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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Mythos ACT UP – oder Modell?

Mythos ACT UP – oder Modell einer Bürgerrechts-Bewegung HIV-Positiver?
einige persönliche Gedanken

Einer der ‚Höhepunkte‘ von Positiven-Aktivismus in Deutschland war ACT UP. Eine Bewegung, eigentlich aus den USA stammend, die bald auch hier mit zahlreichen Gruppen präsent war. Aktionen durchführte, Themen in die Öffentlichkeit brachte, Aufmerksamkeit in den Medien herstellte. Um dann recht schnell wieder zu verschwinden – warum?

Wie kam es, dass plötzlich Ende der 1980er HIV-Positive mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Forderungen für ihre Interessen eintraten? ACT UP entstand m.E. in Deutschland aus zwei Momenten heraus, einem Gefühl von Angst und Bedrohung sowie einem Erleben von Aktivwerden unter US-Schwulen und -Positiven.

Eine nennenswerte Zahl (überwiegend schwuler) Menschen in Deutschland empfand Ende der 1980er / Anfang der 1990er Jahre Gefühle von Angst. Gefühle, die sich vielleicht festmachen lassen an damaligen nicht immer unbegründeten Befürchtungen wie „jetzt machen die uns fertig / unsere mühsam erkämpften Freiheiten kaputt / unsere Szenen kaputt (Gauweiler)“, und von Bedrohung, die sich u.a. manifestierte in Stichworten wie ‚Maßnahmenkatalog‘, ‚Internie­rung; ‚Absonderung‘, und an einigen Personen, unter ihnen ein schwedischer Arzt, ein bayrischer Politiker (von nämlichen Arzt beraten) und ein Berliner In­nensenator.

Hinzu kamen erste Berichte aus den USA, über die zu er­leben war, dass dort (nicht nur) Schwule auf die Straße gingen, für ihre Rech­te eintraten, für ihre Szenen, für ihre Leben kämpften. Mit medienwirksamen Aktionen öffentliche Meinung beeinflussten und so ignorante Politiker, Behör­den und Unternehmen unter Druck setzten.

Ignoranz und Bedrohung waren in den USA sicher größer ausgeprägt als in Deutschland, ebenso das Gefühl der Angst (Stichwort Debatte ‚gay holocaust‘), dennoch waren auch in Deutschland genügend Druck, genügend Emotion vorhanden, dass eine nennenswerte Zahl Menschen aktiv wurde. Hinzu kam, dass Andreas Salmen, frisch zurück aus den USA, direkten Transfer amerika­nischer Ideen, Strategien und Kampagnentechniken möglich machte – und sich selbst massiv engagierte.

Bald gab es auch in Deutschland zahlreiche ACT UP Gruppen (Berlin, Bonn, Dortmund, Hamburg, Frankfurt, Karlsruhe, Mainz, München, Nürnberg, Würz­burg), die viele lokale und einige teils sehr gut wahrgenommene bundesweite Aktionen durchführten (die bekanntesten darunter sicher Die Ins gegen Luft­hansa, der ‚Marlboro-Boykott‘ und die Besetzung des Doms zu Fulda im Sep­tember 1991).

Doch die Blüte von ACT UP dauerte in Deutschland nicht lange. Zwar gab es eine ACT UP – Gruppe noch bis Ende der 1990er Jahre (Frankfurt), ACT UP als aktionistische Form positiver und positivenpolitischer Selbsthilfe jedoch spielte schon Mitte der 1990er Jahre in Deutschland keine nennenswerte Rol­le mehr.

ACT UP – warum ein schnelles Ende?
Zum baldigen Ende der ACT UP – Bewegung in Deutschland nach kurzzeitiger Blüte trugen m.E. mehrere Gründe bei, u.a.:
– mit den Tod von Andreas Salmen im Februar 1992 verloren die deut­schen Aktivisten nicht nur ihren spiritus rector, sondern auch eine Füh­rungsperson, Theoretiker und Kristallisationspunkt.
– viele der Aktionen in Deutschland waren letztlich aus den USA und der dortigen Situation gesetzte Themen (z.B. Kirche, Philip Morris) und hatten mit der Lebensrealität vieler deutscher Positiver nur wenig zu tun.
– die medizinische Situation änderte sich seit der Zulassung von ddI zu­nächst schleichend, bald schneller. Der existentielle Handlungsdruck wurde geringer.
– einige Aktive wandten sich bald vom politischen Aktivismus ab und (aus einem Gefühl veränderter Notwendigkeiten heraus) dem Therapie-Akti­vismus zu.
Letztlich scheint mir hatte in Deutschland zudem ACT UPs Tendenz zu zuspit­zen, zu provozieren, zu polarisieren keine ausreichende Basis im Kontext einer Gesellschaft, die eher geprägt ist von Konsens-Politik. Die kulturel­len Unterschiede zwischen Deutschland und den USA spiegeln sich hier m.E.deutlich wieder. So fassten auch aktionistischere Schwulen- und Lesbengruppen wie OutRage oder QueerNation, die in Folge von ACT UP in Großbritannien und den USA entstanden, in Deutschland nie recht Fuß.
Nebenbei, auch in den USA, wo es noch zahlreiche ACT UP – Gruppen gibt (wie ebenfalls in Paris), ist ACT UP seinem ‚godfather‘ Larry Kramer zufolge „dead – a shadow of its former self. The greast days of Aids activism are no more“ (Larry Kramer im Interview auf gaywired.com, 27.11.2008).

