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Carl Vaernet – Experimente an Homosexuellen in Buchenwald

Im Konzentrationslager Buchenwald stellte der dänische KZ-Arzt Carl Vaernet Experimente mit Homosexuellen an. Nach 1945 wurde Værnet für seine Taten nicht zur Verantwortung gezogen. 

Die Emslandlager (u.a. Esterwegen, Börgermoor und insbesondere Neusustrum) stehen für die Region, in der vermutlich die meisten Homosexuellen im Deutschen Reich inhaftiert waren (Hoffschild 1999). Buchenwald hingegen steht u.a. für eine besonders abscheuliche Form der Misshandlung Homosexueller in der NS-Zeit.

Buchenwald
Buchenwald

In Buchenwald war nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Inhaftierten Homosexuelle (Statistiken sprechen von ca. 500 Homosexuellen unter den insgesamt ca. 240.000 Menschen, von denen ca. 56.000 umkamen). Aber Buchenwald hatte Carl Værnet. Den Arzt, der in Buchenwald Versuche mit Homosexuellen anstellte – der ihnen ‚künstliche Hormondrüsen‚ implantierte, um sie von ihrer Homosexualität zu ‚heilen‘.

Carl Vaernet und die ‚Hormontherapie‘

Carl Værnet wurde am 28. April 1893 als Carl Peter Jensen im kleinen Ort Løjenkær nahe Århus geboren. Er beendete sein Medizinstudium in Kopenhagen im Juni 1923 mit der Bewertung „cum laude“. Kurz zuvor, am 21. November 1921, hatte er die Änderung seines Namens von Jensen in Værnet beantragt (dänisch værne etwa schützen, verteidigen, wehren).
Im November 1924 ließ Værnet sich als praktischer Arzt nieder. Er widmete sich u.a. der ‚Kurzwellentherapie‘, baute eine zunächst gut florierende Praxis auf.

Bereits in seiner medizinischen Ausbildung kam Værnet mit Hormonexperimenten in Kontakt. Am Kopenhagener Kommunehospital führte Dr. Knut Sand 1923 bei vier Homosexuellen Hodentransplantationen durch – mit dem Ziel, dass diese sich anschließend vom weiblichen Geschlecht angezogen fühlen sollten. Sand vertrat die Auffassung, Homosexualität könne durch eine gestörte Hormonbalance erklärt werden. Værnet interessierte sich schon bald für Fragen der Hormone, insbesondere der Hypophyse sowie der Keimdrüsen.

1932 lernte Værnet bei einer Reise nach Berlin u.a. auch Magnus Hirschfeld und dessen Institut für Sexualwissenschaften kennen. Später äußerte er, hier bei Hirschfeld sei die Grundlage zu seinem ‚Lebenswerk‘ künstliche Hormondrüse entstanden, und zur These Homosexualität könne durch zusätzliche Gabe von Testosteron geheilt werden.

Værnet begann 1934 mit eigenen Forschungsarbeiten, bis 1938 an Mäusen, und entwickelte eine ‚künstliche Drüse‘, eine Kapsel, die in der Leistengegend eingesetzt und kontinuierlich Hormon abgeben sollte.

Carl Vaernet und die Experimente an Homosexuellen im KZ Buchenwald

1941 wurde Værnet, inzwischen Mitglied der dänischen Nazi-Partei DNSAP, von ‚Reichsgesundheitsführer‘ Dr. Leonhard Conti nach Deutschland eingeladen.
Im Sommer 1943 – Værnet war u.a. aufgrund von Ermittlungen wegen unberechtigter Abgabe von Morphium an eine Patientin unter Druck – verkaufte er seine Kopenhagener Klinik an die deutsche Wehrmacht. Mit Passierschein der deutschen Wehrmachtskommandantur reisten Værnet und Familie am 6. Oktober 1943 in einer deutschen Militärmaschine nach Berlin aus.

In Deutschland erhalte er, so hatte ihm der Reichsarzt SS Dr. Ernst Grawitz (General der Waffen-SS mit ständigem Kontakt zum Innenminister und ‚Reichsführer SS‘ Heinrich Himmler) versprochen, alle für seine Forschungen erforderliche Unterstützung.

