Vom 9. bis 12. Juni 1983 traf sich in Denver eine Gruppe AIDS-Kranker (diesen Namen hatte die Krankheit die sie hatten damals allerdings noch nicht) während des Jahrestreffens der US-amerikanischen ‚National Gay and Lesbian Health Conference‘. Erstmals waren damit Aids-Kranke nicht nur Gegenstand von Diskussionen, sondern direkt selbst beteiligt.
Kategorie: HIV/Aids
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Am 1.12.1994 verabschiedeten die die Staats- und Regierungs-Chefs von 42 Staaten eine Erklärung zu HIV / Aids. Für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer das Dokument. Diese ‚Paris Declaration‘ (als Dokumentation deutschsprachiger Text hier: „Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG“) gilt als das zentrale Grundlagen-Dokument auch zur Beteiligung von HIV-Positiven an sie betreffenden Entscheidungen (GIPA – greater involvement of people with HIV / Aids).
Guido Vael war bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei – als Mitglied der deutschen Delegation. Im Interview berichtet er, wie es dazu kam.
Guido Vael engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in Schwulen- und Aids-Bewegungen, war u.a. Mit-Organisator des ersten CSD in München 1980 und engagierte sich Ende der 1980er Jahre gegen den ‚Bayrischen Maßnahmen-Katalog‘. Von 1990 bis 1999 war Guido Vael Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe. Der gebürtige Belgier ist seit 15 Jahren Leiter des Projekts Prävention im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum SUB e.V. in München. Vael wurde für sein langjähriges Engagement u.a. mit der Medaille ‚München leuchtet!“ ausgezeichnet.
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Guido, wie kam es dazu, dass du bei der Unterzeichnung der ‚Paris Declaration‘ dabei warst?
Der damalige Bundesgesundheitsminister Seehofer hat einige Leute, die im AIDS-Bereich tätig sind dazu eingeladen. Es waren Mitarbeiter/-innen aus staatlichen Beratungsstellen und NGOs. Wenn ich mich richtig erinnere ging auch eine Einladung an die DAH und ich bin dann als damaliges Mitglied des Vorstands mitgefahren. Meine Vorstandskollegen haben mir wohl den Vortritt gelassen weil ich auch in Bayern aktiv war und Herrn Seehofer bereits kannte von den Ministergesprächen und den Münchner AIDS-Tagen.
Wie kam es zur Entstehung der Erklärung, in welchem Umfeld entstand sie?
Die Erklärung wurde auf die sog. unteren Arbeitsebenen vorbereitet und auch fertig gestellt. Die Regierungsvertreter haben sich in Paris getroffen, „nur“ zum Unterzeichnen. Am Vormittag gab es eine Reihe von Ansprachen u.a vom UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, vom damaligen Leiter von UNAIDS und Regierungsvertretern der sog. Dritten Welt. Ich glaube mich auch an eine bewegende Rede einer HIV-positiven Frau aus Afrika erinnern zu können, die die Notwendigkeit einer globalen, konzertierten Aktion betonte. Die Delegationen saßen dabei wie in einer großen Hörsaal. Mittags gab es ein nobles Essen. Das gehört wohl bei solchen Veranstaltungen dazu. Nachmittags hat Seehofer die Delegation verlassen, um die feierliche Unterschrift zu leisten.
Ich habe einige gute und angenehme Gespräche mit Seehofer führen können, z.B. zum Gesundheitssystem in Deutschland, und ihn als problembewusster Fachmann geschätzt.
Und wie siehst du die Bedeutung der ‚Paris Declaration‘ heute? Welche Bedeutung hat sie, welche könnte sie haben?
Ich denke, dass die Erklärung ein wichtiger und notwendiger Schritt war. Gerade weil auch Diskriminierung und Ausgrenzung darin angesprochen wurde und das Recht auf medizinische Versorgung betont wurde.
Die Geschichte zeigt aber, dass gerade die westlichen Länder ihr Versprechen in meinen Augen ungenügend eingehalten habe. Es stünde auch die Bundesregierung gut an, sich auf die Erklärung zu besinnen. Es soll nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Es gibt in vielen Ländern immer noch die Diskriminierung und Ächtung/Ausgrenzung. In vielen Ländern wird HIV/AIDS zu wenig ernst genommen. Eine flächendeckende medizinische und soziale Versorgung ist auch 16 Jahren nach der Pariser Erklärung immer noch nicht erreicht worden.
Lieber Guido, vielen Dank für das Interview!
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Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG
Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)
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Erklärung von Paris (Paris declaration) – Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”) – dies betont das “ GIPA Prinzip ” – Greater Involvment of People with HIV and Aids.
Das GIPA-Prinzip wurde am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‘Paris Aids Summit’. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‘Paris Declaration‘.
Die Erklärung von Paris ist eine der wesentlichen Grundlagen der Community-Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids.
Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.
GIPA : Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung des BMG:
Erklärung von Paris
Pariser AIDS-Gipfel – 1. Dezember 1994
(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheits-Ministeriums)
Wir, die Regierungschefs der Vertreter der 42 Staaten, die sich am 01. Dezember 1994 in Paris versammelten:
I. In der Erwägung,
- dass die AIDS-Pandemie aufgrund ihres Ausmaßes eine Gefahr für die Menschheit darstellt,
- dass ihre Ausbreitung sämtliche Gesellschaften betrifft,
- dass sie die soziale und wirtschaftlich Entwicklung erschwert, insesondere die der am meisten betroffenen Länder, sowie das Gefälle innerhalb und zwischen den Ländern vergrößert,
- dass Armut und Benachteiligung begünstigende Faktoren für die Ausbreitung der Pandemie darstellen,
- dass HIV/AIDS Familien und Gemeinschaften nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt,
- dass die Pandemie alle Menschen ohne Unterschiede betrifft, dass jedoch Frauen, Kinder und Jugendliche in zunehmendem Maße infiziert werden,
- dass sie nicht nur die Ursache für körperliches und seelisches Leid ist, sondern auch oft als Rechtfertigungsgrund für die schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte angeführt wird,
Und in der Erwägung,
- dass Hemmnisse jeglicher Art – seien sie kultureller, rechtlicher,wirtschaftlicher oder politischer Natur – die Bemühungen um Aufklärung, Prävention, Versorgung sowie Unterstützung erschweren,
- dass die HIV/AIDS-Präventions-Versorgungs und -Unterstützungsstrategien voneinander untrennbar sind und daher einen wesentlichen Bestandteil bei einem effektiven und umfassenden Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie darstellen müssen,
- dass neue örtliche, nationale und internationale Formen der Solidarität aufkommen, die insbesondere mit HIV/AIDS lebende Menschen sowie gemeindenahe Organisationen miteinbeziehen,
II. Erklären feierlich
- unsere Pflicht als politische Verantwortliche, der HIV/AIDS-Bekämpfung Priorität einzuräumen,
- unsere Pflicht, mitfühlend und solidarisch mit den HIV-infizierten oder
ansteckungsgefährdeten Menschen sowohl in unseren Gesellschaften als auch auf internationaler Ebene zu handeln, - unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass alle mit HIV/AIDS lebenden Menschen ihre Grund-und Freiheitsrechte ohne Unterschied und unter allen Umständen in vollem und gleichem Umfang wahrnehmen können,
- unsere Entschlossenheit, Armut, Stigmatisierung und Benachteiligung zu bekämpfen,
- unsere Entschlossenheit, die gesamte Gesellschaft – den öffentlichen und den privaten Sektor, gemeindenahe Organisationen sowie mit HIV/AIDS lebende Menschen zu einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu mobilisieren,
- unsere Wertschätzung und Unterstützung für die Maßnahmen und die Arbeit multilateraler, zwischenstaatlicher, nichtstaatlicher und gemeindenaher Organisationen sowie unsere Anerkennung ihrer wichtigen Funktion in der Bekämpfung der Pandemie,
- unsere Überzeugung, dass nur ein energischeres und besser koordiniertes Vorgehen weltweit über einen längeren Zeitraum – wie z. B. die in Angriff zu nehmende Maßnahme im Rahmen des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS – die Pandemie stoppen kann,
III. Verpflichten uns in unseren nationalen Politiken,
- die Rechte von Einzelpersonen, insbesondere der mit HIV/AIDS lebenden oder ansteckungsgefährdeten Menschen, durch rechtliche und soziale Rahmenbedingungen zu schützen und zu fördern,
- nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen sowie mit HIV/AIDS lebende Menschen in die Ausarbeitung Umsetzung öffentlicher Maßnahmen umfassend einzubeziehen,
- einen einheitlichen, rechtlichen Schutz für mit HIV/AIDS lebende Menschen im Hinblick auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung, zum Reisen, zu Wohnraum und zur Sozialfürsorge sicherzustellen,
- die folgenden wesentlichen Ansätze zur Prävention von HIV/AIDS zu intensivieren:
- Förderung von und Zugang zu verschiedenen kulturell annehmbaren Präventionsstrategien und- produkten, einschließlich Kondomen und der Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten,
- Förderung einer geeigneten schulischen und außerschulischen Präventionsaufklärung für Jugendliche, einschließlich der Sexualaufklärung und des Unterrichts zu Gleichstellungsfragen,
- Verbesserung der Stellung, der Bildung und der Lebensbedingungen von Frauen,
- spezifische Risikominderungsmaßnahmen für und in Absprache mit den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie, z. B. jene, für die eine erhöhte Gefährdung durch sexuelle Übertragung besteht, und dem Bevöklerungsanteil mit Migrationshintergrund,
- die Sicherheit von Blut und Blutprodukten,
- Stärkung der Systeme der Basisgesundheitsversorgung als Grundlage für Prävention und Versorgung sowie Integration von HIV/AIDS-Maßnahmen
in diese Systeme zur Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu einer umfassenden Fürsorge, - Bereitstellung notwendiger Ressourcen zur besseren Bekämpfung der Pandemie, einschließlich einer ausreichenden Unterstützung für mit HIV/AIDS lebenden Menschen sowie für nichtstaatliche und gemeindenahe Organisationen, die mit gefährdeten Bevölkerungsgruppen arbeiten.