ACT UP – ein Modell für positiven Aktivismus?
Als Mythos hat ACT UP lange überlebt. Gelegentlich sind selbst heute noch Bemerkungen zu hören wie „Jetzt müsste man ACT UP haben“ oder „warum macht ihr nicht mal wieder ACT UP“. Es stellt sich die Frage, ist ACT UP heute noch möglich, denkbar? Mythos ACT UP ?

Über die spontane Antwort an den Fragenden hinaus „dann mach’s doch – sei ACT UP“ bleibt im Rückblick der Eindruck, ACT UP war in Deutschland Er­gebnis eines seltenen Moments, getrieben von Wut und Angst, getrieben auch von Aktivismus der eine Bahn suchte – und selbst damals immer nur von einer kleinen Gruppe Menschen aktiv nach vorne gebracht. Diese Aus­gangsvoraussetzungen (und die Bereitschaft, das erforderliche nicht geringe Maß an Zeit und Engagement aufzubringen) scheinen mir heute nicht gege­ben.

Die Frage, ob ACT UP hierzulande als Modell für positiven Aktivismus generell taugt, hat sich damit m.E. weitgehend erledigt. Ich denke nein.

(Randbemerkung: Die These „Gefühle von Angst/Bedrohung/Wut als Basis für Aktivismus“ scheint sich in den USA derzeit erneut zu bewahrheiten. Dort gehen nach den als Schock erlebten Abstimmungsniederlagen junge Leute zu Tausenden auf die Stra­ßen, engagieren sich erneut (‚Stonewall 2.0‚). Ein Druck, der hier -auch angesichts einer kon­sens-orientierten Gesellschaft – derzeit nicht vorhanden ist.)

Allerdings zeigt ACT UP auch in Deutschland eines: Auch wenige können die Welt verändern – wenn sie es wollen. ACT UP bestand nie aus vielen aktiven Menschen, vielleicht einigen Tausend in den USA, sicher kaum 100 in Deutschland. Und dennoch – ACT UP konnte Öffentlichkeit schaffen, Aids-Politik und -Lebensrealitäten ein wenig verändern. In dieser Hinsicht könnte ACT UP auch heute noch Modell sein – dafür, dass es „nur“ eine kleine, motivierte und zu Engagement bereite Gruppe Menschen braucht, um Themen zu setzen, um Veränderungen anzustoßen. Dies ist m.E. eine Erfahrung, die man an ACT UP sichtbar machen kann.

Mir persönlich schiene dabei die Frage spannend, ob Aktions- und Organisationsformen wie ACT UP nicht nur gegen etwas (wie eine damals in Sachen Aids ignorante Politik), sondern auch für eine Idee, einen Gedanken, eine Hoffnung möglich wäre, und wenn ja wie …
„il sogno di una cosa“ (PPP)

Wenn allerdings Kramer Recht hat („activism was based, pure and simple, on fear“), dann fehlt dieser Art Aktivismus heute einfach die Grundlage.

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(Text konzipiert für die Veranstaltung ’25 Jahre Deutsche Aids-Hilfe‘ der Akademie Waldschlößchen)

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Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Yves Saint Laurent (1936 – 2008)

Der Modeschöpfer Yves Saint Laurent, geboren am 1. August 1936 in Oran (Algerien), starb am 1. Juni 2008 in Paris. Sein Lebenspartner Pierre Bergé heiratete 9 Jahre nach Saint Laurents Tod 2017 den amerikanischen Landschafts-Architekten Madison Cox.

“Mein Leben ist leer seit dem Tod von Yves. Als er mich verließ, habe ich alles verloren, was wichtig war.”

Yves Saint Laurent Gedenksäule im Jardin Majorelle in Marakesch (Foto: Arnaud25, Lizenz cc-by-sa 3.0)
Yves Saint Laurent Gedenksäule im Jardin Majorelle in Marakesch 2013 (Foto: Arnaud25, Lizenz cc-by-sa 3.0)

Mémorial Yves Saint Laurent du Jardin Majorelle de Marrakech au MarocArnaud 25CC BY-SA 3.0

Yves Saint Laurent starb am 1. Juni 2008 an den Folgen eines Glioblastoms.

“Man ist homosexuell, so wie man Linkshänder ist, basta.
Ich glaubte immer an die Menschenrechte, an den Code Napoléon, wo Sexualität nicht gemaßregelt wird, wie das in Deutschland noch lange der Fall war. …
Nie haben wir unsere Liebe verleugnet. Viele junge Franzosen, vor allem aus der Provinz, schicken mir täglich Briefe, um mir dafür zu danken.”

