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Nachdenkliches

Vorbilder

Vorbilder sind etwas Seltsames. Und etwas Schönes.

Manche denken, Vorbilder seien etwas Gefährliches.
Und verwechseln vielleicht Vorbild und Idol.

Manche denken, Vorbilder seien etwas Infantiles.
Und verwechseln Popstars mit Vorbildern.

Für mich waren und sind Vorbilder etwas Wichtiges.

Ich hatte einige (wenige) ‚gelebte‘ Vorbilder in meinem Leben, und ich bin glücklich sie zu haben. Zwei oder drei möchte ich vorstellen.

Da war ‚Onkel Brenner‚.
Heute Synonym (für mich) für ‚glückliche Kindheit‚. Onkel Brenner, der eine Freude darin empfand, sich Zeit zu nehmen für den kleinen Jungen, das Leuchten in seinen Augen wahrzunehmen, hinzuhören – und ihn machen, ausprobieren zu lassen. Garten, Hühner-Hock, Werkstatt. Sein Reich, und er ließ es mich entdecken. Ließ mich auf die Beine fallen, wieder aufstehen. Ließ mich ’selber machen‘, auch mit ‚aua haben‘, und mit Trösten – und sehen, dass ‚es doch geht‘. Ließ mich Knirps lernen, dass es lohnt (mich) auszuprobieren, meinen Weg zu suchen, zu gehen.

Da war Frau O.
Eine meiner Lehrerinnen. Sie lehrte mich weniger das, was laut Lehrplan ihre Aufgabe war (obwohl sie sich redlich bemühte). Sie lehrte mich eines, das mir viel wichtiger ist als jeder Lehrplan, jede Schulstunde. Sie lehrte mich, den damals wohl etwa 14- oder 15-Jährigen, dass es möglich ist, seinen Idealen treu zu bleiben allen Widrigkeiten zum Trotz. Dass es ihn gibt, den ‚aufrechten Gang‘. Dass persönliche Integrität und Ehrlichkeit vor sich selbst zu den höchsten Werten zählen. Dass sie größer sind als all die Dinge, die uns wichtig scheinen im Leben, und die sich doch bei genauerem Betrachten oft als Oberflächlichkeiten erweisen.

Da war Horst.
Er trat in das Leben des damals Anfang 20-jährigen Studenten durch einen jungen Mann, den ich toll (seien wir ehrlich: geil) fand. Bald wurde Horst (in dem früheren Artikel ‚schwul altern‚ noch hinter ‚Bernd‚ verborgen), der damals schon emeritierter Professor und wesentlich älter war als ich, zu so etwas wie einem ‚väterlichen Freund‘. Ja, ich fand es albern, dass Horst nie das Wort ’schwul‘ in den Mund nehmen konnte. Dass er ins Ballett ging, natürlich rein der Kunst zuliebe (und doch die jungen Tänzer anhimmelte). Dass er sich höchstens als ‚homophil‚ bezeichnet haben wollte (geradezu ein Affront, eine Herausforderung für den jungen Ulli, der begann, sich schwulenpolitisch zu interessieren und engagieren).
Zu Horst hatte ich bald Vertrauen, grenzenloses Vertrauen. Ihn konnte ich alles fragen (bis auf, wie es ihm damals erging, in der Nazizeit, diese Erinnerung schmerzte ihn zu sehr). Horst war offen für all meine Fragen, unbedachten Antworten, dummen und unsicheren Bemerkungen. Und er lehrte mich ganz nebenbei, dass es möglich ist, sich selbst treu zu bleiben, ein Leben lang. Er zeigte mir durch sein Leben, was Integrität bedeutet und dass man sie leben kann.
Und Horst hinterließ mir einen besonderen Schatz. Mit ihm lernte ich zu vertrauen. Anders, als ich es bis dahin kannte. Es war irgendwann da, ich weiß nicht wann, noch warum. Irgendwann begann ich, Horst zuzuhören, auch: auf ihn, seine Erfahrung, seine Meinung zu hören, selbst dann, wenn mein Herz, mein Verstand, anderes, gar das Gegenteil sagten. Ich vertraute, weil ich erfahren hatte, dass er, wenn er wieder einmal etwas sagte, was ich nicht recht verstand (oder verstehen wollte) durchaus recht haben konnte. Verstand, nein fühlte, dass er das was ich gerade nicht hören wollte, nicht sagte um mich zu ärgern, mit den Spaß nicht zu gönnen. Nicht, um ‚den Älteren‘, ‚den Erfahrenen‘ heraus hängen zu lassen. Nicht aus unlauteren, eigensüchtigen Interessen. Sondern aus Interesse, aus Sorge, vielleicht auch aus einem liebevollen Gefühl zu mir.
Horst begegnet zu sein, diese Erfahrung machen zu dürfen, war vielleicht die wichtigste Begegnung in meinen Studienjahren.

