ACT UP Köln war ab 1990 Teil der deutschen ACT UP Gruppen, führte eigene lokale Aktionen durch und beteiligte sich an Deutschland-weiten ACT UP Aktionen.
Dies ist der dritte Teil der Mini-Serie Ullis ACT UP Erinnerungen. Im ersten Teil habe ich über die Entstehung von ACT UP in Deutschland geschrieben, im zweiten Teil über ACT UP in Deutschland.
ACT UP Köln bzw. zeitweise ACT UP Köln/Bonn wurde im März 1990 gegründet, von einem kleinen Kreis überwiegend HIV-positiver Menschen im Anschluss an eine spontanen größeren Aktion:
ACT UP Köln – Gründung
Jean Claude Letist, Schwulen-Aktivist und Doyen der Kölner Schwulenbewegung, war am 28. Februar 1990 an den Folgen von Aids gestorben. Das lokale (beinahe Monopol-) Medienorgan weigerte sich jedoch, eine Traueranzeige erscheinen zu lassen, die das Wort „schwul“ enthielt (wenn ich mich recht erinnere, sollte der Text u.a. lauten „Ein bewusst schwules Leben ging zuende.„) Nach langen Protesten kam aus der Chefredaktion der ‚Kompromissvorschlag‘ „homosexuell“ – dass sie damit genau das entwerteten, was wir hervorheben wollten, war ihnen vielleicht nicht klar. Empört versammelte sich eine große Menge Schwuler und Lesben vor dem Verlagsgebäude, das sich damals noch in der Kölner Innenstadt befand. Ein Teil von ihnen machte eine Aktion in Form eines ‚Die-Ins‘ vor dem Eingang. Es kam zu einem Gespräch einer kleinen Gruppe mit Verleger und Chefredaktion – und die Traueranzeige erschien schließlich doch so wie von uns beabsichtigt.
Kurze Zeit später traf sich die Kölner ACT UP Gruppe erstmals – mein Kalender vermerkt ein erstes Treffen am 15. März 1990 (drei Tage nach der Trauerfeier für Jean-Claude, die am Nachmittag des 12. März stattfand). Für mich selbst war dies im wesentlichen der Beginn meines aidspolitischen Engagements. Vorher hatte ich mich jahrelang in Schwulenbewegungen engagiert, zuletzt besonders im Kölner Schwulen- und Lesbenzentrum SCHuLZ und dort zuletzt 1989/90 bei der Organisation der ‚Antifa-Reihe‘ „Gewalt gegen Schwule und Lesben – Nährboden für Faschismus?„.
Mitstreiter/innen und Aktionen
Mitstreiter/innen bei ACT UP Köln (bzw. Köln/Bonn) waren überwiegend schwule Männer im Lebensalter von Anfang 20 bis Ende 40 (größtenteils, aber nicht alle HIV-positiv). Unter ihnen der frühere Wirt der legendären Kölner Disco ‚Pimpernel‘ Jochen Saurenbach [3], und eine lesbische Frau, regelmäßigen Austausch hatten wir mit einem HIV-positiven Hämophilen. Bis auf sporadischen Gedankenaustausch ist es uns nie gelungen, Drogengebraucher/innen für ACT UP zu gewinnen.
ACT UP beteiligte sich an Protesten gegen geplante Kürzungen der Stadt Köln im Aids-Bereich, u.a. mit einem ‚Die-In‘ von 30 Positiven und Aids-Kranken, um (erfolgreich) ein Gespräch mit der Gesundheits-Dezernentin zu fordern; ein ‚Stein des Anstoßes‘ wurde durch die Innenstadt vor das Rathaus gerollt [2]. ACT UP Köln äußerte seine (kritische) Meinung zu Rosa von Praunheims Aids-Trilogie (bzw. der moralinsauren Haltung darin), als Praunheim im Mai 1990 in Köln war. Engagierte sich beim „Tag des positiven Coming Outs“ (SCHULZ 1991).
Die Kölner ACT UP Gruppe beteiligte sich an den bundesweit koordinierten Aktionen von ACT UP, so insbesondere am ‚Marlboro-Boykott‘ (sehr erfolgreich, nach intensiven Gesprächen führte bald nahezu keine schwule Kneipe in Köln mehr Zigaretten des Herstellers), an den ACT UP Protesten im Dom zu Fulda, an Aktionen auf dem 3 Deutschen Aids-Kongress 1990 in Hamburg und auf dem 4. Deutschen Aids-Kongress 1992 in Wiesbaden.
Und ACT UP Köln beteiligte sich an den Bundesweiten ACT UP Treffen und war schon im November 1990 erstmals selbst Gastgeber, und an den europaweiten Treffen (ich nahm u.a. an mehreren Treffen in Brüssel und Paris teil). Auflistung der Termine dieser Treffen ACT UP in Deutschland.
