Der Übergang von ACT UP zu Therapie Aktivismus war auch eine Korrektur der politischen Strategie des Aids- Aktivismus, ein Strategiewechsel.
Dieser Strategiewechsel war erforderlich
angesichts sich deutlich ändernder Rahmenbedingungen:
die Kämpfe um die grundsätzliche Richtung der Aids-Politik in Deutschland waren ausgestanden. Statt Ausgrenzung und Stigmatisierung hatte sich eine auf Aufklärung und eigenverantwortliches Handeln setzende Linie weitgehend durchgesetzt
am Horizont wurden erstmals Medikamente erahnbar, die wirksam gegen die Ursache von Aids sein, die dazu beitragen könnten das Leiden zu reduzieren und mittelfristig zu beenden
damit rückten auch Pharmaunternehmen, klinische Forscher und klinsiche Studien, rückte das Medizinsystem zunehmend in den Fokus
und damit veränderten sich die Themen, die für Menschen mit HIV bedeutend waren – der Akzent verschob sich von ‚wahrgenommen werden‘ und ’nicht über uns, mit uns‘ zu ‚wir benötigen Medikamente und wirksame Therapien, jetzt und …
Der Wechsel der Strategie bedeutet nicht dass die vorherige Strategie gescheitert war. Problematisierung, Skandalisierung und Medialisierung (wie sie auch ACT UP betrieben haben) waren hoch wirksam – aber nun, wo konkrete Lösungsmöglichkeiten zumindest erahnbar wurden, nicht mehr ausreichend.
Die dreiteilige schwedische Mini- Serie ‚Dont’t ever wipe tears without gloves‘ (2012) begleitet den Protagonisten Rasmus, der 1982 nach Stockholm kommt, und Benjamin, seinen Liebhaber. Eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Sterben – die deutlich werden lässt, wie sehr Aids schwule Szenen Mitte der 1980er Jahre erschütterte. Und die dabei erfreulicherweise jegliche Larmoyanz vermissen lässt.
„einst waren unsere Tage in Ewigkeit getränkt …“
Ganz zauberhaft erzählt wird die erste Begegnung zwischen Benjamin und Rasmus, in all dem Spagat, den Widersprüchen, der ‚love at first sight‘.
„in welche Richtung musst du?“ „Spielt das eine Rolle? – In die selbe wie du!“ „Weißt du in welche Richtung? – Nein. Und du?“ „Nein.“ „Wollen wir da zusammen hingehen?“
„ich könnte es einfach nicht ertragen, in deinem Leben keine Rolle zu spielen.“
Benjamin zu Rasmus
„und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“
Offenbarung des Johanes 21 (4)
„man kann nicht noch einmal leben. Nur darum geht es „
Pal
Ich kenne weniges, das im ‚Mainstream TV‘ dermaßen eindringlich und dabei realitätsnah, so ernsthaft und doch nicht larmoyant über die richtig miesen Jahre erzählt. Ein Maßstab.
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Don’t ever wipe tears without gloves (Originaltitel: Torka aldrig tårar utan handskar) Schweden 2012 Regie Simon Kaijser Drehbuch Jonas Gardell (basierend auf seinem gleichnamigen Buch) Produktion Sveriges Television 3 Folgen à 58 Minuten Erstausstrahlung 8. bis 22. Oktober 2012 (SVT1)
Von Januar bis Juli 2022 war der bisherige Test- und Impfnachweis in Frankreich (pass sanitaire) in einen reinem Impfpass pass vaccinal umgewandelt. Die Neuregelung trat nach Zustimmung des Verfassungsrats ab 24. Januar 2022 in Kraft. Sie lief per 1. Augusrt 2022 aus.
Das ab 1. Juli 2021 in der EU eingeführte digitale COVID-19 Impfzertifikat wurde in Frankreich ab 9. Juli 2021 als pass sanitaire (elektronische Version des Gesundheitsnachweises) umgesetzt. Der Nachweis kann erfolgen mit der App TousAntiCovid (ähnlich wie mit der Corona Warn App CWA in Deutschland).
Der pass vaccinal ersetzte ab 2022 den bisherigen pass sanitaire. Er dient ab 24. Januar 2022 als Mittel bei der Umsetzung der 2G Regelung (geimpft oder genesen). Getestet reicht nicht mehr.
Der pass vaccinal war Zugangsvoraussetzung zum Beispiel in Bars, Restaurants, Kinos, Museen, Theatern und bei Sport-Veranstaltungen sowie im Fernverkehr. Hier war der pass vaccinal Pflicht für alle Prsonen ab 16 Jahre (da noch nicht alle unter 16 Jahren geimpft werden konnten).