Onkel Brenner, Frau O., Horst – sie leben längst nicht mehr. Ich erinnere mich ihrer gerne, frage mich in schwierigen Situationen ab und an, was hätte sie getan, wie hätte er mich schräg angeschaut und gesagt …?
Und – sie haben ihren Teil dazu beigetragen, dass ich geworden bin was und wie ich bin. Und zu vielem mehr.

Vorbilder? Für mich eines der Geschenke, die ich in meinem Leben empfangen habe.

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Ich solle doch auch berichten, wie mir diese Vorbilder und die Erfahrungen mit ihnen später im Leben konkret nützlich und hilfreich waren, meint Frank, um Feedback gebeten. Gute Anregung – die ich in einem späteren Post vielleicht aufgreife 🙂

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Konzerte & Festivals unterwegs

London calling

London calling ? ! – zwei Reisen nach London. Ja, Ulli war auch in London – obwohl immer Frankreich- und Paris-Liebhaber.

Zwei London-Reisen werden mir wohl Zeit meines Lebens in besonderer Erinnerung bleiben:

1. Meine erste London-Reise, kurz nach Abitur und Militärdienst 1979, eine der ersten Reisen alleine. Eine Überfahrt mit dem Fährschiff von Bremerhaven (kurz darauf lebte ich 1979 bis 1982 in Bremerhaven), hoher Seegang, stolz mich nicht übergeben zu müssen. Billige Pension. Herumirren in einer Stadt, zu der ich keinen  Zugang finde.

London 1979

Zwei wesentliche Erinnerungen, schneller Sex mit ’nem attraktiven Chinesen auf dem Klo eines Restaurants, und ein super geiles Clash-Konzert (ein Jahr später, am 12. Mai 1980, geben sie auch ein Konzert in Hamburg, in der ‚Markthalle‘). ‚Mein erstes Punk Konzert‘, ein Zufalls-Treffer, ich gestehe, aber Zufalls-Volltreffer damals, im Marquee-Club. London Calling.

„Als Nummer zwei der Londoner Punk-Bands hatten die Clash immer die Aufgabe, den Rätseln der Sex Pistols einen Sinn zu geben …“

Greil Marcus, Lipstick Traces
Der Marquee Club 2007 (Foto: wikimedia commons / Eastmain)
Der Marquee Club 2007 (Foto: wikimedia commons / Eastmain, Lizenz cc by-sa 3.0)

en:Marquee Club on Upper Saint Martins Lane in en:Covent Garden in London in August 2007Kiwi (talk)CC BY-SA 3.0

Geblieben zudem als dauerhaftes Souvenir, tief vergraben irgendwo in einem der Schränke, die damals dort auch gekaufte ‚Miss You‘ Single der Stones.

2. Viele Jahre später. Frank und ich machen zusammen mit einem Freund und einer Bekannten eine kleine homosexuelle Reisegruppe namens ‚Homo Reizen‚. Eine der zahlreichen Reisen führt uns nach London, mit dem Zug, über Zeebrugge. Und – es ist Streik. Die Fähre geht nicht mehr, nicht mehr heute. Übernachten in Zeebrugge, in einem bereit gestellten Zug. Auf der Rückfahrt ein ähnliches Spektakel, überfüllter Zug, unsere Plätze sind trotz Reservierung belegt. Die spanische Mutti mit ihren Kindern scheint nichts zu verstehen. Doch wir haben Jean-Claude dabei, neben vielem anderen auch Sprachgenie. Er spricht mit ihr, vermutlich – wir verstehen nichts, können nur seine Gestik und ihre Reaktionen deuten – recht deutlich. In einer Vielzahl Sprachen, und er beherrscht so einige. Irgendwann, sichtlich hat er einen Nerv getroffen bei ihr, steht sie auf, schnappt ihre Kinder und ihr Gepäck – und wir haben unsere Sitzplätze von Zeebrugge bis Köln.

London. Wie gesagt, einen rechten Zugang habe ich nie gefunden zu dieser Stadt. Ganz im Gegensatz zu Paris.

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Nachdenkliches

Phi Phi

20 Jahre ist Jean-Philippe heute tot.
Der Blick in die Sonne, die Liebe, der Bruder im Herzen, die Wärme.
Die Narben all der Schmerzen, der Trauer, des Unbegreiflichen.
Namu Myōhō Renge Kyō
Phi Phi

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Nachdenkliches

Zwei Dinge von Kant

“Zwei Dinge erfüllen das Gemüt
mit immer neuer und zunehmender Bewunderung,
je öfter und anhaltender sich das Nachdenken
damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mit
und das moralische Gesetz in mir.
Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt
oder im Überschwänglichen außer meinem Gesichtskreis suchen und bloß vermuten.
Ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar
mit dem Bewusstsein meiner Existenz.”

