

Nicht ganz.
Ein kleines Problem bleibt.
Einige kleine Fragen.

Wenn HIV eine recht unkompliziert behandelbare und vergleichsweise konsequenzenarme Erkrankung werden sollte (oder, im Empfinden einiger HIV-Infizierter, heute schon ist), warum machen wir uns dann solche einen Kopf darum?
Warum überlegen wir so intensiv, jeder HIV-Positive für sich, wem erzähle ich von meiner Infektion, wem vertraue ich es, mich an – und wem lieber nicht?
Warum wird für uns die Frage immer wieder essentiell, wie offen lebe ich mit HIV?
Warum klagen viele HIV-Positive, seit ihrem positiven HIV-Status, so sie ihn nicht völlig für sich behalten, zunehmend Probleme haben Sex-Partner zu finden, guten, ihren Wünschen und Sehnsüchten entsprechenden Sex zu haben?
Und warum machen sich immer wieder Menschen Gedanken, wie sie mit HIV am Arbeitsplatz umgehen sollen (ersatzweise: bei der Suche nach Arbeit)?
Die Liste der Fragen nach dem ‚warum‘ ließe sich fortsetzen …

Und die Liste der Fragen zeigt: So normal ist es scheinbar doch nicht, mit HIV infiziert zu sein – selbst nicht bei wirksamsten Pillen.
Irgend etwas an HIV ist anders als bei Schnupfen, Mundgeruch und Fußpilz.
Irgend etwas ist an HIV, das nicht nur mit der Medizin zu tun hat.
Irgend etwas, das weitreichende persönliche Konsequenzen hat – und durch Pillen nicht bekämpft wird.
Es ist ein Makel an HIV, genauer daran, HIV-infiziert zu sein.
Die Tatsache, HIV-infiziert zu sein, zeigt etwas an.
Sie zeigt an: Abweichung von der Norm. Männerliebe, Drogengebrauch, Dreck, Blut, Sex, Scheisse, Drogen. Einen Ausstieg aus einem gesellschaftlichen Normsystem. Einen Ausstieg, der längst vor dem Offenbaren des HIV-Status vollzogen wurde. Ich bin HIV-infiziert, weil (in Folge)  ich diesen Normen-Ausstieg längst vollzogen habe, den Ausstieg aus der Norm gesellschaftlichen Zusammenlebens, die sich bewegt irgendwo im Nebel zwischen „du sollst nicht mit Männern ficken“, „du sollst Kinder zeugen und dich fortpflanzen“, „du sollst nicht den Rausch genießen“, „du sollst nicht hemmungslos sein“.
Ein Normenausstieg, nebenbei, der nicht nur von Menschen mit HIV ‚begangen‘ wird, sondern von vielen anderen. Weswegen die Frage nach der Bedeutung dieses Normausstiegs, nach dem Umgehen, nach den Konsequenzen eben auch nicht nur Menschen mit HIV angeht.
Nur ist dieser Normenausstieg zunächst weniger sichtbar. HIV allerdings macht diesen Normenaussteig sichtbar, zeigt an – HIV wird zum Indikator. Zum Stigma [Stigma – Brandzeichen].
Und: dieTatsache dieses Normenausstiegs ist unwiderrufbar, untilgbar – und auch durch wirksamste Medikamente, tollste Therapien und bunteste Pillen nicht behandelbar.

So sehr die HIV-Infektion auch ’normal‘ werden mag im biomedizinischen, im Public Health – Sinn – der Makel der Schuld, der Schuld dieses Norm-Verstoßes, der Status der eigenen HIV-Infektion als Indikator für einen Normenverstoß bleibt untilgbar.

HIV mag unter medizinischen Aspekten ’normal‘ werden können. Diese Sehnsucht nach Normalität mag erfüllbar sein. Allein, der Skandal bleibt, der Skandal des -durch HIV sichtbar gemachten- Normenausstiegs, des Makels, der Schuld.

Einige Gedanken dieses Kommentars sind inspiriert durch den Workshop „Die Schuldfrage knacken“ von Dr. Stefan Nagel und Alexander Pastoors – danke!

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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Homo-Denkmal künftig nachts mit Beleuchtung

Das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wird künftig nachts beleuchtet.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wird zukünftig zum Schutz vor Anschlägen beleuchtet.

