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Das EU-Parlament könnte schon bald einen Sonderausschuss zur Homophobie in Polen einsetzen.
Der liberale Politiker Watson (Vorsitzender der Fraktion der Liberalen im EU-Parlament) kündigte an, die Fraktionschefs im EU-Parlament würden schon bald darüber beraten, einen Sonderausschuss zu den jüngsten Entwicklungen in Polen einzusetzen. Dieser könnte sich mit Homophobie in Polen befassen.
Am 1. April ist die lange diskutierte Gesundheits-Reform in Kraft getreten. Angesichts all der Berichte über Wahl-Tarife und Beitrags-Rückerstattungen ist ein kleines Detail kaum berichtet worden. Das Schuldprinzip ist in die Krankenversicherung eingeführt worden.
Ab dem 1. April dürfen wir uns nicht nur für Wahltarife entscheiden, mit verschiedenen Prämien, Selbstbehalten, Rückerstatttungen. Sondern die Kassen müssen auch nicht mehr aufkommen für Kosten in Folge von Piercings sowie Kosten nach unnötigen Schönheits- Operationen (das Gesundheitsministerium nennt das „Behandlung von Folgeerkrankungen aufgrund nicht notwendiger medizinischer Eingriffe“).
Wieder einmal ist das Tor weiter aufgemacht worden. Ein Tor, über dem als Überschrift stehen könnte „Das Schuldprinzip“.
Früher einmal war die Krankenversicherung nach dem Solidarprinzip gestaltet, wie beinahe die gesamte Sozialversicherung. Doch inzwischen greift zunehmend die Schuldfrage um sich – „ist der/die doch selbst schuld dran, was soll die Versicherten-Gemeinschaft dafür zahlen?“
Nun mag man/frau ja denken, „stimmt ja auch, was soll’s, hat ja selbst schuld., wer sich ein Piercing machen lässt (oder eine Schönheits-OP), und dann hinterher Probleme auftreten. Was soll ich mit meinen Krankenversicherungs- Beiträge dafür zahlen.“
Und schon ist man/frau in die populistische Falle der Entsolidarisierungs- Politik getappt.
Denn das könnte allerdings etwas kurz gedacht sein.
Vielleicht ist dann der nächste Ski-Unfall, der Sturz mit dem Motorrad demnächst auch nicht mehr versichert? Oder der die kleinen Problemchen, letztens, hingefallen als Sie so ein klein wenig beschwipst waren?
Und irgendwann dann auch die Behandlung der Raucher-Lunge, oder der HIV-Infektion? (schließlich, sie mussten ja nicht rauchen, und das mit dem Virus, das wussten sie doch vorher, dass das riskant ist…)
Das mag absurd erscheinen, nicht vorstellbar sein. Aber – mit Piercings und Schönheits-OPs ist ein Anfang (der ‚Selbst-Haftung‘) gemacht. Und das ‚Schuld-Prinzip‘ wird weiter ausgeweitet werden. Die so genannten ‚Risiko-Sportarten‘ sind bereits (nicht nur bei CDU-Politikern) in der Diskussion, könnten als nächste aus dem Versicherungsschutz der Krankenversicherungen ausgeschlossen werden.
Wollen wir das wirklich? Wollen wir ein derart immer mehr ent-solidarisiertes System?
Ein System, das Risiken wieder privatisiert? Für jeden und alles private Vorsorge-Versicherungen verlangt?
Oder nicht doch eine solidarische Krankenversicherung, die für alle Risiken der Gesundheit einsteht, und von allen für alle getragen wird?