Beide Zitate: Pierre Bergé, langjähriger Lebensgefährte von Yves Saint Laurent, in einem lesenswerten Gespräch mit der FAZ “Mein Leben ist leer seit dem Tod von Yves.

Bergé und Saint Laurent haben zahlreiche Projekte und Initiativen für Schwule und Lesben sowie Aids-Projekte unterstützt. Bergé ist Mitgründer und derzeit Präsident der Aids-Organisation ‘sidaction’. Die französische Schwulen-Zeitschrift “Tetu” wurde von Berger mit initiiert und bis 2013 finanziell unterstützt.

2017: Pierre Bergé heiratet

Am 31. März 2017 heiratete Pierre Bergé im Alter von 86 Jahren erneut, den amerikanischen Landschafts-Architekten Madison Cox (58 Jahre). Bergé, der immer für die Homoehe eintrat, betonte nochmals die Leistung von Staatspräsident Hollande, die Homoehe eingeführt zu haben. Zu seiner Heirat sagte er

„Ich hatte zwei große Lieben in meinem Leben, mit Bernard Buffet zehn Jahre, und dann mit Yves Saint-Laurent 50 Jahre. Die Homoehe gab es damals noch nicht. Heute gibt es sie, und ich schließe sie mit Madison Cox.“

Er kenne Madison Cox seit 40 Jahren. Cox sei Vize-Präsident der Fondation Pierre Bergé, er habe ihn als seinen Nachfolger bestimmt. Cox leitet zudem die Saint Laurent Museen in Paris und Marrakesch.

Am 8. September 2017 starb Pierre Bergé in Paris im Alter von 86 Jahren.

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Musée Yves Saint Laurent

2017 wurde ein langjähriges Projekt von Pierre Bergé Realität: gleich zwei Yves Saint Laurent Museen wurden eröffnet, eines in Paris am 3. Oktober 2017, eines in einem Neubau in Marrakesch am 19. Oktober 2017.

Das Musée Yves Saint Laurent in Paris befindet sich in einem großzügigen Bürgerhaus im 19. Arrondissement – an genau dem Ort, an dem bis zur Schließung im Jahr 2002 das Modehaus Yves Saint Laurent befand. Anschließend hatte hier die Stiftung Pierre-Bergé-Yves-Saint Laurent ihren Sitz.

Das Pariser MuséeYves Saint Laurent ist ausschließlich der Haute Couture gewidmet. Es zeigt auf 450 m² Fläche Objekte der Sammlung, die insgesamt 35.000 Objekte umfasst, darunter über 7.000 Mode-Kreationen.

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Text am 22.01.2016 von ondamaris auf 2mecs, zuletzt aktualisiert 15. Januar 2018

siehe auch „Yves Saint Laurent und Pierre Bergé – eine leidenschaftliche Liebe

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Homo-Denkmal am 16.12.2008 erneut beschädigt (akt.)

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist erneut beschädigt worden.

Am Dienstag Morgen (16.12.2008) bemerkten Polizisten, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erneut beschädigt wurde. Die Glasscheibe, durch die die Kuß-Szene betrachtet werden kann, wurde vermutlich mit einem Stein beschädigt und weist nun Risse auf.

Da die Polizei einen politischen Hintergrund nicht ausschließt, wurde der Staatsschutz in die Ermittlungen eingeschaltet.

Nur wenige Wochen nach seiner Einweihung war das Homo-Denkmal am 16. August 2008 erstmals beschädigt worden, schon bald hieß es jedoch ‚es wird wieder geküsst‚.

Nach der erneuten Beschädigung erklärte Volker Beck, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen: „Der erneute Anschlag zeigt, wie präsent Homophobie in Deutschland noch ist. Es darf in Deutschland keine Toleranz für Gewalt und Hass gegen Minderheiten geben. Dass zwei küssende Männer – wie im Mahnmal gezeigt – Wut und Gewalt hervorrufen, macht fassungslos und mahnt uns alle zu mehr Aktionen und Aufklärung gegen Homophobie.“

Der LSVD Berlin-Brandenburg ruft für den kommenden Freitag (19. Dezember 2008) um 12.30 Uhr zu einer Mahnwache am Denkmal auf, um gegen die verbreitete Homophobie zu protestieren.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen war erst im Mai 2008 eingeweiht worden.