„Dr. V. bitte ich absolut großzügig zu behandeln. Ich selbst möchte monatlich einen 3-4 Seiten langen Bericht, da ich mich für die Dinge sehr interessiere. Zu einem späteren Zeitpunkt möchte ich Vaernet dann auch einmal zu mir bitten.“

Geheimbefehl von Grawitz, 15.11.1943, zitiert nach Stümke / Homosexuelle in Deutschand sowie Günter Grau / Homosexualität in der NS-Zeit

Vaernet erhielt zudem die Zusicherung, dass ihm „in den Konzentrationslagern Häftlinge zur Verfügung gestellt werden“ (zitiert nach Stümke). Dafür verpflichtete er sich, der SS „die alleinige wirtschaftliche Nutzung im In- und Ausland im Lizenzweg zu überlassen„.

Bald schon konnte Værnet Himmler persönlich über seine ‚Forschungen‘ informieren und fand auch aufgrund seiner Hinweise auf die Möglichkeit einer Heilung von Homosexualität interessierte Zustimmung.
Nach dem er eingewiligt hatte in den Rang eines ‚Sturmbannführers SS‘ und nach Abschluss eines Vertrages mit der SS konnte Værnet bald seine als ‚geheim‘ titulierte und von der SS großzügig honorierte Arbeit aufnehmen, in Berlin und ab November 1943 in Prag in Laboratorien die überwiegend der SS gehörten (Deutsche Heilmittel GmbH). 1944 wurde Værnet angeboten, Versuche zu Hormonausscheidungen und Hormongaben an verschiedenen Gruppen von (oft aufgrund von Paragraph 175 verfolgten) Homosexuellen zu machen. Im Konzentrationslager Buchenwald.

Carl Vaernet 24.8.1944 "Die künstliche männliche Sexualdrüse ist fertig"
Carl Vaernet 24.8.1944 „Die künstliche männliche Sexualdrüse ist fertig“

Zu diesem Zeitpunkt betrachtete Vaernet die Entwicklung seiner ‚künstlichen Hormondrüse‘ als technisch weitgehend abgeschlossen – konkrete Versuche zum Nachweis ihrer Wirksamkeit standen nun an. Die weltweiten Patentrechte an Værnets ‚künstlicher Hormondrüse‘ hielt eine am 5.5.1943 gegründete dänische Firma.

Værnet ergriff die Chance, die sich ihm bot. Versuche mit seiner künstlichen Drüse an KZ-Häftlingen, mit dem Ziel dass diese durch die Einpflanzung ’sexuell normal‘ werden – die Chance, auf die er gewartet hatte. Solche Versuche waren wohl nur in Konzentrationslagern möglich – und konnten dort auch ohne Zustimmung der Betroffenen problemlos erfolgen.

Carl Vaernet 30.10.1944 "Die Operationen in Weimar-Buchenwald wurden ... ausgeführt."
Carl Vaernet 30.10.1944 „Die Operationen in Weimar-Buchenwald wurden … ausgeführt.“

Mindestens viermal hielt sich Værnet 1944 in Buchenwald auf (erstmals am 26.7.1944). Dabei operierte er 17 Männer zwischen 23 und 60 Jahren, 7 ‚Sittlichkeitsverbrecher‘ sowie 10 Homosexuelle. Die erste Operations-Serie fand am 16.September 1944 statt, die zweite am 8. Dezember. Die Versuche sollten u.a. dazu dienen, die ‚Erhaltungsdosis‘ zu bestimmen, und die prinzipielle Wirksamkeit zu prüfen.

Den ‚Probanden‘ wurden subkutan im rechten unteren Bauchbereich unter örtlicher Betäubung eine ‚künstliche Drüse‘ implantiert, die von da an Testosteron abgeben sollte. In der Folgezeit sollte gemessen werden, ob sich sexuelles Verhalten und sexuelle Orientierung wie gewünscht verändern.
Den Homosexuellen, an denen die Versuche durchgeführt wurden, wurde bei erfolgreichem Verlauf die Freilassung versprochen. Ein Versprechen, das in keinen einzigen Fall erfüllt wurde. Bei zwei der Operierten besteht eine mögliche Verbindung zwischen der Operation und ihrem baldigen Tod.