Seit 15. Januar kann der Impfpass pass vaccinal in Frankreich auch automatisch deaktiviert werden (und seine Gültigkeit damit verlieren). Diese Deaktivierung erfolgt bei Personen, die nicht spätestens sieben Monate nach der letzten Impfung eine Auffrisch-Impfung (Booster) erhalten haben.
Ab 15. Februar 2022 ist die Gültigkeit des Genesenen-Status (‚Covid Recap‘, certificat de rétablissement) auf 4 Monate begrenzt.
EU- Bürger können ihre digitalen Impfzertifikate direkt in die französische Corona App Tous Anti COVID importieren.
Das Gesetz über den pass vaccinal wurde am Sonntag 16. Januar 2022 endgültig vom Parlament verabschiedet. 60 Abgeordnete überwiegend der Fraktion La France insoumise riefen ebenso wie etwa 60 Senatoren den Verfassungsrat an. Dieser bestätigte am Freitag 21. Januar den Hauptteil des Textes (einschließlich möglicher Identitäts-Kontrollen) als verfassungsgemäß. Ab Montag 24. Januar 2022 wird das Gesetz mit Inkrafttreten somit Anwendung finden. Für politische Veranstaltungen wurde die Erfordernis eines pass vaccinal aufgehoben (um den anstehenden Präsidentschafts- Wahlkampf nicht zu beeinflussen).
Mit den Lockerungen der Corona- Maßnahmen ab 14. März 2022 ist der pass vaccinal nicht mehr im öffentlichen Leben erforderlich. Allerdings bleibt der pass sanitaire (der auch mit einem negativen Testergebnis genutzt werden kann) weiterhin vorgeschrieben in Gesundheits-, Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie Einrichtungen mit Menschen mit Behinderungen.
Mit 1. August 2022 liefen die Regelungen aus – der pass vaccinal ist nicht mehr erforderlich (auch wenn die Regierung sich die Option einer Wiedereinführung offen hält).
„Der Film zeigt die Erfolge, aber auch fatale Fehler und tödliche Niederlagen. Damals eine Geschichte vom Sterben, ist sie heute eine vom Überleben. Viele der ersten Aids-Kranken wurden zu Opfern fehlgeschlagener medizinischer Therapien. Aber auch Ärzte und Wissenschaftler scheitern bis heute an der Erforschung von Medikamenten. Aids ist eine Blaupause für den Umgang mit einer globalen Epidemie. Viele haben vergessen, was Aids bedeutet. Diese Dokumentation erzählt davon.“
40 Jahre Aids – Pressetext Arte TV
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40 Jahre Aids – Schweigen = Tod Dokumentation, 45 Minuten (für den Schulunterricht gibt es eine Schnittversion von 30 Minuten) Deutschland 2021 (WDR) Regie und Drehbuch: Jobst Knigge mit Dirk Ludigs, Sabine Weinmann, Ulrich Würdemann, Dietmar Schranz, Barbie Breakout u.a.
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40 Jahre Aids – Schweigen = Tod im Kino zu sehen: Klick Kino, Berlin Dienstag 29.11.2022, 20:00 – 23:00 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs und von weiteren Protagonist*innen
Paris bekommt einen Platz der Platz der Kämpfer*innen gegen Aids. Dies beschloss der Rat der Stadt Paris am Mittwoch 17. November 2021 einstimmig.Die Einweihung durch Bürgermeisterin Anne Hidalgo erfolgt am 1. Dezember 2021, dem Welt-Aids-Tag.
Mit der Benennung des Platzes soll der Verstorbenen und Kranken, sowie dem Engagement des Pflegepersonals und der Aids- Aktivisten Tribut gezollt werden.
Paris sei gemeinsam mit London die in Europa von der Aids-Epidemie am stärksten betroffene Stadt, so die Bürgermeisterin von Paris. Etwa 10.000 Menschen seien in Paris allein in den Jahren zwischen 1989 und 1996 an den Folgen von Aids gestorben. In einigen Szenen sei eine ganze Generation ‚verschwunden‘.
HIV stigmatisiert auch heute noch „mehr denn je Drogenkonsumenten, Schwule, Migranten oder Sexarbeiter„, betonte Jean-Luc Romero-Michel, Antidiskriminierungsbeauftragter der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, der sich selbst seit Jahren in der Aids-Bekämpfung engagiert.
Der Platz der Kämpfer*innen gegen Aids – place des combattantes et combattants du sida – befindet sich im Marais, dem Schwulenviertel von Paris, nahe der Metro-Station St. Paul (bisher unbenannte Fläche zwischen rue de Rivoli und rue Saint-Antoine).