Die erneute Beschädigung des Denkmals zeigt, dass es schon kurz nach seiner Einweihung neben dem primären Zweck (dem Gedenken an die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen) eine weitere, vielleicht ungeplante Funktion übernommen hat: sicht- und erlebbar zu machen, dass es auch heute noch, und häufiger als oftmals eingestanden, Homophobie in unserer Gesellschaft gibt, und dass diese Homophobie gewaltbereit ist.
Gegen die Beschädigungen jetzt mit permanentem Wachschutz oder gar Video-Überwachung zu reagieren, wie es von einigen gefordert wird, hielte ich für verfehlt, mindestens für verfrüht (Videoüberwachung? früher beschwerten wir uns über Repression und Überwachung, ich erinnere nur an die ‚Spiegel-Affäre‘, die Hamburger Klappen-Überwachung… sollten Schwule und Lesben da tatsächlich unüberlegt, aus einem momentanen Reflex heraus für mehr Überwachung, für Abbau von Privatsphäre eintreten?). Mir scheint es besser, diese Beschädigungen immer wieder als das zu thematisieren, was sie sind: eine Aggression gegen das freie Leben schwuler und lesbischer Menschen in Deutschland. Mahnwachen, die Behandlung dieser Beschädigungen in den Medien, die Thematisierung in der Politik – diese und ähnliche Maßnahmen bewirken m.E. mehr, als wenn diese homophoben Vorfälle zwar aufgrund von Sicherheits-Maßnahmen nicht hier geschehen würden, wohl aber an anderen, weniger sichtbaren, von der Öffentlichkeit weniger bemerkten Stellen.
Gelassenheit, Ausdauer – und gleichzeitig Standhaftigkeit und aktives Eintreten für das Denkmal scheinen mit die gebotenen Strategien gegen homophobe Gewaltakte.

Nachtrag
Über die erneute Beschädigung berichten u.a. auch samstag ist ein guter tag, queer, Tagesspiegel, shaveskin, rbb online, Poz and Proud, pinknews,

17.12.2008: „Das ist traurig, schrecklich traurig. Einige sind wohl unbelehrbar. Sie werden es offenbar nie akzeptieren, dass es Menschen gibt, die von Natur aus anders sind als sie. Erst das Attentat auf den Polizisten in Passau, nun erneut ein Anschlag auf das Homosexuellen-Denkmal. Und das nach der Nazi-Hölle, durch die wir alle gegangen sind. Sauhunde sind das! Aber das Nazi-Pack ist offenbar nicht totzukriegen. Das sind Verbrecher, das bleiben Verbrecher“, zitiert blu.fm Rudolf Brazda, einen der letzten homosexuellen KZ-Überlebenden.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nimmt an der Protestkundgebung am Freitag 19.12.2008 teil
19.12.2008: Bundespräsident Köhler verurteilt Anschlag auf Homo-Denkmal

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Text 21. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

„Ziel ist, die Schwulen-Infrastruktur zu zerschlagen“ – Hysterie und Gauweilereien Ende der 80er

Die Zeit von Aids-Hysterie, von Verfolgungs-Phantasien und Ausgrenzungs-Experimenten war auch die Hochzeit des CSU-Politikers Peter Gauweiler und seiner Politik, insbesondere des „Bayrischen Maßnahmen-Katalogs“.

Ende der 1980er Jahre – eine Stimmung, die heute kaum vorstellbar scheint, eine Zeit, in der es als Politiker kaum Probleme bereitete, von einer „Zerschlagung der Schwulen-Infrastruktur“ zu schwadronieren.

Ein Zeitzeugenbericht:

München war wegen des Kreisverwaltungsreferenten Peter Gauweiler (CSU) bundesweit ein Schreckgespenst. Unterstützt wurde der Law-and-Order-Mann allerdings vom damaligen Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD). Gauweiler war der Hardliner, der alle möglichen Themen von Absonderung bis Zwangstest ins Gespräch brachte. Er hatte einen Brief ans bayerische Innenministerium geschrieben, um harte Maßnahmen durchzusetzen. Er wechselte dann als Staatssekretär ins Innenministerium, so dass er seinen eigenen Brief beantworten konnte.

Guido Vael (1947 – 2020)

… berichtete Guido Vael unter dem Titel ‚Kondome statt Pogrome‚, und erzählt auch, welche konkreten Folgen dies hatte:

Gauweiler hatte Angst, mit Praktiken der Nazis, mit der Erinnerung an Konzentrationslager in Verbindung gebracht zu werden. Aber er sagte uns wortwörtlich, dass sein Ziel sei, die Schwulen-Infrastruktur zu zerschlagen. Er ließ die „Spinne“ schließen, ein Transvestie-Lokal, und eine Sauna. Dann wurde vorgeschrieben, dass es in Saunen keine Einzelkabinen geben durfte, die Türen mussten alle offen bleiben, die Lichtstärke der Beleuchtung wurde festgelegt. Ein Lokal, in dem Pornofilme liefen, musste immer um 1 Uhr schließen, anstatt um 3 Uhr wie die anderen.
Die ganzen Repressalien hatten zur Folge, dass viele Schwule aus München weggezogen sind. Die Stadt galt unter uns als ein Ort, den man besser meidet.

Seine Hardliner-Politik brachte Peter Gauweiler auf den Titel des ‚Spiegel‘ – in dem er mit Hans Halter einen ähnlich gesinnten Unterstützer fand.

Gauweiler (und der weniger bekannter Aids-Hardliner und Gauweiler – Berater Prof. Gerd Frösner)- diese Namen sind für viele Menschen mit HIV bis heute Synonym für Ängste vor Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung. So wie auch der bayrische Kultusminister Hans Zehetmair (1936 – 2022), der „Entartung ausdünnen‘ wollte

Gauweiler plante allerdings nicht (wie des öfteren gemeldet wurde) die Internierung von HIV-Infizierten – wie er im Februar 2008 (!) in einer Gegendarstellung der SZ (jetzt.de) klarstellte ….