In Buchenwald arbeitete Værnet eng zusammen mit Dr. Schiedlausky, Standort-Arzt der Waffen-SS, sowie mit Dr. Erwin Ding. In Buchenwald wurden Homosexuelle häufig als Versuchspersonen für zahlreiche medizinische Experimente genutzt – u.a. auch für die berüchtigten Versuche Dr. Dings mit der tödlichen Infektionskrankheit Flecktyphus.
Værnet selbst berichtete am 10. Februar 1945 Heinrich Himmler über seine Arbeiten und legte einen abschließenden Bericht vor (den er diesem widmete ‚in tiefster Bewunderung und unverbrüchlicher Treue‚). Von Grawitz erhielt er erneut finanzielle Mittel für die Fortsetzung seiner Arbeiten.

11. April 1945, 15:16 - Befreiung des KZ Buchenwald
11. April 1945, 15:16 – Befreiung des KZ Buchenwald

Carl Vaernet – nach 1945 nicht belangt

Nach 1945 wurde Værnet für seine Taten nicht zur Verantwortung gezogen. Im Rahmen der sog. ‚Ärzteprozesse‘ des Amerikanischen Militärtribunals in Nürnberg [vgl. Memorium Nürnberger Prozesse] wurden seine Versuche in Buchenwald zwar mehrfach angesprochen, er selbst jedoch nicht angeklagt.

Bekannt wurden Værnets Versuche in Buchenwald schon bald nach dem Krieg. Ernst Kogon, selbst dort als politischer Gefangener, schildert die Versuche in Buchenwald schon 1946 in seinem Buch „Der SS-Staat“. Und ab 1947 tauchten Berichte über Værnets Versuche in Buchenwald in der dänischen Presse auf.

Værnet war schon in den letzten Kriegsmonaten (im März 1945) nach Dänemark zurückgekehrt. Spätestens seit Ende 1945 arbeitet er wieder an seinem ‚Lebenswerk‘, der künstlichen Hormondrüse, trat in Kontakt mit Pharmaunternehmen (u.a. Schering und DuPont) und erhielt dänische und US-Patentrechte.
Aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen sowie Berichten des dänischen Widerstands ermittelte die dänische Polizei bald gegen ihn. Doch mit wenig Nachdruck, auch wenn Anfang 1946 schließlich die Anklageerhebung wegen ‚Landesverrats und anderer staatsgefährdender Tätigkeiten‘ erfolgte. Schlimmer noch, Værnet gelang (u.a. mit Unterstützung des argentinischen Legationsrats Pineyro) Ende 1946 die Flucht aus Dänemark. Über Schweden konnte er nach Brasilien und im Sommer 1947 weiter nach Argentinien gelangen. Dort arbeitet er schon bald wieder am Physiologischen Institut.

Carl Vaernet starb am 25. November 1965 und ist gemeinsam mit seiner Frau Gurli auf dem Británico-Friedhof in Buenos Aires begraben.

Erst im März 1998 brachten Peter Tatchel und die britische Schwulengruppe OutRage! Bewegung in die Causa Værnet. Sie richteten ein Schreiben an den damaligen dänischen Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen, in dem sie in zahlreichen konkreten Fragen um Aufklärung über Flucht und (fehlende) Schritte der dänischen Regierung baten. Zwar reagierte das dänische Justizministerium erst eineinhalb Jahre später (am 6. Juli 1999), und mit der abschlägigen Mitteilung, man sei „nicht im Besitz irgendwelcher Informationen über Carl Værnet“. Dennoch wurden die Archive in Sachen Værnet geöffnet – und bildeten die Grundlage für das äußerst lesenswerte Buch von Davidsen-Nielsen (s.u.).

In der Gedenkstätte Buchenwald erinnert seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuelle NS-Opfer:

Buchenwald - Gedenkstein für die homosexuellen Opfer
Buchenwald – Gedenkstein für die homosexuellen Opfer (enthüllt am 3. September 2006)

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Værnets ‚Versuche‘ sind weit mehr als ’nur‘ gruselige Experimente an einer kleinen Zahl homosexueller Männer, die deren Schädigung bewusst mit einschlossen. Sie sind Ausdruck einer Haltung, Menschen von Homosexualität heilen zu wollen, zu müssen – und sie haben bewusst „Spekulationen der Nazi-Führung von einer ‚Endlösung‘ der Homosexuellenfrage befördert“ [Davidsen-Nielsen]. Værnets Versuche waren ebenso wie Sterilisationen und Kastrationen Teil einer (insbesondere auch in der Homophobie Himmlers zum Ausdruck kommenden) Terrorpolitik gegen Homosexuelle.

