Mein erstes Flugblatt, geschrieben im Herbst 1981 für die ‚Schwule Aktion Bremerhaven‘, ist nun im Bestand des Schwulen Museum*.
Das Schwule Museum* konzipiert derzeit gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Museum und mit Unterstützung dfer Kulturstiftung des Bundes die neue Dauerausstellung ‚Homosexualität_en‘.
In diesem Kontext hatte das Schwule Museum * dazu aufgerufen, persönliche Objekte zur Verfügung zu stellen:
Da wollen wir mit der neuen ‚Schwulen Aktion Bremerhaven‚, kurze Zeit zuvor gegründet, präsent sein mit einem Bücher- und Infostand. Dirk, Uwe, Andreas und ich (war noch jemand in dieser frühen Phase dabei? Meine Erinnerung ist vielleicht nicht vollständig) sitzen in der Küche zusammen. „Man müsste was mit Rosa Winkeln machen“, ist bald einhellige Meinung.
„Warum backen wir nicht einfach welche?“ Dirks Idee, zunächst ein großer Lacher, erweist sich bald als – überzeugend. Rosa Winkel backen. Und so sitzen wir bald um den großen Küchentisch, kneten Teig, rühren rosa Zuckerguss an, backen Plätzchen in Dreiecks-Form, die bald zu kitschig-appetitlich anzusehenden ‚Rosa Winkeln‘ werden.
Das Backen fand am 19. November 1981 statt, das Friedensfest am 22. November 1981. Dort verteilten wir 300 Flugblätter. Es war mein erstes Flugblatt (und befindet sich inzwischen längst im Schwulen Museum*). Ich hatte es selbst im Asta-Referat gedruckt, ich war vorher Druckrefent geworden, hatte extra Schulungen dafür besucht.
Der ‚Rosa Winkel‚, er war mir seit einiger Zeit ein Begriff. Seit ich begonnen hatte verstehen zu wollen, warum ’schwul‘ und ‚homo‘ als Schimpfworte verwendet wurden. Seit ich begonnen hatte, mich für ‚unsere‘ Geschichte zu interessieren.
Und er war mir, uns auch (indirekt) persönlich bekannt. Noch kannte ich keinen Mann, der selbst von den Nazis wegen seines Schwulseins verfolgt worden war, im KZ den ‚Rosa Winkel‘ tragen musste (das folgte erst Jahre später). Aber Horst (über den ich in ‚Vorbilder‚ und ‚schwul altern‚ geschrieben habe) berichtete uns in den seltenen Momenten, in denen er auch die schmerzhaften Erinnerungen aus seinen Jugendjahren nicht nur zuließ sondern auch erzählte.
‚ Rosa Winkel backen ‚, was heute wie eine spaßige Kinderei klingen mag, das war für uns damals eine sehr politische Aktion (und ein Gruppen-Erlebnis, und ja, auch ein Heidenspaß). Es war, soweit ich mich heute erinnere, die erste größere Aktion der ‚Schwulen Aktion Bremerhaven‚ in der Öffentlichkeit – und die Reaktionen waren bemerkenswert.
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(1) Die Schleuse war ein am 27. Apriul 1979 eröffnetes Kulturzentrum im Columbus Center in Bremerhaven. 1990 wurde es im Zuge von Sparmaßnahmen geschlossen. Bis dahin hatten in der ‚Schleuse‘ (geleitet von Jörn Hoffmann) etwa 6.000 Festivals, Konzerte und Veranstaltungen stattgefunden.
1995 / 96 erkrankte ich schwer, war mehrere Male im Krankenhaus. In der Mini-Serie “ zweimal Rita und zurück ” erzähle ich aus dieser Zeit.
Ein leichter Husten, ein Urlaub auf Mallorca, der vermeintliche Husten, der sich als lebensbedrohliche PcP entpuppte. Krankenhaus und Gesundung – die jedoch nicht anhält. Erneut im Krankenhaus, mit schweren Komplikationen. Abstürze, Dunkelheit, Aussichtslosigkeit …
Am 3. August 2016 wurde „Zweimal Rita und zurück“ in leicht überarbeiteter Form im Magazin der Deutschen Aids-Hilfe DAH zweitveröffentlicht (von der DAH mit der Konnotation ‚Lazarus-Moment‚ versehen).