IV. Sind entschlossen, die internationale Kooperation durch die folgenden Maßnahmen und Initiativen zu stärken:
Dies können wir erreichen durch unser Engagement und unsere Unterstützung hinsichtlich der Entwicklung des Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS, das den geeigneten Rahmen zur Verstärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten bietet sowie als Orientierungshilfe und zur weltweiten Führung im Kampf gegen HIV/AIDS dient. Der Anwendungsbereich jeder einzelnen Initiative sollte genauer definiert und im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Programm und anderen geeigneten Programmen weiterentwickelt werden:
- Zur Unterstützung einer stärkeren Einbeziehung der mit HIV/AIDS lebenden Menschen durch eine Initiative zur Stärkung der Kapazitäten und der Koordinierung von Netzwerken der mit HIV/AIDS lebenden Menschen und gemeindenaher Organisationen. Durch die Sicherstellung ihrer umfassenden Einbeziehung in unsere gemeinsame Reaktion auf die Pandemie auf allen nationalen, regionalen und internationalen Ebenen wird diese Initiative insbesondere die Schaffung hierfür unterstützender politischer, rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen befördern.
- Zur Förderung der weltweiten Zusammenarbeit in der HIV/AIDS-Forschung durch die Unterstützung nationaler und internationaler Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor zur Beschleunigung der Entwicklung von Präventions- und Behandlungstechnologien, einschließlich Impfstoffen und Mikrobiziden sowie zur Gewährleistung der notwendigen Maßnahmen, die deren Verfügbarkeit in den Entwicklungsländern sicherstellen sollen. Dieses gemeinsame Vorgehen sollte die flankierende Sozial-und Verhaltensforschung einschließen.
- Zur Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit in der Blutsicherheit im Hinblick auf die Koordinierung technischer Angaben, das Entwerfen von Standards für eine gute Herstellungspraxis für sämtliche Blutprodukte sowie die Förderung der Einrichtung und Umsetzung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Blutsicherheit in allen Ländern.
- Zur Förderung einer weltweiten Versorgungsinitiative zur Stärkung der nationalen Kompetenz der Länder, insbesondere derer, die am meisten benachteiligt sind, zur Sicherstellung des Zugangs zu einer umfassenden Versorgung und sozialen Einrichtung sowie Grundarzneimitteln und bestehenden Präventionsmethoden.
- Zur Mobilisierung örtlicher, nationaler und internationaler Organisationen, zu deren gewöhnlichen Tätigkeiten auch die Hilfe für die von HIV/AIDS betroffenen oder ansteckungsgefährdeten Kinder und Jugendlichen, einschließlich Waisen, zählt, um eine weltweite Partnerschaf zur Reduzierung der Auswirkungen der HIV/AIDS Pandemie auf Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt zu fordern.
- Zur Unterstützung von Initiativen zur Reduzierung der Anfälligkeit von Frauen für HIV/AIDS durch die Förderung nationaler und internationaler Bemühungen zur Stärkung der Rolle der Frau: durch Verbesserung ihrer Stellung und Beseitigung ungünstiger sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Faktoren; durch die Sicherstellung ihrer Beteiligung an sämtlichen, sie betreffenden Entscheidungs- und Umsetzungsprozesssen sowie durch die Schaffung neuer Verbindungen und die Stärkung der Netzwerke zur Förderung der Frauenrechte.
- Zur Stärkung nationaler und internationaler Mechanismen im Hinblick auf Menschenrechte und ethische Fragen im Bereich HIV/AIDS, einschließlich der Inanspruchnahme eines Fachgremiums sowie nationaler und regionaler Netzwerke zur Gewährleistung der Führung, Überzeugungsarbeit und Orientierungshilfe, um sicherzustellen, dass die Nichtdiskriminierung, die Menschenrechte und die ethischen Grundsätze einen wesentlichen Bestandteil des Vorgehens zur Eindämmung der Pandemie darstellen.
Wir bitten alle Länder und die internationale Staatengemeinschaft eindringlich, die für die oben genannten Maßnahmen und Initiativen notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
Wir fordern alle Länder, die Verantwortlichen des zukünftigen Gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/AIDS sowie seine sechs Mitgliedsorganisationen und Programme auf, alle möglichen Schritte zur Umsetzung dieser Erklärung in Abstimmung mit multilateralen und bilateralen Hilfsprogrammen sowie zwischenstaatliche und nichtststaatlichen Organisationen zu unternehmen.
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(nichtamtliche Übersetzung des Bundesgesundheitsministeriums, via alivenkickin – danke!)
Pariser Erklärung vom 1.12.1994 auch als pdf: Pariser Erklärung 1994 Seite 1, Pariser Erklärung 1994 Seite 2, Pariser Erklärung 1994 Seite 3.
Das Original: UNAIDS – The Paris Declaration: Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)
“Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig” – mit diesem zentralen Satz stellt im Jahr 2000 die Durban Declaration klar, dass HIV die Ursache von Aids ist, und die Thesen der so genannten ‘Aids-Leugner’ keine Grundlage haben.
„Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig“ – mit diesem zentralen Satz stellte im Jahr 2000 die Durban Declaration klar, dass HIV die Ursache von Aids ist – und die Thesen der so genannten ‚Aids-Leugner‘ keine Grundlage haben.
„Es ist ein Unglück, dass eine Handvoll lautstarker Protagonisten nicht müde wird, die Beweise zu bestreiten. Diese Position wird unzählige Menschenleben kosten.„
Die ‚Durban Declaration‘, entworfen von einer Arbeitsgruppe aus über 250 Wissenschaftlern, wurde am 6. Juli 2000 im Wissenschaftsmagazin ‚Nature‘ erstveröffentlicht. Über 5000 Personen unterzeichneten die Erklärung, darunter 11 Nobelpreisträger sowie die Direktoren oder Präsidenten internationaler Forschungs- Organisationen wie der National Academy of Science (USA), der britischen Academy of Medical Sciences, das Institute Pasteur, oder die Max-Planck-Institute. Wissenschaftler aus der Pharmaindustrie waren an Entstehen und Unterzeichnung der Durban Declaration nicht beteiligt.