Das kündigte Uwe Neumärker, der Direktor der Stiftung Holocaust-Mahnmal, einem Bericht des RBB zufolge an. Die Stiftung ist auch für die Betreuung des Homo-Mahnmals einschließlich nächtlicher Wachgänge zuständig.

Seit der Einweihung des Denkmals am 27. Mai 2008 sind inzwischen drei Anschläge auf das Homo-Denkmal verübt worden. Jedesmal wurde die Sichtscheibe beschädigt, durch die der Film mit der Kuß-Szene betrachtet werden kann.

Zur Beschädigung der Sichtscheibe sei Werkzeug erforderlich, erläuterte Neumärker. Dies müsse mitgebracht werden; durch die nächtliche Beleuchtung wolle man dies erschweren.

weitere Informationen:
sz online 29.11.2009: Mehr Licht und neue Küsse für Homosexuellen-Mahnmal
antiteilchen 29.11.2009: Endlich Licht am Denkmal

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Text 14. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Familienministerin Köhler: 2005 noch für Strafrechtsverschärfung „gegen Bareback“

Kristina Köhler, die neue Bundesfamilienministerin, wird als Homo-freundlich gelobt. Doch forderte Köhler vor genau 5 Jahren eine Strafrechtsverschärfung – gegen das „russisch Roulette“ des „Barebacking“.

Die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Kristina Köhler wird am 30.11.2009 zur neuen Bundesfamilienministerin ernannt.

Kristina Köhler freut sich über schwule und lesbische Paare, berichtet samstagisteingutertag über die neue Familienministerin und ihr offensichtlich im Vergleich zu ihrer Vorgängerin in Sachen Homo-Paaren unverkrampfteres Weltbild.

Unverkrampft – diese Haltung hat Köhler in der Vergangenheit in Sachen Aids zeitweise eher vermissen lassen, scheint es. gay-web meldete auf den Tag genau fünf Jahre vor der geplanten Vereidigung als Familienministerin, am 30. November 2005 über Frau Köhler Folgendes:

„Angesichts der dramatischen Zunahme der HIV-Neuinfektionen unter homo- und bisexuellen Männern in Deutschland, forderten die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler (CDU) und der Bundesvorsitzende der Lesben- und Schwulen in der Union (LSU) Roland Heintze heute ein schärferes Vorgehen gegen die so genannte „Barebacking“-Szene.“

Köhler forderte damals in ihrer eigenen Pressemitteilung (zu finden auch 2017 noch auf ihrer Internetseite) eine Verschärfung des Strafrechts:

„Deshalb forderte Kristina Köhler, dass „notfalls auch gesetzliche Schritte geprüft werden müssen“. Dies sei in anderen europäischen Ländern, so zum Beispiel in Österreich oder in der Schweiz, bereits geschehen. In Österreich etwa stelle der § 178 des Strafgesetzbuches die vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten unter Strafe.“

Köhlers Resümee damals:

„Wir können es nicht zulassen, dass noch länger auf diese dramatische Weise russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr gespielt wird.“

Köhler hatte sich in der Vergangenheit gelegentlich auch für Aidshilfe eingesetzt – so indem sie 2005 ihre EC-Karte als „CityCard Wiesbaden zugunsten der AIDS-Hilfe“ aktivierte oder ebenfalls 2005 die Schirmherrschaft über die Ballnacht der Wiesbadener Aidshilfe übernahm.

Danke an Rainer für den Hinweis!

Es bleibt zu hoffen, dass Frau Köhler in den vergangenen 5 Jahren erkannt hat, dass das Strafrecht ein denkbar ungeeignetes Instrument der Prävention ist – auch in der Aids-Prävention. Schließlich gibt es auch nach Ansicht internationaler Experten mindestens zehn Gründe, die gegen die Kriminalisierung von HIV-Exposition oder -Übertragung sprechen.

weitere Informationen:
Kristina Köhler Pressemitteilung 30.11.2005: Russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr
gayweb.de 30.11.2005: Russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr

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Text 14. April 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Schock Prävention und die Inflation der Währung Aufmerksamkeit

Wie und warum funktioniert Schock Prävention? Was hat Thilo Sarrazin damit zu tun? Und was Inflation und Ignorieren?

Thilo Sarrazin, seines Zeichens Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank und ex-Finanz-Senator von Berlin, hat wieder einmal deutliche Worte gefunden. Die verbreitet Anstoß erregen – und erinnern an den wohl bekannten Mechanismus, Aufmerksamkeit zu erzeugen, egal was es kostet – oder was die Folgen sind.