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“ Zweimal Rita und zurück “ ist die zweite Mini-Serie über Erlebnisse in den frühen Jahren der Aids-Krise. In einer früheren Mini-Serie habe ich über die Zeit mit Jean-Philippe erzählt:
1995 / 96 erkrankte ich schwer, war mehrere Male im Krankenhaus. In der Mini-Serie „zweimal Rita und zurück“ erzähle ich aus dieser Zeit. Der vermeintliche Husten, der sich als lebensbedrohliche PcP entpuppte, war auskuriert. Doch lange hielt die vermeintliche Gesundung nicht an – Teil 4: „Absturz im Mai„ (Übersicht über alle Teile der Mini-Serie siehe Ende des Textes):
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Keine drei Monate später bin ich erneut im Krankenhaus, wieder im Klösterchen – und wieder mit einer Lungenentzündung.
Immerhin, schnell wird klar, diesmal ist’s nicht die gefürchtete PcP wie vor kurzem im Dezember / Januar, sondern ’nur‘ eine bakterielle Pneumonie. ‚Nur‘ – wenn’s so einfach wäre. Ich bekomme sofort Antibiotika – die aber nichts bewirken. Mir geht es nicht besser. Im Gegenteil, ich baue täglich weiter ab, bekomme schlechter Luft, habe keine Energie.
Dass mein Zustand schlecht ist, zeigen ganz nüchtern auch die Laborwerte. 31 Helferzellen sind es jetzt noch, und die Viruslast hat eine ungeahnte Rekordhöhe von 3,2 Millionen erreicht (was den Arzt, der solch einen Wert bisher noch nicht erlebt hat, zu einer Kontroll-Messung veranlasst – die nahezu den gleichen Wert ergibt).
1995 / 96 erkrankte ich schwer, war mehrere Male im Krankenhaus. In der Mini-Serie „zweimal Rita und zurück“ erzähle ich aus dieser Zeit. Was als Husten begann, brachte mich auf Station ‚Rita‘, wo ich Weihnachten und den Jahreswechsel verbrachte – Teil 3: „Sauerstoff zu Weihnachten„
(Übersicht über alle Teile der Mini-Serie siehe Ende des Textes):
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Nur zu bald wurde mir klar, wie aussichtslos meine Situation tatsächlich war. Insofern, ja – in diesem Sinne lag ich wohl richtig auf ‚Ritas Station der aussichtslosen Fälle‘. Aber – hatte ich das auf diese Weise erfahren wollen ?
Mein Zustand war so schlecht, dass gar nicht daran zu denken war, für die Feiertage nachhause entlassen zu werden. 66 Helferzellen – einen so schlechten Wert hatte ich noch nie. Immerhin, die erste Messung der Viruslast – eine Methode die ganz neu war und sagen sollte wie viele HI-Viren in meinem Blut sind – ergab ’nur‘ knapp 80.000 (pro Milliliter). Eigentlich kein so schlechter Wert. Aber bei einem so kaputten Immunsystem war jeder Schnupfen ein potentielles Desaster, geschweige denn diese PcP.
Weihnachten im Krankenhaus … gibt es Trostloseres?
2mecs 1981 ?
Frank und ich kennen uns schon sehr lange.
Aber so lange?
1981 waren wir beide auf der Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten.
Noch ohne uns zu kennen
waren wir wohl nur wenige Meter von einander entfernt …
Bonn Hofgarten Friedensdemo 1981 – Installation in der U-Bahn-Station Haus der Geschichte, Frank sucht … wo sind wir?
Die Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 war die wohl größte Demonstration, an der wir jemals teilgenommen haben – angeblich waren 300.000 Teilnehmer/innen dort.
Am Bonner Hofgarten erinnert inzwischen eine Gedenktafel an dieses Ereignis:
1995 / 96 erkrankte ich schwer, war mehrere Male im Krankenhaus. In der Mini-Serie „zweimal Rita und zurück“ erzähle ich aus dieser Zeit. Mit Husten fuhren wir nach Mallorca, zurück ich direkt ins Krankenhaus – Teil 2: „Lovely Rita?„ (Übersicht über alle Teile der Mini-Serie siehe Ende des Textes):
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Ich fahre von der Uniklinik nachhause. Merke selbst wieder wie schwer mir selbst dieser kurze Weg fällt. Packe Waschzeug und ein T-Shirt ein, bestelle mir ein Taxi ins Klösterchen.
Von da an geht alles sehr schnell. An der Anmeldung muss mein Name schon bekannt sein, ich solle direkt den Gang bis zum Ende durch, mich dort melden, ich würde direkt untersucht.
Zwei Stunden später liege ich in einem Zweibett-Zimmer auf der zweiten Etage, Station ‚Rita‘. Mit mehreren Schläuchen die mir u.a. Sauerstoff in die Lungen drücken. Verdacht auf PcP, sagte mir der untersuchende Arzt schon nach wenigen Minuten.