Dieser Ort wird es ermöglichen, im Herz von Paris die Geschichte der Aids-Epidemie im Bewusstsein zu halten, sich auch an die aktuellen Ereignisse zu erinnern und natürlich allen Menschen zu gedenken, die gegen diese Epidemie gekämpft haben, die Millionen Menschen getötet hat: denken wir an diejenigen, die das HI-Virus entdeckt haben, diejenigen, die nach einem Heilmittel suchten, diejenigen, die sich in der Aids-Bekämpfung engagierten, diejenigen, die von der Krankheit betroffen waren.
Ariel Weil, Bürgermeister Paris Centre
Anläßlich der Einweihung des Platzes am 1. Dezember 2021 wurde die Gedenktafel mit einem Red Ribbon dekoriert. Mit Aids Quilts wird gedacht an an den Fiolgen von Aids Verstorbene.
Die Namenswahl dieses Ortes ist eine Hommage an eine ganze von der Krankheit betroffene Generation, aber auch an ihre Angehörigen, an das Pflegepersonal, an die Forscher, an die Begleitpersonen und an die Aktivisten, die sich im Kampf gegen die HIV/AIDS.
Bürgermeisterin von Paris anläßlich der Einweihung des Platzes am 1. Dezember 2021
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Die Benennung des Platzes wurde vielerseits begrüßt. Allerdings wurden auch Stimmen laut die darauf hinwiesen, diese Ehrerbietung sei notwendig und richtig, dürfe aber konkretes Handeln nicht ersetzen.
Die heutigen Lebensbedingungen von Menschen mit HIV, Serophobie, prekäre Lebenssituationen, Sexismus, Rassismus, Transphobie – die Benennnung und Gedenktafel dürfe nicht zur Ausrede werden sich damit weiterhin auseinanderzusetzen. Eine Plakette reiche nicht im Kampf gegen Aids, die Epidemie sei nicht vorbei.
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‚place des combattants‘ (rein männliche Form, ohne ‚du sida‘) ist in Frankreich eine häufige Bezeichnung von Plätzen, mit denen an Kämpfer in den beiden Weltkriegen oder der Kriege in Afrika gedacht werden soll.
Das Watt en Schlick Fest 2021 fand vom Freitag 30. Juli bis Sonntag 1. August 2021 statt (WES21).
Seit 2014 gibt es dieses kleine und feine Festival, direkt am Wasser in Dangast.
Das Watt en Schlick Fest 2019 war grandios. Das Watt en Schlick Fest 2020 fand aufgrund der Coronavirus Pandemie als Streaming Konzert statt, übertragen von Arte – aufgenommen in Dangast, mit nur 150 (statt sonst 5.000) Gästen vor Ort.
Watt en Schlick fand 2021 mit Unterstützung durch das Bundesprogramm ‚Neustart Kultur‚ sowie durch den Landkreis Friesland und die Stadt Varel statt. Zudem lief im Sommer 2020 erfolgreich eine Crowdfunding Kampagne.
Am 24. September wurde das Watt en Schlick Fest mit dem Helga Award als Bestes Festival ausgezeichnet.
Corona Modelprojekt Watt en Schlick Fest 2021 sehr erfolgreich – keine einzige Corona Infektion berichtet.
Vom Freitag 30. Juli bis Sonntag 1. August 2021 fand in Dangast (Varel, Niedersachsen) das Festival Watt en Schlick Fest 2021 statt (WES21). Als erstes Festival überhaupt in Norddeutschland unter Corona-Bedingungen. Anders als das Watt en Schlick Fest 2020, das aufgrund der Corona Pandemie nur als bei Arte gestreamtes Ein-Tages- Festival fast ohne Gäste vor Ort stattfand, im Jahr 2021 wieder ganz real, vor Ort.
Das Watt en Schlick Fest fand 2021 als Modellprojekt des Landes Niedersachsen statt. Ein umfangreiches Hygienekonzept mit Teststrategie war Grundlage, das zahlreiche Maßnahmen vorsah.
Wesentlichster Schritt: Schnelltests ausnahmslos für sämtliche Beteilgten – Festival- Besucher*innen, Künstler*innen, Crews, Techniker, Aufbauhelfer, Ehrenamtler*innen, Lieferanten, Security usw. an allen Festival-Tagen.
„Für alle Besucherinnen und Besucher hieß das klipp und klar: Egal, ob geimpft oder genesen – jeder und jede macht täglich einen Test.“
Till Krägeloh, Initiator und Leiter des Watt en Schlick Fest
Zweite wesentliche Komponente: eine Exit-Strategie (de facto: sofortiger Abbruch des Festivals).