Nach einem Besuch in Fürstenberg (Havel) / Ravensbrück im Frühjahr 2007 könnte man sich so einige Fragen stellen, z.B.
warum ist die Gedenkstelle für das Frauen- Konzentrationslager Ravensbrück immer noch so unscheinbar und schlecht ausgeschildert?
was ist los an einem Ort, der an der ehemaligen Lagerstraße, in unmittelbarer Nähe zur Gedenkstätte, einen Supermarkt-Neubau genehmigt, dessen Eröffnung erst durch internationale Proteste gestoppt wird?
wie viel (besser gesagt, wie wenig) Geld ist dieses Land bereit für Gedenkstätten zur Verfügung zu stellen?
warum wird das Schicksal lesbischer Frauen in der Gedenkstätte kaum erwähnt?
…
Allein, nach einem Tag in Ravensbrück ist mir nicht nach (öffentlichem) Schreiben zumute. So müssen einige Fotos genügen:
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1984 bis 1986 versuchten Frauen der Ostberliner Gruppe Lesben in der Kirche mehrfach, lesbischer Frauen die von den Nazis verfolgt wurden zu gedenken. Sie wurden von den Behörden daran ge- oder dabei behindert.
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Seit 2013 zeigt die Mahn- und Gedenkstätte die neue Dauerausstellung „Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück – Geschichte und Erinnerung“.
Am 9. Oktober 2018 stimmte der Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte einem Antrag des LSVD zu, mit einer ‚Gedenkkugel‘ der lesbischen Frauen unter den Häftlingen zu gedenken. Die zuständigge Fachkommission allerdings beschloss einen anderen Text. Stiftungsdirektor Drecoll betonte, angesichts dieser divergierenden Beschlüsse gebe es „zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeit, ein solches Gedenkzeichen in der Mahn- und Gedenkstätte zu errichten“. Die bereits viele Jahre andauernde Debatte hat damit auch 2018 noch keinen Abschluß gefunden. Unter anderem gibt es eine mehrjähriger Kontroverse zwischen der Initiative „Autonome feministische Frauen Lesben aus Deutschland und Österreich“ und dem LSVD um den Text der Inschrift.
Das polnische Bildungsministerium plant ein Gesetz. Ein ganz besonderes. Lehrern soll es zukünftig unter Androhung von Strafe verboten werden, im Unterricht auch nur zu erwähnen, dass es auch Schwule und Lesben gibt.
Bildungsminister (und Vize-Premierminister) Giertych möchte so die Jugend des Landes vor ‚homosexueller Propaganda‘ beschützen.
Selbst Aufklärungsmaterial (z.B. gegen Aids) wäre dann strafbar, wenn an Schulen verwendet.
Heute noch so eine Geschichte, die man lieber nicht erzählen möchte. Wieder eine Geschichte aus dem bunten Pharma-Zirkus, in dem sich alles um Gewinne Gewinne Gewinne dreht. Eine Geschichte um Pillen und Aids.
Die Immunschwäche-Krankheit Aids wird ausgelöst durch eine Infektion mit dem HI-Virus. Die HIV-Infektion kann inzwischen oftmals erfolgreich behandelt (wenn auch nicht geheilt) werden, eine größere Anzahl Medikamente steht in den wohlhabenden Industriestaaten, zunehmend aber auch in einigen Staaten der sogenannten ‚Dritten Welt‘ zur Behandlung zur Verfügung.
Die Pillen, der Markt und der Preis
Eines dieser Medikamente ist Norvir des Herstellers Abbott. Norvir (Wirkstoff Ritonavir) wurde ab Mitte der 90er Jahre als Medikament gegen HIV eingesetzt (von den Patienten allerdings u.a. aufgrund seiner Nebenwirkungen wenig geliebt). Bis man feststellte, dass Norvir auch in der Lage ist, schon in einer geringen Dosierung andere Medikamente in ihrer Wirksamkeit zu verstärken. Dies wurde bald zum hauptsächlichen Einsatzgebiet von Norvir, während als eigentliches Medikament oftmals Substanzen von Wettbewerbern eingesetzt wurden. Fast jedesmal jedoch verdiente Abbott mit, da als ‚Verstärker‘ Norvir eingesetzt wurde.