Immanuel Kant
Kritik der praktischen Vernunft / Beschluss
Königsberg 1781/87
(der erste Satz gleichzeitig Spruch der Kant-Gedenktafel an der Schlossmauer in Königsberg)

Immanuel Kant - Zwei Dinge erfüllen das Gemüt ...
Immanuel Kant - Zwei Dinge erfüllen das Gemüt ...

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Nachdenkliches

Noch kein Herbst

Das Jahr 2007 hat also begonnen, ist inzwischen schon gut drei Tage alt.
Das ‚alte‘ Jahr verabschiedete sich bei mir u.a. mit „Grünkohl afrikanische Art“ [dazu vielleicht später einmal mehr], das ’neue‘ begann mit leckerem polnischem Bier.

Kalle weist mich bloggend darauf hin, dass 2007 (ab dem 18. Februar) nach chinesischem Kalender das Jahr des Schweins sei. Was soll mir das sagen? Ich sehe es als gutes Zeichen – schließlich bin ich auch in einem Jahr des Schweins geboren…

2007 ist aber auch das Jahr, in dem sich der Herbst zum 30. Mal jährt, der ‚Deutsche Herbst‘. Welch seltsamer Zufall, dass eines meiner Weihnachtsgeschenke (ungewünscht, aber sehr begrüßt) „Die Dritte Generation“ (Fassbinder) ist.

Vor 30 Jahren: Deutschland im Herbst
Deutschland im Herbst‘, eigentlich war es der Titel eines Films von 1978 – und wurde auch zum Syn­onym für einen ganzen Abschnitt jüngerer BRD-Geschichte.

Deutschland im Herbst – ich war gerade 18 geworden, begann mich aktiv für Politik zu interessieren. Die Jahre vor diesem Herbst waren eh schon nicht mehr von Visionen und Aufbruch der ersten Brandt-Jahre gekennzeichnet, vielmehr von ökonomischen Problemen, Ölkrisen und Schmidt’schem Krisenmanagement geprägt. Dann dieser Herbst 1977 und die folgenden Monate. Wie viele andere auch bekam ich das Gefühl, jetzt kippt dieses Land, jetzt geht es wieder los mit Repression, mit „auf welcher Seite stehst du“, mit schwarz-weiß-Malerei statt (gerade erst beginnender) bunter Vielfalt.

Terroristen der (u.a. von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gegründeten) Rote Armee Fraktion (RAF) hatten am 5.9.1977 in Köln den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführt, um ihn ge­gen die inhaftierte ‚erste Generation’ der RAF auszutauschen. Die Bun­desregierung unter Helmut Schmidt etablierte eine Politik des Nicht-Nach­gebens (‚Mit Terroristen ist nicht zu verhandeln’). Mit der RAF verbündete Kämpfer der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) entführten darauf­hin, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die Lufthansa-Maschine ‚Landshut’.
Am 18.10.1977 stürmte eine Spezial­einheit des BGS, die GSG9, die Maschine, befreite alle Geiseln. Drei der vier Terroristen wurden dabei getötet. Als Reaktion erschossen die RAF-Entführer Hanns-Martin Schleyer. Zur gleichen Zeit starben die in Stutt­gart-Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Vielfach wurde behauptet, bei den Todesfällen habe es sich um Exekutionen seitens des Staates gehandelt. Offizielle Untersuchungs- Kommissionen kamen zu einem gegenteiligen Schluss, Zweifel blieben bestehen.

Die Zeit dieser Vorgänge und die Jahre danach waren in der BRD gekenn­zeichnet von einer politischen Hysterie, die besonders von Presseorganen des Springer-Verlags kontinuierlich geschürt wurde. Der Staat reagierte mit bisher unbekannter Aufrüstung, mit Rasterfahndung, unerbittlicher Härte.
Der CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß bezeichnete die Schriftsteller Heinrich Böll und Günther Grass als ‚Ratten und Schmeißfliegen’.
Sobald sie auch nur einen beson­nenen Umgang mit der Situation forderten, wurden viele Linke, aber auch Liberale als Sympathisanten oder Unterstützer von Terroristen verun­glimpft, beschimpft, verfolgt.
Kaum zehn Jahre nach Willy Brandts ‚mehr Demokratie wagen’ schon wieder ein neues Klima der Repression, Hysterie – selbst im Kleinen, ein laut gerufener Spruch, der mit „Buback Ponto Schleyer …“ begann, konnte schon ungeahnte Konsequenzen bis zum Rauswurf von der Schule haben.