Die Tests mussten tagesaktuell = vom gleichen Tag sein (die normalerweise geltende 24-Stunden-Regel war aufgehoben). Tests mussten für alle erfolgen – egal ob ungeimpft, bereits geimpft oder genesen, jeder musste jeden Tag einen negativen Corona Test vom gleichen Tag vorlegen..
Ohne tagesaktuellen Test konnten weder Festivalgelände noch Campingplätze betreten werden. Dies bedeutete dass Festivalteilnehmer täglich neu einen Schnelltest vornehmen lassen mussten. Nur nach Vorliegen des (per QR-Code geprüften, digital übermittelten, per Bändchen jederzeit dokumentierten) Status ’negativ‘ war ein Betreten des Geländes möglich. Im Fall eines positiven Schnelltests wäre ein sofortiger PCR-Test in einem mobilen PCR-Test-Labor (Bus) direkt vor Ort erfolgt, einschließlich 3 Stundne Quarantäne der betroffenen Person direkt vor Ort (bis Vorliegen OCR-Befund).
Für die täglichen Tests standen am Festivalgelände und Campingplätzen sieben Testzentren zur Verfügung. Zudem galten die strengen Test-Regeln bereits vor Beginn in der Aufbau-Phase des Festivals.
Der tagesaktuelle Test wurde jeweils durch ein Bändchen am Handgelenk dokumentiert, das am Einlass kontrolliert wurde.
Nach dem Festival werden sämtliche Teilnemer angeschrieben. Sie werden um Ausfüllen eines Fragebogens gebeten, sowie um Durchführung eines weiteren Corona Schnelltests.
Corona Modelprojekt Watt en Schlick Fest 2021 – Ergebnisse
Während des Festivals wurde bei den Corona Tests kein einziges (0) positives Ergebnis festgestellt (auch kein falsch-positiver Befund).
Alle Teilnehmer, Künstler und sonstig Beteiligten wurden am 10.8.21 gebeten, im Rahmen einer Nachverfolgung nach zehn Tagen einen erneuten Corona Test vornehmen zu lassen und das Ergebnis mitzuteilen. 3.700 von über 5.000 angeschriebenen Teilnehmednen meldeten sich zurück (Rücklaufquote 75%). Der überwiegende Teil hatte sich erneut auf Corona testen lassen. Und alle Ergebnisse waren gegativ, keine einzige Corona Infektion wurde berichtet.
Auch in Zeiten der Coronavirus Pandemie können Festivals sicher stattfinden.Ohne Abstand, ohne Maske – unter Bedingungen wie beim Watt en Schlick Fest 2021. Das Watt en Schlick Fest 2021 und sein Corona Hygiene Konzept könnten so als Grundlage für zukünftige Kultur – Veranstaltungen dienen.
Für die Planung, Umsetzung und Auswertung des Corona Modellprojekts wurde der Mediziner und Gesundheitsökonom Dr. Nikolai von Schroeders als ‚Verantwortlicher Testkonzept‘ Mitglied des Teams des Watt en Schlick Fests 2021. Von ihm stammen Test- und Hygienekonzept des Festivals.
Die detaillierten Ergebnisse des Corona Modellprojekt Watt en Schlick Fest 2021 werden später veröffentlicht.
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Moidellprojekte zu Club – Öffnungen in Hannover und Berlin
Neben dem Watt en Schlick Fest 2021 sind bisher (Anfang August 2021) keine weiteren Festivals in Niedersachsen als Modellprojekt beantragt.
Zuvor hatte bereits im Juni / Juli 2021 in Hannover ein Festival als Modellprojekt stattgefunden unter dem Namen ‚back to dance‚. An vier Terminen (zwei mit, zwei ohne Maske) konnten bis zu 600 Personen teilnehmen. Hier wurden keine Infektionen beobachtet. Die Auswertung dieses Modellprojekts soll im August veröffentlicht werden.
In Berlin wurde im August 2021 im Rahmen des Projekts „Clubculture Reboot“ untersucht, ob mit optiomierten Testkonzepten Clubs wieder öffnen könnten. 2.110 Personen wurden im Pilotprojekt mittels PCR untersucht, dabei wurden 7 Corona Infektionen festgestellt (davon 3 ‚Altfälle‘, mehr als 10 Tage zurück liegende Infektionen). An der Nachverfolgung und Testung nach 7 Tagen nahmen 70% teil, alle Tests waren negativ.