Als Dokumentation die „Durban Declaration“, entstanden anlässlich der 13. Internationalen Aids-Konferenz, die im Juli 2000 in Durban / Südafrika stattfand:
HIV ist die Ursache von Aids – Dokumentation: Deklaration von Durban (2000)
Siebzehn Jahre nach der Entdeckung des menschlichen Immunschwäche-Virus HIV treffen sich Tausende von Menschen aus der ganzen Welt in Durban, Südafrika, um an der 13. Internationalen Aids-Konferenz teilzunehmen.
Zum Beginn des neuen Jahrtausends leben weltweit schätzungsweise 34,3 Millionen Menschen mit HIV oder Aids, davon 24,5 Millionen in Afrika südlich der Sahara (1). Allein im letzten Jahr sind 2,8 Millionen Menschen an Aids gestorben. Das ist die höchste Rate seit dem Ausbruch der Epidemie.
Wenn der aktuelle Trend sich fortsetzt, werden Süd- und Südostasien, Südamerika sowie Gebiete der früheren Sowjetunion in den nächsten zwei Jahrzehnten eine schwere Last zu tragen haben.
Aids verbreitet sich wie viele andere Krankheiten, die wie Tuberkulose und Malaria besonders in unterprivilegierten und verarmten Gemeinschaften zu Siechtum und Tod führen, durch Infektion.
Bei HIV-1, das für die AIDS-Pandemie verantwortlich ist, handelt es sich um ein Retrovirus, das in enger Beziehung zu einem Affen-Immunschwächevirus (SIV) steht, das Schimpansen infiziert.
HIV-2, das in Westafrika prävalent ist und sich bis nach Europa und Indien ausgebreitet hat, ist kaum zu unterscheiden von einem SIV, das Schwarze Mangaben infiziert.
Obwohl HIV-1 und HIV-2 zunächst als Zoonosen in Erscheinung traten (2), d.h. Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden, verbreiten sich beide heute unter Menschen durch sexuellen Kontakt, von der Mutter auf das Kind und über kontaminiertes Blut.
Ein tierische Quelle für eine Infektion ist keine Besonderheit von HIV. Ratten brachten die Pest und Vögel die Grippe. Das neue Nipah-Virus in Südostasien erreichte den Menschen über das Schwein.
Fälle von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit in Großbritannien waren identisch mit dem ‚Rinderwahnsinn‘.
Als HIV erst einmal im Menschen war, passte es sich bald an dessen Gewohnheit und Mobilität an. Wie viele andere Viren auch kennt HIV keine sozialen, politischen oder geografischen Grenzen.
Der Nachweis, dass AIDS von HIV-1 oder HIV-2 verursacht wird, ist klar, erschöpfend und eindeutig und entspricht höchsten wissenschaftlichen Standards (3-7). Die Daten erfüllen genau die gleichen Kriterien wie die über andere Viruserkrankungen wie Polio, Masern und Pocken:
- Patienten mit dem erworbenen Immunschwäche-Syndrom sind unabhängig davon, wo sie leben, mit HIV infiziert (3-7).
- Unbehandelt zeigen die meisten Menschen mit einer HIV- Infektion innerhalb von 5-10 Jahren Zeichen von Aids (6, 7). Der Nachweis von HIV im Blut erfolgt durch den Nachweis von Antikörpern, von Gen-Sequenzen oder durch eine Isolierung von Viren. Diese Tests sind genauso zuverlässig wie beliebige, zum Nachweis anderer Virus-Infektionen angewendete Tests
- Personen, die HIV-kontaminiertes Blut bzw. Blutprodukte erhalten, bilden Aids aus, während dies bei Personen, die nicht verseuchtes bzw. kontrolliertes Blut erhalten, nicht der Fall ist (6).
- Die meisten Kinder, die Aids ausbilden, wurden von HIV-infizierten Müttern geboren. Je höher die Viruslast in der Mutter, desto größer ist das Risiko für das Kind, infiziert zu werden (8).
- Im Labor infiziert HIV genau die Art von weißen Blutzellen (CD4-Lymphozyten), die sich bei Menschen mit Aids erschöpft (3-5).
- Medikamente, die die Replikation von HIV im Reagenzglas hemmen, reduzieren auch die Viruslast im Menschen und halten das Fortschreiten der Infektion zu Aids auf. Die Behandlung hat dort, wo sie verfügbar ist, die Aids-Sterblichkeit um mehr als 80% reduziert (9).
- Affen, denen geklonte SIV-DNA injiziert wurde, infizierten sich und bildeten Aids aus (10).
Weitere unwiderlegbare Daten sind verfügbar (4). HIV verursacht Aids (5). Es ist ein Unglück, dass eine Handvoll lautstarker Protagonisten nicht müde wird, die Beweise zu bestreiten. Diese Position wird unzählige Menschenleben kosten.
In verschiedenen Regionen der Welt kann HIV/Aids veränderte Ausbreitungsmuster und Symptome aufweisen. In Afrika beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit für mit HIV infizierte Personen, innerhalb von 5 Jahren zu sterben, elfmal so hoch wie bei nicht infizierten Personen (7), und das Risiko, ein Kaposi-Sarkom auszubilden, d.h. eine Krebsart, die in Beziehung zu einem anderen Virus steht, ist bei ihnen sogar 100-mal höher (11).
Wie bei anderen chronischen Infektionen ist das Erkrankungsrisiko von verschiedenen Faktoren abhängig. Unterernährte oder ältere Menschen, die bereits an anderen Infektionen leiden, neigen dazu, anfälliger für eine schnelle Ausbildung von Aids als Folge einer HIV-Infektion zu sein. Keiner dieser Faktoren schmälert jedoch die wissenschaftlichen Beweise, dass HIV die alleinige Ursache der Aids-Epidemie ist.
In dieser globalen Krise muss der Verhütung von HIV-Infektionen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit im Weltmaßstab oberste Priorität eingeräumt werden. Das Wissen und die Mittel, Infektionen zu verhüten, stehen zur Verfügung. Der sexuellen Weiterverbreitung von HIV kann durch wechselseitige Monogamie, Abstinenz oder durch die Verwendung von Kondomen Einhalt geboten werden. Einer Übertragung durch Blut kann durch das Screening von Blutprodukten und durch Einweg-Nadeln vorgebeugt werden. Eine Übertragung von der Mutter auf das Kind lässt sich durch eine Kurzzeit-Therapie mit antiviralen Medikamenten um die Hälfte oder sogar mehr reduzieren (12, 13).
Begrenzte Ressourcen und die erdrückende Last der Armut in vielen Teilen der Welt bilden für die Beherrschung der HIV-Infektion gewaltige Probleme. Bereits infizierten Menschen kann durch eine Behandlung mit lebensrettenden Medikamenten geholfen werden, doch die hohen Kosten dieser Medikamente lassen sie für den größten Teil der Welt unerschwinglich werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, neue antivirale Medikamente zu entwickeln, die leichter einzunehmen sind, weniger Nebenwirkungen haben und wesentlich kostengünstiger sind, so dass Millionen von Menschen in ihren Genuss kommen können.
Es gibt viele Methoden, die entscheidenden Informationen über HIV/Aids zu vermitteln, und was sich in einem Land am besten bewährt, kann in einem anderen völlig ungeeignet sein. Doch um die Krankheit zu bezwingen, muss jeder zuerst einmal verstehen, dass HIV der Feind ist.
Forschung und keine Mythen werden zur Entwicklung von effektiveren und billigeren Behandlungsmethoden und, so bleibt zu hoffen, eines Impfstoffs führen. Einstweilen muss der Schwerpunkt jedoch auf die Verhinderung der sexuellen Übertragung gelegt werden.
Ein Ende der Aids-Pandemie ist nicht in Sicht. Indem wir zusammenarbeiten, haben wir jedoch die Kraft, sie zurückzudrängen.