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Wer den Bayrischen Maßnahmenkatalog von 1987 durchschaut, erschrickt – noch heute. Und wundet sich – warum diese Gegendarstellung? Haben wir damals etwas mißverstanden? Wohl eher nicht, habe ich den Eindruck, gesagt hat er ‚es‘ vielleicht nicht, aber …

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COVID19 HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Richard Berkowitz – 1982 Erfinder des safer Sex

Schwul, Stricher, S/M – keine Ideal-Voraussetzungen für einen Film-Helden. Und nicht die Biographie, die man hinter einem Aids-Aktivisten vermutet. Der Film „Sex Positive“ portraitiert Richard Berkowitz, Aids-Aktivist der ersten Stunde.

Daryl Wein Regisseur von Sex Positive über Richard Berkowitz(Foto: darylwein.com)
Daryl Wein Regisseur von Sex Positive (Foto: darylwein.com)

‚Sex Positive‘ – unter diesem Titel portraitiert 2008 der Film des Regisseurs Daryl Wein den schwulen SM-Sexworker Richard Berkowitz.

Richard Berkowitz – Aids-Aktivist der ersten Stunde

Berkowitz wurde Anfang der 1980er Jahren zum Aids-Aktivisten. Er war einer der ersten, die in den USA Safer Sex propagierten.

Berkowitz veröffentlichte im November 1982 (!) zusammen mit Michael Callen (-> zero patience)im New York Native den Artikel “Wir wissen, wer wir sind: Zwei schwule Männer erklären der Promiskuität den Krieg”.

Er versuchte über Sexpraktiken zu informieren, die mit einem hohen HIV-Infektionsrisiko verbunden sind, er sprach sich u.a. gegen Drogengebrauch, Promiskuität und einige Sexpraktiken aus. Er führte Aids nicht nur auf ein Virus zurück, sondern auch auf Promiskuität und ‚missbräuchliche Verwendung des eigenen Körpers‘. Seine Haltung brachte ihm unter Schwulen- und Aids-Aktivisten nicht nur Beifall, sondern auch zahlreiche Kritik ein.

Der Artikel „How to Have Sex in an Epidemic: One Approach“ von Berkowitz, Michael Callen, Dr. Joseph Sonnabend und Richard Dworkin von 1983 gilt als erster sexfreundlicher ‚Safer Sex – Ratgeber‘ für Schwule.

Berkowitz war u.a. auch einer der Teilnehmer der legendären ‚Denver Conference‘, auf der die Denver Prinzipien verabschiedet wurden, eine der ersten politischen Selbst-Äußerungen von Menschen mit HIV und Aids. Aus der Konferenz ging (ebenfalls mit Beteiligung von Berkowitz) die ‚National Association of People with Aids‘ (NAPWA) hervor.

Der Dokumentarfilm ‚Sex Positive‘ (2008) von Daryl Wein ist für zahlreiche Festivals nominiert. Im Juli 2008 gewann er den ‚Grand Jury Prize‘ des LA Outfest. Der Film kam in den USA im März 2009 in die Kinos. In Deutschland hatr der Film m.W. keinen Verleih gefunden.

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2021: How to have Sex in a Pandemic

In Zeiten der Corona Pandemie berichtet Ricard Berkowitz im Sommer 2021 in Folge 1 der Dokumentation „How to Have Sex in a Pandemic“ darüber, wie 1983 das Konzepot des safer Sex entstand:

How to have Sex in a Pandemic Folge 1
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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Aids Hysterie und die ’sorgenvolle Denunziation‘

Die Aids Hysterie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre trieb Menschen zu teils bestürzenden, teils erschreckenden Verhaltensweisen. Von Denunziation vermeintlich HIV-positiver Nachbarn bis zur vorgeblich fürsorglichen Zwangsuntersuchung des eigenen Sohnes.

Die kleine am 1. Dezember 2008 im RKI eröffnete Ausstellung ‚Zeitgeist(er) – Skurriles und Nachdenkliches zu HIV’ zeigte unter anderem einige sehr eindrückliche Beispiele, wie die Stimmung in Teilen der Bevölkerung Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in Sachen Aids und HIV-Infizierte war.
Beispiele von Denunziation, Diffamierung und menschlichen Abgründen …

So wendet sich ein Briefschreiber 1992 an das Bundesgesundheitsamt, um mitzuteilen, dass „Herr L (Name und Adresse vollständig angegeben) HIV-positiv ist und seine schwere Erkrankung durch häufig wechselnde Männerbekanntschaften überträgt„. Er bittet um vertrauliche Behandlung seiner Nachricht – und Einleitung „entsprechender Schritte„:

Aids Hysterie - Denunziation vermeintlich HIV-Positiver
Aids Hysterie – Denunziation vermeintlich HIV-Positiver