40 Jahre Aids – die Aids-Krise wird längst auch zur Geschichte, die erzählt wird. Mit welchem Sprachgebrauch bei Aids ?
Bei der Beschreibung der Aids-Krise und ihrer Geschichte wird immer noch, auch 40 Jahre nach den ersten Berichten über Aids, auch auf eine militärische Metaphorik zurück gegriffen, auf Begriffe wie Krieg und Kampf. So spricht z.B. Rosa von Praunheim (schon 1990 wegen seiner moralinsauren Haltung z.B. in einer Aids-Trilogie Ziel von ACT UP Protesten) auch 2021 noch (als einzige der 10 interviewten Experten) in militärischer Metaphorik von „der Kampf ist noch nicht vorbei“ (in „Wir alle hatten Angst“, die 40-jährige Geschichte des HI-Virus, SZ Magazin Nr. 23 vom 11.6.2021).
Die Probleme dieser kriegerischen Metaphorik sind längst bekannt, Susan Sontag hat sie seziert. Ent- Militarisieren wir endlich unseren Sprachgebrauch bei Aids:
Krieg und Kampf – im Sprachgebrauch bei Aids auch nach 40 Jahren?
Beide Publikationen benutzten eine kühle sachliche Sprache – doch schon bald wurden die Berichte bildhafter. Bald wurde im Kontext von Aids von ‚Krieg‘ gesprochen, von ‚Invasion‘, von ‚Schlachten‘.
Und noch heute wird in Berichten über die Aids-Krise oft eine Sprache voll militärischer Metaphorik verwendet.
ACT UP und Therapieaktivismus – tatsächlich eine Schlacht um Medikamente?
Doch schon lange habe ich mich selbst erstaunt gefragt „Was war das für ein Jahr, das mich die Gleichsetzung von Aids und Krieg hinnehmen, vielleicht auch selbst sagen ließ?“ Und komme 2013 zu dem Schluss „‘Aids ist Krieg‘ – geht das? Nein. Die Formulierung ist nicht nur ‘ganz schön heftig’, sondern ziemlich daneben. Aus heutiger Sicht.“ Und deute sie im Nachhinein damals als „hilflosen Versuch, sich gegen Verharmlosung zu wehren, Schmerz und Angst auszudrücken„.
War Aids ein Krieg? Gab es einen Kampf, eine Schlacht um Medikamente?
Nein. Es war keine Schlacht um Medikamente. Es gab keinen Kampf, keine Feinde, keine Niederlagen und großen Siege, es ging nicht um Sieger und Verlierer.
Diese martialische Kriegs- Metaphorik halte ich für unangebracht und nicht zielführend . Sie hilft nicht zu verstehen was damals geschah. Sie scheint mir wie rhetorische Aufrüstung. Sie verhüllt Tatsachen, Probleme, Scheitern und kleinere Erfolge. Und bringt mit sich die Gefahr einer falschen Heroisierung, die die tatsächliche Situation verkennt.
Was wir brauchen sind Versuche die Geschichte von Aids und des Umgangs mit der Aids- Krise nüchtern, ehrlich und auch gefühlvoll darzustellen. Auch um daraus vielleicht lernen zu können.
Es war kein Krieg, es gab keine Schlacht. Es gab eine Seuche. Viele von uns erkrankten, viele starben. Wir erlebten Ignoranz und Gleichgültig. Es gab Interessen und Interessenkollisionen. Wir wollten leben und überleben. Dazu brauchten wir auch wirksame Medikamente. Darum ging es.
Sprachgebrauch bei Aids – Normalisierung auch in der Sprache
Eine Metapher (ein Wort oder Kombination von Wörtern mit bildhafter übertragener Bedeutung) ist ein attraktives Instrument. Sie ist bildhaft, kann einen Sachverhalt leichter verständlich machen. Damit beinhaltet sie jedoch auch die Gefahr zu stark zu vereinfachen.
Zudem: oft sind Metaphern mit einem Subtext versehen, mit versteckten Anspielungen oder Assoziationen. (Beispiel, ganz plump: Aids als ‚Strafe Gottes‘ darzustellen impliziert unausgesprochen ein Fehlverhalten, eine Schuld, die Notwendigkeit einer Sanktion, ein Stigma)
Gerade auch bei der Darstellung der Geschichte der Aids- Krise ist es wichtig mit Sprache bewusst umgehen. Nicht zu heroisieren (auch uns selbst, unser Engagement nicht). Sondern nüchtern, ehrlich und um Erkenntnis bemüht.
die Bedeutung der Sprache – Susan Sontag
Die 2004 verstorbene Publizistin und Essayistin Susan Sontag befasste sich 1989 in ‚Aids und seine Metaphern‘ (Aids and its metaphors) mit der Frage des Sprachgebrauchs bei Aids und seinen Hintergründen. Zuvor hatte sie sich bereits 1978 vor dem Hintergrund einer eigenen Krebs-Erkrankung in ihrem Buch ‚Krankheit als Metapher‘ (Illness as metaphor) damit auseinander gesetzt, wie Krankheit moralisch aufgeladen wird.
