Am 13. und 14.4.2008 sind Parlamentswahl in Italien. Mit, wie sich später zeigen wird, betrüblichem Ergebnis.
Wir legen morgens in Messina an. Dass die Stadt mehrfach zerstört wurde (zuletzt durch das verheerende Erdbeben von 1908 sowie die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg), ist schon bei einem ersten Stadtrundgang zu sehen. Fast als erste auffallende Bauten begrüßt uns faschistische Architektur.
Der Dom von Messina ist das wohl wichtigste Bauwerk der Stadt. Im 12. Jahrhundert erbaut, wurde auch er mehrfach beschädigt oder zerstört. Nur das hochgotische Portal aus dem 15. Jahrhundert sowie Marmor-Verzierungen aus dem 14. Jahrhundert an der Fassade sind noch original erhalten.
Eine Besonderheit hat der Dom zu bieten – die nach dem Mailänder Dom zweitgrößte Orgel Italiens (1948 erbaut), zugleich an Platz 15 der Liste der größten Orgeln der Welt mit 60.000 Pfeiffen (Fotos leider etwas unscharf). Für das angekündigte Orgelkonzert fehlte uns leider die Zeit …
… Zeit, die wir zumindest für ein weiteres Spektakel hatten: 12 Minuten Uhr-Kunst bewundern.
Denn direkt neben dem Dom befindet sich der Glockenturm, und in ihm eine Besonderheit: die -laut wikipedia- größte mechanische Uhr der Welt (siehe getrennter Bericht ‘Die astonomische Uhr von Messina‘). Von der Turmspitze bietet sich ein exzellenter Blick auf die Stadt, den Hafen und die Straße von Messina…
… und am Nachmittag geht’s zu einer Exkursion zum Ätna …
Leider schaffen wir es nicht bis zur ‘traditionellen Mafia-Hochburg’ Gelia im Süden der Insel, in der Rosario Crocetta Bürgermeister ist, gegen die Mafia, schwul und Kommunist.
In Venedig findet sich leider nur wenig architektonische Moderne. Bemerkenswerte Beispiele.
Vom finnischen Architekten Alvar Aalto (3.2.1898 Kuortane – 11.5.1967 Helsinki) stammt das wohl bekannteste Gebäude der Moderne in Venedig, der finnische Pavillon von 1956.
Nebenbei erwähnenswert, der nordische und der dänische Pavillon werden auf der nächsten Biennale vom Elmgreen Dragset kuratiert, dem Künstlerpaar, das auch das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen in Berlin entworfen hat. Unter den Oberthemen Sammeln sowie Sexualität wollen sie insbesondere Dänemark “aus dem Würgegriff der nationalen Repräsentation lösen”. Dänemark wird sich bei der kommenden Biennale erstmal der nordischen Kooperation u.a. im Aalto-Pavillon anschließen.
Der Venezuela-Pavillon in den Gärten der Biennale (von Carlo Scarpa geplant und gebaut zwischen 1954 und 1956) ist das neben Aaaltos Pavillon wohl auffälligste Gebäude auf dem Biennale-Gelände.
Der am 2. Juni 1906 in Venedig geborene Scarpa (gest. 28.11.1978 in Sendai, Japan) ist einer der bedeutendsten italienischen Architekten der Moderne. Scarpa, der ab 1950 größere Bauaufträge realisierte, war ausgebildeter Architekturzeichner. Erst 1965 jedoch wurde qua Gerichtsurteil seine Architekten-Tätigkeit legitimiert. Zwischen 12944 und 1978 realisierte er zahlreiche bedeutende Bauwerke insbesondere in Italien, u.a. Umbauten Galeria dell’Accademia (Venedig, 1944), Museo di Castelvecchio (Verona, 1958-64) sowie Friedhofserweiterung (inkl. Grabmal Brion) in San Vito d’Altivole im Treviso (1970-73).
Nach seiner Ausbildung in Venedig setzte sich Carlo Scarpa neben der Architektur auch intensiv mit der (besonders auf dem benachbarten Murano ansässigen) Glaskunst auseinander.
Eines seiner Glas-Werke findet sich ebenfalls in Venedig, in der ‘Chiesa dei Carmini’ das beeindruckende Kruzifix ‘via della croce via della luce’.
Venedig, Original und Fälschung, Kulisse für eine Phantasie von Venedig, Kulisse die Original ist. Und doch, Venedig wie wir es erleben erweist sich als so völlig anders als erwartet, befürchtet, gehofft.
Vermutlich jeder zweite Venedig-Tourist wird wohl versuchen, den Wellen des Massentourismus zu entkommen, irgendwo noch ein Eckchen ‘echtes Venedig’ zu entdecken, jenen Rest ‘Authentizität’, ein Stück ‘wahren Lebens’ hinter den Kulissen einer manchmal geradezu Disney-haft scheinenden Touristen-’Idylle’.
Wir haben diesen Versuch “echtes Venedig entdecken” nie gezielt unternommen – in der nicht ganz unbegründeten Vermutung, eh zu scheitern. Doch auch uns stellt sich oft die Frage, wo ist das stille Venedig?