In einem Artikel in der Wochenend-Ausgabe der ‚Süddeutschen Zeitung‘ betrachtet Evelyn Roll die Frage öffentlicher Provokation. Und analysiert die zugrunde liegende Wirkweise:

„Es ist ja so: Viel wichtiger, lukrativer und karrierefördernder als Taten und Leistungen sind heute Bedeutung und Prominenz. Aufmerksamkeit ist die Währung. Und Provokation, der gezielte Tabubruch also, ist, was das Herstellen dieser Währung angeht, immer und zuverlässig erfolgreich. Die verbale Provokation, der unpassende Vergleich und die öffentliche Beleidigung sind also niemals wirklich Ausrutscher oder selbstentlarvende Versehen. Es handelt sich immer um eine so einfache wie nur gelegentlich gefährliche Medienstrategie im Durchlauferhitzer der Erregungsdemokratie. Sie stößt auf eine fein ausgesteuerte und leicht anzusteuernde Kultur von Empörung und Heuchelei, die zuverlässig anspringt. Jedes durch Sprech- und Denktabus eingeklemmte Publikum hasst und liebt deswegen den Provokateur.“

Wohl war, denke ich. Und ich fühle mich erinnert an Schock-Kampagnen, mit denen sich eine gewisse Stiftung, ein ominöser Verein gelegentlich hervortun. Bei denen mir auch oft der Eindruck kommt, es ginge hier um vieles, um Aufmerksamkeit, um Spenden, um mediale Hypes – nur nicht um die eigentliche und doch nur vordergründig plakatierte Frage, die Aids-Prävention.

Und genau darin liegt das Problem, auch in Rolls Analyse. Derartige Strategien können eben doch gefährlich sein. Sie konterkarieren bisher erfolgreiche HIV-Prävention, können erzielte Erfolge zunichte machen oder gefährden, produzieren Klärungs- und Richtigstellungs-Aufwand (bei anderen selbstverständlich, nicht beim Verursacher) – und verpuffen schon nach wenigen Tagen im Dunst des nächsten medialen Hypes. Die Arbeit ist getan, die Aufmerksamkeit erzielt, irgend etwas wird sicher hängen blieben – und die Arbeit und den Schaden haben andere.

Doch Roll weist auch Wege aus dieser medialen Aufmerksamkeits-Falle. Ein wenig mehr Bedacht in den Reaktionen, etwas weniger Aufregung und Empörung, überlegtere Kommentare, weniger Geschrei – indem wir ihnen ihre Währung, die Aufmerksamkeit entziehen, können wir ihren Schaden vielleicht begrenzen. Und ihre regelmäßige Wiederkehr vielleicht nach und nach unattraktiver, da erfolgloser machen. Die Inflation der Währung ‚Schock-Aufmerksamkeit‘. Wir können handeln – schalten wir ihn zumindest in unserem Bereich wenn schon nicht ‚aus‘, dann doch einige Stufen kälter, den ‚Durchlauferhitzer der Erregungsdemokratie‘.
Stattdessen könnten wir von der Bedeutung der Aufmerksamkeit, der Prominenz, des Image vielleicht wieder ein wenig mehr zurück kehren zur Bedeutung von Taten, von Handeln, von Ergebnissen für die Menschen (und nicht für die Initiatoren).

Schock-Kampagnen & co. – in die Mülltonne. Aber vielleicht nicht immer durch lauten Protest, sondern gelegentlich auch durch überlegte Gelassenheit, vielleicht auch geflissentliches Ignorieren?

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weitere Informationen:
Evelyn Roll: „Das musste mal gesagt werden“ (Süddeutsche Zeitung 10./11.10.2009)
(online zweiteilig unter dem Titel „Thilo Sarrazin und die Folgen„)

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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Virus-Mythen : die neue Sorglosigkeit

Neue Sorglosigkeit ? Die Menschen (ersatzweise: die Schwulen, ersatzweise: verantwortungslose Positive) sind wieder so sorglos im Umgang mit HIV und Aids – so wird immer wieder behauptet, besonders gerne um Schock-Kampagnen wie jüngst die ‚Massenmörder-Kampagne‚  zu ‚legitimieren‘.