‚Rita‘, seltsamer Name für eine Station in einem Krankenhaus, oder? ‚3A‘ oder ‚Wöchnerinnen-Station‘, ja das klingt nach Krankenhaus. Aber ‚Rita‘?
Station ‚Rita‘
Hier heißen alle Stationen nach irgend welchen Frauen, das sehen Frank und ich bald. Aber warum? „Heilige, was sonst?“, Franks Mutter, die schon einen Tag später aus Hamburg kommt, hat die nahe und uns doch so fern liegende Erklärung. Und hinter der Glastür zur Station finden wir dann auch ein Bild der Heiligen Rita, und eine kurze Erläuterung. Eine die es in sich hat.
Auf Frank aufgestützt, machen wir einen kleinen Spaziergang von ‚meinem‘ Zimmer aus über den Flur der Station. Bis zur Tür ist es endlos weit, nur mit großer Mühe und sehr langsam schaffe ich die 20 Meter. Da hängt sie, die Erklärung. Erwartungsfroh lesen wir, was die ‚Heilige Rita‘ so alles bewirken, für wen sie da sein soll.
Heilige Rita – Erläuterungen auf der Station
Die heilige Rita
Wer also war diese Rita?
Margherita Lotti, so ihr Geburtsname, trat nach unglücklicher Ehe 1407 in das Kloster der Augustinerinnen ein. Sie führte ein Leben „in strengster Entsagung und Buße“ (Heiligenlexikon). Bereits kurz nach ihren Tod sollen sich an ihrem Grab zahlreiche Wunder ereignet haben, bald habe sie als „Helferin in aussichtslosen Nöten“ gegolten. Rita wurde 1627 seelig und 1900 heilig gesprochen.
Ritas Seligsprechung („Wie St.Rita seliggesprochen wurde“, Wandgemälde in der Augustinerkirche Würzburg)
Auch im Klösterchen informiert eine kurzer Erläuterungstext über die Namenspatronin der Station: Die Heilige Rita werde verehrt als „Heilige des Unmöglichen“ sowie „Helferin in aussichtslosen Anliegen“, informiert ein kurzer Text unter dem Heiligen-Portrait.
Da liege ich nun. Auf Station ‚Rita‘. Und frage mich, was wollen die mir damit sagen? Was schon. Die wollen mir dezent (wirklich dezent?) etwas sagen. Mir deutlich machen, dass meine Situation aussichtslos war? Dass eine Therapie unmöglich ist? Oder vielleicht doch nicht, wenn ich nur der Entsagung und Buße frönen würde?
So war ich also unfreiwillig in der Obhut von Rita, als einer ihrer aussichtslosen Fälle.
Wie man sich da fühlt?
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(Katholischer) Gedenktag der Heiligen Rita ist der 22. Mai.
Von 1993 bis 1997 untersuchte eine der ersten Studien in Europa einen experimentellen Impfstoff gegen HIV an Menschen (HIV-Impfstoffstudie zu HIV-1 rgp-160 der Immuno AG Wien, Leiter Prof. Goebel). Erstmals in Europa war ein Community-Advisory Board aktiv in einer multinationalen multizentrischen klinischen HIV-Studie eingebunden. Ich war damals Mitglied in diesem Community Advisory Board, zeitweise dessen Chairman.
Franz Schmitz, geboren am 31. Dezember 1958, gestorben am 3. Dezember 2003 in Köln
Franz war Mitgründer und langjähriger Geschäftsführer der Schwulen Initiative für Pflege und Soziales e.V. (SchwIPS), Köln. Zudem war Franz, als Diplom-Sozialarbeiter ausgebildet, in zahlreichen schwul-lesbischen Vereinen und Initiativen aktiv, u.a. im glf-Sozialwerk, im Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe DAH und in der Kölner Regenbogenliste.
Franz engagierte sich darüber hinaus in der Jugendarbeit, in Dritte-Welt-Läden und Projekten der internationalen Entwicklungshilfe.
Namen und Steine – Franz Schmitz
Franz Schmitz
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Ich erinnere mich … an viele lange aufregende und manchmal aufgeregte Diskussionen, in großen und kleinsten Kreisen, an verwegen scheinende Ideen die Wirklichkeit wurden, Abende in der ein oder anderen Spelunke, an Eimer voller Rübenkraut, und an einen mir sehr wichtigen Tag, der durch einen Anruf so völlig anders wurde als gedacht.
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