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siehe auch Übersicht über die Denkmale für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

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Weitere Informationen:
Hans Davidsen-Nielsen et al.: ‚Carl Værnet – Der Dänische SS-Arzt im KZ Buchenwald“, Wien 2004

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Homosexualitäten Köln

CSD Köln 2008 – „just another event“

Der ‘Cologne Pride 2008‘ vom 21.6. bis 6.7.2008 fand seinen Abschluss in der großen CSD-Parade am Sonntag, 6. Juli. Das Motto: “Null Toleranz”. ‘

Der CSD 2008 in Köln – nur ein weiterer Event der lokalen Spaß- und Kommerz-Gesellschaft?

 

 

CSD Köln in der Eventstadt Köln
CSD Köln in der Eventstadt Köln

 

 

Der CSD Köln – ‘just another event’ …

Seltsame Gefühle vermittelt dieser CSD, insgesamt bleibt ein sehr befremdlicher Eindruck.

– Eine Parade, der irgendwie das Herz verloren gegangen ist. Da fahren immer mehr Wagen von Parteien, Großunternehmen (von Autokonzernen bis Möbelhäusern nebst Küchenfront und Inneneinrichtung) an einem vorbei, dazu Internetapotheken … so wird die Parade immer mehr zu einer einzigen Werbefläche.

– Eine Parade zudem, seltsam sinnentleert, die ihren Zweck erst zu suchen scheint. Nur geringfügig ‘um-dekorierte’ Karnevals-Wagen verstärken nicht nur bei so manchem heterosexuellen Parade-Besucher den Eindruck, hier ziehe doch ein netter spaßiger Sommer-Karneval vorbei. Kamelle, Strüsscher [‚Bonbons, Blumensträuße‘ – für die Auswärtigen], nur im Sommer halt …

– Ein schwullesbisches Straßenfest, bei dem ein Großteil der Stände schwule Handtaschen, lesbische Portemonnaies und homoerotische Bratwurst verkauft. Hingen rechts und links Tannen-Girlanden, könnte es auch der Weihnachtsmarkt sein.
Die Aufzählung der Seltsamheiten und Peinlichkeiten (das Bühnenprogramm mit seinen Schlager-Highlights erwähnen wir lieber nicht…) ließe sich fortsetzen …

“Belanglose Routine“, meint TheGayDissenter, und “mit Stolz hatte die Parade relativ wenig zu tun” bemerkt Clamix. Gay Dating Tricks fragt irritiert “Was ist nur aus dem CSD geworden?”
Und mich erinnert das Ganze zunehmend an die “homosexuelle Folklore” und ihre Gefahren …

Dazu dann dieses Motto. ”
Null Toleranz!” scheint mir ein eigenwilliges Motto für einen CSD.
Die Veranstalter selbst sagen dazu auf ihrer Site: “„Null Toleranz!” ist für eine Veranstaltung, die seit vielen Jahren für gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz gegenüber Schwulen, Lesben und Transgender kämpft, sicherlich ein ungewöhnliches und hartes Motto. Wir haben das Thema des diesjährigen CSD Köln / ColognePride jedoch ganz bewusst provozierend und kämpferisch gewählt, weil wir das Gefühl haben, dass in einigen Teilen der Gesellschaft auch nicht gerade zimperlich mit unserer Minderheit umgegangen wird. Das Motto „Null Toleranz!”, verbunden mit der offensiven Stopp-Hand in einem auffallenden Logo, drückt aus, dass wir nicht länger dulden wollen, dass unsere Rechte verletzt und unsere Würde von Teilen der Gesellschaft mit Füßen getreten werden.”