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ACT UP Köln – wärmer leben: der Versuch der Fusion von schwulem und Aids-Aktivismus
ACT UP Köln war nie ’nur‘ ACT UP – sondern immer ‚mit Untertitel‘. Einige ACT UP – Gruppen trugen ‚Untertitel‘, so die Berliner: ‚ACT UP – Feuer unter’m Arsch‘. Die Kölner Gruppe nannte sich ‚ACT UP Köln – wärmer leben‘, und dieser Untertitel sollte programmatischen Anspruch ausdrücken. Wir wollten neben dem hauptsächlichen Augenmerk HIV und Aids auch schwulen Realitäten mit thematisieren.
Mit diesem Untertitel griffen wir eine Formulierung von Joachim Schönert [1] auf, der 1982 einen Text unter dem Titel „wärmer leben – eine sexuelle alternative?“ veröffentlicht hatte. ‚Vater des Gedankens‘ war vielleicht auch eine ‚Schwule Zukunftswerkstatt‘, an der ich teilgenommen hatte, und die sich mit „schwulen Utopien für Köln“ beschäftigte.
„Wärmer leben“ – Realität des Handelns bzw. der Aktionen der Gruppe war dieser Untertitel nur in der frühen Phase von ACT UP Köln. In der ersten Phase versuchten wir, Alternativen schwulen Lebens und Aids-Politik gleichberechtigt als Themen und Inhalte von ACT UP Aktionen zu haben. Zum Beispiel mit einer „Aufforstungs-Aktion“, nach einem Kahlschlag des Gartenbauamts am beliebten Kölner Cruising-Gebiet ‚Aachener Weiher: am 1. Mai 1990 veranstaltete ACT UP daraufhin die Aktion „Den Aachener Weiher begrünen“:
ACT UP begrünt den Aachener Weiher (1990) – Fotos
Doch dieses Miteinander schwuler und Aids-Themen hielt nicht lange an. Schnell gewannen auch bei uns (wie bei den anderen ACT UP Gruppen) die Aids-Themen eindeutig die Oberhand. Wir konnten eine kritische lokale Schwulenbewegung nicht ersetzen. Und wir wollten es auch zunehmend nicht – HIV, auch (überwiegend) unser eigenes HIV brannte uns viel zu sehr unter den Nägeln.
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Aids-Aktivismus in Köln vor ACT UP
ACT UP Köln fiel nicht vom Himmel – schon in Zeiten vor Gründung von ACT UP gab es Aktionen zivilen Ungehorsams als Protestaktionen, unter großer Beteiligung HIV-Positiver.
So am 5. Mai 1988, zu einer Zeit als in Deutschland die Debatte um die weitere Richtung der Aids-Politik geführt wurde. Peter Gauweiler, damals Staatssekretär im Bayrischen Innenministerium und Exponent der ‚Hardliner‘-Position in der Aids-Politik, besuchte eine Veranstaltung der lokalen CDU im beschaulich-wohlhabenden Kölner Nachbarort Rösrath. Und mehr als hundert Demonstranten, Schwule, Lesben, Aktive in Aidshilfe, Positive, demonstrierten vor Ort in Rösrath gegen Peter Gauweiler.
Zwar gelang es uns nicht, die Anreise von Gauweiler zu verhindern. Aber die lautstarken Proteste waren, so war anschließend zu hören, auch im Versammlungssaal deutlich wahrzunehmen. Und nach Veranstaltungsende konnte die Abfahrt Gauweilers mit Straßenblockaden vor dem Veranstaltungsort verzögert werden, es kam zu zahlreichen vorläufigen Festnahmen durch die Polizei (die uns dann auf eine möglichst weit vom Ort des Geschehens entfernte Wache brachte).
Aktionen dieser Art waren zwar in Köln im Aids-Bereich nicht häufig, aber es gab sie, auch vor ACT UP.
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Unterlagen von ACT UP Köln befinden sich heute im CSG Centrum schwule Geschichte, Köln (Dank an Reinhard für den Hinweis – ich hab da ja auch Unterlagen hingegeben …).
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Anmerkungen:
[1] Joachim Schönert: „wärmer leben – eine sexuelle alternative?“, Selbstverlag, Wiesbaden 1982 (antiquarisch erhältlich)
[2] vgl. Reinhard Klenke: Rede zum Jubiläumsempfang aus Anlass von 15 Jahren Kölner Lesben- und Schwulentag am 25. November 2006 (pdf)
[3] vgl. Box-Interview mit Jochen Saurenbach
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ACT UP Erinnerungen:
1. Entstehung von ACT UP
2. ACT UP in Deutschland
3. ACT UP Köln
4. ACT UP Deutschland und die USA
5. ACT UP Proteste im Dom zu Fulda
6. Das Ende von ACT UP in Deutschland
7. nach ACT UP – was bleibt?
Diese kleine Mini-Serie bildet nur meine persönlichen Erinnerungen an meine ACT UP Zeit ab. Ich freue mich sehr über Anmerkungen, Korrekturen, Ergänzungen – ob per Kommentar oder persönlicher Nachricht!
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