„Körper als Bio-Waffe“ – darf man, darf ein MdB, darf ein stellvertretender Vorsitzender des Medienausschusses so Menschen mit HIV bezeichnen?
Der SPD-Bundestagsabgeordneten Siegmund Ehrmann wird von der BILD-Zeitung (Ausgabe 17.04.2009) im Zusammenhang mit der Verhaftung einer Sängerin zitiert mit der Aussage
„Wenn jemand seinen Körper als Bio-Waffe einsetzt, ist umfassende Berichterstattung ein dringendes öffentliches Anliegen und wichtiger als die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.”
Die Aussage ist u.a. dokumentiert beim Medien-Journalisten Stefan Niggemeier (web.archive).
Herr Ehrmann ist seit 2002 Mitglied des deutschen Bundestags (SPD-Fraktion, direkt gewählt Krefeld II – Wesel II) und seit 2005 ordentliches Mitglied im Innenausschuss und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien.
Herr Ehrmann hat in einer auf den 23.4.2009 datierten schriftlichen Stellungnahme (pdf) seine Äußerungen inzwischen bestätigt.
In seiner Stellungnahme äußert Herr Ehrmann, er würde „die Formulierung ‚Körper als Biowaffe‘ … heute so nicht mehr verwenden, weil sich durch ihn die weit überwiegende Zahl der sich verantwortlich verhaltenden HIV-Infizierten diskreditiert werden können.“ Dies liege ihm fern.
Herrn Ehrmann scheint nicht daran zu liegen, seine Äußerung als falsch, unzutreffend oder politisch gefährlich zu bezeichnen. Sich zu entschuldigen. Bei der betreffenden Person, oder bei allen HIV-Infizierten. und sei es nur für Stigmatisierung und Diskriminierung.
Seine Entschuldigung lässt m.E. zudem den Schluss zu, dass Herr gegenüber HIV-Positiven, die sich nicht „verantwortlich verhalten“ (ohne zu erläutern, was das denn sei), diese Bezeichnung weiterhin für angebracht hält.
Paragraph 130 Absatz 1 Strafgesetzbuch lautet:
„Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Abgesehen davon, dass gerade von einem stellvertretenden Vorsitzenden des Medienausschusses ein umsichtigeres Umgehen mit Persönlichkeitsrechten und der öffentlichen Bezeichnung HIV-Infizierter erwartet werden kann: Ich fühle mich durch die Äußerungen von Herrn Ehrmann (‚Bio-Waffe‘) böswillig verächtlich gemacht und in meiner Menschenwürde angegriffen. Die Bezeichnung von HIV-Positiven als ‚Bio-Waffe‘ ist eindeutig geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
Aus diesem Grund habe ich heute Strafanzeige wegen Verdachts der Volksverhetzung gem. StGB gestellt.
Ein Bekannter schrieb mir heute folgende Gedanken:
Wie werden es nicht mehr zulassen das man uns weiterhin stigmatisiert, diskriminiert und kriminalisiert. Wir werden es nicht mehr zulassen das die Medien weiterhin unsere Würde mit den Füßen treten. Wir werden es nicht mehr zulassen das die Medien sich zum Sprachrohr derjenigen machen die HIV Positive als Virenschleudern und Bio Waffen bezeichnen. Wir werden es nicht mehr zulassen das die Medien über uns Mythen und Lügen erzählen, das die Medien die Wahrheit verzerren.
Ich bin das Schweigen leid, also werde ich darüber sprechen. Und ich will, das auch Ihr darüber sprecht.
Ich kann nur sagen, er hat mir aus der Seele gesprochen …
siehe auch:
Andreas Bemeleit 21.05.2009: “Biowaffe Mensch” – unbeantwortete Fragen
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Nachtrag 12. Juni 2009:
Am 24. April 2009 hatte ich aufgrund seiner Äußerungen via Internetwache gegen Herrn Ehrmann Strafanzeige wegen Verdachts der Volksverhetzung gem. StGB gestellt.
Gestern, am 11.6.2009, traf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin ein. Wie bereits erwartet teilte sie mit, man habe das Ermittlungsverfahren eingestellt. Es bestehe kein Anlass, in strafrechtliche Ermittlungen einzutreten:
„Die von Ihnen geschilderte Äußerung des Beschuldigten mag auf Unverständnis und Befremden stoßen, eine strafrechtliche Relevanz hat die Äußerung jedoch nicht.“
Die Äußerung sei
„vor dem Hintergrund, vor dem sie gefallen ist, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt“.
Ich schätze unser Grundgesetz und seine Grundrecht, auch das auf freie Meinungsäußerung. Ich kann mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft leben.
Die Äußerung Ehrmanns empfinde ich allerdings weiterhin als prekär und bestürzend, auch nach seiner seltsamen ‚Klarstellung‘ (pdf). Bestürzend besonders auch, da sie von einem Politiker stammt, und zudem nicht einem mit Medien wenig erfahrenen Politiker, sondern dem stellvertretenden Vorsitzenden des Medienausschusses.
Und wie diese Äußerung mit seiner kirchlichen Tätigkeit vereinbar ist, wird wohl auch sein Geheimnis bleiben …
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Text 22. März 2017 von ondamaris auf 2mecs