Nun ja, eine auf den ersten Blick vernünftig klingende Begründung für das Motto.
Dennoch – die “Nulltoleranzstrategie“, Namensgeber im Hintergrund, scheint mir ein zweifelhaftes, nicht unbedingt anstrebenswertes gesellschaftliches Modell. Malaysia oder Singapur sind zumindest für mich nicht gerade Traum-Modelle vom Zusammenleben.

Dieser CSD scheint sich weit von dem entfernt zu haben, was einst mit Stonewall-Aufständen und politischen Demonstrationen der 1980er Jahre begonnen hat. Sinnentleerte Spaßparade der Event-Beliebigkeit – kann das tatsächlich Ziel einer schwullesbischen Demonstration sein?

Der CSD 2008 in Köln – nur ein weiterer Event der lokalen Spaß- und Kommerz-Gesellschaft?

Und dass gerade Schwule und Lesben eine ‘Law and Order’ – Strategie als ihr freiwilliges Motto wählen … irgendwie liegt mir da ibne Kreuzberg ja doch näher …

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Zeitzeuge Rudolf Brazda Video: Ein schreckliches Leben war das …

Am Rand der Gedenkveranstaltung am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sprach Rudolf Brazda, einer der letzten Überlebenden mit dem ‘Rosa Winkel’ (KZ Buchenwald), über seine Zeit in der NS-Diktatur.

Ein kurzes Video, ein seltener Zeitzeugenbericht:

Rudolf Brazda Video: “ein schreckliches Leben war das”

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In der Gedenkstätte Buchenwald erinnert seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuellen NS-Opfer.

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am 17.01.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Homo-Mahnmal: Gedenkveranstaltung zum Berliner CSD 2008

Anlässlich des Berliner CSDs fand am 28. Juni 2008 eine Gedenkveranstaltung am erst jüngst eröffneten Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen statt. Mit anwesend: Rudolf Brazda, einer der letzten Überlebenden der Männer mit dem Rosa Winkel.

Rudolf Brazda bei der Gedenkveranstaltung CSD 2008 am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen
Rudolf Brazda bei der Gedenkveranstaltung CSD 2008 am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

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Text 6. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

 

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zusammen gegen Homophobie und Rassismus

zusammen gegen Homophobie und Rassismus
zusammen gegen Homophobie und Rassismus

„Am Sonntag, den 8.6.2008 wurden am Heinrichsplatz in Berlin sieben queer lebende Menschen Opfer eines trans- und homophoben Angriffs. Da dieser Angriff im Rahmen des Dragfestivals stattfand, ist zu vermuten, dass es sich um eine gezielte Aktion gehandelt hat. Am Montag, den 9.6.2008 zogen in einer beispiellosen Spontandemo fast 3000 Transgender, Lesben, Schwule und queer lebende Menschen durch Berlin Kreuzberg um gegen den trans- und homophoben Gewalt zu demonstrieren“ (aus der Pressemitteilung von TransInterQueer, als pdf hier; weitere Informationen auch in dem Artikel „gelebte Solidarität in Berlin-Kreuzberg“ auf berlin.gay-web.de).

Anlässlich des Tansgenialen CSD (siehe Ibne Kreuzberg) zeigten viele Geschäftsleute entlang der Kreuzberger oranienstrasse (auf der das Abschlussfest des Transgenialen CSDs stattfand) Solidarität. Sie schmückten ihre Geschäfte mit Fahnen, die in türkischer und deutscher Sprache informierten „Du bist nicht allein – zusammen gegen Homophobie – gegen Rassismus – gegen Sexismus – gegen Faschos // Yalniz degilsin- hep beraber – homofobiye karsi – irkciliga karsi – cinsiyetcilige karsi – fasistlere karsi„.

Anmerkung: ich weiss, dass der Slogan in türkisch nicht völlig korrekt geschrieben ist – allein, ich find in wp nicht die entsprechenden Sonderzeichen … 🙁

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Text 6. März 2017 von ondamaris auf 2mecs

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transgenialer CSD 2008 Berlin – Ibne Kreuzberg