Nun könnte man als Hersteller überlegen, ’na, schön dass unsere Pille trotz all der Nebenwirkungen und besseren Konkurrenzprodukte überhaupt noch ein Einsatzgebiet hat und damit Umsatz bringt‘. Nicht so jedoch der Pharmakonzern Abbott.
Dem reichte der Umsatz als „Verstärker“ nicht. Im Jahr 2003 begann man zu überlegen, was denn getan werden könnte, um den eigenen Marktanteil zu sichern und den Umsatz anzukurbeln. Welch perfide Vorschläge dabei ernsthaft erwogen wurden, enthüllte jetzt das Wall Street Journal.
Eine der Ideen: der Pharmakonzern könnte Norvir in den USA ganz vom Markt nehmen – um Wettbewerber zu schädigen, die Norvir als Verstärker (Booster) für ihre Medikamente nutzen (und dann nicht mehr einsetzen könnten).
Eine weitere Option: die Kapseln durch den Saft zu ersetzen (der wirklich so eklig schmeckt, dass selbst die Außendienst-Mitarbeiter des Konzerns sich nach Ausprobieren weigerten, die Probe zu wiederholen).
Dies hätte Patienten vermutlich gezwungen, auf das konzerneigene Medikament Kaletra zu wechseln (in das Norvir selbstverständlich als Booster, und geschmacksneutral, eingebaut ist).
Was hätten diese Alternativen in der Praxis bedeutet?
Abbott hätte Norvir (Kapseln) vom Markt genommen. Da wenig Umsatz, wäre der direkte finanzielle Verlust nicht sehr groß gewesen.
Die Patienten und ihre Ärzte hätten sich entscheiden müssen. Sie könnten weiterhin Medikamente eines anderen Herstellers einnehmen, aber nur ohne „Verstärker“, oder nur mit dem wirklich unerträglich schmeckenden Norvir-Saft. Oder sie wechseln zu einem Produkt von Abbott (hier also Kaletra) – denn in seine eigenen Pillen baut der Konzern selbstverständlich den Verstärker auch weiterhin ein, auch mit erträglichem Geschmack.
Um dem ganzen noch einen besonderen Akzent zu geben, wurde diskutiert, wie denn diese schwer erträgliche Entwicklung vor Ärzten und Patienten gerechtfertigt werden könnte. Die perverse Idee: die ‚dritte Welt‘ könnte doch die Schuld bekommen. Man benötige alle Produktionskapazitäten, um den Staaten der ‚Dritten Welt‘ ausreichend Norvir zur Verfügung stellen zu können, so das Gedankenspiel zur Begründung der diskutierten Möglichkeit, Norvir in den USA vom Markt zu nehmen.
Und wie gingen diese perfiden Planspiele aus?
Der Pharmakonzern entschied sich im Dezember 2003 für eine dritte Option. Der Preis für Norvir wurde in den USA erhöht, und zwar drastisch.
Die angenehme Nebenfolge für Abbott: während sich die Gesamt-Preise für die Produkte der Wettbewerber, die ja das nun 5fach teurere Norvir als Verstärker benötigen, massiv erhöhten, würde Kaletra (das hauseigene Produkt mit ‚eingebautem‘ Norvir-Verstärker) preislich attraktiver sein und dadurch massive Marktanteile gewinnen.
Diese Begründung wurde natürlich nie offiziell gegeben. Abbott begründete vielmehr die Preiserhöhung damit, der neue Preis reflektiere nun endlich den ‚wahren Wert‘ der Substanz in der Therapie.
Der ‚wahre Wert‘ allerdings erschreckte nicht nur Marktbeobachter, Ärzte und Patienten. Abbott verfünffachte (!) den Preis von Norvir in den USA.