Es scheint eine Illusion zu sein, den Menschenmassen aus dem Weg zu gehen. Schon bei der Anreise vom Vaporetto aus der Anblick von Touristenhorden (’il gregge di pecore’). Dazu Preise, vermutlich gedacht als Abschreckung, um bestimmte Touristen fern zu halten. Kein neues Phänomen …
“… und wenn die bizarre Fahrt durch Venedig ihren Zauber zu üben begann, so tat der beutelschneiderische Geschäftsgeist der geschundenen Königin das Seine …” (Thomas Mann, Der Tod in Venedig)
Ein weiteres klischeehaftes Bild, das spätestens in der Phantasie aufkommt als wir Wasser durch die Deckel der Kanalisation hochdrücken sehen: Hochwasser in Venedig – Holzstege – katastrophal die Sturmflut am 4. November 1966, 2m über dem Meeresspiegel, unvorstellbar heute, und doch noch konkrete Bedrohung, solange ‘Mose’ noch nicht bereit steht (’Mose’ ist der bezeichnende Name des neuen Sperrwerks, das ab 2012 die Pegelstände in Venedig regulieren soll).
Einen Weg, den Touristenmassen zu entgehen, finden wir – früh am Morgen (sehr früh, beinahe noch nachts, gegen 5:30 Uhr) aufstehen und gen Markusplatz, einige aufgeschreckte Tauben, Dunst über der Lagune, die Massen an weißen Caféhausstühle stehen noch feinsortiert und unbenutzt – Ruhe, kein Trubel, (fast) keine Menschen. (Ein weiterer Weg: spät am Abend, wenn viele Touristen wieder zu ihren Hotels auf dem Festland zurück gekehrt sind.)
Erleben ganz in Ruhe den Markusplatz, Dogenpalast. Dann zurück zum Hotel, in Ruhe ausgiebiges Frühstück. Anschließend gemütliches Stromern durch etwas abseits der absoluten Touristen-Highlights gelegene Viertel. Entdecken viele alte Straßen, Häuser, Kanäle, Paläste, Kirchen, einige ruhige Cafés. Moderne in Venedig hingegen kaum – Venedig scheint stehengeblieben, konserviert.
Am (wohl obligatorischen) Regentag allerdings, während einiger Museumsbesuche, können wir ihnen nicht immer entgehen, den Touristenhorden, Massen an Besuchern durchströmen aufgeregt den Dogenpalast.
Wie angenehm, dass wir uns jederzeit gen Sant’ Elena in die ein wenig abgeschiedene Stille unseres Hotels zurück ziehen können. Im Grünen gelegen, ein großes modern eingerichtetes Zimmer mit Blick auf einen ruhigen Seitenkanal, sehr gutes Frühstücksbuffet – ein Hotel, das sich geradezu als unser geschätzter Ruhepol erweist.
Und nein, ich bemühe jetzt nicht das Tadzio-Klischee von 1912 (’Der Tod in Venedig’ beim Projekt Gutenberg hier), obwohl wir von unserem Hotel aus in der Ferne den Lido sehen, das ‘Hotel des Bains’ erahnen können.
Thomas Mann erreichte Venedig mit dem Schiff, blickte zunächst von der See auf die Stadt. Wir verlassen Venedig auf diesem Weg …
Gemeinsam mit seinen Gefährten kämpft Odysseus mit Polyphem, dem wilden, einäugigen Riesen. Am Fuße des Ätna, an den Stränden der Kyklopen-Küste soll es stattgefunden haben, dieses von Homer überlieferte märchenhafte Abenteuer. Mit einem über diese Sage berichtenden Relief vor der imposanten Film- und Ton-Kulisse des speienden Ätna beginnt die Ausstellung “Sizilien – von Odysseus bis Garibaldi” in der Bonner ‘Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland’.
Die Ausstellung spannt einen weiten Bogen von frühgeschichtlichen Besiedlungsspuren bis zur Ankunft Garibaldis 1860. Sie bietet dabei einen Überblick über Geschichte und kulturelle Einflüsse Siziliens.
Zunächst geprägt von Griechen und Phöniziern, wird Sizilien in Folge des ersten Punischen Kriegs gegen Karthago für annähernd sieben Jahrhunderte erste römische Provinz. Nach dem Ende der römischen Vorherrschaft bildet sich in der byzantinischen Zeit insbesondere die christliche Kultur Siziliens heraus.
Unter Arabern und Normannen entwickelt sich eine blühende Hofkultur. Beeindruckend insbesondere in normannischer Zeit die von Toleranz geprägte Synthese arabischer, griechischer, lateinischer, byzantinischer und französischer Kultur. Eine Toleranz, die leider schon bald die Stauffer ab 1231 wieder ‘zurückdrehen’ – bis zur von den Spaniern Ende des 15. Jahrhunderts auf Sizilien eingeführten Inquisition, die erst 1782 wieder abgeschafft wird. Immer wieder gerät Sizilien auch in der Folgezeit unter den Einfluss ausländischer Mächte, bis mit Garibaldis Ankunft auf Sizilien die Vereinigung mit Italien erfolgt.
In der Ausstellung entsteht ein Panorama einer eigentümlichen Kultur, der es erfolgreich gelingt, verschiedenste kulturelle Einflüsse aufzufangen, zu integrieren und “Fremdes in Sizilianisches zu verwandeln”, wie es der Ausstellungs-Prospekt vermerkt. Ein kultureller Schmelztiegel, der insbesondere in seinen von Miteinander und Toleranz geprägten Phasen Beispiel auch für heutige vermeintliche kulturelle ‘Gegensätze’ sein könnte.
Eine Ausstellung, die Lust auf ‘mehr’ macht. Die bei uns den Gedanken aufkommen lässt, dem kurzen Aufenthalt in Catania in kommenden April vielleicht in Zukunft eine längere Sizilien-Reise folgen zu lassen …
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