Transgenialer CSD 2008 Berlin-Neukölln / Kreuzberg, Samstag 28. Juni 2008

Impressionen unter dem Motto “es gibt noch CSDs mit Inhalt” …

transgenialer CSD Berlin 2008 - Ibne Kreuzberg
transgenialer CSD Berlin 2008 – Ibne Kreuzberg

transgenialer CSD Berlin - Ibne Kreuzberg
transgenialer CSD Berlin – Ibne Kreuzberg

stay queer and rebel
stay queer and rebel

Du Bist Nicht Allein
Du Bist Nicht Allein

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Rudolf Brazda – einer der letzten Überlebenden mit dem Rosa Winkel

Erst vor einem Monat (am 27. Mai) wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht. Kulturstaatsminister Bernd Neumann verkündete bei der Eröffnung noch, diese müsse ja leider erfolgen ohne dass noch eines der Opfer anwesend sein könne. Nun hat sich doch ein Überlebender gemeldet – Rudolf Brazda, der als Homosexueller im KZ Buchenwald inhaftiert war und inzwischen in Frankreich lebt.

Bei der Einweihung des Denkmals schien es, kein Homosexueller aus der Zeit des Naziterrors habe mehr die späte Einweihung des Denkmals erleben können. Doch Rudolf Brazda, heute 95 Jahre alt, las von eben diesem Denkmal in der französischen Presse – und meldete sich (über seine Tochter) beim LSVD. Von 1941 bis 1945 war Brazda im KZ Buchenwald. (wo seit 2006 ein Gedenkstein an die homosexuellen NS-Opfererinnert).

Nach dem Krieg zog er nach Süddeutschland, wo er 35 Jahre mit seinem Freund (der 2002 verstarb) zusammen lebte.

Rudolf Brazda am 27. Juni 2008 in Berlin
Rudolf Brazda am 27. Juni 2008 in Berlin

Rudolf Brazda – einer der letzten Homosexuellen, die Verfolgung und Terror der Nazis überlebten. Am Samstag 28.6.2008, zum Berliner CSD, soll  Brazda in Berlin in einer Gedenkfeier am Denkmal geehrt werden. Bereits heute besuchte er zusammen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit das Denkmal.

Alexander Zinn ehrte Brazda in einer von der Frankfurter Rundschau dokumentierten Rede: “Rudolf Brazda: ‘Das Glück kam immer zu mir’“.

siehe auch Zeitzeuge Rudolf Brazda Video: Ein schreckliches Leben war das …

Rudolf Brazda wurde auf der Mitgliederversammlung des Lesben- und Schwulen-Verbands Deutschland (LSVD) – Berlin-Brandenburg am 1. November 2008 zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt. Im April 2011 wurde er zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.

Rudolf Brazda, geboren am 26. Juni 1913 in Brossen (heute Meuselwitz, Thüringen), starb am 3. August 2011 in Bantzenheim (Oberelsass).

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Text leicht ergänzt am 17.01.2016 von ondamaris auf 2mecs

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Homosexualitäten

Regenbogenfahne 1978 entworfen von Gilbert Baker

Die Regenbogenfahne, inzwischen längst zum Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung geworden, wurde 1978 vom Künstler Gilbert Baker geschaffen.

Regenbogenfahne Berlin Nollendorfstr.
Regenbogenflagge, Berlin Nollendorfstr.

Gilbert Baker, am 2. Juni 1951 in Kansas geborener Künstler, entwarf 1978 in San Francisco eine Fahne mit ursprünglich 8 Streifen: pink, rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, lila als Symbole für Sexualität, Leben, Heilung, Sonne, Natur, Kunst, Harmonie und Seele.

1978 verwandte er die Regenbogenfahne erstmals beim San Francisco Gay Freedom Day,  am 25. Juni 1978.

 regenbogenfahne Berlin
Regenbogenflagge, Berlin

Im Jahr darauf, 1979, bekam Gilbert dann den Auftrag, die Market Street zum San Francisco Pride (Gay Freedom Day) 1979 farbenfroh zu schmücken – nach der Ermordung von Harvey Milk, offen schwulem Supervisor von San Francisco, sollte der Gewalt und dem Entsetzen in den Communities farbenfrohe Zuversicht entgegen gesetzt werden.

Gilbert Baker starb am 31. März 2017 im Alter von 65 Jahren in New York, wie ein langjähriger Freund auf Twitter mitteilte:

Seit dem 19. Juni 2019 erinnert eine Gedenktafel in Paris an Gilbert Baker, auf der square Sainte-Croix de la Bretonnerie.