Die neue Sorglosigkeit im Umgang mit HIV – gibt es sie?
Wie sieht die Realität aus?
Sind die Menschen in Deutschland sorgloser geworden?

„Nein. Die sinkende Gefahreneinschätzung geht mit der realistischen Erkenntnis einher, dass Aids nur dann gefährlich ist, wenn man sich nicht schützt. Aber das tun die Menschen immer besser“,

sagt Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Und ergänzt

„Die große Mehrzahl der Menschen verhält sich verantwortungsbewusst.“

Zu den HIV-Neuinfektionsraten betont Pott ebenso wie jüngst Dr. Dirk Sander (DAH):

„Nirgendwo sonst [in Europa, d.Verf.] sind die Infektionsraten so niedrig.“

weitere Informationen:
SZ 24.09.2009: Interview Elisabeth Pott: „Deutsche sind nicht sorgloser“
DAH-Blog 11.09.2009: Interview Dr. Dirk Sander: Laien beurteilen Schock-Kampagnen als wirksamer

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was ist eigentlich so ’schlimm‘ an Sorglosigkeit? -> Sorglosigkeit und die Rettung der Lüste

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Geschichten und Geschichte – Vergessen macht sich breit …

„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht – es geht voran“, sangen ‚Fehlfarben‘ (auf ‚Monarchie und Alltag‚) im Jahr 1980. Ein Jahr später werden erste Fälle einer Erkrankung festgestellt, die später als Aids bezeichnet wird.

„Keine Atempause – Geschichte wird gemacht.“
Und wie weiter?
„Spacelabs falln auf Inseln, Vergessen macht sich breit, es geht voran.“

Zwar fielen bisher meines Wissens keine Spacelabs auf Inseln. Aber Vergessen macht sich tatsächlich breit, allenthalben. Es geht voran, scheinbar, indem wir über unsere eigene Geschichte hinweg gehen, vergessen. Vergessen unserer Aids-Geschichten. Vergessen unserer Geschichte.

Inzwischen sprechen wir munter von „altes Aids“ im Unterschied zu „neues Aids“ – doch was das hieß, „altes Aids“, das gerät abseits einiger immer wieder gern präsentierter Klischees und Mythen zunehmend in Vergessenheit.

Warum?
Wie gehen wir mit unserer eigenen Geschichte um?
Wann wird Erlebtes zu Geschichte?
Sind diese, unsere  Geschichten überhaupt erzählbar?
Ist diese Geschichte überhaupt vermittelbar?

Sind diese Fragen bedeutend?

Wer wenn nicht wir soll diese Geschichte(n) erzählen? schreiben?
Und wer aufarbeiten?

Wer, wenn nicht wir?

Wenn wir nicht unsere eigenen Geschichten aufschreiben, unsere eigene Geschichte schreiben, werden andere es irgendwann tun. Auf ihre Weise. Werden dabei ihre eigenen Bilder (die nicht unsere sind) transportieren, auch ihre pejorativen Bilder.

Doch – es ist unsere Geschichte!
Erzählen wir sie aus unseren Blickwinkeln!

Denn sonst …

Hegel konstatiert in seinen ‚Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte‘, dass Geschichte immer zweimal stattfinde. Und sein Schüler Karl Marx verfeinert im ‚Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte‘, Geschichte wiederhole sich “ das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce“.

Dann lasst uns vorher unsere Geschichte(n) erzählen, all die Tragödien, all die schönen, schmerzvollen, erfolgreichen, vorzeitig abgebrochenen … Geschichten …

Den  Anfang im „unsere Geschichte(n) erzählen“ macht ein positiver Mann aus Berlin, Nikolaus Michael, der in den nächsten Wochen hier in vier Texten einen Teil seiner Geschichte(n) erzählt …

1. Die ‚Totenbank‘
2. Stress im Krankenhaus
3. Schmunzeln, Quengeln, Hilferufe
4. Drei Engel

Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele Leser dies zum Anlass nehmen, selbst ihre HIV-positiven Geschichte(n) zu erzählen – und bei Interesse auch andere lesen lassen. Ich biete dafür auf ondamaris gerne Zeit und Raum [und bei genügend Interesse auch gerne eine eigene Rubrik „unsere Geschichte(n)} – wer mag, sende mir eine Mail mit seinen Texten, ich melde mich baldmöglich …

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Text 14. April 2017 von ondamaris auf 2mecs