„disease is seen as an invasion of alien organisms, to which the body responds by its own military operations“ [‚Krankheit wird gesehen als Invasion fremder Organismen, auf die der Körper mit eigenen militärischen Operationen reagiert‘, Übers. UW]
Susan Sontag, Aids and its metaphors
Sie erkannte wie problematisch die Militarisierung der Sprache im Gesundheitsbereich ist. Welcher Zusammenhang mit einem ethischen Herangehen besteht – und mit der Gesellschaft in der wir leben.
„Indeed, the transformation of war-making into an occasion for mass ideological mobilization has made the notion of war useful as a metaphor for all sorts of ameliorative campaigns whose goals are cast as the defeat of an ‚enemy‘.“ [‚Die Verwandlung der Kriegsführung in eine Gelegenheit ideologischer Massen- Mobilisierung hat den Begriff des Krieges als Metapher für alle möglichen Arten von Verbesserungs-Kampagnen einsetzbar gemacht, die auf die Niederlage eines ‚Feindes‘ ausgerichtet sind.‘]
„Abuse of the military metaphor may be inevitable in a capitalist society, a society that increasingly restricts the scope and credibility of appeals to ethical principle, in which it is thought foolish not to subject one’s action to the calculus of self-interest and profitability.” [Womöglich ist der Missbrauch der militärischen Metapher unvermeidbar in einer kapitalistischen Gesellschaft, einer Gesellschaft die Umfang und Glaubwürdigkeit des Berufens auf ethische Prinzipien zunehmend einschränkt, und in der es für dumm gehalten wird, das eigene Handeln nicht an Eigennutz und Profit zu orientieren.]
Sontag zeigte auf, welche Reichweite diese Metaphorik hat – und über die Frage der Schuld welches Stigmatisierungs- Risiko:
„The metaphor implements the way particularly dreaded diseases are envisaged as alien ‚other‘, as enemies are in modern war, and the move from the demonization of the illness to the attribution of fault to the patient is an inevitable one, no matter if patients are thought of as victims. Victims suggest innocence. And innocenc, by the inexorable logic that governs all related terms, suggests guilt.“ [‚Die Metapher schafft eine Art und Weise, sich besonders gefürchtete Krankheiten als etwas fremdes ‚Anderes‘ vorzustellen, wie es Feinde im modernen Krieg sind, und der Übergang von einer Dämonisierung der Krankheit hin zu Schuldzuweisung an den Patienten ist unvermeidlich, egal ob Patienten als Opfer betrachtet werden. Opfer, das suggeriert Unschuld. Und Unschuld suggeriert, aufgrund der unerbittlichen Logik die alle verwandten Begriffe steuert, Schuld.‘]
Militär- Metaphorik im Sprachgebrauch bei Aids hat damit auch ihr eigenes Stigma-Vokabular im Gepäck. Und potenziell weitreichende Folgen: das Risiko von Repression statt Förderung des Gemeinwohls. Sontag hält sie für besonders ‚unappetitlich und entstellend‘:
„Not all metaphors applied to illnesses and their treatment are equally unsavory and distorting. The one I am most eager to see retired – more than ever since the emergence of AIDS – is the military metaphor. Its converse, the medical model of the public weal, is probably more dangerous and far-reaching in its consequences, since it not only provides a persuasive justification for authoritarian rule but implicitly suggests the necessity of state-sponsored repression and violence. But the effect of the military imagery on thinking about sickness and health is far from inconsequential. It overmobilizes, it overdescribes, and it powerfully contributes to the excommunicating and stigmatizing of the ill.“ [Nicht alle auf Krankheit und deren Behandlung angewendeten Metaphern sind gleichermaßen unappetitlich und entstellend. Am meisten – mehr denn je seit dem Aufkommen von AIDS – ersehne ich den Ruhestand für die militärische Metapher. Das Gegenteil, das medizinische Modell des Gemeinwohls, ist in seinen Folgen wahrscheinlich gefährlicher und weitreichender in seinen Konsequenzen, da es nicht nur eine überzeugende Rechtfertigung für autoritäre Herrschaft liefert, sondern implizit die Notwendigkeit staatlich geförderter Repression und Gewalt suggeriert. Aber die Wirkung militärischer Bilder auf das Denken über Krankheit und Gesundheit ist alles andere als belanglos. Sie übermobilisiert, übertreibt und trägt stark zur Ausschluß und Stigmatisierung der Kranken bei.“
Susan Sontag beschreibt als Ziel – übertragen auch im Sprachgebrauch bei Aids -schon damals
„To regard cancer as if it were just a disease – a very serious one, but just a disease. Not a curse, not a punishment, not an embarrasssement. Without ‚meaning‘.“ [‚Krebs so zu betrachten, als wäre es nur eine Krankheit – eine sehr ernste, aber nur eine Krankheit. Kein Fluch, keine Strafe, keine Peinlichkeit. Ohne ‚Bedeutung‘.‘]
Krankheit nicht moralisch deuten, nicht überhöhen – sondern als Krankheit sehen, ernst aber ohne eigene ‚Bedeutung‘. Gleiches gilt für das Engagement dagegen – weder Krieg noch Kampf, sondern Engagement und Ringen um gute Lösungen und Ergebnisse – weil wir überleben wollten.