Der Großhandelspreis für eine Packung Norvir-Kapseln (100 Stück à 100mg) wurde von Abbott erhöht von 205,74 US-$ auf nunmehr 1.028,71$. Trotz massiver Proteste von Ärzten, Aktivisten, Patientenvertretern und Gesundheitspolitikern blieb es bis heute bei dieser Preiserhöhung.
Eine Geschichte, die beinahe so klingt, als hätten sie Drehbuch-Autoren wenig ambitionierter Movies sich nachts aus den Fingern gesogen – und die dennoch traurige Wirklichkeit ist.
Norvir und Kaletra sind geschützte Warenzeichen von Abbott
Auch Gesundheit und Medikamente sind ein Markt. Klar doch.
Oder nicht?
Geht es nicht um mehr als „nur“ darum, möglichst viel Profit zu machen mit Krankheit und Gesundheit? Sind Medikamente wirklich das gleiche wie Autoreifen oder Fastfood, nämlich nur ein Wirtschaftsgut, mit dem Konzerne versuchen möglichst viel Gewinn zu machen?
Manchmal befürchte ich, ja, auch Medikamente sind nur ein Markt, ein Monopoly, Geschäftemacherei.
Wie bei der Meldung jüngst, der Pharmakonzern Pfizer überlege, seine Potenzpille Viagra ohne Rezept zugänglich zu machen.
Und warum, gerade bei Viagra (das ja trotz Rezeptpflicht nicht von den Kassen erstattet wird, sondern vom Anwender selbst zu bezahlen ist)? Hat sich vielleicht bei den vielen Millionen Anwendungen bisher gezeigt, dass dieses Medikament harmlos, ohne potenzielle Nebenwirkungen oder Schäden ist? Oder macht sich ein selbstloser Pharmakonzern Sorgen, dass vielleicht nicht alle Männer in der Lage sein könnten, von den Vorteilen seines tollen Produkts zu profitieren?
Mitnichten, keineswegs.
Der Grund ist vielmehr, ganz profan: Umsatz. Gewinn. Geld.
Auch bei Potenzmittel ist seit der Zulassung der Viagra-Konkurrenten Cialis und Levitra der Wettbewerb ausgebrochen, wenn auch nicht über den Preis, so doch über die ‚Leistung‘. Und diesen Wettbewerb scheint Pfizer nun zu merken, am Viagra-Umsatz (der, nebenbei, allein im dritten Quartal 2006 bei 423 Millionen US-$ lag).
Und klar doch, was liegt da näher, als ein Medikament, zudem ein in seiner Anwendung nicht immer gerade risikoloses, rezeptfrei zugänglich zu machen? Nehmen wir’s mal schnell aus der Rezeptpflicht, wird sich schon ein Weg zu finden (z.B. Dosisänderung).
Umsatzförderung durch Senken der Schwellen?
Dann braucht der schüchterne Mann nicht einmal mehr seinen Arzt zu fragen, sondern kann gleich in den Supermarkt um die Ecke gehen und vielleicht einfach so neben H-Milch und Billig-Bier auch noch eine Packung Potenz kaufen? Und nebenbei stimmt der Umsatz dann auch wieder?
Und wann dreht die BZgA dann einen Spot mit „Tina, wat kosten die Viagra?“
Und wo bleibt der Unterschied zwischen Medikamenten und Waschmittel?
„Nicht über uns reden, sondern mit uns“ forderte ACT UP Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre, ging mit Aktionen und Inhalten in die Aids-Kongresse, zwang Mediziner Forscher und Pharmaindustrie zum Dialog, zum Streitgespräch mit ‚Betroffenen‘.
Und heute?
Manchmal scheint mir, die gleichen ACT UP – Aktionen müssten heute in so einigen Aidshilfen stattfinden. Damit Positive endlich (wieder) nicht nur als Klienten, als zu bespaßende und beratende Kundschaft (und, nebenbei, als Existenzgrundlage der Jobs vieler Mitarbeiter) betrachtet werden, sondern als Partner mit denen zusammen Aidshilfen handeln, und die selbstverständlich aktiv mit einbezogen werden.