Die Farben der Regenbogenfahne

Entgegen Gilberts erstem 8-farbigen Entwurf kam schon hier nur die sechsfarbige, heute noch verwendete Version zum Tragen – pink wurde aus produktionstechnischen Gründen entfernt, indigo aus Gründen der Symmetrie (man wollte drei Farben auf jeder Straßenseite flaggen).

Seitdem besteht die Regenbogenflagge aus den Farben rot, orange, gelb, grün, blau und lila. Heute werden die Farben meist weniger symbolträchtig erklärt. Oft wird einzig angemerkt, die Farben der Flagge sollen die Vielfalt der schwullesbischen Communities darstellen.

Aus US-Communities heraus und vom Pride Philadelphia entstand 2017 der Vorschlag, die Regenbogenfahne um schwarz und braun zu erweitern. Hiermit sollten people of color (poc) und deren Situation thematisiert werden, lautete die Begründung für den umstrittenen Vorschlag.

Rosa Winkel - Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz
Rosa Winkel – Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, Berlin Nollendorfplatz

Längst ist die Regenbogenflagge (Regenbogenfahne, auch genannt CSD-Fahne, Schwulenfahne, Gayfahne) zu dem Symbol schwullesbischen Stolzes geworden – und löste den bis dahin weit verbreiteten ‘Rosa Winkel‘ als Symbol ab (siehe Foto oben: Gedenktafel für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen am Nollendorfplatz in Berlin).

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Regenbogenfahne im Museum

Am 17. Juni 2015 teilte das MoMa mit, die Regenbogenfahne in die Design-Sammlung des Museums aufgenommen zu haben.

Aus Anlass der Aufnahme in die Kolletion des Museums berichtete Gilbert Baker in einem Interview noch einmal, wie die Regenbogenfahne entstanden ist.

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Homosexualitäten Kulturelles

Forum Homosexualität und Literatur (1987 – 2008)

Das “ Forum Homosexualität und Literatur ” wurde 2008 nach über 20 Jahren Erscheinen eingestellt.

Seit Mai 1987 erschien es, das “Forum Homosexualität und Literatur”, zuletzt herausgegeben vom Forschungsgebiet Homosexualität und Literatur der Universität-GH Siegen. Betreut von Prof. Wolfgang Popp (3. Juni 1935 – 5. Mai 2017) und Dr. Dirck Linck sowie Marita Keilson-Lauritz, Wolfram Setz und Gerhard Härle, wurde über 20 Jahre lang kritisch-nachdenklich über die theoretische Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Homosexualität und Literatur berichtet. Nun ist es nicht mehr, das ‘Forum’.

Forum Homosexualität und Literatur
Forum Homosexualität und Literatur

Bereits im März 2008 meldete die taz, das Forum “stelle das Erscheinen ein”.

Erschreckend die Begründung, die Prof. Popp, Gründer des ‘Forum’, in der taz für den der Einstellung zugrunde liegenden Mangel an Beiträgen sieht:

“Seinen Wissenschafts- und Forschungsschwerpunkt in diesem Themenbereich anzusiedeln, ist auch heute noch (oder wieder) für eine wissenschaftliche Karriere eher abträglich als nützlich.”

In der fr-online meint Popp,

„einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin [könne man] nicht mehr raten, sich auch nur nebenbei mit dem fast wieder zum Tabuthema gewordenen Thema Homosexualität zu beschäftigen.“

Zur Bedeutung des ‚Forum Homosexualität und Literatur‘ stellte Joachim Bartholomae 2008 fest

„Von allen wissenschaftlichen Zusammenschlüssen, die im Zuge der Neuen deutschen Schwulenbewegung entstanden, haben die Literaturwissenschaftler mit den 50 Ausgaben des “Forums Homosexualität und Literatur” ohne Zweifel die deutlichsten Spuren hinterlassen.“

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Homosexualitäten ondamaris Texte zu HIV & Aids

Paragraph 175 Unrecht und Recht?

Der Paragraph 175 des deutschen Strafgesetzbuchs regelte bis 1994 die Bestrafung einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs zwischen Männern. Dr. Wiefelspütz (SPD) äußert auf Nachfrage, der §175 in der von den Nazis verschärften Fassung, von 1949 bis 1969 unverändert in der Bundesrepublik angewandt, sei kein Unrecht gewesen.