Ein Jahr später meldet ein anderer Briefschreiber per Einschrieben mit Rückschein „aus Gewissensgründen“ einen Mitbürger „wegen AIDS“ und nennt auch gleich mögliche ‚Kontaktpersonen‘:

Aids Hysterie - Denunziation vermeintlich HIV-Positiver
Aids-Hysterie – Denunziation vermeintlich HIV-Positiver

Im dritten Beispiel begehrt ein promovierter Vater vom Robert-Koch-Institut, nein er erwartet, dass sein Sohn „umgehend zu einer Untersuchung“ einbestellt wird, und erwartet Antwort innerhalb von 14 Tagen.
Der Grund seines Ansinnens: er habe „Grund zu der Annahme, dass sein Sohn [vollständige Adresse genannt] sich mit HIV infiziert“ habe. Der Herr Dr. möchte „seine weitere Studienförderung davon abhängig machen, dass er mir einen entsprechenden Untersuchungsbefund vorweist und sich künftig dem Ergebnis des Untersuchungsbefunds entsprechend verhält“. Wie das aussehen soll? Herr Dr. präzisiert weiter „also Intimkontakte zu Nichtangesteckten meidet wenn er infiziert ist, bzw. zu möglicherweise Infizierten (vorsichtshalber alle nichtuntersuchten Homo- und Bisexuellen und deren ständige oder vorübergehende Partner) unterläßt, wenn er Glück gehabt hat und noch nicht infiziert ist“:

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Die drei Beispiele stehen vermutlich für eine größere Anzahl an Briefen ähnlichen Inhaltes, die Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre an Bundesgesundheitsamt und Robert-Koch-Institut gerichtet wurden. Dennoch, schon diese drei Briefe geben exemplarisch nicht nur einen Eindruck von der Stimmung, die damals herrschte. Sondern sie berichten auch davon, zu welchen Verhaltensweisen Menschen unter den damaligen Bedingungen fähig waren. Und lassen die Frage im raum stehen, ob sich wirklich so viel geändert hat, oder ob solche Briefe auch heute wieder geschrieben werden würden …

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Frankreich Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Frankreich: Homoehe steuerlich anerkannt

In Frankreich hat die Steuerbehörde erstmals eine Homoehe steuerlich anerkannt – eine ausländische.

Erstmals haben die französischen Steuerbehörden eine Homoehe steuerlich anerkannt. Die beiden Männer kommen nun in den Genuss der gleichen steuerlichen Vorteile wie heterosexuelle Ehepaare.

Der Haken dabei: es handelt sich um ein niederländisches Paar, das seine Ehe in den Niederlanden geschlossen hat. Die beiden Männer leben seit Jahren im südfranzösischen Gers.

In Frankreich gibt es keine Homoehe, sondern den PACS (Pact civile de solidarité), ein zivilrechtlicher Vertrag, der im Gegensatz zur deutschen Lebenspartnerschaft auch von Heteros geschlossen werden kann (und auch in großem Umfang von Heteros genutzt wird).

Auch wenn homosexuellen Französinnen und Franzosen der Abschluss einer Homoehe weiterhin nicht möglich ist, erkennen die französischen Steuerbehörden nunmehr doch im Ausland geschlossene Homoehen an. Dies berichtet das österreichische Magazin Xtra! in seiner Ausgabe Oktober/November 2008.

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Ein erfreulicher Entschluss der französischen Steuerbehörden, der jedoch nur für sehr wenige Ausnahmefälle Nutzen bringen dürfte.
Die nunmehr entstehende bizarre Situation, dass in Frankreich geschlossene schwule oder lesbische Lebenspartnerschaften von Franzosen schlechter gestellt sind als im Ausland geschlossene Homo-Ehen zeigt einmal mehr, wie dringend hier eine eu-weit einnheitliche Regelung und wechselseitige Anerkennung sinnvoll wäre.

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Text am 17.01.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten Kulturelles ondamaris Texte zu HIV & Aids

Melitta Poppe 60 (Schwuz 2008 – Fotos)

Am 30. November 2008 fand im Schwuz Berlin (damals noch am Mehringdamm) die Geburtstagsveranstaltung ‚Wenn alte Mühlen brennen – Melitta Poppe wird 60, Berliner Tuntenrevue in drei Akten‘ statt – einige Fotos:

Melitta Poppe 60 Melitta Poppe 60

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

HIV Wechselwirkungen – Broschüre Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten

Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten, untereinander oder mit anderen Substanzen – was heute zum ärztlichen (und Patienten-) Alltag gehört und entsprechend berücksichtigt wird, war noch Mitte der 1990er Jahre ein Exoten-Thema. Und zugleich für viele Positive ein Thema von existentieller Bedeutung. Besonders seit Proteasehemmer Bestandteil hochwirksamer Kombinationstherapien wurden …

Spätestens mit dem Aufkommen der Proteasehemmer (einer damals neuen Klasse von anti-HIV-Wirkstoffen) wurde die HIV-Therapie Mitte der 1990er Jahre erfolgreicher, aber auch komplizierter. Neue, bisher kaum bekannte Komplikationen traten auf, aufgrund der erfolgreichen Medikamente. Deren Verstoffwechselung über bestimmte Enzymsysteme der Leber (z.B. CYP3A) führte dazu, dass die Wirkstoffspiegel (und damit oftmals auch die Wirkung) zahlreicher anderer Substanzen verändert wurde, sei es intensiviert oder abgeschwächt – und in den meisten Fällen  nicht erwünscht.