Viele Aidshilfen haben sich inzwischen zu Organisationen entwickelt, in denen Selbsthilfe, aktives Einbeziehen von Positiven (auch in Entscheidungen) oder Fördern von positivem Selbst-Engagement Fremdworte zu sein scheinen, die höchstens noch zu dunklen Schatten einer fernen Vergangenheit gehören.
Dazu ist es nicht ohne Grund gekommen – welche/r Positive will sich denn heute noch einmischen, sich auch nur Gedanken machen? Ich fürchte, ihre Zahl ist gering, ihr Alter eher hoch.
Und dennoch – brauchen wir nicht neben aller Bespaßung Betreuung Befütterung -auch- wieder eine Kultur, in der die, die es angeht, selbstverständlich aktiv mit eingebunden werden? In der Positive ermuntert, aktiv unterstützt werden sich zu beteiligen? In der Selbsthilfe und positives Engagement wieder selbstverständlich und erwünscht sind? In der Kritik geschätzt, Diskussionen und Debatten gewürdigt (und nicht als unerwünschtes Einmischen abgekanzelt) werden?
Oder müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass Aids-Hilfe noch etwas mit Selbsthilfe, mit aus eigener Betroffenheit engagierter Interessenvertretung zu tun hat?
Es gibt erfreuliches über die Färöer zu berichten …
Ende Oktober schrieb ich über Homophobie auf den Färöer. Nach einer Häufung von Übergriffen gegen Schwule hatte die Gruppe Act against Homophobia eine Unterschriften-Kampagne gegen Homophobie auf den Färöer gestartet. Die gesammelten Unterschriften sollten der Regierung übergeben werden.
Die Aktion scheint von einem Erfolg gekrönt: Gestern Abend meldete Sabine in ihrem Blog: das Parlament der Färöer in Tórshavn hat ein Gesetz verabschiedet, das zukünftig die Diskriminierung von Schwulen und Lesben untersagt. 17 Abgeordnete stimmten für das neue Gesetz, 15 dagegen.
Mehr Infos auch auf gayweb.
Und – danke an Sabine für die Nachricht 🙂
Ist Selbsthilfe, aktives Engagement und Interessen- Vertretung von Positiven noch erwünscht? Warum scheint sie immer schwieriger, sowohl in der Arbeit vor Ort als auch der politischen Interessenvertretung auf Bundesebene? Eine der Frage wurde am Samstag ausgiebig diskutiert, die andere blieb offen im Raum stehen.
Bereits seit einiger Zeit tobt unter einigen Positiven, in Netzwerken, Selbst- und Aids-Hilfen eine Diskussion über ‚Aids-Hilfe und Selbsthilfe‘. Fragen, die dabei diskutiert werden sind z.B.: wie weit ist Aids-Hilfe noch Selbst-Hilfe? Wie weit ’nur noch‘ Service-Einrichtung? Welche Rolle spielen Sekundär- und Primär-Prävention? Welche Rolle haben Positive überhaupt noch in Aids-Hilfen?
Hintergrund dieser Fragen ist u.a., dass so manche Aids-Hilfe nicht gerade ein Hort positiver Selbsthilfe zu sein scheint. Dass es Aids-Hilfen gibt, in denen es beim Thema Selbsthilfe mehr auf Schein als auf Sein, mehr auf den (billigen) Effekt als auf die (langfristige) Wirkung ankommt, auch das wird des öfteren als Befürchtung geäußert.
In diesem Spannungsfeld möglicher Fragen und Herausforderungen an und durch Selbsthilfe veranstaltete das Netzwerk plus am 9.12.2006 in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Mehr Schein als Sein? – Beteiligungsmöglichkeiten von HIV-Positiven in Selbsthilfestrukturen“.