Die Wissenschaft wird eines Tages über Aids triumphieren, so wie sie auch die Pocken besiegt hat. Die Eindämmung der Weiterverbreitung von HIV ist der erste Schritt dazu. Bis dahin müssen Vernunft, Solidarität, politischer Wille und Mut unsere Partner sein.
Quellennachweis
1. UNAIDS. AIDS epidemic update. Dezember 1999. www.unaids.org/hivaidsinfo/documents.html
2. Hahn, B. H., Shaw, G. M., De Cock, K. M., Sharp, P. M. (2000). AIDS as a zoonosis: scientific and public health implications. Science, 287, 607-614.
3. Weiss R.A und Jaffe, H.W. (1990). Duesberg, HIV and AIDS. Nature, 345, 659-660.
4. NIAID (1996). HIV as the cause of AIDS. www.niaid.nih.gov/spotlight/hiv00/default.html
5. O’Brien, S.J. und Goedert, J.J. (1996). HIV causes AIDS: Koch’s postulates fulfilled. Current Opinion in Immunology, 8, 613-618.
6. Darby, S.C. et al., (1995). Mortality before and after HIV infection in the complete UK population of haemophiliacs. Nature, 377, 79-82.
7. Nunn, A.J. et al., (1997). Mortality associated with HIV-1 infection over five years in a rural Ugandan population: cohort study. BMJ, 315, 767-771.
8. Sperling, R. S. et al., (1996). Maternal viral load, zidovudine treatment, and the risk of transmission of human immunodeficiency virus type 1 from mother to infant. N. Engl. J. Med. 335, 1678-80.
9. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). HIV/AIDS Surveillance Report 1999; 11, 1-44.
10. Liska, V. et al., (1999). Viremia and AIDS in rhesus macaques after intramuscular inoculation of plasmid DNA encoding full-length SIVmac239. AIDS Research & Human Retroviruses, 15, 445-450.
11. Sitas, F. et al., (1999). Antibodies against human herpesvirus 8 in black South African patients with cancer. N. Engl. J. Med., 340, 1863-1871.
12. Shaffer, N. et al., (1999). Short course zidovudine for perinatal HIV-1 transmission in Bangkok Thailand: a randomised controlled trial. Lancet, 353, 773-780.
13. Guay, L. A. et al., (1999). Intrapartum and neonatal single-dose nevirapine compared with zidovudine for prevention of mother-to-child transmission of HIV-1 in Kampala, Uganda: HIVNET 012
randomised trial. Lancet, 354, 795-802.
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siehe auch Original-Text Nature 06.07.2000: The Durban Declaration
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Die us-amerikanisch – britische Filmschauspielerin Elizabeth Taylor starb am 23. März 2011 in Los Angeles. Taylor engagierte sich umfassend auch gesellschaftlich und politisch, besonders bekannt wurde ihr Aids-Engagement.
Nach langer Krankheit ist die in London am 27. Februar 1932 geborene Schauspielerin Elizabeth Taylor am 23. März 2011 im Alter von 79 Jahren in Los Angeles gestorben. Aufgrund eines Herzfehlers hatte sie sich bereits seit mehreren Wochen in einem Krankenhaus aufgehalten. Taylor wurde am 24. März entsprechend traditionellen jüdischen Zeremonien auf dem Forest Lawn Memorial Park in Glendale (Kalifornien) beigesetzt worden. Sie war 1959 zum jüdischen Glauben übergetreten.
Taylor spielte in nahezu 50 Filmen und erhielt drei Oscars, zwei für ihre Filme „Telefon Butterfield 8“ (1961) und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1967) sowie einen Ehren-Oscar 1993 für ihre humanitären Verdienste, insbesondere auch ihr Engagement für die Aids-Hilfe.
Elizabeth Taylor after landing at Schiphol – – CC BY-SA 3.0 nl
Anfang der 1980er Jahre, ganz zu Beginn der Aids-Epidemie, war Elizabeth Taylor die erste Prominente, die ihren Status dazu nutzte, um auf die Situation der an Aids Erkrankten aufmerksam zu machen. Taylor war Vorsitzende einer der ersten großen Aids-Benefiz-Veranstaltungen der USA, des „Commitment of Life“ 1985.
Elizabeth Taylor war ebenfalls 1985 – nach dem Tod ihres Schauspiel-Kollegen und Freundes Rock Hudson an den Folgen von Aids – gemeinsam mit Dr. Mathilde Krim und einigen wenigen weiteren Ärzten und Wissenschaftlern beteiligt an der Gründung der „American Foundation for AIDS Research“ (AmfAR), die sie immer wieder unterstützte. Zudem gründete sie 1991 die „Elizabeth Taylor AIDS Foundation“ (ETAF).
Schätzungen zufolge soll Elizabeth Taylor Spenden in Höhe von über 100 Millionen US-$ für den Kampf gegen Aids eingeworben haben (1).
Christophe Martet erinnert sich in einem Nachruf auf Elizabeth Taylor an ihr Auftreten bei der Welt-Aids-Konferenz in Vancouver 1996:
„Die Dreier-Kombinationstherapie wurde gerade eingeführt. Die kanadische Regierung weigerte sich damals, diese bereit zu stellen. Taylor kommentierte dies, in der Intonation der ‚Katze auf dem heißen Blechdach‘, unter dem Applaus des Publikums mit den Worten „Ehrlich gesagt hatte ich besseres erwartet von einem reichen Industriestaat“.
Michel Sidibé, Generaldirektor von UNAIDS, bezeichnete Elizabeth Taylor in einer Presseerklärung anläßlich ihres Todes als „erste Aids-Aktivistin“:
„Elizabeth Taylor was one of the first AIDS activists and one of the first celebrities to use her influence and public persona to help educate people about HIV and remove the fear and stigma surrounding the disease.“
Elizabeth Taylor selbst begründete ihr Engagement gegen Aids früh – in Zeiten einer ignoranten Haltung gegenüber Aids durch die US-Politik unter Ronald Reagan – mit folgenden Worten:
„I have to show up because it galvanizes people. [They] know . . . I’m not there to sell or gain anything. I’m there for the same reason they are: to get something done.“
The industry knew homosexuals were being hit hard, but instead of extending a loving hand and saying, ‘You helped me get to where I am today, without you I wouldn’t have made it,’ they turned their backs. … I remember complaining, ‘Why isn’t anybody doing anything? Why isn’t anyone raising money?’ … And it struck me like lightning: ‘Wait a second, I’m not doing anything.’”
Dann wurde sie aktiv.
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POZ November 1997: Elizabeth Taylor Tells the Truth
DAH-Blog 24.03.2011: Saint Elizabeth
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(1) Von 50 Millionen US-Dollar sprechen die englischsprachigen Wikipedia sowie Websters online Dictionary. Die New York Times nennt in ihrem Nachruf vom 23.3.2011 die Summe von über 100 Millionen Dollar.
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Text 25.02.2016 von ondamaris auf 2mecs
Der Nationale Aids-Beirat wurde vom Bundesminister für Gesundheit neu berufen. HIV-Positive fühlen sich und ihre organisierte Selbsthilfe nicht adäquat vertreten – und diskutierten Notwendigkeit und Inhalte einer Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat.
Am 8. Februar 2011 kam der neue Nationale Aids-Beirat (NAB) in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Deutsche Aids-Hilfe hat, wie einige andere Organisationen, die Neukonstituierung des nationalen Aids-Beirats begrüßt. Carsten Schatz, Vorstand und Teilnehmer der konstituierenden Sitzung, betonte, dass „dem Beirat zurzeit allerdings noch zu wenige Vertreter der organisierten Selbsthilfe angehören“, zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass dies noch erreicht werden könne.
Der ‘Nationale Aids-Beirat’ konstituierte sich erstmals im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. Im Oktober 2010 löste Bundesgesundheitsminister Rösler den Nationalen Aids-Beirat auf (siehe ‘Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?‘). Kurz darauf wurde eine Neu-Konstituierung des Nationalen Aids-Beirats veranlasst – der Grund für diesen Schritt blieb zunächst unklar.