Was zunächst harmlos klingt, kann gravierende Folgen haben – ein Narkosemittel z.B., das zu lange wirkt oder zu intensiv dosiert wird, kann schnell zu gravierenden, wenn nicht lebensbedrohlichen Folgen führen.

In früheren Jahren erstellte ich für die Deutsche Aids-Hilfe in mehreren Ausgaben eine Publikation zu Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten – aus purer Notwendigkeit, nämlich dem Fehlen anderer Publikationen zu diesem Themenbereich:

HIV Wechselwirkungen Ausgaben 1997, 1998, 2000
HIV Wechselwirkungen Ausgaben 1997, 1998, 2000

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Die Geschichte des Umgangs mit HIV-Wechselwirkungen ist eines der vielen Beispiele, wie sehr Aidshilfe Pionier im Medizinsystem und Gesundheitsbetrieb war und weiter sein kann:
Kaum jemand beschäftigte sich zunächst mit dem Problem, dass plötzlich bei bestimmten Medikamenten-Kombinationen unerklärlich viele Nebenwirkungen oder Interaktionen auftraten. Geschweige denn, dass es für Ärzte zugängliche aggregierte Informationen gab, oder gar für Patienten verständliche Handreichungen.

Wechselwirkungen bei HIV-Medikamenten war eines der (nicht wenigen) Handlungsfelder, bei denen Positive und Aidshilfe zu den ersten gehörten, die erkannten – und reagierten:
Die Bedeutung der Frage der Wechselwirkungen wurde zuerst auch durch HIV-Positive und ihre Organisationen erkannt und problematisiert. Und mangels verfügbarer anderer Publikationen, die die wenigen verfügbaren Informationen nutzbar zusammenfassten, reagierte Aidshilfe als erste (und lange Zeit einzige) Organisation – im Sinne des Nutzens von HIV-Positiven, und auch zum Nutzen von Ärzten und Medizinsystem. Inzwischen ist das Thema längst im medizinischen Alltag angekommen, und auch auf Kongressen, in Fachinformationen und Datenbanken – auf ihre Pionier-Rolle kann Aidshilfe auch bei diesem ‘Exoten-Thema’ stolz sein.

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HIV/Aids ondamaris Texte zu HIV & Aids

Positiventreffen – Freiraum solidarischen Miteinanders

In der vergangenen Woche war ich einige Tage auf einem Positiventreffen. Über das ich mit einigen persönlichen Gedanken berichten möchte – und vielleicht ein wenig von ihrem Zauber zumindest erahnbar machen.

Positiventreffen, das heißt zunächst einfach: eine Gruppe HIV-positiver Menschen trifft sich für einige Zeit an einem Ort, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Bei den Bundesweiten Positiventreffen (es gibt auch andere, z.B. landesweite) ist dieser Ort das Waldschlößchen, ein Tagungshaus in der Nähe von Göttingen.

Für 4 oder 5 Tage treffen sich ca. 40, 50 HIV-Positive, als schwuler Mann, positive Frau, als frisch mit HIV-Diagnostizierter oder Langzeitpositiver, als junger Spund oder älterer Mann. Informieren sich über neue medizinische Themen, politische  oder sozialrechtliche Fragen, sprechen über ihr Leben in Stadt oder Land, nutzen Angebote zu Information, Diskussion, Erfahrungsaustausch, Kunst oder Entspannung.

Doch Positiventreffen sind mehr als ’nur‘ Wiedersehen, Entspannung und Informationsvermittlung.

Positiventreffen, das heißt  nicht Frontalbespaßung, heißt nicht ‚die da‘ und ‚ihr‘, sondern heißt 4 oder 5 Tage lang ‚wir‘. Das Miteinander verschiedener Menschen, Biographien, Lebenskonzepte, Alters- oder Betroffenengruppen. Jeder ist Experte seines Lebens, und zusammen sind wir Fachleute unserer Interessen. Zwar sind eine Reihe Referenten der Treffen ‚echte Profis‘, Fachleute auf ihrem Gebiet, zwar werden die Treffen professionell organisiert und geplant. Aber – die Treffen sind ‚wir‘, die Teilnehmer bestimmen letztlich das Programm, seine Gestaltung und Inhalte.