Deutlich wird schon zu Beginn der Veranstaltung, mit welcher Bescheidenheit Selbsthilfe zurecht zu kommen, manchmal zu kämpfen hat. Da werden z.B. Selbstverständlichkeiten (wie die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen) als großzügiges Entgegenkommen verkauft. Wenn Verantwortliche sich tatsächlich Fragen stellen, auch kritischen Fragen, ist man/frau schon vorab dankbar allein für die Bereitschaft – und sieht sich, je kritischer die Fragen werden, doch mit dem Vorwurf konfrontiert, man sei doch nicht ‚Rechenschaft schuldig‘. Oder da da wird die Entsendung von Selbsthilfe-Vertretern in Entscheidungsgremien von der Zustimmung von Vorständen abhängig gemacht.
Viel Enttäuschung, viel an Zugangshemmnissen ist zu erahnen, wenn des öfteren unterschwellig der verzweifelte Ruf herauszuhören ist ‚wir machen hier nun so mühevoll Selbsthilfe – warum kommt denn kaum jemand?‘.
Etwas anders die Beteiligung von PatientInnen- Vertretern auf Bundesebene, die als Ergebnis der letzten Gesundheitsreform inzwischen ihre Anfänge nimmt (insbesondere, wenn auch noch ohne Stimmrecht, im ‚Gemeinsamen Bundesausschuß‘ G-BA). Hier ist ganz klar – die Hürden sind hoch, haben Namen wie ‚Vertretung politischer Gruppeninteressen, nicht von Einzelschicksalen‘ oder ‚viel Gremien-Arbeit, viel Frustrationstoleranz sind gefragt‘.
Diese beiden Ebenen in der Diskussion um Selbsthilfe zu unterscheiden – ‚wie kann ich mich in der Selbsthilfe engagieren‘, und die Frage, ‚wie kann Selbsthilfe sich an (politischen) Prozessen beteiligen‘ (also der Innen- und der Aussenwirkung) – bleibt im Verlauf der Diskussion immer wieder Herausforderung.
Einigkeit besteht hingegen bald, dass auf beiden Feldern eine wesentliche Herausforderung die Vermittlung von Kompetenzen ist. Kompetenzen, die in der praktischen Selbsthilfe vor Ort ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, die aber auch für die Gremienarbeit auf Bundesebene erforderlich sind. Die Patientenbeauftragte für Berlin sowie anwesende Aids-Hilfe-Vertreter sehen hier Möglichkeiten konkreter Unterstützung, die sie bieten könnten – eine baldige Umsetzung wäre im Sinne effektiver Selbsthilfe-Arbeit wünschenswert.
Und es wird im Verlauf der Diskussion deutlich, wie wichtig es -gerade für die politische Interessenvertretung auf Bundesebene- ist, eine breite Basis aufzubauen. Eine Basis, die die vorhandenen Strukturen (insbes. von Netzwerken und Aids-Hilfen) nutzt, die auf Probleme aufmerksam macht. Eine Struktur, die einerseits eine Bündelung von Themen, Interessen und anstehenden Fragen ermöglicht und eine Kondensierung für die bundespolitische Arbeit bietet, diese andererseits auch ‚erdet‘ und am ‚Abheben‘ hindert.
Die letztlich entscheidende, das Spannungsfeld (s.o.) treffend auf den Punkt bringende Frage wird erst ganz gegen Schluss gestellt: welches Interesse haben Aids-Hilfen überhaupt noch, dass Positive sich befähigen, sich engagieren, aktiv einbringen und beteiligen?
Diese Frage bleibt gen Ende der Veranstaltung im Raum stehen – verbunden mit dem Hinweis, die Leitbild-Diskussion der DAH beschäftige sich ja genau damit.
MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.
Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.
MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.
Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.
Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.
Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.
Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?
Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.
Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.
Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …
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Text 26. Januar 2017 von ondamaris auf 2mecs
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