Explizite Vertreter der Interessen von Menschen mit HIV und Aids / organisierter Positiven-Selbsthilfe sind im ’neuen‘ Nationalen Aids-Beirat nicht ausreichend stark vertreten. Dies war schon im Vorfeld, sowie nach der konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats auf Kritik gestoßen. Inzwischen wurde in Blogs und Foren eine intensive Diskussion dazu geführt. Aus Kommentaren und Stellungnahmen wurde deutlich
- die Mehrzahl der Diskutanten fordert eine explizite Positiven-Interessenvertretung im Nationalen Aids-Beirat
- Leben mit HIV hat viele Realitäten – von Hartz IV bis erfolgreicher Manager, von Migrant/in bis Drogengebraucher/in oder Mutter oder schwuler Mann usw.– dieses Spektrum an Lebensrealitäten abzudecken erfordert mehr als eine/n einzige/n Interessenvertreter/in HIV-Positiver, dabei sollte auch die epidemiologische Situation (z.B. Anteil an Gesamtzahl HIV-Infizierter) möglichst Berücksichtigung finden
- Transparenz ist unumgänglich – z.B. durch Veröffentlichung der Sitzungs-Protokolle, möglichst auch vorab der Einladungen / zu behandelnden Themen, letztlich aber besonders auch Transparenz im Berufungs-Prozess der Mitglieder
- Offenlegung von potentiellen Interessenkonflikten und wirtschaftlichen Verflechtungen
Nominierung: Im Idealfall sollten die Vertreter HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat in einem möglichst transparenten Prozess bestimmt werden. Der ideale Ort hierzu sind vermutlich die ‚Positiven Begegnungen‘, die deutschland- (und europa-) weit größte Versammlung von Menschen mit HIV (dies wäre – rechtzeitige Information und Einbeziehung vorausgesetzt – theoretisch auch schon zur konstituierenden Sitzung des Nationalen Aids-Beirats möglich gewesen).
Die nächsten ‚Positiven Begegnungen‘ finden 2012 statt, und könnten dann ihre Rolle als ‚Positiven-Parlament‘ wahrnehmen und Vertreter für den Nationalen Aids-Beirat auch mit optimaler Legitimation versehen. Bis dahin sollte eine Übergangslösung gefunden werden.
Die Frage HIV-positiver Interessenvertretung wurde auch konkret diskutiert mit zahlreichen Vorschlägen, welche Inhalte eingebracht werden sollten. So wurden als Themen, die aus Sicht HIV-Positiver Eingang in die Debatten des NAB finden sollten, u.a. genannt
- Integration von HIV-Positiven in die Gesellschaft
- Abbau von stigmatisierenden Vorurteilen
- Kriminalisierung von Menschen mit HIV
- Überarbeitung und Anpassung des Strafrechts entsprechend gegenwärtigen medizinischen Standards
- Prävention ohne Angst und Schrecken
- Leben mit HIV im Alter
- soziale und ökonomische Situation HIV-Positiver (ALG II / Hartz IV, Rente, Härtefallregelung …)
- Ökonomisierung vs. Solidargedanke im Gesundheitswesen
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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.
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Menschen mit HIV machen nach engagierten und erfrischend breiten Diskussionen deutlich, dass sie Interessenvertreter ihrer Lebensrealitäten im Nationalen Aids-Beirat einfordern – und dass sie hier auch Themen einzubringen haben. Nun ist das Bundesministerium für Gesundheit, als dessen Berater der Nationale Aids-Beirat fungiert, und das seine Mitglieder berufen hat, gefragt. Ist es an einer engagierten Mitarbeit HIV-Positiver Interessenvertretung interessiert? Die Debatten zeigen, dass es an HIV-Positiven nicht scheitern würde …
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Text 18. April 2017 von ondamaris auf 2mecs
„Warum soll ich mich als HIV-Positiver engagieren – ich hab mit ‚denen‘ ja doch nur drei Buchstaben, nur dieses Virus HIV gemeinsam.“ Dieser Satz ist so oder ähnlich oft zu hören, wenn es um Engagement und HIV-positive Selbsthilfe geht. Nur – stimmt er? Verbinden uns wirklich ’nur drei Buchstaben‘?
HIV und Aids sind heute, beinahe 30 Jahre nach dem Beginn der HIV-Epidemie, anders als ‚damals‘ in den 1980er und 1990er Jahren. Die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit, das gemeinsame Erfahren von Leid, Schmerz und Trauer ist so heute nicht mehr.
Viele HIV-Positive erleben ihre HIV-Infektion heute eine zwar potentiell schwere, aber behandelbare chronische Krankheit. Gut so – das wollten wir immer haben!
Aber – ist das alles? Können wir uns nun zurück lehnen und sagen ‚Alles in Ordnung‘?
Ja, scheinen viele zu denken.
Armin Traute, ehemaliger HIV-Referent und später Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe sowie Dipl.Psych. und bis Dezember 2010 langjähriger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen, macht sich Gedanken über HIV-positive Selbsthilfe. Traute spricht in einem Artikel Ende 2010 vom Zusammenhang zwischen Selbsthilfe und Grad der Erkrankung („Grenzen von Selbsthilfe“, in: „25 Jahre Herzblut – Berliner Aids-Hilfe e.V.“) und konstatiert
„Wer als HIV-Betroffener ‚gesund‘ ist (damit ist ein körperliches und psychisches Wohlbefinden und ein funktionierendes soziales Netz gemeint), findet heute kaum mehr seinen Weg in eine Selbsthilfegruppe.“
Traute formuliert auch einen möglichen Grund. Er postuliert:
„Selbsthilfe funktioniert nicht, wenn die Betroffenen – oder die Akteure der Selbsthilfe – zu krank oder bedürftig sind und wenn sie zu gesund sind.“
Trautes Aussage klingt zunächst einleuchtend. Wer nicht krank ist (ob subjektiv oder objektiv), warum sollte der sich in Selbsthilfe engagieren?
Ist Selbsthilfe HIV-Positiver also ein ‚Opfer des medizinischen Erfolgs‘?
Doch – so einleuchtend er scheinen mag, der Gedanke, Selbsthilfe (allein) vom medizinischen Zustand abhängig zu machen, mag für manche Erkrankungen gelten – nicht für HIV. Die HIV-Infektion ist (wie nicht zuletzt Susan Sontag mehrfach aufgezeigt hat) eben nicht nur ein medizinisches Syndrom, sondern auch sozial, politisch.
Und diese Erfahrung machen viele von uns auch alltäglich:
- der Zahnarzt, der die Behandlung verweigert,
- die Lebensversicherung, die zwar z.B. für die Selbständigkeit oder zur Kreditabsicherung erforderlich, mit HIV aber in weiter Ferne ist,
- die Klinik, die Behandlungsverweigerung androht,
- der Arbeitgeber, der Riesenprobleme macht, sobald er von der HIV-Infektion des Mitarbeiters erfährt,
- die Klinik, die einen HIV-positiven Patienten wie einen Aussätzigen behandelt,
- oder ‚einfach nur‘ der attraktive Mann, die attraktive Frau, der / die plötzlich doch kein Interesse mehr hat, nachdem sie/er von HIV erfahren hat,
- oder die Angst, die Eltern / die Nachbarn / die Freuden / der Arbeitgeber / die Kollegen könnten ‚davon‘ erfahren,
- usw usw …
All diese Probleme mit Ärzten, Versicherungen, Arbeitgebern, all die Befürchtungen und Ängste vor Reaktionen unserer Umwelt, reale wie gefürchtete Stigmatisierung und Diskriminierungen, sie existieren – aufgrund von HIV, aufgrund unserer HIV-Infektion. Sie existieren oft auch unabhängig davon, wie unser Gesundheitszustand ist, und weitgehend unabhängig davon, wie behandelbar HIV ist.