Und wohin mit der Militär-Metaphorik?
„About the metaphor, the military one, I would say, if I may paraphrase Lucretius: Give it back to the war-makers.“ [‚Über die Metapher, die militärische, würde ich sagen, wenn ich Lukrez paraphrasieren darf: Gebt sie den Kriegstreibern zurück.‘]
Dem ist nichts hinzuzufügen, auch 2021 nicht.
Lasst uns bei der Beschreibung der Aids-Krise und ihrer Geschichte nüchtern berichten und gefühlvoll erzählen. Aber ohne Miliär- Metaphorik.
Distanz ist gegen unserer Natur – dies ist für mich eine der Erfahrungen der Corona-Zeit.
Distanz ist gegen unsere Natur
„Über eine Berührung kann ganz ohne Worte Vertrautheit oder Geborgenheit als basale Kommunikation zum Ausdruck gebracht werden.“
Prof. Matthias Riedel, Soziologe und Kognitionswissenschaftler, Berner Fachhochschule
Leben – das bedeutet mehr als Existieren oder gar bloßes Überleben. Selbstbverständlich ist Überleben Ziel und Grundvoraussetzung, und als solches wichtiges Ziel. Leben aber bedeutet mehr.
Berührung, Nähe sind vielleicht nicht „systemrelevant“ – aber sie sind lebensrelevant und für uns als Menschen existentiell.
virtuell ist nicht real
Virtuelle Kultur habe ich – gerade bei Konzerten – oft mehr als Kulturersatz wahrgenommen, als Entkörperlichung des Körperlichen.
Mit den Impfung gegen das Coronavirus stellt sich absehbar die Frage, ist eine weitere Einschränkung der Grundrechte für Geimpfte zulässig? Ist eine weitere Einschränkung von Grundrechten vertretbar?
Einige persönliche Gedanken zum Thema Corona Grundrechte Impfung …
(die folgenden Gedanken gehen von der Annahme aus, dass eine erfolgreich geimpfte Person nicht infektiös ist. Dies bestätigt seit April 2021 auch das RKI.)
Die Frage der Begründung
Grundrechtseinschränkungen sind immer die Ausnahme, die begründungspflichtige Ausnahme.
Ich muss nicht begründen warum ich meine Grundrechte ausüben will. Ich muss mich für die Wahrnehmung meiner Grundrechte nicht rechtfertigen.
Wer meine Grundrechte einschränkt, muss diese Einschränkung rechtfertigen und begründen.
Ich habe meine Freiheit, meine Grundrechte – sie auszuüben ist der Normalzustand, nicht die zu begründende Ausnahme. Sie wiederherzustellen sollte selbstverständlich sein.
Wer von ‚Impf-Privilegien“, „Vorteilen“ oder“Sonderrechten“ spricht (wie zu Beginn der Debatte zu Jahresbeginn Jens Spahn oder Karl Lauterbach) verkennt das Wesen von Grundrechten. Grundrechte sind keine Privileg. Ich habe sie.
Die Bezeichnung als ‚Privilegien‘ ist nicht nur wegen der Formulierung problematisch, sondern auch aufgrund der dahinter stehenden Haltung. Sie kann manipulativ eingestezt werden. Diese Rechte werden nicht etwa netterweise von einer Obrigkeit als Belohnung gewährt. Sie stehen mir per Verfassung zu.
„Es gibt nicht nur keinen Grund, es wäre aus meiner Sicht sogar verfassungswidrig, Gerimpften Freiheiten zu verwehren.“
Prof. Thorsten Kingreen, Lehrstuhl für öffentliuches Recht, Universität Regensburg in der SZ 10./11. April 2021
Auch Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, betont am 12. April 2021 individuelle Freiheitsbeschränkungen seien „rechtlich sehr schwierig durchzusetzen, wenn die Infektiösität wegfalle“.