Abgeordnetenwatch ist ein (hier schon früh empfohlenes) Portal, das den direkten Dialog mit Abgeordneten ermöglicht. Ein kleines Stückchen Versuch von Bürgernähe und Transparenz.

Derzeit gibt es auf Abgeordnetenwatch wieder ein Lehrstück darüber, die ernst Politiker ihre Wähler nehmen, und vor allem wie nachdenklich sie bei Homo-Themen sind – oder nicht.

Dr. Dieter Wiefelspütz ist Bundestagsabgeordneter und innenpolitischer Sprecher der SPD, direkt gewählt im Wahlkreis Unna II. Auf Abgeordnetenwatch geht er auf die Frage ein, ob die Verfolgung Homosexueller nach Paragraph 175 in der NS-Version bis 1969 Unrecht gewesen sei.

Hintergrund der folgenden Antworten von Wiefelspütz ist eine Debatte, die auch durch die Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wieder aufflammte:
Das von den Nazis verschärfte Strafrecht gegen Homosexuelle (§175, §175a) bestand in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert fort. Erst 1969 (und dann 1975) erfolgte eine Reform. 20 Jahre lang (1949 bis 1969) wurden Homosexuelle in Westdeutschland also nach Nazi-Recht verfolgt, diskriminiert, verurteilt.

Die auf der Hand liegende Frage: wenn die Verfolgung Homosexueller in der Zeit des Nationalsozialismus Unrecht war – war dann nicht auch die Verfolgung Homosexueller in der Zeit danach nach den gleichen Paragraphen Unrecht?
Dazu entspann sich ein Dialog, hier sind in Auszügen Antworten von Dr. Wiefelspütz wiedergegeben:

Dr. Wiefelspütz antwortet am 22.5.2008 auf eine Frage von Frau Resch:
“Ich halte es persönlich für richtig, daß aufgrund gewandelter Rechtsüberzeugungen § 175 StGB gestrichen wurde. Ich habe selber daran mitgewirkt. Auch an dem Beschluß des Deutschen Bundestags vom 14. Mai 2002 habe ich mitgewirkt. Das heißt freilich nicht, daß Urteile von bundesdeutschen Strafgerichten vor der Aufhebung des § 175 StGB Unrecht waren und es Veranlassung für Opferrenten gäbe.”
Und Herrn Meier, der sich ebenfalls für die Sache fragend einsetzt, antwortet Wiefelspütz am 22.5.2008 klar: ” ich setze mich nicht für die von Ihnen vorgeschlagene Rente ein”.
Auf Nachfragen nach einer Wiedergutmachung an die in der Zeit von 1949 bis 1969 verurteilten Homosexuellen stellt Wiefelspütz am 24.5.20087 nochmals klar: ” ich habe meinen Antworten an Sie und Frau Resch nichts hinzuzufügen”.

Das verwirrt den interessierten Leser ja nun doch (schon seit vielen Jahren) … das von den Nazis 1935 verschärfte Strafrecht gegen Homosexuelle war in der Zeit zwischen 1935 und 1945 Unrecht. Die selben Paragraphen, unverändert gültig in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1969, waren nach Ansicht von (nicht nur) Herrn Dr. Wiefelspütz kein Unrecht. Paragraph 175 Unrecht und Recht – wie kann das sein?

Erinnert sei daran, dass gerade auch Abgeordnete der Fraktion der SPD vor 1933 den denjenigen Politikern gehörten, die eine Forderung von Magnus Hirschfeld und anderen nach einer Reform des §175 (Legalisierung der ‘einfachen Homosexualität’) unterstützten.

Und erinnert sei daran, dass viele der Opfer der Verfolgung Homosexueller nach Nazi-Recht in der Zeit zwischen 1949 und 1969 noch leben – und hier (im Gegensatz zum Denkmal) die Chance bestünde, Opfern noch zu Lebzeiten eine (wie auch immer geartete, materielle oder auch ideelle) Wiedergutmachung zukommen zu lassen.

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Text am 25.01.2016 von ondamaris auf 2mecs