HIV-infiziert zu sein bedeutet in der Realität eben wesentlich mehr als „nur“ die medizinische Tatsache der HIV-Infektion. Ob wir wollen oder nicht, und ob wir offen mit unserem Serostatus umgehen oder nicht, immer ist da ein ganzer Komplex an weiteren Themen mit im Gepäck, zwangsläufig, unvermeidbar.
Ja – uns verbinden drei Buchstaben: H, I und V.
Und uns verbinden all die Konsequenzen, die aus diesen drei Buchstaben potentiell resultieren, die wir befürchten, mit denen wir uns ob wir wollen oder nicht im Alltag auseinander setzen müssen.
HIV ist eben mehr als „nur diese drei Buchstaben“.
Und wenn wir mit diesen Konsequenzen besser, anders umgehen wollen, wenn wir unsere Situation verbessern wollen, dann hilft nur eins: zusammen arbeiten, gemeinsam handeln. Aus vielen einzelnen ‚ichs‘ ein schlagkräftiges und engagiertes ‚wir‘ machen.
Und das nennt man Selbsthilfe.
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‚ Bugchasing ‚ – die erste Folge der neuen Reihe „Wild Germany“ auf ZDF neo befasste sich am 12. Februar 2011 mit Menschen, die behaupten sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen. Und fand keine.
Samstag, 12. Februar 2011, 22:15. Der ZDF-Kanal ’neo‘ startet eine neue Reportage-Reihe „Wild Germany“. Thema der ersten Folge der neuen Reihe: HIV – oder genauer Menschen, die behaupten, sich absichtlich mit HIV infizieren zu wollen (‚ pozzen lassen‘): „Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen„, hatte ZDF neo seine Sendung über ‚bugchasing‘ angekündigt.
Der journalistische Anspruch war in der Ankündigung hoch gehängt: „Manuel Möglich begegnet seinen Gegenübern auf Augenhöhe, ohne die journalistische Distanz zu verlieren“, hatte ZDF neo angekündigt. „Die Reportagen sind mehr als ein Szeneeinblick, sie sind vielmehr ehrliche Porträts von Deutschlands Städten und Dörfern. Darin werden Menschen und ihre Geschichten so gezeigt, wie sie sind.“ (Quelle)
Die 30-minütige Sendung beginnt mit einem kurzen Interview mit Dr. Uli Marcus (Robert-Koch-Institut). Er bemüht sich, potentielle Motive für ‚Bugchasing‘ zu erläutern, das Phänomen und mögliche Beweggründe verständlicher zu machen.
Dann geht es ab ‚auf die Piste‘ – in schwules Tag- und Nachtleben, auf der Suche nach dem unbekannten Bugchaser. Berichte aus der Schwulen-Szene in Berlin und in Leipzig – mit Kommentaren wie „sie spielen russisches Roulette“ und „es geht um Leben und Tod“.
Claude wird interviewt, ein HIV-positiver schwuler Mann aus Berlin, der offen und reflektiert über sein Sexleben berichtet. Anschließend kommentiert der Reporter, der eben noch so verständnisvoll war, voller Entrüstung „Claude ist aidskrank und veranstaltet trotzdem [!] Sexparties“.
Weiter geht es nach Leipzig. Nach Gesprächen mit zwei Leipziger Schwulen der Versuch, eine schwule Sexparty zu besuchen. Angezogen und mit Kamera wird der Zutritt verwehrt – der Reporter zieht sich aus, um doch auf die Sexparty zu kommen, ohne Kamera. Wieder heraus, berichtet er der Kamera. Er habe sich „völlig verängstigt“ gefühlt, sei „schockiert“. Er wäre in einem „echt fiesen Keller“ gewesen, dort wären „alle völlig nackt“ und „komplett rasiert, jeder zweite mit nem Cockring“. Ein Gast habe sich „fies einen runtergeholt“ – immerhin, „ich bin nicht direkt angegrabbelt worden“.
Am nächsten Tag besucht der ‚Reporter‘ mit Wirt und Kamera den gleichen Laden tagsüber, ohne Gäste. Die Kamera zeigt einen Gyn-Stuhl, dann einen Sling – mit begleitender Grusel-Musik und einem verzweifelt dreinschauenden Reporter, der von „Geisterbahn-Feeling“ spricht. „Bezahlen um HIV-positiv zu werden“, kolportiert der ‚Bericht‘ via Interview gen Schluss noch Kneipen-Gerüchte über Freier, die Sex mit positiven Sexworkern suchen, verkauft sie unhinterfragt als bare Münze.
Und das Resümee?
„Fakt ist, Bugchaser gibt es“ wird drohend konstatiert. Sexparties werden pauschal als ‚Motor der Infektion‘ bezeichnet und ‚Realtitätsverlust‘ bei Schwulen konstatiert. Auf Basis zweier kurzer und bei weitem nicht repräsentativer kurzer Blicke in Ausschnitte vom schwulem Leben stellt der Reporter entrüstet fest: „HIV und Aids scheinen ihren Schrecken völlig verloren zu haben – Wahnsinn!“
Einen „bugchaser“ allerdings, Thema der Sendung, hat der Reporter letztlich nicht finden können. Kein Wunder, mag der halbwegs Informierte denken – schließlich sind Experten sich seit langem einig, dass es sich hier – wenn überhaupt existierend – aus epidemiologischer Sicht um ein absolutes Rand-Phänomen handelt. Was in der ‚Reportage‘ (trotz interviewtem Epidemiologen) jedoch nicht gesagt wurde. Warum nicht?
Kein ‚bugchaser‘ also. Weil der Film aber nicht ohne Pseudo-Skandal auskommen kann, wurde ein anderer Aufhänger, Aufreger gesucht. Nur wo? Zusammengefasst: der Reporter scheint, den Eindruck kann man als Zuschauer gewinnen, den dann eigentlichen Skandal darin zu sehen, dass HIV-Positive Sex haben. Und dass sie auch Sex mit ungetesteten oder HIV-negativ getesteten Sexpartnern haben.
Nur – worin soll der Skandal liegen, wenn Menschen miteinander einvernehmlich Sex haben? Der Reporter nimmt vorgreifend schon zu Beginn die Gesundheitsökonomie zu Hilfe – die monatlichen Behandlungskosten im Fall einer Infektion. Worin die Konsequenz seines Gedankengangs letztlich liegt, lässt er unausgesprochen. Der Zuschauer kann (soll?) sich seinen Teil denken: soll ‚denen‘ vielleicht doch einfach der Sex verboten werden?
Nach der Sendung standen zwei Experten der Aids-Hilfe Mainz im Chat für Fragen zur Verfügung. Welche Fragen sie wohl gestellt bekamen?
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‚Bugchasing‘ – Menschen, die sich wissentlich, absichtlich mit HIV infizieren (oder als vermeintliche ‚Pozzer‘ andere infizieren) – diese ‚urbane Nachtleben-Legende‘ wird immer wieder gerne von gewissen Medien hervorgeholt.
Mythen zu thematisieren bringt potentiell Aufreger – und Quote. Wie den zu jedem Welt-Aids-Tag fast ritualhaft wieder hervorgekramten Mythos der ’neuen Sorglosigkeit‘ (Sorglosigkeit? Fehlanzeige!)). Oder eben den Mythos von verantwortungslosen Positiven und den Mythos von verantwortungslosen Schwulen. Aber – machen diese Mythen auch seriösen Journalismus aus?
Menschen zu zeigen „so wie sie sind“ und „ohne die journalistische Distanz zu verlieren“- ist die Sendung ihrem selbst gewählten Anspruch gerecht geworden? Oder hat die ‚Reportage‘ eher ein Zerr-Bild von HIV-Positiven und allgemein von schwulen Männern gezeichnet, das mit der Realität äußerst wenig zu tun hat? Sich gar am Stricken von Virus-Mythen beteiligt?
Muss sich die Reportage zudem fragen lassen, ob sie letztlich unterschwellig homophobe Hetze gegen Schwule betreibt?