Grundrechte sind keine Privilegien. Sondern jeder hat sie. Sie stehen jedem zu. Jedem, individuell, als Mensch bzw. als Staatsbürger.
Die Folge der Impfung ist nicht etwa die Gewährung von Vorteilen oder Privilegien – sondern die Rückkehr zur Normalität. Zur Normalität der Ausübung der Grundrechte.
Die Frage der Solidarität
Neben der rein auf mich bezogenen Sicht meiner Rechte als Individuum, als Mensch und Bürger gibt es auch die Ebene der gemeinsamen Interessen. Und damit auch die Frage der Solidarität. Des gemeinsamen Eintretens für gemeinsame Interessen.
Ja, aus Solidarität zum Beispiel weiterhin im öffentlichen Raum Masken zu tragen zum Infektionsschutz, auch wenn ich geimpft bin – das kann solidarisches Handeln sein. Solche Auflagen mögen vertretbar erscheinen.
(Nur nebenbei: wann wer geimpft wird, dies beruht nicht auf meiner freien Entscheidung. Nicht auf einem solidarischen Zurücktreten der später zu Impfenden zugunsten von Menschen mit höherem Risiko. Sondern rein auf einem Rechtsakt den Bürger zu befolgen hat. Auf einer Verordnung des Gesundheitsministers – der dann von Solidarität spricht, (s)eine rehtliche Entscheidung moralisch überhöht)
Aber der Besuch von Restaurants, von Museen, von Konzerten, von Tanz- und Theater-Aufführungen etc. – wie steht es da mit Solidarität?Solange nicht alle dies dürfen, darf es neimand? Was hätte das mit Solidarität zu tun?
Was wäre daran solidarisch nicht zu einem Konzert zu gehen (zu dem ich aus epidemiologischer Sicht gehen könnte da nicht infektionsrelevant)? Wem würde dadurch potenziell geschadet?
Der oder die Ungeimpfte hat ja nicht ein Quentchen mehr Rechte dadurch dass ich als Geimpfter etwa meine Rechte nicht zurück erhalte.Selbst-Kasteiung verkauft als Akt der Solidarität?
Durch was wäre für eine erfolgreich geimpfte Person ein weiteres Verbot Konzerte zu besuchen zu rechtfertigen? (Zumal ein ‚Ausgleich‘ erfolgen könnte, eine Möglichkeit der ‚Gleichstellung‘ durch Vorlage eines negativen Corona-Tests)
„Solidarität ist kein verfassungsrechtlich greifbarer Begriff, der irgendeine Form von Rechtfertigung bereithielte, um Geimpften ihre Freiheiten weiter vorzuenthalten.“
Tristan Barczak, Verfassungsrecht, in: Berliner Zeitung vom 9. April 2021
Zudem, Solidarität kann auch ‚andersherum‘ gedacht werden.
Gerade Künstler (und all diejenigen die dazu beitragen im Vorfeld, Backstage, im Büro, in der Technik …) gehören zu den Gruppen, die (erzwungenermaßen) in besonderem Ausmaß Solidarität zeigten. Indem sie komplett auf Auftritte verzichteten – weil es im Interesse der Gesellschaft war.
Ist es nun nicht auch ein Akt von solidarischer Unterstützung, dort wo vertretbar Konzerte zu ermöglichen, und damit eben auch den Besuch von Konzerten durch diejenigen, die kein Risiko für sich haben und kein Risiko für andere darstellen?
eine Phase des Übergangs
Angesichts der derzeit (Mitte Januar 2021) noch niedrigen Impfquote (erst recht derjenigen von Personen die beide Impfungen erhalten haben) mag diese Debatte verfrüht erscheinen und sich praktisch noch nicht stellen.
Doch spätestens wenn in nennenswertem Umfang Menschen erfolgreich geimpft sind, an Corona / COVID-19 nicht mehr erkranken können und das Virus auch nicht übertragen können, wird sich diese Frage drängender stellen.
Wir wären gut beraten, diese Frage frühzeitig offen und auf eine nicht moralisierende Weise zu diskutieren.(Konzertbesuch nur gegen Corona – Impf-Nachweis – Ticketverkäufer bereiten sich auf diese Möglichkeit bereits vor …)
Ja, es wird eine Übergangszeit, schrittweiser Lockerungen geben, geben müssen.
Aber mittelfristig wird sich die Abwägung zwischen Risiken und Infektionsschutz einerseits und Grundrechten und Freiheit andererseits deutlich verändern.
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