Erfahrungen, und der wechselseitige Austausch dieser Erfahrungen stehen oft im Mittelpunkt. Gemeinsamkeit erfahren, Solidarität leben und erleben. Jeder bringt seine Ideen, Erfahrungen ein, und erlebt die anderer Teilnehmer. Im Miteinander entwickeln sich neue Ideen, Anregungen auch für das eigene Leben, den eigenen Alltag mit HIV. Anregungen, die oftmals weiter tragen, über das Treffen hinaus wirken.
Getragen wird dieses miteinander vom ‚wir‘, von der Bereitschaft zu Geben und Nehmen der Teilnehmer. Nicht jeder, nicht jederzeit, aber das ‚wir‘ der TeilnehmerInnen in der Gesamtheit. Hätte die Mehrzahl der Teilnehmer eine ausgeprägte Konsum-Haltung, würden zu viele Positive Aufmerksamkeit, Ideen, Erfahrungen, Zuwendung anderer Teilnehmer nur nehmen, nicht aber auch anderen geben – die Treffen würden schnell ihr Herz verlieren, ihren Zauber, und bald zu einem x-beliebigen Aufeinandertreffen sich informieren wollender Menschen werden. Im Miteinander, im Geben und Nehmen aller liegt eines der Geheimnisse des Zaubers der Positiventreffen.

Ort vieler Positiventreffen - das Waldschlößchen
Ort vieler Positiventreffen – das Waldschlößchen

Dieses Miteinander ist eine der Besonderheiten der Positiventreffen. Ein weiteres Geheimnis der Positiventreffen wird von einigen Teilnehmern umschrieben mit Begriffen wie ‚Freiraum‘, ‚geschützter Raum‘ oder ‚Labor‘. Eine Atmosphäre, ein Klima von gegenseitigem Respekt, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit. Keine Konkurrenz, keine Hahnenkämpfe, kein Auslachen oder Ausgrenzen. Stattdessen Aufmunterung, Unterstützung, gegenseitiges Halt-Geben. Atmosphäre und Gefühle, die es ermöglichen, auch auf Glatteis zu gehen, sich auszuprobieren, sich zu riskieren. Wege anzutasten, Schritte auf Wegen zu gehen, die vorher vielleicht nicht einmal gesehen wurden.
Ein Freiraum, in dem es möglich wird, anderes zu denken, ausgetretene Pfade zu verlasen. Vielleicht einmal Dinge im eigenen Leben anders zu sehen. Ach, so kann ich das auch machen? So fühlt sich das an? So gehst du damit um? Deine Erfahrungen heißen ja vielleicht auch, dass … Und so manches Mal steht im nachhinein der Gedanke daneben ‚hätt‘ ich das doch schon früher gemacht‘.

Erfahrungen machen, gemachte Erfahrungen weitergeben, austauschen, neue Ideen und Möglichkeiten entdecken, leben – das ist für mich einer der Kerngedanken der Positiventreffen. In geschütztem Raum einmal auch anders sein können, Schranken fallen lassen, Grenzen überwinden können,  Ausprobieren – getragen auch von Aufmerksamkeit und Achtsamkeit der Gruppe, von Zuneigung, Respekt und gegenseitiger Unterstützung.

Dazu kommt natürlich noch viel mehr – ein wundervolles Haus (nein, drei, seit das neue Gästehaus fertig ist), eine traumhafte Landschaft, die ob Sommer ob Winter zu langen Spaziergängen lockt, eine gesunde und leckere Küche, eine Sauna, und -besonders bei den längeren Positiventreffen- die tolle Party am letzten Abend, gemeinsam feiern, träumen, tanzen zur tollen Musik von Christian (DJ flat c.).

Und wenn man dann tief in der Nacht mit dem besten M. aller Zeiten und drei Teilnehmern zusammen sitzt, denen man vorher kaum nahe gekommen ist, um bei Kerzen, Wein und Bier zur Gitarre zu singen – dann geschieht manchmal auch ein Wunder, eines dieser kleinen Waldschlößchen-Wunder.

Aufgewühlt und erschöpft, müde sitze ich nach 5 intensiven Tagen am nächsten Nachmittag im Zug, zudem ein wenig beschämt und glücklich ob des Gefühls, wieder einmal auf unerwartete Weise neue, bereichernde Erfahrungen gemacht zu haben …

Die Bundesweiten Positiventreffen werden veranstaltet vom Verein Positiv e.V. in Kooperation mit der Akademie Waldschlößchen und mit Unterstützung durch die Deutsche Aids-Hilfe. Jährlich finden mehrere Treffen im Waldschlößchen statt. Menschen mit HIV sind auf diesen Treffen immer willkommen. Informationen zu den Themen der Treffen und Anmelde-Möglichkeiten hier.
Jetzt ist eine gute Zeit, sich für die Treffen 2009 anzumelden – sehen wir uns? 🙂

Nachtrag 28.11.2008:
Gerade auch junge Menschen mit HIV erleben Positiventreffen als befreiend: „Es ist befreiend, mit Menschen zu reden, denen man nicht groß was erklären muss, die gleich wissen, was man meint. Es ist schön, jemanden Witze machen und lachen zu hören, der das Virus schon zwanzig Jahre in sich trägt“, meint ‚Oliver‘ in einem Artikel der WZnewsline vom 27.11.2008.

siehe auch 150 Bundesweite Positiventreffen – eine Chronologie

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Text 17. März 2017 von ondamaris auf 2mecs