Der ‚Reporter‘ bemüht sich, auf seine Interviewpartner einzugehen – solange sie ihm gegenüber stehen. Aus dem Off kommen hinterher Kommentare wie ‚Claude ist es egal, ob andere sich infizieren‘ – obwohl Claude sich abwägend, überlegt geäußert hat. Der Reporter geht – in Unterhose, Respekt, mit Einsatz für die Recherche – auf eine Sex-Party. Und ist hinterher entrüstet über nackte Männer – was hat er erwartet, auf einer Sexparty?
Zudem, bei allem Bemühen um den Eindruck von Verständnis, der ‚Reporter‘ vermag sich seiner eigenen Meinung in der konkreten Situation oft nicht zu enthalten – „totaler Irrsinn“ kommentiert er direkt in der Situation. Dies scheint zum Konzept der Reihe zu gehören. Und wirkt doch nur wie billige Effekthascherei, verbunden mit viel ‚erhobenem Zeigefinger‘.
Werden hier Interviewpartner um Stellungnahme gebeten aus ehrlichem Interesse, um ein Thema zu ergründen – oder werden sie vorgeführt, ‚ausgebeutet‘ als Staffage für eigene schon vorher geplante Aussagen oder Werturteile (‚exploitation‚)? Ist dies tatsächlich investigativer Journalismus? Oder nur eine weitere Form von ‚Provo-Infotainment‘? Letztlich auch auf dem Rücken von Schwulen und von HIV-Positiven?
Serophobie, unreflektierte Angst vor Positiven – dies zu schüren, der Verdacht bleibt nach dieser Sendung.
Serophobie, die zudem noch den Beigeschmack der Homophobie hat – kann (soll?) der Zuschauer doch den Eindruck gewinnen, die jährlich ca. 3.000 Neuinfektionen mit HIV in Deutschland fänden ‚freiwillig‘ statt, wissentlich und gar absichtlich. Diese verantwortungslosen Schwulen … dies suggeriert meines Erachtens der Film nur notdürftig verhüllt. Nicht nur Serophobie, dunkelste Homophobie scheint durch.
Was bleibt als Resümee der ‚Reportage‘? Kein Erkenntnisgewinn. Kein Bugchaser, kein Bugchasing gefunden. Niemand, der sich absichtlich mit HIV infizieren will.
Es bleibt allerdings der Beigeschmack der Sendung – ‚vorgeführte‘ Interviewpartner, und gehäuft Homo- und Serophobie. Gut zumindest, dass diese Sendung nur in einem digitalen Spartenkanal zu sehen war …
Und ansonsten bleibt – viel neo-Lärm um nichts.
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Text 19. April 2017 von ondamaris auf 2mecs
Der Nationale Aids-Beirat hat sich heute konstituiert. Viele Professoren (überwiegend Kliniker), zwei Sozialwissenschaftler/innen, zwei Mitarbeiterinnen von Aidshilfe – und keine Interessenvertreter von Menschen mit HIV (1), zeigt die Liste der Mitglieder des nationalen AIDS-Beirats. Statt mit wird wieder einmal nur über uns gesprochen – entgegen anders lautenden Aussagen.
Es gibt ein international anerkanntes Prinzip. Es nennt sich das „GIPA Prinzip“ – Greater Involvment of People with HIV and Aids: Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”).
Dieses Prinzip einzuhalten ist Anliegen vieler international auf dem Aids-Gebiet arbeitenden Organisationen. Es einzuhalten gehört zu den Bedingungen, die internationale Organisationen wie der Globale Fonds ihren Zuwendungsempfängern vorschreiben. Der Global Fund schreibt als ‚minimum requirements‘ u.a. vor „The Global Fund requires all CCMs [Country Coordinating Mechanism, Instrument für Projektvorschläge] to show evidence of membership of people living with and/or affected by the diseases“ (Quelle).
Das GIPA-Prinzip wurde bereits am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‚Paris Aids Summit‘. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‚Paris Declaration‚. Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.
In dieser ‚Paris declaration‚ wird gesprochen von „ensuring their [people living with HIV/AIDS; d.Verf.] full involvement in our common response to the pandemic at all – national, regional and global – levels“, und unter III. ist zu lesen, die Unterzeichner verpflichten sich
„fully involve non-governmental and community-based organizations as well as people living with HIV/AIDS in the formulation and implementation of public policies“.
UNAIDS, das Gemeinsame Aids-Programm der Vereinten Nationen (deren Mitglied Deutschland ist), formuliert
„Das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People Living with HIV/AIDS, stärkere Einbeziehung der Menschen, die mit dem HI-Virus / mit AIDS leben) wurde beim AIDS-Gipfel 1994 in Paris offiziell anerkannt, als 42 Länder sich dahingehend einigten, dass ein umfassendes Engagement auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zur Entwicklung von unterstützungsorientierten politischen, rechtlichen und sozialen Umfeldern führen wird.“ (Quelle pdf)
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer betonte nach der Verabschiedung des GIPA-Prinzips 1994 stolz in einer Presseerklärung
“Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.” (Quelle)
Horst Seehofer ist schon lange kein Bundesgesundheitsminister mehr. Sein Nachfolger, Philip Rösler (FDP) scheint zu hoffen, an frühere Zusagen der Bundesregierung werde sich schon niemand erinnern. Vielleicht interessiert ihn die Frage auch nicht. Oder ist ihm die Einbeziehung HIV-positiver Interessen schlichtweg egal?
Es geht gemäß dem GIPA-Prinzip darum, die Erfahrungen, Belange, Lebenssituationen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat durch diese selbst einzubeziehen. Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder des Nationalen Aids-Beirats – ob offen oder nicht offen – mit HIV infiziert sind. Und es geht nicht um die Frage, ob sie etwa in Aidshilfen arbeiten – Aidshilfe und Positiven-Interessen-Selbstvertretung sind zweierlei, dies sollte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein.
Es geht um die (auch: die politisch gewollte) Einbeziehung von Vertretern HIV-Positiver und ihrer Lebensrealitäten in genau dieser Funktion: Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver.
Und genau dies scheint das Bundesgesundheitsministerium nicht zu wollen.
Oder wie sollen wir es sonst verstehen, dass Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids im Nationalen Aids-Beirat nicht beteiligt ist? Dass die Lebenswelten und Probleme von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder von HIV-positiven Migrantinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen, außen vor bleiben? Dass in Deutschland scheinbar nicht gewollt ist, was in Lesotho oder Burkina Faso sogar vorgeschrieben wird, um internationale Mittel zu bekommen?
Müssen Menschen mit HIV und Aids erst wieder vor der Tür des Bundesgesundheitsministers demonstrieren, Die-Ins oder andere medienwirksame Aktionen veranstalten, ihm laut ihre Meinung sagen, bevor sie Gehör finden?
WILL der Bundesgesundheitsminister dann wenn es – bei ihm, in ’seinem‘ Nationalen AIDS-Beirat – drauf an kommt keine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver? Oder interessiert es ihn schlichtweg nicht? Sind wir, unsere Meinung, unsere Interessen ihm letztlich doch egal? Sind all die netten Worte zum Welt-Aids-Tag oder bei anderen Anlässen wenn Kameras anwesend sind, nur ministerielles Blabla? Politiker-Geschwätz?
Es wäre schade. Und es würde überraschen. Denn Themen, bei denen Interessenlagen oder Ziele nahe bei einander liegen oder gar übereinstimmen, Politik und HIV-Positive an einem Strang ziehen, ein Austauschen und ggf. gemeinsames Agieren im Interesse aller Beteiligten wäre, die dürfte es durchaus geben …
Aber auch die Beteiligten des Nationalen Aids-Beirats selbst müssen sich fragen lassen, warum sie das Anliegen, Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat zu beteiligen, nicht unterstützen. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie es vor der Öffentlichkeit, vor Aidshilfen und Kollegen, vor ihren Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch vor sich selbst rechtfertigen können, an dieser bedeutenden Stelle der Formulierung deutscher Aids-Politik zwar über, aber kaum mit Menschen mit HIV zu sprechen und entscheiden?