Dieses Klima der Hysterie, Repression und Verfolgung haben Regisseure wie Alexander Kluge, Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder in ihrem Film ‚Deutschland im Herbst’ beschrieben und damit einer Zeit ihren Namen gegeben. Einer Zeit, die immer noch der Aufarbeitung, der Bewältigung harrt.
Eine Zeit, die nun in diesem Jahr schon dreißig Jahre her ist …
Und, um das nicht zu vergessen, immer noch sitzen einige der RAF-Terroristen in Gefängnissen, nach vielen vielen Jahren Knast …

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Nachdenkliches

Zum Neuen Jahr… sapere aude!

“Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.”

Immanuel Kant, “Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?”, 1784

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Persönliches

Frohes Neues Jahr

Frank und Ulli wünschen allen Freunden und Bekannten einen guten Start in’s Neue Jahr !

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Nachdenkliches

Kant – was soll ich tun?

Was ist der Mensch?

Was soll ich tun?

Was kann ich wissen?

Was darf ich hoffen?

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft
Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft

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Erinnerungen Paris

Mauerfall 1989 – wo warst du am 9. November?

„Jubiläum Mauerfall“, unübersehbar, unüberhörbar ist dieses Thema immer wieder omnipräsent in den Medien. Berichte à la „wie ich die Wende erlebte“ oder „“wo warst du am 9. November?“ füllen Spalten und Sendeminuten.

Wo war ich in jenen Wochen? Was bewegte mich als in Berlin die Mauer fiel?

Berlin? Damals für mich weit weg, wenig interessant, es sei denn ich war beruflich dort. Viel näher war mir: Paris.

Dort, in Paris gab es einen jungen Mann, der es mir sehr angetan hatte. Mit dem bald eine große Nähe war, die in der Gemeinsamkeit des HIV Serostatus eine weitere Dimension fand.

Ein junger Mann, der im Herbst jenes Jahres 1989 erstmals ins Krankenhaus kam. Ein Ort, den er wegen Lungenentzündungen, bakterieller Infektionen, Toxoplasmose und was Aids und seine Folgen damals alles zu „bieten“ hatten in den folgenden Monaten nur zu oft sehen, erleben müssen sollte. An dem ich ihn so oft es möglich war besuchte, mich abwechselnd mit seinem Mann um ihn kümmerte.

Diese zwölf Monate vom Herbst 1989 bis zum Herbst 1990, sie sind in meiner Erinnerung eine Zeit vieler Aufenthalte in Paris. Wenige von ihnen mit einigen unbeschwerten, glücklichen Momenten. Viele hingegen voller Sorge, Ungewissheit, Angst.

Mauerfall, Wende – all das war weit weg für mich damals. Ein manchmal näheres, meist eher entferntes Grummeln, das ich wohl wahr nahm, das mich allerdings nicht wirklich erreichte.

Ich erinnere zum Beispiel Kollegen, die an den auf den Mauerfall folgenden Tagen und Wochen immer wieder aufgeregt erzählten, wie es in Berlin war, an und auf der Mauer, in den Straßen, in den Clubs. Wie ich, gerade wieder aus Paris zurück, nur hätte erzählen können von einem jungen Mann, der schwerer und schwerer erkrankte, dahin siechte, verfiel. Und den ich liebte. Dessen einst strahlendes jungenhaftes Lächeln zerbröselte zu einem Gesicht voller Trauer und Hoffnunglosigkeit. Ich hielt meist den Mund bei den Mauerfall – Erzählungen der Kolleg_innen. Zu wenig passten ihre aufgeregten, freundvollen, überschäumenden Geschichten mit meiner eigenen Realität zusammen.

Mein Bezug war in diesen Monaten 1989 / 1990 weniger Berlin, mein Horizont lag weiter westlich. Viele Stunden, Tage, Wochen verbrachte ich in Paris, bei Jean-Philippe.

Am 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer geöffnet. Der 3. Oktober 1990 ist der Tag des „Wirksamwerdens des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland“ – der ‚Tag der Deutschen Einheit‘.

An diesem 3. Oktober 1990 starb Jean-Philippe in Paris an den Folgen von Aids.

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Was ist von Bedeutung?
Was ist wirklich wichtig?
Eine bedeutende Situation so gespalten zu erleben, wie bei Mauerfall und Wiedervereinigung, es sollte sich noch einmal wiederholen für mich – am 11. September 2001, Nineleven.

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Nachdenkliches Paris

tu me manques

Vor einigen Tagen war sein Todestag. Der 19.

Zwanzig Jahre ist Jean-Philippe nächstes Jahr nun schon tot.
Zwanzig Jahre.
Und doch – gelegentlich stehen immer noch gemeinsame Momente vor meinem inneren Auge, schöne wie auch schwierige. Paris Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre.

Zwanzig Jahre.