Und Mitarbeiter/innen von Aidshilfe als Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats sowie die Deutsche Aids-Hilfe als Verband müssen sich fragen lassen, ob sie sich instrumentalisieren lassen – um eine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver zu verhindern? Gerät Aidshilfe hier in Gefahr, eines ihrer hehrsten Prinzipien zu verraten?
„Mit uns, nicht nur über uns “ und „Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“ – das waren einst Grundgedanken der Aidsarbeit, realisiert oft auch in deutscher Aids-Politik. Die daraus, aus der Einbindung und Selbst-Vertretung von Menschen mit HIV und Aids, auch eine ihrer Stärken bezog und internationale Anerkennung fand. Inzwischen scheinen diese Grundgedanken der Interessen-Selbstvertretung kurz davor zu sein, zu Lippenbekenntnissen bei Pressekonferenzen und hübschen Welt-Aids-Tags-Empfängen zu verkommen. GIPA? Fehlanzeige!
Müssen wir wieder zornig werden? Oder ist es nur an der Zeit, dass der Minister die von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung ernst nimmt, sie in die Praxis umsetzt? Und endlich Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids beteiligt, auch am Nationalen Aids-Beirat?
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UNAIDS: The Paris Declaration – Paris AIDS Summit – 1 December 1994
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(1) Anmerkung zu „kein Interessenvertreter von Menschen mit HIV“:
Ja, Rainer Jarchow ist Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat. Laut Mitgliederliste benannt als „AIDS-Aktivist“. Rainer hat sich jahrelang auf vielen Ebene und an vielen Stellen verdienstvoll für den Kampf gegen Aids und für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. Rainer ist erfreulicherweise und verdientermaßen Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Und sicher ein wichtiges Mitglied im ‚Nationalen AIDS-Beirat‘.
Aber – lieber Rainer, du bist als einziger nicht (mehr) in Aidshilfe Aktiver unter dem Titel ‚Selbsthilfe‘ in den Nationalen AIDS-Beirat benannt. Neben der Funktion als „Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung“ auch als „AIDS-Aktivist“. Bist du das? Heute noch? Ist das (die ganze) Positiven-Interessenselbstvertretung? Oder wie viel Gefahr von Instrumentalisierung liegt hierin?
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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.
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Text 18. April 2017 von ondamaris auf 2mecs
Eine neue Reportage-Sendung des ZDF-Ablegers ‚ZDF neo‘ beschäftigt sich am 12. Februar 2011 mit bugchaising oder pozzen – mit Menschen, die sich bewusst mit HIV infizieren.
ZDF neo ist ein seit November 2009 sendender digitaler Ableger des ZDF, mit dem das ZDF experimentiert, wie es wieder attraktiver für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer werden könnte – mit teils beachtlichen, interessanten Ergebnissen.
Im Februar startet ZDF neo eine neue Reportage-Reihe, ‚Wild Germany‚. Realisiert wird diese für das ZDF vom internationalen Magazin und Medien-Unternehmen ‚Vice‚. Die erste Sendung am 12. Februar 2011 (22:15, ZDF neo) beschäftigt sich mit “ bugchasing “ ( “ pozzen „).
Als ‚bugchasing‘ wird im englischen Sprachgebrauch häufig bezeichnet, was im Deutschen gern ‚pozzen‘ genannt wird: sich bewusst und absichtlich mit HIV infizieren. ‚Bugchasing‘ ist wenig wissenschaftlich untersucht. Eine deskriptive US-Studie an 1.228 ‚bugchasing‘-Internetprofilen auf US-Internetseiten im Jahr 2006 identifizierte 7,5% der Profil-Besitzer als HIV-negativ und tatsächlich überzeugte ‚bugchaser‘ und 0,4% (5 von 1.228) als HIV-positiv und überzeugte ‚bugchaser‘. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Resüme
„These data suggest bug chasing and gift giving do exist; however a sizable portion of both bug chasers and gift givers were not intent on spreading HIV.„
Wie häufig dieses Phänomen in der Realität in Deutschland tatsächlich auftritt, ist nicht bekannt – oft gewinnt man den Eindruck, die mediale Aufmerksamkeit für ‚pozzen‘ oder ‚bugchaser‘ ist weitaus höher als die Realität.
ZDF neo schreibt selbst als Ankündigungs-Text zur Sendung zu ‚bugchaising‘:
„AIDS ist eine der gefährlichsten Krankheiten der Welt. In den 80ern und 90ern ist eine ganze Generation von homosexuellen Männern jämmerlich daran gestorben. Nur durch groß angelegte Aufklärungskampagnen konnte die Verbreitung verlangsamt werden. Später tauchten Gerüchte über so genannte „Bugchaser“ in den Medien auf, Männer, die sich willentlich mit dem HI-Virus infizieren lassen. Manuel Möglich will wissen, ob dieses Phänomen wirklich existiert und was einen gesunden Mann dazu bringen kann, todkrank sein zu wollen.
Als ZDFneo-Reporter begibt er sich in die Schwulenszene. Dort trifft er Claude. Er ist aidskrank, was ihn nicht davon abbringt, verhütungsfreie Sexpartys in seiner Wohnung zu veranstalten. Regelmäßig melden sich HIV-negative Männer bei ihm an, die sich von ihm anstecken lassen möchten. In Leipzig trifft Manuel Tobias und René, beide HIV positiv, die ihm die Leipziger Szene zeigen. Sie erzählen, dass sie schon andere Männer mit deren Einverständnis angesteckt haben. Zuletzt schaut Manuel sich das an, wovon er bisher nur gehört hat: die Darkrooms der Stadt, der ideale Spielplatz für Bugchaser.“
‚Vice‘-Deutschland- Herausgeber Benjamin Ruth kündigt die Reportage-Reihe „Wild Germany“ an als „eine Reise an die obszönsten Orte des Landes“ …
Der Reporter des Beitrags, ‚Manuel Möglich‚, wird als Autor oder Mitarbeiter u.a. genannt bei dem ‚Magazin für Pop-Kultur‘ Spex (2006/07), dem WDR-Radio – Ableger 1Live (2007) und der WDR-Sendung ‚Funkhaus Europa‘ (2010), war Autor in der ‚Berliner Zeitung‘ (2008) oder der ‚Zeit‚ (2010). Beiträge, die ihn als sachkundig zu HIV / Aids ausweisen, sind auf den ersten Blick nicht zu finden.
Autor des Beitrags ist Tom Littlewood, Chefredakteur der Reportage-Reihe ‚Wild Germany‘ bei ‚Vice‘.
Produziert wird die Reportage-Reihe von ‚Vice‘ (Vice: etwa: Laster, Fehler). Das 1994 in Kanada gegründete ‚Szene-Magazin‘ (früher ‚Voice of Montreal‘) hat sich längst zu einem global agierenden Medien-Unternehmen gewandelt – Magazin, Internet-TV (vbs.tv), TV-Beiträge für andere Sender. Das Print-Magazin erscheint in 26 Ländern in einer Auflage von insgesamt 1,2 Millionen Exemplaren. Die SZ schreibt über das Magazin „Jeder findet etwas, das ihn abstößt, fast jeder etwas, das ihn fasziniert. Ein Gesamtkonzept gibt es nicht.“
Die deutsche Redaktion des Magazins (2005 gegründet) sitzt in Berlin, Herausgeber in Deutschland ist Benjamin Ruth.
Zuständig für ‚Wild Germany‘ beim ZDF: Andrea Windisch, stellvertretende Redaktionsleiterin bei ZDF Neo.
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weiter hier: wie die Sendung zu ‚Bugchasing‘ war? siehe hier: Bugchasing – viel neo-Lärm um nichts
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weitere Informationen:
ZDF neo 12.02.2011 22:15 Uhr: „Wild Germany – Bugchasing“
Manuel Möglich auf 1Live
SZ 28.09.2010: Erfolgsmodel: „Vice“-Magazin – Obszön geschlitzte Früchte
Christian Grov, Jeffrey T. Parsons: Bug Chasing and Gift Giving: The Potential for HIV Transmission Among Barebackers on the Internet. in: AIDS education and prevention, Dezember 2006 (abstract)
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